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Peil'lntt zur „Sächsischen Elb-Ieitnng". Verantwortlicher Rcdactcnr und Verleger: Ludwig Donath in Schandau. Motto: Lieb' alle Menschen, sei nicht Eines Lebens Feind! Doch, welcher Tugend übt, de» bitte: Sei mein Freund! Glci in. Waldgcheimnisse. Novelle. (Fortsetzung.) - Eh' ein Monat verfloß, begrüßte ich die Thore der ewigen Stadt. Dao Collegium Nomanuw em pfing einen neue» Novizen. Es schien, als ob mein Freund Liecht gehabt hätte, meine religiösen Zwei fel begannen sich unter der klugen Leitung der Vä ter der Gesellschaft Jesu fast unmcrklich zu zerstreuen. Nicht das; man versucht hätte, mich durch plumpes Schulmeistern zu überzeugen — nein, man beschäf tigte nur den Geist so, daß ihm kcfnc Muse zum selbstständigen Denken übrig blieb. Ich wurde mit einer solchen Menge mechanischer Studien überhäuft, daß ich ansing einem Uhrwerk zu gleichen, welches man Mch Belieben stellen und auszichn kann. Ms rin Jahr verstrichen war, hatte ich säst den Trieb der freien Selbstbestimmung verloren. Aber die un ausgesetzten geistigen Anstrengungen zerstörten meine körperliche Gesundheit. Man wünschte mich zu er halten, und meine Erhältnng forderte eine Unter brechung mcin-r sitzenden Lebensweise. Man hielt mich für reif genug, um mir eine größere Freiheit zu gestatten. Zum ersten Male sah ich jetzt die alte Haupt stadt der Welt mit den Trümmern ihrer Herrlich keit. Die Betrachtung der erhabenen Ruinen er füllte mich mit staunender Ehrfurcht vor dem Geiste dcö Volkes, das solche Offenbarungen des Göttli chen hcrvorbrachte. Wenn ich unter ihnen wandelte, sah ich im Geiste sie sich mit dem alten Helden be leben, die einst hier ihre Wiege hatten. Wie unbedeu tend erschien mir die moderne Pracht der Kirchen, deren Geläute jetzt die Luft erfüllte, welche einst von den Waffcnllängen der Wcltbesiegcr widcrhallte gegenüber diese» Tcmpelrestcn, diesen Säulen und Triumphbogen der antiken Welt! Wie zwcrghaft er schien mir das Geschlecht, das in den Straßen hcr- umkroch, wenn ich der Horaticr, der Graechcn, der Fabier, der Eornelicr und anderen Hcldcngeschlcch- ter gedachte, welche von hier aus den ErdtreiS mit dem Glanze ihres Stammes überstrahlten! Wie wi derten mich die Mönchsgesialten an, die da betend, oder bettelnd, oder buhlend auf den Boden nmhcr- schlichen, der einst von dem Fußtritt jener Gewalti gen erdröhnte. Wie erbärmlich erschien ich mir selbst! ,— Einst befand ich mich im Palazzo del Conser- vateri in einem jener bewunderungswürdigen Ge mächer, deren von Tommaso Laurcnti und anderen Meistern gemalte Fresken, die berühmtesten That- sachrn darstcllcn. Ich konnte mich nicht satt sehen an jenem Mnciuo Slävola, der sich ohne eine Regung des Schmerzes zu verrathen, die rechte Hand zum Stumpfe verbrennt; an stnem Brutus, der seine beiden Söhne zum Tode verurtheilt, weil sic sich in eine royalistische Verschwörung gegen die Republik eingelaffen; jenen HoratiuS CocleS, der allein einem ganzen feindlichen Heere Widerstand leistet; an jener blutigen Schlacht, welche die Rächer der Lukretia und der Freiheit den Targuinicrn lie fern, und die mit der Verjagung der Tyrannen en dete. Das waren noch Männer, welche mächtige Uebelthäter zu strafen wußten! Ich gedachte meine ohnmächtigten, thatlosen, dumpfbrütendcn Rache. ,Jch war damit feit meinem Eintritt in das Colle gium noch um keinen Schritt vorwärts gekommen; ich wußte noch nicht einmal, auf welche Weise mir die erdürstetcBcsriedigung werden sollte. Ich schäm te mich vor dem Bilde des Brutus — mir schien ein Vater so thcucr wie eine Gattin. — Mit mir befand sich noch ein Beschauer dieser Bilder im Zim mer, dem Ansehen nach ein Künstler, dessen blondes Haar und weißer Teint die deutsche Abkunft ver-' rieth. Wir gcriethen in ein Gespräch miteinander und ich sand meine Vermuthung bestätigt — er war ein Maler aus Sachsen und erst seit Kurzem hier. Wir besahen noch die übrigen Kunstschätze des Pa lastes, und da ich meinem Gefährten an Kenntniß des Altcrthums wie der Landessprache überlegen war, so machte ich mich hierbei nützlich. Als wir schie den, sprach er den Wunsch aus, immer einen sol chen Cicerone zu haben, der noch dazu ein Lands mann sei. Ich bat ihn um seine Adresse und ver-