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MMMTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» .Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung 2 «M. zuzüglich Abtrag. , , , gebühr. Einzelnummern ILNofg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff rr. Umgegend Postboten und unsereAus. träger und Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. 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Aus Anlaß des Verfassungstages sind dem Reichs präsidenten telegraphische Glückwünsche seitens des Königs Ägypten, des Präsidenten der Vereinigten Staaten von A merika, des Präsidenten von Bolivien, des Präsidenten der Republik Kuba sowie vom Schah von «s/fien zugegangen. Der Präsident der Republik ?<ste r r eich hat durch den österreichischen Geschäfts- „.?ller in Berlin seine besonderen Glückwünsche über- D^tettr lassen. Ferner hat sich eine große Anzahl der in beglaubigten Botschafter und Gesandten im Be- chsbuch des Reichspräsidenten eingetragen. Politik mit anderen Mitteln. Eine Fortsetzung der Staatspolitik mit anderer Mitteln hat der bekannte Militärschriftsteller General v. Clausewitz den Krieg genannt. An die Stelle der Ver handlungen am Ti^ch des Konferenzzimmers tritt die Ge walt, um ein angestrebtes Verhältnis der Staaten unter einander herzustellen. Aber auch im Frieden gibt es eine Fortsetzung der Politik mit Mitteln, die an sich nichts mit der Staatskunst zu tun haben. Flieger aller Länder kreisen um Europa im fried lichen Wettstreit um den Lorbeer des Ruhms. Die Olympischen Spiele vereinigen regelmäßig alle vier Jahre die Sportbegeisterten der Welt zum Kampf. Das Luftschiff schlägt die Brücke zwischen zwei Kon tinenten und um das Schicksal der Atlantikflieger bangen sich die Völker ohne Rücksicht auf Nationalität und Stammeszugehörigkeit. Ungewollt erfüllt hier der Sport eine politische Ausgabe. Die Völker kommen einander näher, sie lernen sich kennen und schätzen und manches Vorurteil verschwindet. Der Sport ist ein Zweikampf, ein Krieg im Frieden und als solcher eine Fort setzung der Politik mit anderen Mitteln. Welche hervor ragend politische Bedeutung das Turnen hatte, wie die deutsche Turnerschaft seit 1860 als Vorläuferin der staatlichen deutschen Einheit in nationalen Organisationen fest zusammengeschlossen dastand, ist bekannt. Die Ge eignetheit des Sportes, nationale Verbundenheit zu för dern, hatten zuerst die alten Griechen erkannt, die am' ihren Olympischen Spielen der großen Schar ihrer zer splitterten Stämme und Stämmchen ein erstes Gefühl der Zusammengehörigkeit gaben. Das sind nur einige Bei spiele von vielen, die die politische Bedeutung des Sportes erhärten. Das prachtvolle Wort des Reichspräsidenten v. Hindenburg: „Leibesübungen sind Bürger pflicht!" mag als Bekräftigung und Siegel dieser An sicht hier dienen. Ein anderes Bild: Der Weltreklamckongreß brachte nach Berlin die Vertreter aus aller Herren Län dern. Allein 1400 Amerikaner statteten Deutschland ihren Besuch ab und nahmen Einsicht in Deutschlands Gewerbe fleiß, in deutsches Sinnen und Trachten. Diese Reklame männer und Propagandisten, die gewohnt sind, zu der großen Menge zu sprechen, und die es als ihre Aufgabe betrachten, die Aufmerksamkeit der Massen zu fesseln, sic werden, zurückgekehrt in ihre Heimat, mit eindrucksvollen Worten schildern, was sie hier gesehen haben. Und ebenso wie die Amerikaner so auch die Franzosen, die Engländer, die Belgier usw. Die Reklame ist international, sie über schreitet die Zollschranken und die Grenzen mit der Frei zügigkeit des Geistes und schafft dadurch politische Fak toren von ungeahnten Möglichkeiten. Daß sich bewußt Politiker der Reklame und Propaganda für ihre Zwecke bedienten und noch bedienen, dafür seien als Beispiele Napoleon, Bismarck, Mussolini und als ausgesprochenes Propagandagenie der Engländer Lloyd George genannt Das, Bewußtsein, daß die Reklame imstande ist, politische Aufgaben mitzulösen, hat diese Staatsmänner dazu ge trieben, sich häufig und gern der Reklame und Pro paganda durch Zeitungen, Moniteure, Proklamationen und Vorträge zu bedienen. Aber nur wirklicher Sport und eine Reklame der Wahrheit können die gekennzeichneten günstigen politischen Wirkungen ausüben. Alle Übertreibun gen auf diesem Gebiet sind wie jede Überspannung vom Übel; so, wenn der Sport in Rekordjägerei und die Re klame in Marktschreierei ausarten. Da nützen sie ihren eigenen Zwecken nicht nur nichts, sondern sie schädigen auch das Verhältnis der Völker zueinander. Die Verfassungen der modernen^Staaten haben immer mehr die Völker selbst zu politischer Betätigung heran gezogen. Ob zum Vorteil oder Nachteil der Politik, das wird jeder nach seiner Weltanschauung entscheiden: Der Optimist wird die Berechtigung bejahen, der Pessimist sie verneinen. So kann man über die gewollte politische Betätigung der großen Menge verschiedener Meinung sein, nicht aber wird eine Meinungsverschiedenheit dar über bestehen, daß in der indirekten und ungewollten Lösung politischer Aufgaben, wie sie durch den Sport und die Reklame, diese beiden Kinder der Neuzeit, erfolgen kann, der Staatspolitik gewaltige Helfer und Förderer entstanden sind. —dt. Jas MmuMMin noch nicht geklärt Weitere interne Verhandlungen im Haag Die Sitzung des politischen Komitees im Haag brachte im wesentlichen einen Dialog zwischen Reichs außenminister Dr. Stresemann und dem französischen Ministerpräsidenten Briand. Nach Ansicht des Vor sitzenden der Kommission, Henderson, hat diese Aus sprache das Problem noch nicht hinreichend gefördert, so daß er vorschlug, die Delegierten der an der Rheinland besetzung beteiligten Mächte Deutschland, Frankreich, Eng land und Belgien am Dienstag bei ihm zu einer internen Aussprache zukammenkommen. Das politische Komitee wurde auf Mittwoch vertagt; dagegen wird das Ju ristenkomitee bereits Dienstag zusammentreten. Die Tagesordnung am Montag betras im wesent lichen die Vorbereitungen der Aufgaben für den technischen Unterausschuß, wobei das Datum der Räumung und die Liquidierung der Räumungsfrage zur Erörterung ge standen haben. Die Erörterungen bargen hinter den Einzelerörterun gen offenbar einen Kampf der Meinungen um viel wich tigere grundsätzliche Fragen. Für die französische Seite handelt es sich dabei um die H i n a u s s ch i e b u n g von Entscheidungen, um die noch kaum begonnene Debatte der finanziellen Kommission, also die Annahme und Sicherung des Young-Planes, zunächst gewissermaßen räumlich heranzuholen. Das steht mit dem deutschen Standpunkt von dem Rechtsanspruch auf Räumung im Widerspruch, den Dr. Stresemann deshalb entschieden vertreten mußte. Da man sich nicht ohne weiteres einigen konnte, wurde die von Henderson vorgeschlagene Aus sprache in engeren Kreisen allseitig als zweckmäßig empfunden. An der Aussprache nehmen von deutscher Seite die Reichsminister Dr. Stresemann und Dr. Wirth, seitens der Besatzungsmächte Henderson, Briand und Hymans teil. Ein deutsches Memorandum zur Saarfrage? Der deutsche Reichsaußenminister hat, wie verlautet, dem Ministerpräsidenten Briand ein zwei Schreib maschinenseiten starkes Memorandum über die Saar frage übermittelt, das eine Zusammenfassung der dies bezüglichen Unterredungen des deutschen Botschafters von Hösch mit dem Generalsekretär am Quai d'Orsay Philippe Berthelot enthält und auch das Zollregime des Saargebiets behandelt. Malos Vriand-SttesMM Haag, 12. August. Die geheime Sitzung des politischen Ausschusses hat am Montag, von den technischen Fragen der Rheinlandräumung ausgehend, wieder zu einer größeren Ausspra che über die grundsätzlichen politischen Fragen geführt. Das The ma der Sitzung war ausschließlich die Einsetzung eines Sachver ständigenausschusses sür die mit der Räumung zusammenhängen den Fragen: 1. Räumungstermin, 2. Finanzielle Fragen der Räumung. Briand versuchte, die technischen Schwierigkeiten der Räu mung vorzuschieben und die endgültige Klärung der Räumungs- srage hinauszuziehen. Er betonte sehr stark die nach seiner Auffas sung bestehende Gefahr, daß der politische Ausschuß infolge des fortgeschrittenen Standes der Verhandlungen zu einem praktischen Ergebnis gelangen würde, bevor der Finanzausschuß zum Abschluß gekommen sei. Hierdurch würde sich nach französischer Ansicht die Gefahr einer Präjudizierung der finanziellen Verhandlungen er geben. Von französischer Seite wird somit nach wie vor mit gro ßer Hartnäckigkeit die Auffassung vertreten, daß ein endgültiger Räumungsbeschluß von dem Ergebnis der finanziellen Verhand lungen der Konferenz abhänge. Briand wies in seiner heutigen Rede darauf hin, daß der politifche Ausschuß in seinen Arbeiten schon weit vorgeschritten sei und suchte in längeren Ausführungen die großen Schwierigkeiten einer Räumung im Winter zu bewei sen. Stresemann widerlegte die Auffassungen Briands in Men Punkten und wies die technischen Bedenken zurück. Er erklärte mit größter Entschiedenheit, daß eine Annahme des Youngplanes für Deutschland ohne eine völlige und sofortige Räumung völlig un denkbar fei. Die Räumung fei kein finanzielles Geschäft mit Lei stung und Gegenleistung, sondern eine Forderung der völkerrecht lichen Ethik. Die Welt würde das Ergebnis dieser Konferenz nach dem politischen Ergebnis beurteilen. Frankreich könne der techni schen Schwierigkeiten ohne weiteres Herr werden, wenn es den französischen Truppen einen weiteren Winter im Rheinland erspare. Der RejchswirWastsmimster spricht im Haag. Deutschland das Herz der europäischen Wirtschaft. Die Vermutung, daß das unnachgiebige Verhalten des englischen Schatzkanzlers auf der Haager Konferenz nur einer persönlichen Verärgerung oder seiner Nervosität zuzuschreiben gewesen sei, hat sich als nicht zutreffend erwiesen. Zwar ilt eine Verköbnuna rwikLen Snowden und Chöron erfolgt und der erstere hat "mit Be dauern sich wegen seiner kränkenden Äußerungen ent schuldigt, im Prinzip ist aber Snowden in seiner bisheri gen Stellung durch seine Regierung und sein Land be stärkt worden. Ein Telegramm, das der englische Premierminister Macdonald an ihn gesandt hat, besagt, daß die Finanzkommission einen sehr ernsten Fehler machet und daß die Aussichten für eine baldige Lösung sofort Schiff bruch leiden müßten, wenn man sich nicht endlich dazu verstehe, den Bericht der Sachverständigen zu revidieren, um den rechtmäßigen Forderungen Englands entgegen zukommen. „Alle Parteien und Gruppen des Landes ohne Ausnahme unterstützen die Sache, die Sie führen, jede Zeitung steht hinter Ihnen und alle Parteien im Hause unterstützen Sie ebenfalls." Die Erwartungen also, die man auf ein persönliches Eingreifen Macdonalds für eine Änderung des englischen Verhaltens gesetzt hatte, dürften nicht in Erfüllung gehen. Nach der formellen Beilegung des Konfliktes Snowden—Chöron tagte der Finanzausschuß wieder am Montag vormittag und behandelte ausschließ lich die Frage der Sachlieferungen. In der Aussprache hat lediglich der Reichswirtschaftsminister Dr Curtius und der italienische Sachverständige und Abgeordnete Pirelli das Wort ergriffen. Minister Curtius hat in einer groß angelegten frei gehaltenen Rede den Standpunkt der deutschen Regierung zu den bisherigen Aussprachen im Finanzausschuß dar gelegt. Er stelle das Interesse fest, das Deutschland an einer Aufrechterhaltung des im Aoung-Plan vorge sehenen Sachlieferungssystems hat. Er drückte die be stimmte Erwartung aus, daß Deutschland keine neuen Zumutungen im allgemeinen und im besonderen hinsicht lich der Sachlieferungen gestellt würden, die über die Opfer hinansgingcn, welche der Uoung-Plan von Deutsch land forderte. Er erkenne loyal die englischen Interessen an. Eben so loyal müsse aber anerkannt werden, daß Deutschland insofern gegenüber England in einer völlig anderen Lage 'ei, als Deutschland die solide Grundlage einer aus reichenden Kapitalversorgung entbehrt. Curtius ivies dann weiter darauf hin, daß ebenso wie in Eng land der deutsche Anteil am Welthandel von 12,7 Prozent im Jahre 1013/14 auf 8,7 Prozent im Jahre 1027, also tärker als in England zurückgegangen sei. Auch der deutsche Exporthandel sei um 20 Prozent gegenüber dem Zorkriegshandel zurückgegangen. Ferner bestehe in Deutschland das gefährliche Problem der passiven Handelsbilanz, pas in England durch die Eingänge ans Auslands- rnlagen behoben würde. Dem Hinweis auf die außer- srdentliche Arbeitslosigkeit in England könne nit dem gleichen Hinweis auf die schwere Arbeitslosig keit in Deutschland begegnet werden, die noch vor kurzem fast drei Millionen betragen hätte. Dr. Curtius betonte mdlich, man sei nicht zur Konferenz gekommen, um an einem Opfcraltar Klagelieder anzustimmcn, sondern um praktische Arbeit zu leisten. Curtius ging Hann auf die Frage der Wiederausfuhr ein und wies darauf hin, daß diese heute verboten wäre. Deutsch land habe kein Interesse an der Wiederausfuhr. Curtius nahm sodann zu dem Kostenproblem Stellung, legte sich jedoch hierbei eine gewisse Zurück haltung auf. Niemand in Europa habe ein Jntcrcffc an einem Darniederliegen der Wirtschaftszweige anderer Kon kurrenzländer. Alle seien an einer neuen Blüte der ge samteuropäischen Wirtschaft in gleicher Weise interessiert. Deutschland sei nicht nur daS Land der euro päischen Mitte, sondern auch das Herz der europäischen Wirtschaft. Europa könne nur dann gedeihen, wenn sein Herz ge sund sei. Die englischen Befürchtungen unbegründet. Im Anschluß an die Rede Curtius ergriff der ita lienische Sachverständige und Abgeordnete Pirelli das Wort. Er wies nach, daß die englischen Befürchtungen der Schädigung des englischen Kohlenhandels durch die Tribuikohlenlieferungen unbegründet seien. Grundsätz lich erklärte Pirelli sodann, daß alle Tributleistungen nur durch Güter und Dienstleistungen erfolgen könnten, wenn auch unvermeidlicherweise durch sie die Wirtschaft der empfangenden Länder litte. Die Verhandlungen wurden auf Mittwoch vertagt. Neue Hoffnungen. In amtlichen Kreisen in London ist die Hoffnung wieder erwacht, daß sich der Himmel über der Haager Konferenz wieder erhellen wird. Die Vertagung der Finanzkommission auf Mittwoch wird als gutes Anzerchen betrachtet.