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Feuilleton. Der Legionär. Ein« wahre Begebenheit aus Deutsch-O«sterreich- scbwerer Zeit von Emil König. (5. Fortsetzung.) Inzwischen waren die Schläge an die Zimmerthür immer dröhnender geworden. Die Pochende», erbittert über daS lange Warten, riefen: „Im Namen deS souveränen Volkes, öffnen! Aufgemacht im Namen deS souveräne» Volke-!" „Schlagt die Thür ein, wenn nicht aufgemacht wird!" schrieen Andere dazwischen. Wollte ich die Thür nicht in Trümmern hivfinken laffen, so «ar eS die höchste Zett, daß ich öffnete. Rasch warf ich den Rock von mir, brachte da- Bett in Unordnung, alS hätte ich bereit- darin gelegen und sei nur durch den Lärm anfgeschreckt worden, springe zur Thür und frage: „WaS giebt'S, wer ist draußen? WaS sucht man hier noch so spät?" „Einen Feind der Freiheit! einen Verräther!" schrie» Stimmen «irr durch einander. .Aufgemacht, i» Namen de- Volkes!" Heraus mit ihm! Wir wollen den Verräther!" „Und den suchet Ihr bei mir?" entgegnete ich, Ruhe erkünstelnd. Ein Schwarm von Menschen, in dem alle öster reichischen Nationalitäten und alle österreichische» Sprachen »ad Dialekte vertreten waren, drängte sich durch den Zimmereiagang Im No war da- kleine Zimmer gefüllt. Ein Ezeche, der mit der einen Hand einen mäch tigen Knüttel schwang, in der anderen Hand eine Etall- laterne trug, fragte barsch: „Warum öffnet Ihr nicht sogleich?" „Ich schlief!" war meine Antwort. „Ha, wie kann man schlafen" — rief der Ezeche — „wenn die Verräther haufenweise herumlauft»?" „Meine, Freunde", entgegnete ich, „drei Nächte hintereinander habe ich durchwacht; jetzt verlangt die Natur auf Augenblicke ihr Recht." „BH, schauen'S denn nit", rief ein Anderer in Wiener Mundart dazwischen, „der ist holt Aner von der Legion; eS ist ja der Herr Z ... . vom Komitv!" „Vivat, Eljen, Hurrah, Evviva!" — schrien Etliche durcheinander und wollten eben abziehea, al- der Laternen träger, der Ezeche, protestirte. Er erklärte ganz be stimmt, man habe gesehen, daß der Verräther hierher geflüchtet und gleichzeitig mit einem Legionär durch daS , HauSthor verschwunden sei. Um auch nickt den ge ringsten Verdacht ans mir zu belassen, müsse ich eine genaue Durchsuchung meiner Wohnung gestatten. Trotz der Einrede verschiedener, daß da- eine B«- leidignvg meiner Ehre sei, begann die Visitation von Kästen und Bett. Jetzt begann eS mir doch auch für den Verborgenen sowohl, wie für mich selbst bange zu werde»; deun wenn sie den verborgenen in ihrem Ver stecke entdeckten, so war e- um un- Beide geschehen. Da schrieen plötzlich wuthzitternde Stimmen: „Hierher, hierher!" „Der Schurke hat ein Loch entdeckt, hier ist ein geheimer AuSgang!" Und in der That hatte man im Hofe de- Gebäude Ar 26. Dienstag, den 1. März 1887.49. Jahrgang. Abonnements - Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Dorfzeitung" für den Monat Mürz nehmen alle kaiserlichen Postanftalten und Postexpedittonen, sowie auch alle Landbriesträger gegen Vorausbezahlung von 5V Pf. entgegen. Die Verlags-Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Jetzt, da die Annahme der Militärvorlage feiten- deS Reichstage- gesichert erscheint, athmet da- Volk erleichtert auf und schöpft frische Hoffnung auf Erhaltung deS Frieden-. Die officiösen „Berl. Pol. Nachr." warnen jedoch davor, die Lage zu günstig zu b«ur- theilen. Sicher ist — so schreibt da- Blatt — daß daS Ergebniß der deutschen ReichS<agS«ahlen im AuSlande einen tiefen Eindruck hervorgebracht und dem provo katorischen Vorgehen der Friedensfeinde im Westen und Osten einen momentanen Dämpfer aufgesetzt hat. CS gilt nun, diesem Dämpfer eine Kraft zu verleihen, daß der ErpansionStrieb der eingezwängten Revancheleiden schaften wirksam niedergehalten wird. DaS kann durch die bevorstehenden Stichwahlen geschehen, wenn deren Er- gebniß die bei den Hauptwahlen so sieghaft hervorgetre- tene nationale Tendenz in gleich starker Weise bestätigt. Jeder Zuwachs, den die Stichwahlen den nationalen Parteien bescheeren, dürfte die Wahrscheinlichkeit, daß der Friede erhalten bleibt, steigern; jeder Wahlsieg der Opposition wird dagegen unseren Feinden neuen Muth einflößen und die moralische Tragweite der jüngsten Kundgebung deS deutschen VolkSwillenS beeinträchtigen. Somit sollte die Entscheidung, welchem Kandidaten die Stimme zu geben ist, keinem Bürger schwer fallen, der eZ mit dem Vaterlande aufrichtig meint. Unsere in der vorigen Nummer gebrachten Mit- theiluugen betreffs des Wahlergebnisses bedürfen noch einer Korrektur. Nach der officiellen Feststellung wurden nemlich gewählt: 72 Konservative, 33 Frei- kouservative, 90 Nationalliberale, 2 Liberal, ohne genauere Fraktionsbezeichnung, 91 Ultramontane, 2 Welfen, 12 Polen, 15 elsaß-lothringische Protestler, 1 Däne, 12 Deutschfreisinnige, 6 Socialdemokralen. An den sich nothwendig machenden 61 Stichwahlen find betheiligt: 39 Nationalliberale, 29 Deutschfrei- finnige, 16 Socialdemokraten, 15 Konservative, 9 Frei konservative, 9 Ultramontane, 3 Polen und 2 Welfen. In dem aufgelösten Reichstage hatten die Parteien folgende Stärke: 75 Konservative, 28 Freikonservative, 52 Nationalliberale, 109 Mitglieder de- EentrumS eiu- schließlich 11 Welfen, 16 Polen, 15 Elsaß, Lothringer, 1 Däne, 64 Deutschfreifinnige, 25 Socialdemokrate«. Unter den Beußerungen der englischen Presse über da- Ergebniß der deutschen ReichStagSwahlen sind ins besondere die der „TimeS" und deS „Standard" von Interesse. Das erstgenannte Blatt glaubt nicht an eine große Verschiebung der Parteien im Reichstage, ist aber überzeugt, daß daS Septennat angenommen werden wird. WaS die päpstliche Intervention anbetrifft, so meint daS Blatt, daß dadurch daS Vertrauen mancher Katholiken zu ihren Führern erschüttern werden würde. Die Thatsache, daß der Papst in seinen Ansichten von denen Windchorst'S abweiche, dürfte sicherlich die DiSciplin in den Reihen der klerikalen Opposition erheblich lockern. Der „Standard" gelangt gelegent lich der Betrachtung der einzelnen Parteien der deutschen Volksvertretung und ihrer Ziele zu dem Ergebnisse, daß eigentlich nur bei den Konservativen und Nationalliberalen diejenige Gesinnung vorzusinden sei, welche man in England mit dem Begriffe Vaterlandsliebe in Ver bindung zu bringen pflege. Mit Bezug auf den Ein fluß, welchen man sich vielfach von dem Ergebnisse der deutschen Wahlen auf die Erhaltung deS Frieden- ver spreche, äußert daS Blatt seine Zweifel. Ebensowenig wie anzunehmen sei, daß Fürst BiSmarck im Falle eines ungünstigen Wahlergebnisses einen Hrieg herbeigeführt haben würde, ebensowenig dürfe man glauben, daß der Sieg der deutschen Regierung bei den Wahlen jede Kriegsgefahr abwende. DieS würde nur dann der Fall sein, wenn man in Paris zu der Ueberzeugung gelange, daß Deutschland fest entschlossen sei, in seinen Rüstungen stelS gleichen Schritt mit Frankreich zu halten und letzteres daher sein Geld unnützer Weise für daS Militär verschwende. Kaiser Wilhelm, welcher mit großem Interesse den AuSgang der Wahlen verfolgt hat, soll dem Wunsch« Ausdruck gegeben haben, den neuen Reichstag in eigener Person zu eröffnen. — Einer Meldung auS Wien zu folge beabsichtigen di« Kaiser von Oesterreich-Ungarn und Rußland sich zum 90. Geburtstage deS Kaisers Wilhelm nach Berlin zu begeben, um dem greisen Monarchen mündlich ihre Glückwünsche darzubringen. Der Herzog von Altenburg hat an einen in seinem Lande gewählten ReichStagkabgeordneten ein Handschrei ben gerichtet, worin es u. A. heißt: „ES ist mir ein wahres HerzenSbedürfniß, Ihnen gegenüber noch beson ders zu betonen, wie hoch erfreut ich über daS glän zende Ergebniß unserer ReichStagSwahlen bin und wie innig und warm die Wünsche sind, mit denen ich Ihre bevorstehende Thätigkeit im deutschen Reichstage begleite. Daß die Wähler an dem Tage der Wahl aber so ent ¬ schiede» und i» so gewaltiger Majorität für dasjenige eiagetreten sind, was von unserem erhabenen edle» Kaiser und seinen weisen Rathgebern für nöthig ge halten wird, erfüllt mich wahrhaft mit landeSväterltchem Stolze und giebt mir die zuversichtliche Hoffnung, daß auch in Zukunft, in guten wie in bösen Tagen, mein liebe- Altenburger Land in der Treu« für Kaiser und Reich mit seinem Herzoge immer einS sein wird. Für die Niederlage, welche die deutschsreisinaige Partei bei den soeben stattgrhabten ReichStagSwahlen erlitten hat, macht die „Dresdner Zeitung" in erster Linie die Führer der Fraktion und zwar insonderheit den Abg. Richter verantwortlich, indem sie schreibt: „Die bis herige Fraktion der deutschfreisianigen Partei im ReickS» tage har eS durch eine kurzsichtige und verkehrte Taktik dahin gebracht, den Liberalismus im Laake zu ruioiren. Die Liberalen werden eS sich nicht fernerhin gefallen laffen, daß sich eine Handvoll eigensinniger und unduld samer Herren, welwe zufällig eia Mandat erhalten haben, alS Inbegriff der freisinnigen Partei deS deutschen Vaterlandes aufspielt. Diese Fraktion hat fortan ihren Schwerpunkt nicht im Parlamente, sondern in der Wählerschaft. Wir können unö über die furchtbare Niederlage, welche die freisinnige Partei nunmehr erlittten bat, nicht im Geringsten wundern. Der Fraktion «st jedwede Fühlung mit dem Volke, jedwedeS Verständnis für die Volksseele abhanden gekommen. Man kann wohl Kindern, aber nicht Männern einredea, daß an dem Ausfälle der Wahlen nur die Beeinflussungen seitens der Regierung Schuld seien. Derartige Manöver können wohl hier und dort ein Resultat ändern, aber sie können nimmermehr eine so gewaltige Niederlage herbeiführen, wie eS ge schehen ist. DaS zeigt die Erfahrung, zeigt die Ge schichte. Warum sind denn in der preußischen Kon fl,ktSzeit trotz aller Beeinflussungen die Wahlen, selbst bei öffentlicher Abstimmung, immer günstiger für den Freisinn ausgefallen? Nein, man soll sich darüber keiner Täuschung hingeben: stände daS Volk auf Seite der freisinnigen Fraktion, so wäre alle gegnerische Agitation vergeblich gewesen. DaS Volk hat gegen die freisinnige Partei entschieden. Mit dem heutigen Pro gramme, mit der heutigen Taktik wird eS die freisinnige Partei niemals wieder zu einer achtunggebietenden Stellung im Reichstage bringen." Die diesmaligen ReichStagSwahlen in Elsaß-Loth ringen — so schreibt man der „Politischen Korrespon denz- auS Straßburg — haben im Brennpunkte deS europäischen Interesse- gestanden und es ist daher nur zu erklärlich, daß die Landesregierung von dem sonst beobachteten Grundsätze, sich allen Eingreifens in die Wahlagitation zu enthalten, Abstand nahm. Wenn trotzdem kein einziger deutsch gesinnter Kandidat gewählt eine kleine Thür offen stehend gefunden, welch« in ei» Seitrngäßchen führte. Schnell und lärmend, wie die unwillkommenen Gäste gekommen waren, waren sie auch wieder ver schwunden. Ich athmete erleichtert auf. BIS auch die letzten Schritte verhallt waren, öffnete ick den Schrank. .Leben Sie noch?' flüsterte ich, noch immer im Dunkel« stehend. „Ja, Dank Ihre« Edelmuthe! Sie haben einem Unbekannten, einem Parteifeinde daS Leben gerettet, »ie, nie werde ich Ihnen daS vergessen!" Eine feuchte Hand drückte die meine — und bevor ich - mir noch versah, stand ich allein im Zimmer; mein Schutz befohlener war durch die «ngelehnte Thür geräuschlo- wie ein Schatten entschwunden. Oft habe ich später jene- AbendS gedacht; nie mals aber kam auch nur ein einzige- Wort betreff- deS Vorfälle- über meine Zunge und e- ist mir selbst unbegreiflich, daß mich ein unbestimmtes Gefühl heute dazu drängt. Ihnen gerade diese- Ergebniß zu erzählen." Mit sichtbarer Bewegung halt« besonder- der Baron diesem Theile der Erzählung gelauscht. Et»ige Male schien er den Erzähler unterbrechen zu wollen; er hatte aber stet- wieder an sich gehalten. Am Schluffe jedoch öffnete er schon den Mund, alS ihm ein von Joseph nicht bemerkter Dink deS ältere» Herrn denselben wieder verschloß. „Bald darauf begann jene grauenvolle Periode" — fuhr der Legionär fort — „Wien kam unter die Herrschaft deS StaudrechtS. DaS Blut floß in Ströme». Die Brigitten-Au kann davon erzählen; dort sank auch Akpid. ». Nrdaktt«» Dresden «Rei»ftadi L «ettzmr «affe S. Die Zeit»»- erscheint Dteufta«, B»»««rft»g und «o»»ade»d früh. UdouueuwutS» Preis: tzierttljährl. Mk. 1^0. 8» beziehen durch di« kaiserlichen Post, «»stalten und durch unsere Boten. Sei freier Lieferung m» HauS erbebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Psg. <t SiMche VoMlmK werde» bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angaunmne» u»b tosten: dte1spalt.Aeile15Pfz Unter Eingesandt: NPfg. Sin unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. 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