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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230509
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230509
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-09
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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' Durch die Post inDeutschlandmonatl.M-1600 d AnZtigeNpre^S. ,aae: Etnsp^smm vr. ww-Zetle -v^AUgSpkklS. und BesieUgebühren; Ausland M. 8600 mir auSw.Znsereni. M. 270. Sonderpreise: Yamtlienan,. v Priv. Porio Erscheint täglich morgens, anker MonlagS. Hotzere MM W M MM M M M W M MM MM M M mm-Zcile M. .iO.OIclcgcnbeiiSan;. >priv. Naiurlu. SieUcnnngev.mm. Gewalt schlrekt Erfüllung aus. SchriNleiiung. Geschäitssielle, M. W > M M M M. M MMN Zeile M. 75. Stcllenges wm Z.eiic M. 60.amil. Bekannim. Tovpel- Druckerei: Letpzig, Johannisgassc 8 (gernsprecher 17080-170S2); M V W »M mw-ZeileM.S0O.f.auSw.M.540.Rekl 72mmbr..mm-ZetleM.75O,s.auSw ebenda und m allen Filialen Anzeigen- und Abonnement» M.1200.Au»landSan,.m.Valutaaulschl. Bei Wtederb. Nachlaß Plav- Annahme; auch nimmt jedes Postamt Bestellungen an. u.Datenvorsch.unverbindl.arfUll.-crtLetpztg. Pos«schrckk.LeipzL00<. . Das Leivztaer rageblatt -««hält amtliche «eraaatmachaaae» »es Rates der Stadt Letvzis, »es V»u»»wr8stdi««s Lewsia, des AmtSserichtS 8eip,i«, soioie verschiedener anderer Behörden Xr. 108 einrslnummsr 2S0 mark AUttvock, üea 9. Mal 1923 ^SfN-^USMSdS 117.)udrg. Bethlens Reise Bon Rurs Budapest, Anfang Mak. Der ungarische Ministerpräsident hat in Ge sellschaft seines Finanzministers eine Rundreise in die Entente-Hauptstüdte angetreten, um „die zuständigen Stellen über die trostlose wirtschaft liche Lage Ungarns zu unterrichten" und — nach österreichischem Vorbild — die Aufhebung der Pfandrechte und eine internationale Anleihezu betreiben. Man sagt, Bethlen habe, ehe er die Reise an trat, von Frankreich ermutigende Zusagen erhalten. Ob das richtig oder nur ein Ausfluß des ungarischen Optimismus ist, läßt sich augen blicklich nicht feststellen. Sicher ist nur, daß Bethlen von Wien aus in französischer Beglei tung seine Fahrt fortsetzte, was aber vielfach so ausgelegt wird, daß Bethlen Zusagen gegeben und nicht erhalten habe. Ja, unter Hinweis auf die gleichzeitig mit Bethlens Abreise erfolgte Kon stituierung der Sch neider-Creuzotschen Budapester Hafenbau-A. -G. sagt man, Bethlen sei über Zusagen schon weit yinaus gegangen und habe Frankreich schon greifbare Gegendienste geleistet. Ob er mit seiner ein seitigen Stellungnahme für Frankreich zum Ziel gelangen wird, muß übrigens noch abgewartel werden. Italien und England haben doch auch ein Wörtchen mitzureden, und daß besonders Italien auch tatsächlich mitsprechen will, mögen die ungarischen Pilger aus der Tatsache entnom men haben, daß zu ihrer Verabschiedung neben dem Budapester französischen diplomatischen Ver treter auch der italienische am Bahnhof sich ein fand. Bethlen wird kein leichtes Spiel haben. Wenn es schon so große Mühe kostete, für das mit aller Welt ausgesöhnten Oesterreich ein Almosen zu erreichen, wie viel schwerer wird es dem noch nach allen Richtungen hin isolierten Ungarn fallen, etwas zu erhalten. Wenn Seipel nach Rom fährt und man zürnt ihm deshalb in Prag, besucht er einfach auch dis Tschechen, denn der gefügige . Oesterreicher findet schließlich überall eine offene Tür, was der stolze Ungar von sich nicht behaup ten könnte. Die Vorbedingung, für eine erfolg reiche Anleiheaktion wäre wohl die Klärung der außenpolitischen Lage Ungarns gewesen. Bethlen wird aber in Paris peinliche Fragen über das Verhältnis Ungarns zu seinen Nachbarn zu be antworten haben, denn Frankreich kanZ sich doch nicht in einem Ungarn engagieren, das mit den Staaten der Kleinen Entente sozusagen auf Kriegsfuß steht. Eine mögliche Lösung wäre, daß gelegentlich der Pariser Verhandlungen der Versuch gemacht wird, Ungarn mit seinen Nach barn auszusöhnen oder vielleicht gar seinen An schluß an die Kleine Entente vorzubereiten. Bethlen wird, da er nun einmal den ersten Schritt getan hat, auch an diesen zweiten Schritt gedacht haben. Daß er den Einfluß der Kleinen Entente in Rechnung gezogen hat und nament lich den Weg nach Prag freibekommen will, be weist jedenfalls die Zurückhaltung, die sich die ungarische Regierung gelegentlich der Erledigung der letzten Grenzzwischenfülle auferlegt hat. Die Aussöhnung Ungarns mit seinen Nachbarn ist übrigens auch in der ungarischen öffentlichen Meinung recht gut vorbereitet. Man ist sich darüber klar, daß Ungarn wirtschaftlich nie gedeihen kann, wenn es seine Politik des Schmollens fortsetzt, und die wirtschaftlichen Not- Wendigkeiten wiegen heute schon schwerer als der beleidigte Nationalstolz. Bezeichnend ist, was dieser Tage sogar der ehemalige Außenminister Gustav Gratz, ein Führer der „historischen"' Richtung und verbissener Legitimist, über die ungarische Außenpolitik schrieb. Am Schluß eines dem Andenken des Grafen Julius Indrässy d. Ä. gewidmeten Artikels meint er: „Wie nötig wäre uns heute ein Mann, der uns helfen würde, den Weg zu finden, der ohne Preisgabe nationaler Ideale, aber auch ohne starres und trotziges Fest- halten an der unveränderten Wiederherstellung von unerreichbar gewordenen Verhältnissen zur Auffindung jener neuen Formen führen würde, unter denen sich Ungarn den geänderten Ver- hältnissen anpassen muß und eben weil es muß, sich auch anpassen kann." Die Franzosen bauen bei Budapest einen internationalen Freihafen. Das Donauknie ist jedenfalls ein sehr geeigneter Punkt für die Errichtung eines großen Hafens; denn hier hat die Donau ein mächtiges Hinter land: die ganze Ost-Slowakei, Ungarn, Sieben- bürgen gravitiert wirtschaftlich hierher. Schnei- der-Treuzot wird alles daran setzen, damit in diesem seinem Hinterlande Ruhe geschaffen wird. Aber auch für Ungarn selbst hätte die angestrebte Anleihe nur dann wirklichen Wert, wenn Ver hältnisse geschaffen werden, die ihm die Verwen dung des Geldes zum Wiederaufbau ermöglichen. Hierzu bedarf es aber des freien Verkehrs mit seinen Nachbarn, denn seine Industrie kann cs fiebenbürgischen Holzes, der dec tschechischen Kohle, des serbischen und rumänischen Marktes, sein Ackerbau des tschechischen und österreichischen Verbrauchers nicht entraten. Budapest will als Balkan-Handelszentrum Wien Konkurrenz machen, es muß sich also dem Balkan anpassen. Bethlen wird, wenn man es in Paris wünscht und ermöglicht, auch nach Prag fahren. Vorausgesetzt, daß man es ihm in London und Rom nicht wieder verbietet. London ist an dec ungarischen Schiffahrt, Rom am ungarischen Nationalismus interessiert. Dazu kommt jetzt noch Amerika, das die mitteleuropäischen Bah nen haben möchte. Es ist ein recht verwickeltes Geschäft, für ein viel umworbenes Land eine Anleihe zu erlangen. IS Jahre GefMgMs für Krupp - pariser Sorgen Die englisch-italienische Annäherung Eigener Drahlbericht des Leipziger Tageblattes Pari», 8. Mai. Die Iournö Industrielle bespricht die Aussichten der Regierung am Beginn der neuen parlamen tarischen Session und bemerkt dabei, daß die Stellung des Kabinetts Poincarö nur dann ernstlich erschüttert werden könnte, wenn ein« allzu offene Abkehr Englands und Italiens von Frankreich einträte. Sollte es zu einer der artigen diplomatischen Spannung kommen, so würde sie vermutlich auf die Rom-Reise des Königs von England folgen. Das Journal bedauert, daß Frank reich nicht den Engländern mit einem ersten Besuch des Staatschefs im faschistischen Italien zuvor ge- kommen ist. Er hebt ernstlich hervor, daß England bemüht ist, sich mit Italien und gleichzeitig mit der Türkei zu verständigen, um dadurch der franzö sischen Politik das Wasser abzugraben. Auch die Organe der Linksparteien besorgen die Möglichkeit einer englisch-italienischen Annäherung zum Schaden Frankreichs und machen Poincare da für verantwortlich. <<Die Ere nouvelle führt aus, es sei klar, daß Italien seine auswärtige Poli tik ganz nach der Politik Englands einrichte. Frank reich begünstige durch sein Sondcrvorgehcn die Bil dung eines englisch-italienischen Blocks, der nicht ohne Gefahr für die französische Politik in Europa sei. Das Oeuvre meint, die England verletzende Haltung Poineares sei doppelt ungeschickt gewesen, da sie vor der Abreise des englischen Königs nach Rom Berstimmung in London erregen mußte. Statt der franzöfisch-englischen Wiederannäherung werde jetzt die italienisch-englische Wiederannäherung statt finden, und es sei fraglich, was danach von Italiens Mitwirkung im Ruhrgebiet übrig bleiben werde. * Poincare wird am Donnerstag in Vichy bei der Eröffnung des Kongresses der früheren Kriegs teilnehmer eine wichtige politische Rede halten. Rönigstage in Rom Italiens Hoffnungen zum englischen KSnigsbesuch Nom, 8. Mai. Das englische Königspaar ist heute vormittag auf seiner Italienreise in Nom eingetroffen und mit allem Pomp, der für solche außerordentliche Besuche zur Verfügung steht, vom Bahnhof abgeholt worden. Zwischen endlosen Reihen Beifall klatschenden Volkes, das sich hinter Militär und Nationalmiliz, drängte, fuhren die Galakarossen zum Quirinal, während in der Luft drei Luftschiffe und zahllose Aeroplane kreisten. Dieser äußeren Aufmachung entspricht der Ton der politischen Kommentare. Lord Curzons Fehlen hat etwas enttäuscht, aber eine offizielle Note stellt fest, daß dadurch die Bedeutung des Besuches nicht vermindert wird. Die englische Krone lege Wert dar auf, daß eine Handlung, wie sie dieser Besuch, der die Beziehungen der Herrscherhäuser betrifft, dar- stellt, nicht in den Verdacht gerät, mit der politischen Orientierung des Landes verquickt zu werden. Dafür hatte der englische König vor seiner Abreise eine Un- tcrredung mit Lord Eurzon, und nach wie vor ver sichert man, daß Bonar Law, der am 9. Mai in Ge nua eintreffen wird, auf einige Tage nach Rom kam- men werde. In den Kommentaren der Presse kommt außer dem gebräuchlichenHöflichkeitston klar die große Hoffnung zum Ausdruck, mit der man hier den Folgen dieses Besuches entgegensieht. Man bringt sie natürlich in Zusammenhang mit der schwe benden ktalienisch-englischen Frage der kolonialen Grenzverbesserungen und den italienischen Interessen in Kleinasien. Aber man unterstreicht auch ganz offen, daß man hofft und also auch wünscht, die italienisch englische Solidarität möge sich nicht zuletzt auch in der kontinentalen Politik beider Länder und in erster Linie mit Rücksicht auf das Problem der Stunde, d. h. die Lösung der Reparationsfraaen und dem fried lichen Wiederaufbau Europas, finden und bewähren. Frankreich zu interalliierten Besprechungen bereit Pari», 8. Mai. Wie der Petit Parisien mitteilt, hat der franzö sische Botschafter in London Graf Saint Aulaire die englische Regierung wissen lassen, daß die fran zösische Regierung zu einem Meinungsaus tausch unter den Alliierten über die Reparations frage bereit sei. * Der diplomatische Berichterstatter des Daily Tele- graph meldet, es sei wahrscheinlich, daß die britische Note in Berlin die Anregung übermitteln wird, daß Deutschland ein genaueres, greifbareres Angebot ma chen soll. Die britische Ansicht gehe dayin, daß kei nerlei Präliminarbedingungen hin sichtlich der Ruhrräumuna die Eröffnung von Verhandlungen behindern dürften» Werven, 8. Mal. (Sig. Draht bericht.) Die Lchuldfragen wnrven be jaht. Krupp zu 15 Jahren Gefängnis unv IVO Millionen Mark, Direktor Bruhn zu 10 fahren Gefängnis unv IVO Millio- Am heutigen, voraussichtlich letzten Tage des Prozesses gegen Krupp und seine Direktoren ist die Absperrung noch strenger als ge wöhnlich. Unter dem Publikum sieht man heute viel mehr Franzosen. Namentlich ist eine große An zahl Offiziere der in der Gegend liegenden Truppen teile im Saale anwesend. Zu Beginn der Verhand lung läßt der Präsident des Kriegsgerichts durch den Dolmetscher die Anwesenden vor Lärmdemonstra- tionen warnen. Dann ergreift der Vertreter der Anklage Hauptmann Duvert, das Wort. Er schildert zunächst die Vorgänge am 31. März in den Krupp-Werken. Nach seiner Ueberzeugung handelt es sich um eine Machination zur Sabotage französischer Befehle. Das Sirenengeheul anzuordnen, lag allein in den Händen der Direktion. Krupp ist der Direktor, er ist ver antwortlich. Tausende von Menschen haben sich gegen ein' paar Franzosen gerichtet. Man warf aus dem Direktionsgebäude, von wo aus man die Vorgänge beobachten konnte, auf die Menge Flugblätter, di» dem Propagandabureau entstammen. Wir wissen, daß in der Feuerwxhr eine Reihe von ehemaligen Schupobeamten eingestellt war. Der kommandie rende General in Düsseldorf weiß, daß einzelne An gestellte zu Spionage und Sabotage benutzt worden sind^ Krupp ist der Chef der Werke. Die übrigen Direktoren haben mit ihm kommandiert. Krupp hat seine Leute zum passiven Widerstand aufgefordert, nach den Weisungen, die er aus Berlin erhalten hat. Er kam auch, wie er das selbst ausgesagt hat, nach Essen zurück, um die Verantwortung zu übernehmen. Die Direktion konnte nur den Befehl zum Ziehen der Sirenen geben. Tausende von Arbeitern waren auf di« Demon stration vorbereitet und eingestellt. Der Betriebsrat ging zu Schräpler. Angeblich war niemand anderes im Hause, dabei saßen aber in demselben Stock werk die Herren von Krupp, Hartwich, von Bülow zusammen und wußten nichts von dieser Sitzung, und keiner dachte daran, daß die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört werden könnte. Als die Sirenen ertönten, stürzten Arbeiter und Angestellte aus den Werken. Der Photograph des Hauses stand am Fen ster, die Herren gingen an die Fenster und beobachte ten die Vorgänge. Müller sprach zu den Leuten und reizte sie auf. Direktor Groß hat offen zum Wider stand aufgefordert. 14 Arbeiter haben bei diesen Machinationen ihr Leben eingebüßt, und die Flug blätter haben ihren Teil dazu beigetragen. Der An klagevertreter stellt dann die Strafanträge. Als erster Verteidiger spricht Rechtsanwalt L>r. Grimm-Essen für die drei des Motorraddiebstahls Angeklagten. Sie haben das Motorrad eines belgischen Soldaten an sich gebracht, haben aber nicht die Absicht gehabt, es sich anzueignen. Denn nach der Aussage des deut schen Polizeikommissars steht fest, daß die Angeklag ten ihm das Rad übergeben haben. Sie haben aller dings einen Luftschlauch veräußert. Nach deutschem Recht käme also nur vielleicht Unterschlagung (eines Autoreifens) in Frage. Der Verteidiger plädiert für mildernde Umstände in weitestem Maße. Dann erhob sich Verteidiger - Or. Ernst Wolff-Berlin Seine Aufgabe sei ganz besonders schwer; da er ge zwungen sei, eine Sprache zu spreche^, die er nicht bis in alle Einzelheiten so vollkommen beherrsche, nm seine Gedanken in allen Details auszudrücken. Im Namen der Angeklagten und der Firma Krupp spricht der Anwalt seinem Mitverteidiger Moriaud- Genf seinen Dank aus, daß er den Angeklagten seinen überaus wertvollen Beistand gewährt habe und fährt fort: „Bei diesem Prozeß handelt es sich nicht um Politik, der Prozeß über die Zuständigkeit und Zweckmäßigkeit spielt sich nicht vor diesem Gericht ab, darüber wird die Geschichte richten. Die Ver teidigung muß sich darauf beschränken zu zeigen, daß die Vorwürfe gegen die Angeklagten unbegründet sind. Die Verteidigung wird auch nicht die Frage erörtern, ob die französischen Soldaten zu recht oder zu unrecht auf die Arbeiter geschossen haben. Wenn der französische Offizier wirklich von der Menge an gegriffen worden wäre, oder sich angegriffen gefühlt hat, so fällt das den Angeklagten nicht zur Last, solange nicht nachgewiesen ist, daß sie Absicht dazu hatten. Davon kann natürlich gar keine Rede sein." Der Verteidiger geht dann auf das gute Ein- vernehmen ein, das seit mehr als hundert Jahren zwischen Werkleitung und Belegschaft bestanden und das darauf beruhe, daß die politische und soziale Un- abhängigkeil der Angestellten und Arbeiter niemals ncn Mart, Direktor Hartwig zu 15 Jahren Gefängnis unv 100 Millionen Mark, Di rektor Oefterle zu 15 Jahren Gefängnis unv 100 Millionen Mark verurteilt. angetastet worden sei. Es sei ganz absurd, an- zunehmen, daß eine solche Werklcitung ihre Arbeiter absichtlich in die französischen Kugeln jage. Am 17. März sei in einer Besprechung des Be triebsausschusses mit Kunz und Schräpler beschlossen worden, im Falle einer Besetzung ebenso, wie es an zahlreichen anderen Orten geschehen war, die Sirenen ertönen zu lassen. Um aber das Zusammenströmen einer so großen Menschenmenge zu verhindern, be schloß man, die Fabrik in drei Teile einzuteilen, und bei einer Besetzung nur die Arbeiter des beteiligten Teiles zu verständigen. Der Befehl zum Ziehen der Sirenen nach der Besetzung der Personenkraftwagen halle sei erst gegeben worden, nachdem der Betriebs ausschuß die Bcraniwornssig dafür übernommen hatte, daß die französischen Soldaten nicht belästigt würden. Die Mitglieder des Direktoriums und Herr von Dohlen hätten keinen Anlaß gehabt, gegen diesen Beschluß Einspruch zu erheben. Auch habr der Offizier erklärt, er wolle zunächst die Automobil halle nur besetzen, im übrigen würde die Ankunft einer technischen Kommission abgewartrt. Schließ lich sei auch bekannt geworden, daß der Betriebs ausschuß mit dem Offizier über den Abzug ver handele, und daß sich eine Abordnung von Werks angehörigen zum französischen General in Bredcney begeben habe Die einzelnen Auacklaaten, so betonte Ver Verteiviger, traacn nicht Vie Verant wortung für Vas Geschehene, sonvcrn nur Vie hierfür znftänvigen Direktoren, eben vre Herren Kunz unv Schräpler, wobei zu betonen ist, vasz Vie Angeklagten in Ver Hanvlungswrife ver Direktoren nicht irgcnv etwas Verbotenes erblickt haben. Herr von Bohlen ist leviglich Borsitzen- Ver vcs Aufsichtsrates, ver im Gegensatz zu vem französischen Berwaltungsrat nicht Vollzugsorgan, sonvern leviglich Verwaltungsorgan ist, nnv veshalb könne nicht Ver Aussichtsrat als Körperschaft nnv noch viel weniger Herr von Bohlen persönlich verantwortlich gemacht werven. Bon einer Verantwortung ves Betriebs- ratsmitglieves Müller kann ferner keine Reve sein. Daß die französischen Soldaten infolge ihrer Er regung die Dinge nicht objektiv gesehen haben, be weist u. a. der Umstand, daß sie behaupten, dis Ar- beiter seien mit Stöcken, Schaufeln, Hämmern usw. bewaffnet aus den Betrieben hcrausgekommen, wäh ret auf keiner einzigen der zahlreich aufgenomme- ncn Photographien auch nur -eine einzige Waffe zu erblicken ist. Sämtliche deutschen Augenzeugen haben bekundet, daß Müller ebenso wie alle andern an wesenden Betriebsratsmitglieder immer wieder die Menge zur Ruhe und Besonnenheit ermahnte. Der durch das vergossene Blut erzeugte Haß dürfe, so schloß der Verteidiger, nicht durch einen neuen Haß vergrößert werden, den eine Verurteilung Hervor rufen würde. (Die Verhandlung dauert fort.) * Am Montagnachmittag wurde zunächst der Chauffeur Micherl vernommen, der erzählte, daß der Offizier die Soldaten beim Er tönen der Sirenen in einer Reihe ausstellen und das Maschinengewehr fertig machen li-ß. Der Zeuge hat wiederholt durch Dolmetscher den Offizier darauf aufmerksam gemacht, daß die Leute vor der Türe nur Neugierige seien, und er hat den Offizier auch ge fragt, ob er nicht die Türe zumachen solle. Daraus wurde ihm geantwortet, daß sie n'cyt geschlosst a werde. Nach einer kurzen Pause wird Krupp von Bohlen und Halbach von neuem vernommen. Der Staatsanwalt fragt ihn überraschend auf Grund eines Artikels in der B. Z- am Mittag, ob Kruvn in Berlin Zusammenkünfte mit einer hervorragenden politischen Persönlichkeit ge habt hätte. Krupp bejahte das. Er habe die Ansicht des Reichskanzlers über politische und wirtschaftliche Fragen hören wollen. Cs habe sich für ihn darum gehandelt, die Richtlinien zu erfahren, die für die ganze deutsche Politik gegeben wurden, aber nutzt etwa um Richtlinien für die Firma Krupp. In dem Artikel der B. Z. am Mittag war ferner erzählt worden, Krupp sei gewarnt worden nach Essen zurückzufahren, da er sich mit seinen Direktoren solidarisch erklären rvll«. Krupp bcstritt diese vom
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