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Zwischen der 2. op. 4 (1865) und 3. Sinfonie op. 10 (1873) liegen acht Jahre, die u. a. neben einigen Werken der Kammermusik und des Liedschaffens auch die beiden Opern ,,Alfred“ und „Der König und der Köhler“ entstehen sehen. Der Hymnus „Die Erben des Weißen Berges“, gleichfalls in dieser Zeitspanne entstan den, brachte Dvorak den ersten Erfolg vor der Öffentlichkeit Prags ein. Diese acht Jahre sind gekennzeichnet einmal durch ein Sich-Festigen in der Verwendung der künstlerischen Mittel, zum anderen aber durch intensive Auseinandersetzungen mit den Werken eines Wagner und Liszt. Im Blick auf den ersten genannten Fakt muß festgestellt werden, daß die architek tonische Anlage der drei Sätze wesentlich überzeugender gemeistert wurde als in den beiden Erstlingswerken dieser Gattung. Sie sind konzentrierter nach motivischer Arbeit und Übersichtlichkeit. Einmalig in Dvoraks sinfonischem Schaffen ist auch die Tatsache, daß die Themen eines jeden Satzes ihren Ursprung in jeweils einem Grundthema haben, die zudem mit einigen ihrer Elemente auch in die anderen Sätze eingreifen, so daß hierdurch eine Geschlossenheit erreicht wird, die vielleicht sogar bestimmend war für die nur dreisätzige Anlage des Werkes. Den zweiten Fakt unterstreicht — neben der obengenannten quasi Monothematik — das mitunter Unsymmetrische des Melos, dessen harmonisch unruhige Unterlage wie auch manch für Wagner charakteristisches Moment der Orchestrierung (geteilte Streicher mit geschmeidigem Passagenwerk u. a. m.). Gleich dem vorausgegangenen Hymnus „Die Erben des Weißen Berges“ atmet auch diese Sinfonie (und das spricht für den Wegfall eines ausgesprochenen Scherzo- Satzes !) Gedanken um Vergangenheit und Zukunft der Nation, eingefangen sowohl in Tönen heroischen Aufbegehrens als auch in denen des Schmerzes über ungelöste Probleme der Gegenwart, endlich aber auch in solchen des rührigen Einsatzes für das Kommende. Der Deutung des ersten Satzes als Rückbesinnung auf die nationale Vergangenheit entsprechen sowohl das echte Pathos der Exposition und Reprise, wie auch — im Sinne weher innerer Auseinandersetzungen — das die Durchführung beherrschende, zum Hauptthema ausdrucksmäßig, in direktem Gegensatz stehende Nebenthema. Der zweite Satz (in Rondoform) beginnt, aus mehreren miteinander verwandten Themen gebildet, in einer Art Trauermarsch. Ihm folgt ein Mittelteil wesentlich hellerer Grundhaltung, der jedoch, unter immer neuer Verwendung des thematischen Grundmaterials, wieder zurückführt in die Aussage des Anfangs, die sich aber am Schluß doch wieder — am Thema des Mittelteils orientiert — lichteren Bezirken zuwendet. Den dritten Satz bestimmt dann der Ton absoluten Vertrauens in die Zukunft, sich steigernd von unbekümmertem Zugreifen zum Jubel über die Erreichung des geschauten Zieles. Ein Ineinander von Sonaten- und Rondoform, ein scheinbar Vielfaches an thematischem Material kann dem Satz seine Einheit nicht nehmen. Im Gegenteil: er ist (zumal die obenerwähnte Beziehung der Themen unterein ander hier noch stärker betont ist als in den vorangegangenen Sätzen) voller fesseln der Episoden und ob seiner musikantischen Ursprünglichkeit ein überzeugender Beleg mehr für das urgesunde künstlerische Fundament seines Schöpfers. In den „Slawischen Tänzen“ — für viele Menschen unmittelbar mit dem Begriff „Dvorak“ identisch — spiegelt sich Umwelt und erste Musizierpraxis des jungen Dvorak ungetrübt wider. Doch nicht nur in ihnen, sondern auch in manch zyk lischem Werk oder in Teilen seines Opernschaffens, auch im Klavierpart einer An zahl von Liedern, bestimmt das tänzerische Element den Zuschnitt des Ganzen, so daß es ohne Übertreibung als eine der bestimmenden Wesenskomponenten des Dvofäkschen Werkes bezeichnet werden kann. Die Slawischen Tänze entstanden in zwei Reihen (op. 46 und op. 72) in den Jahren 1878 und 1886, beide auf Anregung des Berliner Verlegers Simrock. (Gleich den Legenden des 2. Zyklus-Abends sind sie ursprünglich für Klavier zu vier Händen konzipiert. Ihre Weltgeltung erwarben sie sich allerdings dann erst in der Orchesterfassung.) Bestechend an diesen wahrhaft meisterlichen Werken ist — abgesehen von der Prägnanz des Einfalls — die Art, in der Dvorak mit dem Material umgeht. Noten getreue Wiederholungen sind selten, dafür aber halten den Hörer (und Spieler!) die Varianten, Rückungen, Stimmablösungen, das Entwickeln neuer Themen aus Teilen der ursprünglichen in Atem. Und diese „Arbeit“ hat nichts von „Lehrbuch“ an sich: unmittelbares Leben ist alles, ihm sich hinzugeben ungetrübter Genuß. Somit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die vier Nummern des Programms, von denen die erste (Tanz Nr. 1) die Form des „Furiant“, die zweite (Tanz Nr. 3) die der „Polka“, die dritte (Tanz Nr. 9) die des slowakischen „Odzemek“ und schließlich die vierte (Tanz Nr. 16) die der Sousedskä (Art Ländler) zugrunde liegen. Mit welch innerem Vergnügen Dvorak an diesen Tänzen schuf, mögen Worte aus einem Brief an Fritz Simrock belegen: „Die Tänze werden brillant instrumentiert, es wird alles krachen“ und „sie klingen wie der Teufel.“ Walter Bänsch LITE RATU RH I NWE I S E Sourek: Antonin Dvorak, Biographie und Werkanalysen, Bd. 1, Artia-Verlag Prag Vorankündigung: 20. November 1960, 19.30 Uhr Festkonzert zum 90jährigen Bestehen der Dresdner Philharmonie Werke von: S. Kurz — F. F. Finke — J. N. David — J. Brahms Dirigenten: Prof. Heinz Bongartz, Siegfried Geißler, Siegfried Kurz Freier Kartenverkauf! Der Sender Dresden bringt in seinem Eigenprogramm am 16. und 20. November 1960, jeweils in der Zeit von 19.20 bis 21 Uhr, eine Sondersendung aus Anlaß des 90jährigen Bestehens der Dresdner Philharmonie 26. November 1960, 19.30 Uhr 1. Außerordentliches Konzert Dirigent: Siegfried Geißler Solistin: Shige Yano, Tokio, Sopran Freier Kartenverkauf! Nächste Konzerte im Anrecht B: 3-/4. Dezember 1960, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 6213 Ra III-9-5 1160 1,4 It-G 009/60/72 3. Zyklus-Konzert 1960/61