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WächenNich ttflhcinen drei Nummern. Pränumerativnö- Prxi« 22^ Sar. (j THIx.) vierteljährlich, Z Tdlr. sür da« gan-e Jahr, ohne Er< Höhung, in allen Tbeilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerir« aus dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (Friedrichhstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auölande bei de» Wohllöbi. Post. Lem,-rn. Literatur des Auslandes. 1V0 Berlin, Freitag den 2V. August 1841. treten, Akademie nt und Karl X.; Wirken in Frankreich. Ancelot's Aufnahme in die Akademie. Nach JuäeS Janin. Wir schlenderten langsam durch die Straße; der Himmel war klar, die Lust mild. Was drängt sich die Menge nach dem Palais (lej, Neaux.Xrl«? was bedeuten die beiden Gendarmen zu Pferde s was wollen die Wagens Wehe, großer Jupiter, mW ihr Alle, Apollo, Mer kur, heilige neun Musen, die Französische Akademie öffnet ihre Pforte, Herr Ancelot wird heute ausgenommen. Wir schauen noch einmal voll Sehnsucht in den klaren Himmel, wir athmen noch einmal tief die milde Luft ein, das Bewußtsepn unserer Pflicht' siegt, und ge senkten Hauptes treten wir ein. Welch' eine Oual, hier bis zum Beginn der Festlichkeit zu warten! Fremde aus der Provinz kommen aus langer Weile; sie sehen und staunen, sie flüstern sich heimlich zu: Schaut hin, wahrhaftig, die Herren Akademiker sehen nicht anders aus, als wir. Damen treten ein, die Hüte in genialer Ver wegenheit verschoben, die Finger schwarz von Dinte; lriumphirend, wie in ihr Königreich, schreiten sie in den Saal, diese halbfertigen Gedichte, diese übeleingekleideten Elegieen, diese Romane aus dem Englischen und nach dem Deutschen. Mit zitternder Demuth bietet ihnen der Thürsteher den Arm, und sie blicken mit stolzem Selbst- bewußtsepn auf die sammetnen Sitze, welche einzunehmcn ihr Ge schlecht allein ihnen verbietet. Unglückliche Frauen! sprechen sie zu sich selbst, wie traurig ist unser Geschick! Welch' ein unseliger Stern waltet über uns. Wir sind schön, unsere Manner arbeiten Tag und Nacht, um sür uns zu sorgen, wir haben keine Mühe, wir schlafen nach Bequemlichkeit, wir schwatzen den ganzen Tag, wo wir hin- , streut man Rosen auf unsere Pfade, und doch, o Schmerz! alles Wirken der Männer ist uns versagt. Der Krieg verachtet uns, keinen Dege» sollen wir führen, als ob die Geschichte nichts von den Amazonen wüßte; der Pliesterstand verwirft uns, als ob Weleda nicht Priesterin gewesen wäre. Zur Staats-Verwaltung läßt man uns nicht zu, weil die Männer ihre blutigen Gesetze selbst vollstrecken wollen. O, wir Unseligen, dreimal Unseligen! Die Rcdnerbühne bleibt uns verschlossen, nicht einmal Pairs "können wir werden, nicht einmal Könige von Frankreich; Nichts steht uns offen, selbst die .! 'cht! Entsetzlich! Sie ist geschaffen, um die Französische Sprache rein zu erhalten, und keine Frau, keine einzige, darf auf die Ehre Anspruch machen, zu Briffaut zu sagen: „Guten Tag, Kollege!" Rein, seit der Gründung bis zum Verfall aller Akadc- mieen wird keine Frau je sür groß genug gelten, um mit dem letzten Schulfuchs, der drei Verse gedreht hat, auch nur auf das Wahl- Register gestellt zu werden. Wir haben die Johanna d'Arc, wir haben die Johanna Hachcttc, die Welleda; wir haben die Königin Blanka, wir haben die große Katharina, wir haben — o, muß man daran erinnern? — selbst die Päpstin Johanna haben wir; in jedem Stande haben Frauen triumphirend ihre Kraft gezeigt) nur nicht im akademischen. Nie soll eine Frau Mitglied der Akademie wer den, nie; gerechter Himmel! wohin haben Richelieu und BoiSrobert gedacht? So klagen diese unglücklichen Priesterinnen Apoll's im gerechten Schmerz. Wir wollten unsere Ansprüche auf die vielbcneidete Ehre ihnen mit Freuden abtreten. Der Saal ist halb gefüllt, ein blasses Licht fällt von der Decke herab; alle Gestalten, selbst die von zwan zig Jahren, welche zu dieser Qual bestimmt sind, bekommen ein widrigbleiches Ansehen. In einer Ecke stehen die Statuen Boffuet's und Fcnelon's; auS der Hohe schaut das Haupt der heiligen Elisa beth von Frankreich herab. Die zwölfte Stunde schlägt mit unheil verkündendem Klange; wie langsam rücken die Weiser hier! Schlag zwei Uhr beginnt die Sitzung. Diese Stunde macht den glücklich, der eine Vorlesung zu halten hat; doch wehe dem Zuhörer! Mit matter Stimme, gebeugtem Rücken, kahlem Scheitel, unsicherem Blicke, zitternder Hand tritt der Redner vor und beginnt die Lob rede aus das durch den Tod auögeschiedene Mitglied; doch wie könnte er dieses riesenhafte Werk allein vollführen? ein Zweiter, der die Stelle des Ausgeschiedenen zu ersetzen bestimmt ist, nimmt ihm die Hälfte der Mühe ab; sie theilen sich in den Ruhm, der Eine nimmt das Privatleben, der Andere das öffentliche; der Eine die Verse, der Andere die Prosa; der Eine Vie Hinneigung zum Kaiser Napo leon, der Andere die zu den Königen Ludchig XVIII. un denn jeder Akademiker, der jetzt stirbt, fällt-mit seinem die beiden Perioden von 1804 bis 1814 und von 1814 bis I82S. In zwanzig Jahren wird der Kaiser aus diesen Bivgraphieen ver schwinden, doch die Bivgraphieen werden sich stets in zwei Zeiträume theilen, in die Restauration und die Juli-Revolution. Ancelot erhebt sich, das Manuskript in der Hand, das neue Ge wand um die Schultern, Bescheidenheit im Blicke, bedeutungsvollen Ernst in der Stimme und in jeden, Zuge. Ancelot ist durch das unerforschliche Walten Gottes zum literarischen und philosophischen Nachfolger Herrn von Bonald's erwählt und erhebt sich, dessen lite rarische und philosophische Wirksamkeit zu preisen. Ancelot und Bonald's Wirksamkeit. Was meinen Sie zu einem Vaudeville, be titelt: „Herr von Bonalb und Herr Ancelot"? Bonald war einer jener edlen, unbeugsamen Charaktere, welche durch die Rauhheit ihres Wesens, durch Vie Härte ihrer Sprache, durch die nie zu befriedigende Strenge ihrer Gesinnung der Sache, die sie fördern wollten, sehr geschadet haben. Edle Männer ohne Widerspruch, doch sie zeigten die Tugend von der Seite, von welcher sie am wenigsten annehmlich ist, und Tausende mußten ihnen zu rufen: Wie viele Tugenden zwingt ihr uns zu Haffen. Bonald's Bücher waren in einem harten, unkorrekten Stil abgefaßt, voll Peinlichkeit in der Darstellung und dabei doch dunkel, schwer zu verstehen, ein Gewölk voll ungeschickt angebrachter Blitze. Die theo retischen Theile derselben waren in Kapitel und diese in Paragraphen cingetheilt; man kann leicht einsehen, daß eine philosophische oder moralische Abhandlung in dieser zerhackten Weise kein gut geschrie benes Ganze genannt werden kann. Er selbst gesteht einmal ein, daß die zusammcnhängcnve Darstellung für den Leser angenehmer ist. Doch wenn man ihn fragt, weshalb er sich derselben nicht be diene, weshalb er so wenig darauf bedacht sey, dem Leser angenehm zu sepn, so antwortet er, diese Darstcllungsweise sey der Schilderung der Wahrheit weniger günstig, darum habe er sich der mathematischen Eintheilnng in Sätze bedient. Dem Mathematiker beruht in der Ziffer Vie höchste Bcredtsamkeit, und die gültigste Bürgschaft der Wahrheit einer Behauptung ist ihm eine algebraische Formel. Eins und Eins macht Zwei, darüber gehen sie nicht hinaus; sie theilen ein, theilen wieder und machen die Probe; sie stimmt, und ihr Satz ist unumstößlich. So behandeln Männer wie Bonald das Leben und die Wissenschaft, Alles wird fpstematisirt, und was in keinen der fest- gestellten Paragraphen paßt, wird als falsch verworfen. Von den Schönheiten Plato's ahnen sie Nichts, den größten Theil deö Aristo teles und Plutarch würden sie ins Feuer werfen, geschweige den Telemach, dies Buch der Könige und Völker, der Kinder und Greise, und du, guter Vater Homer, wie würde cS dir ergehen! Herr Ancelot freilich hat nicht geahnt, wie verwerflich das Verfahren ist, in der Moral und Politik wie in der Geometrie vorauszusetzen, daß alle Linien, die nicht gerade krumm, absolut gerade sind, vast alle Körper, die nicht flüssig, absolut fest sind. Er findet Alles auf eine bewundernswcrthc Weise natürlich. Anziehend ist seine Schilde rung eines Duells, welches Bonald gegen das ganze vergangene Jahrhundert gekämpft; Bonald ganz allein gegen Voltaire, Rousseau, Diderot, d'Alembcrt, Montesquieu, Mirabeau, gegen die ganze Poesie, Kunst, Philosophie, Bcredtsamkeit der Zeit. Sie schlagen sich auf Tod und Leben, Bonald und das achtzehnte Jahrhundert, Ancc- lot steht als Sekundant daneben; das furchtbare Duell ist zu Ende, und der Kampfrichter fragt bedeutungsvoll, wer ist besiegt worden? der Mann oder das Jahrhundert? Ancelot läßt uns in Ungewißheit, doch, der Schalk! wir hören es ihm an, er hat es gesehen, mit eige nen Augen gesehen, wie Bonald das achtzehnte Jahrhundert zu Bo den streckte und, das Knie auf die Kehle der Encyklopädie gedrückt, als wahrer Philosoph, d. h. den Gischt vor dem Munde und Feuer in den Augen, ihm zuricf: Strecke die Waffen! Dergleichen Dinge, zu deren Ausführung sich Herr Ancelot noch der von Bonald so ge liebten mathematischen Weise bedient, mit tiefem Ernst und erhobe ner Stimme ausgesprochen, mit stattlichen Phrasen auöstaffiert, sind höchst unterhaltend, doch weshalb tadeln wir Ancelot? Füllt er nicht in dieser edlen Gesellschaft seinen Platz so gut, wie jeder Andere? Er hat seine Proben in fünf Akten und in Versen abgelegt, seine Akte waren durchaus nicht sinnlos, seine Verse gut gearbeitet; er zeigte von Beweglichkeit des Geistes, von Erfindungsgabe; er ist ohne Zweifel der beste Schüler Casimir Delavignes. Wenn er nicht alle Vorzüge seines Meisters besitzt, so hat er doch den klangvollen Reim desselben in der Gewalt, er macht Verse, wie Madame La- frange die Moden, nach dem Gefallen des Volkes oder einzelner Personen- Ein thätiger Geist, zu Allem bereit, zu Allem brauchbar,