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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^L1S. Erschein« i. Freiberg jed. Wochen«. Ab. KU, für den and. Tag. Jnser. werden bi» V. 11 U. für nächste Nr. angen. Freitag, den 13. September Preis »ierteljährl. 20 Ngr, Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. ...... Tagesgeschichte. Berlin, 13. Sept. Das Schriftstück, welches die rumänische Regierung hierher gerichtet hatte, ist vom Reichskanzler nicht ange nommen worden; vielmehr erfolgte die Andeutung, daß man den diplomatischen Verkehr mit dem suzerainen Staate nur durch die Vermittelung her Pforte führen könne. Nach einer in verschiedenen Blättern veröffentlichten Wiener Correspondenz hat nun die Pforte der rumänischen Regierung ihre Unzufriedenheit ausgesprochen, daß dieselbe in directcn diplomatischen Verkehr mit auswärtigen Mächten zu vertreten versucht habe. Zugleich hätte sie die ernste Mahnung ausgesprochen, die rumänische Regierung möge Sorge tragen, durch eine zugleich gerechte und umsichtige Lösung von der bis jetzt rein finanziellen Frage jede politische Beimischung fern zu halten, um nicht möglicher Weise Complicationen heraufzubeschwören, deren Folgen von Niemandem schwerer als von den vereinigten Donaufürstenthümern empfunden werden möchten. — Kein Ausdruck unserer Sprache, welcher nur immer einer widerspruchsvollen Haltung beigelegt werden kann, reicht aus, um das wunderliche Schauspiel zu bezeichnen, welches Oesterreich der erstaunten Welt zum Besten giebt: nach Außen hin ist Deutsch land der innigste, ja beinahe einzige Freund, an den es sich anlehnt, nach innen sind eS die Deutschen, welche mit allen Mitteln eines gereiften JesuitiSmuS, einer stolzen Adelspartei, eines schweren Bureaukratismus niedergedrückt werden. Es umarmt mit Inbrunst die Deutschen im neuen Reiche und erdrückt die Deutschen im eigenen Reiche: diese Art der Politik kann unmöglich daS Reich kräftigen, und dieses Reich kann auch Deutschland wenig nützen. Der Gedanke ist zu einfach und klar, als daß Fürst Bismarck ihn nicht einsähe; wenn er also trotzdem mit Oesterreich sich vereinigt, so liegt darin wenigstens einige Gewähr, freilich aber auch beinahe die einzige, daß er der klerikal-feudalen Strömung den letzten und entscheidenden Sieg nicht zutraut; es sei denn, daß er selbst von einem solchen Sieg eine Wendung der Dinge erwartete, welche an daS Wort erinnerte: Ihr gedachtet eS böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen. Jedenfalls ist eS schon jetzt als fast gewiß anzusehen, daß die Klerikal-Feudal-Nationalen in Oesterreich die Zweidrittelmajorität erlangen werden, welche zur radikalen Ab änderung der Verfassung aus verfassungsmäßigem Wege nöthig find. Die verfassungstreue deutsche Opposition wird einen schweren, vielleicht ruhmreichen, aber schwerlich siegreichen Kampf haben, und eS ist nicht ersichtlich, wie . die Deutschen „im Reiche", wie man ehedem sagte, und jetzt mit doppeltem Rechte sagt, ihnen darin . beistehen können. — Dem norddeutschen Bunde sind infolge des Krieges gegen Frankreich von Mitte Juli bis ult. December 1870 an extraordi nären Ausgaben etwa 102^ Mill. Thlr. zur Last gefallen. An dieser Summe participirt das Landheer mit 96^ Mill., die Ma rine mit Zi/z Mill., die Postverwaltung mit ca. 300,000 Thlr., die Telegraphenverwaltung mit etwa 230.000 Thlr.; an Zinsen für die Kriegsschuld wurden 1,900,000 Thlr. gezahlt. — Es ist neuerdings mehrfach für die im letzten Feldzuge er worbenen eisernen Kreuze die Vererbungssrage in Anregung ge bracht worden, wie eine solche Maßregel für die in den Befreiungs kriegen erworbenen eisernen Kreuze allerdings thatsächlich bestanden hat. Der Modus für diese Vererbung war dabei der, daß alle diejenigen, welche zur Verleihung deS eisernen Kreuzes in Vorschlag gebracht worden sind, je in der Reihenfolge der Stimmenzahl, welche sie hierfür erhalten hatten, beim Ableben eines Ritters deS eisernen Kreuzes ihres ehemaligen Truppevtheils in diese Vererbung eintreten. rr: Die „Köln, Ztg/l Mimms M einem Krivatschreiben aus Noissy le Grand vom 8. September: „In den letzten Nächte« wurde in Neuillh sur Marne zwei Mal auf unsere Schildwacheu geschossen und in der Nähe von RoSnh ein Soldat erstochen ge funden In Folge dessen wurde der verschärfte Belagerungszu stand über die ganze Gegend verhängt. Die Garnisonen der ver schiedenen Ortschaften sind consignirt und selbst die Offiziere dürfen sich nicht entfernen. Die Bewohner selbst können ohne Geleit»« schein in ihren resp. Ortschaften nicht aus- oder eingehen. Die diesen Ortschaften fremden Personen werden überall zurückgewiesm, so daß jeder Verkehr zwischen Noissh le Grand, RoSnh, Neuillh rc. mit Paris abgeschnitten ist. Bon dem Abmarsche der deutschen Truppen ist hier noch keine Rede, Die Lage ist keine ernste, aber eine höchst unangenehme." — Wieder ein Eisenbahnunglück. Montag Abends gegen 9*/, Uhr verunglückte der Schnellzug der Bergisch-Märkischen Bahn auf der Station Haan. Die Locomotive kam auS dem Geleise; der Gepäckwagen stürzte um ; dem Bremser deS Gepäckwagens zer brachen mehrere Rippen; sonst wurde glücklicher Weise Niemand verletzt. Die Passagiere wurden von dem später eintreffenden Per sonenzug ausgenommen. — In einem Städtchen Preußens lebt eine arme Wittwe ka tholischer Consession, deren Sohn gegenwärtig Primaner deS Gymnasiums zu BraunSberg ist. Die von einem Geistlichen bei der Wittwe wiederholt angestrengten Versuche, sie zu vermöge«, ihren Sohn dem Ghmnafium zu Braunsberg zu entziehen und dem infalliblen RelegionSlehrer in Rössel zuzuführen, blieben um deswillen ohne Erfolg, weil die Wittwe diesen Schritt ganz dem Ermessen deS Sohnes zu überlassen erklärte. Hierauf waudhe sich der Geistliche mit seinem Verlangen an den Sohn selbst und flehe, er stieß auf entschiedenen Widerspruch. Der junge Manu erhielt darauf daS Angebot von Geld! Zuerst waren eS 60, dann stieg daS Gebot bis auf 200 Thaler jährlich, die schmeichelhaftesten Versprechungen ganz ungerechnet; — allein der junge Mann, trotzdem derselbe unbemittelt ist, ließ sich nicht wankend macht« und schlug das Anerbieten, so verlockend es ihm erscheinen mochte, rundweg ab. Obwohl noch jung an Jahren wird dieser brave Act ihm wohl auch für sein späteres Leben in unvergeßlichem An gedenken bleiben. Der Geistliche wird wohl die allbekannte Er fahrung bestätigt gefunden haben, daß die Macht der Dunkelheit vergeblich da intervenirt, wo Bildung und Intelligenz i tiuWM selbst wenn der Träger der letzteren noch nicht den Vollbark des ManneS besitzt. — Da in neuerer Zeit in Preußen wieder an verschiedenen Orten Erkrankungen nach dem Genuß von trichinehaltigem Schweine fleisch vorgekommen sind, so hat die Regierung sich veranlaßt ge sehen, die Provinzialbehörden anzuweisen, das Publikum auf dem Wege der Polizeiordnung gegen den Genuß derartigen Fleische» zu schützen. Danach sollen alle Schweine, welche von Metzger», Wirthen oder anderen Personen, die Schweinefleisch oder dessen Prä- parate zum Berkaus bringen, geschlachtet werden, vor deren Zer legung mikroskopisch untersucht werden, um zu ermitteln, ob die selben frei von Trichinen find. Ergiebt die Untersuchung das Vor handensein von Trichinen, so ist die Ortspolizeibehörde verpflichtet, daS Fleisch und dessen Präparate, mit Ausschluß de- Specks und deS Fettes, unter ihrer Aufsicht in der Weise vernichten zu lasse», daß dasselbe, nachdem es in kleine Stücke zerschnitte» und stark ausgekocht ist, in sechs Fuß tiefe Gruben versenkt, mit Kalk belegt und mit Erde und Steinen bedeckt wird. Für die mikroskopische Untersuchung eines geschlachteten Schweines ist eine Gebühr von 10 Sgr. zu entrichten. Königsberg. Am 8. September find beim hiefigen Polizei präsidium angemeldet; an der Cholera erkrank 49 und gestorben ' 33 Personen, V' '