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E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 238. Freitag, den 11. October 188S. Witterungsausfichteu für den 11. October: Unbeständiges, zeitweise regnerisches Wetter bei fortdauernd warmer Temperatur. Barometerstand am 10. October, nachmittags 3 Uhr: 752 mm. Gefallen. "Waldenburg, 10. October 188b». Der Besuch des Kaisers Alexander in Berlin wird zum Ende dieser Woche nun ganz bestimmt erfolgen, und der äußeren Form nach genau in derselben Weise, wie vor zwei Zähren. Der Czar kommt auf der Rückreise von Kopenhagen nach Petersburg nach Berlin, steigt in der russischen Botschaft Unter den Linden, die Eigenthum des Staates ist, ab und fährt nach kurzem Verweilen nach seiner Hauptstadt weiter. Die An wesenheit in Berlin wird drei Tage umfassen, aber keine besonderen Veranstaltungen mit Ausnahme des Galadiners und der Galaoper bringen. An Stelle militärischer Schaustellungen findet eine Jagd im Letz linger Forst statt, und somit gewinnt die ganze Visite den Charakter eines freundschaftlichen Verwandtenbe- suches. In Berlin ist man für den Selbstherrscher aller Reußen äußerst wenig eingenommen; der eisige Empfang, den Alexander III. vor zwei Jahren fand, ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache und beweist, daß der Berliner nicht auf Commando „Hoch" schreit, und auch für dieses Jahr ist an einen herzlichen Em pfang, wie ihn die Herrscher von Oesterreich-Ungarn und Italien gefunden haben, nicht entfernt zu denken. Aus Petersburg sind im Laufe des Jahres gar zu viele interessante Kundgebungen gekommen, welche nicht dazu beitragen können, in einer deutschen Brust Nei- gung zu dem vom Czaren protegirten „echten National- j russenthum" zu erwecken. Von der Newa wurden un- ! unterbrochen die gröbsten Schmähungen gegen Deutsch- , land gehäuft, wie sollten wir also wohl dazu kommen, i uns für das heilige Rußland zu begeistern? Das wäre einfach komisch! Aber Kaiser Alexander ist der ! Gast Kaiser Wilhelms; wir wissen, daß zwischen den s beiden Monarchen recht freundschaftliche Beziehungen ' bestehen, und wenn die Dinge leider nicht so liegen, s daß diese persönliche Freundschaft der Herrscher dem ; politischen Berhällniß der beiden Staaten im ent- ! sprechenden Maße zu Gute kommt, der Freund des deutschen Kaisers und sein Gast wird in der Reichs hauptstadt immer einen würdigen Empfang finden. An Hurrah's wird es den einziehenden Kaisern nicht fehlen; wer will da entscheiden, ob sie beiden Monarchen oder nur dem deutschen Kaiser gelten? Der Besuch des Czaren hat lange auf sich warten lassen. Vielleicht haben Zettelungen am russischen Hofe dazu beigetragen, sie hinauszuschieben, aber daran ge dacht, sie aufzugeben, hat der Czar schwerlich. Man mag vom Kaiser Alexander III. und seiner Politik sagen und denken, was man will, persönlich ist und bleibt er ein sehr offener und gerader Mann, der ganz genau weiß, daß auf den ihm in Petersburg ge machten Besuch eine Erwiderung nöthig ist. Es ist auch wohl richtig, was man im Anfänge des Sep tember sagte, daß der Besuch ursprünglich schon für die Heimreise nach Kopenhagen in Aussicht genommen war, aber unterblieb, weil Kaiser Wilhelm damals zu sehr durch die Manöverreisen in Anspruch genommen war. Politische Bedeutung, als ob die Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland sehr erkaltet wären, hat der Aufschub sicher nicht. Wie die Dinge in Petersburg liegen, ist sehr klar: Der Czar wünscht für sein Land eine Machtstellung, welche es ihm gestattet, einstmals bei einer europäischen Krisis ein entscheidendes Wort zu sprechen. Deshalb schließt er mit Niemandem ein festes Bündniß und verdirbt es mit Niemandem ganz. Dann ist am russischen Hofe die franzosenfreundliche Partei, die ein offenes Bündniß mit Frankreich erstrebt, die aber dem Kaiser wieder zu weit geht, und endlich ist die deutsch freundliche Partei vorhanden, deren Einfluß von den Stockrussen indesfin lahm gelegt ist. So sind die Verhältnisse in Petersburg, und daran wird auch der jetzige Kaiserbesuch nichts ändern; doch bleibt uns das gute Einvernehmen der beiden Herrscher immer werth- voll für den europäischen Frieden. Die russische Presse, die mit recht wenigen Aus nahmen sammt und sonders deutschfeindlich ist, schlägt im Hinblick auf die Kaiserbegegnung einen etwas wär meren Ton an, zumal ihr die französischen Wahlen gar nicht recht gefallen wollen, weil sie noch immer keine beständige Regierung für die Zukunft verheißen, aber auf diese Liebäugeleien ist wenig zu geben, und nach dem Czarenbesuch werden sie ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. Der Kernpunkt der Forderungen, welche Rußland an Deutschland stellte, ist bekanntlich, daß wir Oesterreich-Ungarn be wegen sollen, unter Verzicht auf seine eigenen Lebens interessen sich Rußland im Orient unterzuordnen. Daran war früher nicht zu denken und wird nie ge dacht werden können, denn das hieße unseren Bundes genossen dem Russen aus Messer liefern. Und sobald diese Erksnntniß in Petersburg auftaucht, wird der Spectakel gegen uns von Neuem beginnen. Daran brauchen wir nicht im Geringsten zu zweifeln, wir kennen die Moskowiter. NMWschttU. Deutsches Reich. Zu Ehren des englischen Geschwaders fand am Diens tag Abend im Rittersaal des königlichen Schlosses in Kiel ein Galadiner statt, welchem alle höheren Offi ziere des Geschwaders beiwohnten. Der Kaiser ge dachte auf demselben in ehrenden Worten der engli schen Flotte und ihrer ausgezeichneten Leistungen und schloß mit einem Hoch aus die Königin von England. Der englische Viceadmiral Baird dankte bewegt für die so außerordentlich ehrende Aufnahme des englischen Geschwaders im deutschen Reichs-Kriegshafen und brachte einen Toast auf den Kaiser aus. Am Mittwoch Vor mittag empfing der Kaiser die Admirale von der Goltz, Heusner und Knorr, sowie die Mitglieder der Canal baucommission. Nach 9 Uhr begab sich der Kaiser nach der Barbarossabrücke, bestieg dort eine Dampf barkasse und fuhr das englische Geschwader entlang, dessen Schiffe Salutschiffe abgaben, und begab sich dann zur Mündung des Nord-Ostsce-Canals nach Holtenau. Nach der Besichtigung der dortigen Anla gen kehrte der Monarch ins Schloß zurück und begab sich um 12 Uhr in englischer Admirals-Uniform in einem Galaboot zum Frühstück nach dem britischen Flaggschiff „Northumberland". Die Corvette „Baden" und die englischen Kriegsschiffe salutirten, die englischen Mannschaften paradirten auf Deck und in den Raaen und brachten dem Kaiser ein donnerndes dreimaliges Hoch. Von der englischen Flotte kehrte der Kaiser in das Schloß zurück und hörte dort noch mehrere Vor träge. Abends findet in der Marine-Akademie Bier abend statt. Der Kaiser wird zugegen sein und als dann um 11 Uhr die Rückreise nach Berlin antreten. Bei dem am Dienstag stattgehabten Besuch der Werst hat der Kaiser eingehend die dortigen Schifssanlagen besichtigt und zum Zeichen seiner besonderen Zufrieden heit befohlen, daß jedem Arbeiter doppeltes Tagclohn ausgezahlt werden soll. Wie verlautet, ist von den kaiserlichen Majestä ten der mehrtägige Besuch, welcher auf der Reise nach Konstantinopel der Stadl Neapel abgestattet werden sollte, definitiv aufgegeben worden. Der Kaiser und die Kaiserin verlassen am 17. October Berlin, treffen am 19. früh in Monza bei Mailand ein, werden dort zwei Tage als Gäste des italienischen Königs paares verweilen und gedenken sich alsdann in Genua nach Athen einzuschiffen. Vom Schiffe aus wird der Kaiser dann den italienischen Hauptkriegshafen Spezia und die Befestigungen auf der Insel Maddelena be suchen. Bei der Ankunft des Czaren in Berlin werden alle preußischen Prinzen zugegen sein. Prinz Albrecht, der Regent von Braunschweig, wird zu diesem Behufe eigens von Kamenz nach Berlin kommen. Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist Mittwoch Abend mit seiner Familie von Friedrichsruhe wieder in Berlin angekommen. Kaiser Alexander III. von Rußland wird Don nerstag Spätabend an Bord seiner Jacht „Dershawa" in Kiel eintreffen und dort von den Spitzen der Mi litärbehörden, sowie von den zu seinem Ehrendienst - commandirten Ofsicieren begrüßt werden. Mittels ; Separatzugcs wird der Kaiser sofort nach Berlin ! Weiterreisen, wo also die Ankunft am frühen Vormit- - tag des Freitag erfolgen wird. ! Laut Meldungen aus Zanzibar ist der deutsche ! Kreuzer „Schwalbe" nach Wanga gesegelt, um dort eine Grenzstreitigkeit zu schlichten. Im Küstengebiet j ist Alles ruhig, von Buschiri liegen keinerlei Nach- ; richten vor. Es darf als gewiß wohl gelten, daß er i irgendwo im Innern steckt und versucht, neue Streit - s kräfte um sich zu sammeln. - Zur Ersatzfrage für das Socialistengesetz wird mitgetheilt, daß im preußischen Ministerium des Innern ein Entwurf, welcher Rechtsgarantien schafft, aufgestellt ist und aug-nblicklich dem Staatsministerium vorliegt. Die türkischen amtlichen Blätter bringen jetzt bereits s die osficielle Mittheilung, daß das deutsche Kaiser- ! paar am 2. November in Konstantinopel cintreffen : wird und knüpfen daran die Bemerkung, dieser Besuch j sei ein eklatanter Beweis dafür, wie sehr sich in der ; letzten Zeit die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem deutschen Reiche und der Pforte gefestigt hätten. Der Kaiser hat in Hannover bekanntlich den Wunsch ausgesprochen, daß der Geschichtsunterricht in den Schulen vertieft werden möge. Die „N. A. Z." giebt jetzt dem Gedanken folgende weitere Ausführung: „In modernen Zeiten haben sich die Formen des po litischen Lebens zwar geändert, aber die Grundlage, auf welcher sich dieselben entfalten, ist dieselbe geblie ben; an Stelle der Vasallentreue ist die Pflicht des Staatsbürgers getreten, der ohne ein directes persön liches Verhältniß dem Landesherrn zum Gehorsam ver bunden ist. Wenn auch die Neuzeit dicke Pflichten in Form von Gesetzen (allgemeine Wehrpflicht rc.) nieder gelegt hat, so bleibt es doch der deutsche Volkscharakter, der diese Gesetze hervorgebracht hat, und damit unser politisches Leben auch in Zukunft von jenem Geiste der Treue durchdrungen bleibe, den wir unsern Alt vordern verdanken, muß die Erziehung durch Vorfüh rung jener Beispiele der Treue des Einzelnen, wie des ganzen Volkes auf die Erhaltung jener kostbaren Eigen art des Volkes zu wirken suchen. In diesem Sinne ist eine Ausdehnung und Vertiefung des Unterrichts