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Wöchentlich erscheinen drei Nnmmern. Pränumeration-- Preis 22^ Sgr. (^ r>)>r.) oicrteijädrlick, Z Tblr. kür das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen LhcNen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (FriedrichSsir. Nr. 72); i» der Provinz so wie im AuSIande bei den Wohllöbl. Post - Aemlern. Literatur des Auslandes. 7S. Berlin, Montag den 22. Juni 1840. S y r i e n. Lyricn unter der Verwaltuiig Mehmed Ali'ö. Dargesteilt in einem Schreiben des ehemaligen Britischen General-Äonsulö zu Damaskus an Lord L. - - Theurer Lord! Kein Land verdient so sehr einen Platz in der Erumccung der Menschen, wie Syrien. Ohne von den göttlichen Erscheinungen zu sprechen, die es in den Augen der Völker heiligen, braucht bloß darauf hingewiesen zu werden, daß cs dieser Boden war, wo die Phönizier den Keim einer mächtigen Civilisation entwickelten. Die Mythologie der Griechen nahm von ihnen die Bilder ihrer Gottheiten; die größten Han delswege nach Osten und nach Westen sind von ihnen entdeckt und belebt worvcn. Die Geschichte Babyloniens hat für uns das größte Interesse dadurch, daß sie auf Tyrus, Damaskus und Juda cinwirkte und in den Annalen des letzteren niedcrgclcgt ist. Griechenland, Rom, Aegypten und Persien lösten sich einander ab in dem Besitze und der Verwüstung des Landes; der Islam gründete einen mächtigen Thron daselbst nnd verlegte später den Schauplatz des ungeheuren Kampfes zwischen dem Kreuze und dem Halbmonde dahin, und jetzt hat eine Revolution von Aegp^n her das Land, nachvcm cs lange vergessen war, wieder zu solcher Bedeutsamkeit erhoben, daß tue Augen der Welt dahin, wie auf einen Punkt gerichtet sind, auf dem über allgemeinen Krieg oder Frieden entschieden wird. Auch noch lebende Reste des Altcrthums bietet uns Syrien dar. Zu Naplus nämlich, dem alten Sich ein, leben noch einige, vielleicht die einzigen, Abkömmlinge der zehn Stämme Israels. Sie bewahren noch immer ihren alten Samaritanischen Pentateuch unv beobachten auf dem Gipfel des Berges Gari- zim die Gebräuche und Opfer des Samaritanischen Kultus. Ich hatte ihnen einen kleinen Dienst geleistet, dafür machten sic mir einen Brief zum Geschenk, den sie vor zweihundert Jahren von einer Kolonie ihrer Brüder in Indien erhielten, die sich damals übcr ven Zustanv Samaricns crknnvigtcn, von dcncn man aber fcitoem nichts weiter hörte. Als ich einmal gegen Sonncn- Unlergang vor dem Friedhof von Sich cm vorüberging, der am Fuße des Garizim liegt, bcmcrkle ich zwei Samaritanerinnen, die mit sichtbarer Wchmulh auf die Gräber schauten, worin die Trümmer ihres Gcfchlcchts enthalten sind, daS jetzt für immer zu verschwinden droht. Als ich ihnen nahte, brachen sie Has Schweigen, und mit einem Tone voll ticscr Trauer fragten sie mich, ob ich keinen Ort auf dem Erdboden wüßte, wo noch Glieder ihres Volkes zu findcn wären; und wenn ich solche fände, so sollte ich ihnen doch im Namen der Brüder sagen, daß sie ins Land der Vorfahren zurückkommen mögen, damit doch die Gräber nicht ohne Wartung und der heilige Derg ohne An beter bliebe. Die Abkömmlinge Ismaels sind heute in ihren Gebräuchen und Sitten noch so wie ckbraham und seine Sühne. Die Spra chen des Altcrthums sind noch Vie modernen Sprachen Syriens zum Theil. Die Syrische Kirche zählt nach der Alexandrinischen Aera, während in den Schluchten der Gebirge noch Heiden zu findcn sind, kurz Alles trägt, noch den Stempel der Vorzeit. Eben dieses Festhalten am Uralten hinderte bisher den Ucdcr- gang zu einer BolkSthümlichkeit. Es giebt nur Familien, kein Volk in Syrien. Fast die ganze Bevölkerung des Landes ist in inehr vdcr minder große Geschlechter gcthcilt, die jedes seinen Stammbaum hinauf zu einem Erzvater oder mit ihm ebenbür tigen Ahnherrn rücken, und diese Geschlechter hängen durch nichts weiter zusammen, als durch gemeinschaftliche Unterdrückung. Der Jude haßt den Samaritaner, obgleich er der Abstammung nach so nahe mit ihm verwandt ist. Griechen und Maronitc», Syrische unv Lateinische Kirche, obgleich sie eine und dieselbe Wiege haben und unter gleicher Tyrannei seufzen, sind unter einander so ver feindet, daß der Haß gegen ihre Unterdrücker nur als eiu leichtes Schmollen im Vergleiche Mit dem unversöhnlichen Haß erscheint, mit welchem sie sich gegenseitig verfolgen. Auch die Moslems, die alle das Gebot des Propheten anerkennen, sind doch in Sekten gethcilt, die einander als Ketzer und Ungläubige behandeln. Drusen, Ansaricr, Türken, Araber nnd Europäer bleiben ver einzelt mir ihren Gcwohnhcilcn und Einrichtungen. Jedes dieser Volker fast bewohnt noch die Oerter, wohin ihre Vorfahren durch Niederlage oder Sieg gekommen sind; und da die Türken bet ihren Eroberungen immer die Verfassung der Länder bestehen ließen, sobald sic nur Tribut cütrichtcteu, so kam es, daß die tapferem Bewohner der Syrischen Gebirge beinahe in voller Un abhängigkeit geblieben sind. In den großen Städten bekennen sich die Moslems zu einer der vier orthodorcn Sekten"), wenn sic auch von einer verschie denen Race abstammen. Die Städte Damaskus, Tripoli, Jerusalem und Aleppo hingegen genießen ein religiöses An sehen, welches ihnen Vorrechte unv Freiheiten gab, die für ihre Bevölkerung zu mancherlei Vorurthellen und Interessen führten. Die Vornehmen dieser Städte (unv vorzüglich in Damaskus) sind Sprößliugc sehr alter und reicher Fannlien, die einst hier in Glanz und Herrschaft lebten. Der jetzige Mufti aus dem Hause Mirad zählt acht seiner Ahnen als frühere Muftis. Em in gerader Linie abstammcndcr Nachkomme des ersten Ehalifen, Äbubcker, hält sich in Damaskus auf, wo er bedeutende Grund stücke besitzt, und die meisten Beys dieser Stadt sind Abkömm linge der ersten Anhänger (Gefährten) vcs Propheten. Solche Familien sind oft einc große Stütze für die Bevölkerung gegen tyrannische Befehle der Paschas. Auf dem Libanon, zu Bethlehem und in einigen Distrikten des Hauran waren die Christen einig und tapfer genug, um sich in einem Zustande von beinahe gänzlicher Unabhängigkeit zu er halten. Die Juden in den Städten haben zwar eben so wie die Christen vom Hochmuth der Muhammedaner zu leiden, sic besitzen überdies kein eigenes Laud; dennoch haben sie Mittel ge sunden, ihr Joch zu erleichtern. So beherrschte die Familie Farhi indirekt viele Jahre die Angelegenheiten zu Akre und Damaskus. Die Eigenthümlichkeitcn der Bevölkerung haben der Tyrannei der Paschas wohl oft einen Damm entgcgcngcfetzt; aber noch öfter haben sie dieselben verhindert, etwas allgemein Gutes zu voll führen. Cs war der Pascha meist ein Fremdling und ein von Ankläger» verfolgter Beamte, den die Pforte nur als den Pächter der Provinz betrachtete. Auf ein Jahr in der Regel ernannt, kam er in das Paschalik, um schnell den Tribut, das heißt das Pachtgeld, einzutreibcn, wurde bald von den bevorrechteten Fa milien, die am Hofe immer Verwandte haben, verfolgt und abbe- rusen. Solchen Zustand von Anarchie beobachtete lauernd Meh med Ali, um bei cintreffcnder Gelegenheit Nutzen zu ziehen. Sic traf im Jahre lk>ri ein. Nach vielen vorhcrgcgangcncn Jnlrigucn und Vtrcitigkcitcn zwischen ihm und dem jnngcn ehr geizigen Pascha von Akre, Abdallah, brach er in Syrien ein, be lagerte das berühmte Akre acht Monate und nahm es, glücklicher als früher Bonaparte, mit Sturm. Im Dezember l8Z2 ver nichtete er Pie Armee des Sultans bei Koniah und erhielt zu Anfang des Jahres CW im Vertrag zu Kutayah ganz Syrien und den Distrikt Adana gegen einen Tribut von Beuteln. Die Aegyptische Armee beobachtete bei ihrem Zuge durchs Land die strengste Mannszucht. Seinerseits sprach Ibrahim von Nichts als von Verbesserungen, und obgleich er sich gar nicht beeilte, den Altgläubigen zu gefallen, so war doch Jedermann voller Zuversicht in Hinsicht seiner Macht und seines gnten Willens. Seine Truppen bestanden aus Veteranen voll Vertrauen auf sich selbst und auf bas Fclbhcrrutaleut des Führers. In allen Pro vinzen der Türkei hat der Erfolg dem Pascha viele Anhänger geworben. Europa betrachtete ihn mit zunehmender Gunst; be sonders war England geschäftig, die Morgcnröthe der neuen Macht zu begrüßen. Während Rußland seinen General-Konsul von Alerandrien abrief, schickte England eine diplomatische Person hin und gab ihr den Titel Minister. Hätte der Pascha cs ver- standeu, in Syrien das System eines erleuchteten Gouvcrnc- '> Die Muhammedaner erkennen vier vrtbvdpxe Sekte» an - Sun nite», Hanesllcn, Aralekiten und Hnndaltten.