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Nummer 274 — 26. Jahrgang kmol wöch. Bezugspreis fiir Dezbr. 3.00 einschL Lestcllgelo Anzeigenpreise: Die Igesp Pelilzeile 30^, Siellenoeluche 2g Die Petikreklamezeile. 98 Milli- meier dreii, I R Ollenengebühren iür Selbstabholer A bei Uebersenoung ourch sie Post außewei» Poriozuschlag Einzel-Nr. 10 Sonniags-Nr 15 4. Eeschästl. Teil: Frieürich Nieser in Dressen. b -> sroenuiig stepaislur stulbewübninß a. Vonien Ore^tien 8lieblenerLtr.8 Kat 48477 SMilsÄe Fr er rag, 3. Dezember 1920 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o Anzeigenaufträgen u. Leistung o Schavenersatz Für unüeutl u. 2. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ber. aiitivoriung. Unverlangt eingesanole u m Rückporto nicht versehene Manuskripte werv nicht ausbewakrt/ Sprechstunoe oer Rcoaktian 2—8 Uhr nachinillagS! Haupljchriftieit.: Dr. Joseph Albert. Tressen,! OicschäfiSstclle, LrnN »»d «Lcrlag! Saroucu- BuawruUcrei Gi»I>H„ Dresden !>l. I. Pnlierstrc bc 17- ivenirni : wlS. Pollschertkonlo Dresden I17U7. Boni'slNo: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Mcdnkiio» der Sächsischen Volkezeiiung Trcsden-ANstadt 1. Polieu'trntze 17. gernrni -VNI nnd 2IVI2. Freiheil von Schmutz und Schund! Eine nur geschriebene Parlci in entsrede zum Gesetz gegen Schmutz und Schund. Von Otto Steinbrinck. (Nachdruck verboten.) Meine Damen und Herren! Nieder mit Schmutz und Ichiwd! Es lebe die „deutsche Kultur und Sittlichkeit", das ist die allgemeine Parole derer, die dies Gesetz für notwendig halten. Ich schließe mich Ihnen an. Es bleibt ober die Frage: Wird die „deutsche Kultur" wirklich ge- rctlcl? Im Namen des Volkes werden in diesem Gesetz dw kleinen Sünden gefaßt — und die großen, werden sie wieder einmal ihre Freiheit behalten? Und weiter un gestört auf das Herz unseres braven, deutschen Volkes, das sich gegen den ganzen großen Bazillenherd nur noch -'mühsam wehren kamt, attackieren? Im Namen der Freiheit hat man in der französischen 8'evolution die Fürsten und Adeligen geköpft, im Namen der Freiheit sich die schlimmsten Tyrannen gegeben und schließlich im Namen der Freiheit die echte Hüterin aller wirklichen Freiheit: die katholische Kirche bekämpft. In unserer deutschen Republik, in einer christlichen Demo- Inaüe, meine Damen und Herren, muß es im Namen der Frc'heit von Schmutz und Schund eine Herrschaft des zuien Geistes des Volkes wider alle Geister der Hölle geben. Darf das eine Demokratie? Sie muß es, ivo o!le Staalsgewull der Verfassung gemäß vom Volke aus- gchen soll. Oder die Freiheit ist nicht die hehre Göttin, sondern nur ein hinkendes Bettlerweib, wie es Heinrich oon Kleist in einer seiner Novellen beschrieben hat. eine LVltlerin, die zu wahrhaft befreienden Taten nicht fähig ist. Auf in den Freiheitskrieg! Frisch und k stig muß die Musik dazu blasen. Muckertum und Eng herzigkeit bleibe zu Hause hocken! — Mit Neid schauen wir heute nach Italien. Nicht weil dort durch die Ausnahmegesetze ein Kirc! hosssriede ge sächsen ist. Wir denken an ein viel größeres Gesetz. An das Gesetz vom 10. Dezember 1925. In einer Ansprache zur Erläuterung dieses Gesetzes hieß es lnoch der „Schö neren Zukunft". II. 5.)): „Deswegen hält die italienische Negierung dafür, daß die einzig mögliche Reform der moralischen Erziehung diejenige bedeutet, die im Evan gelium Christi, in der Interpretation, Tradition der katholischen Lehre von den 10 Geboten Gottes bis zum Katechismus festgesetzt ist." (Bei uns in Deutschland hat irgendwo neben der Eourths-Mahler der Katechis mus ausoe'egen, beides als „Schundware".) Und im 8! Innen dieses italienischen Gesetzes wird der Frauen- handel unterdrückt, die Stellenvermittlungen für das weibliche Geschlecht strengstens überwacht, den Jünglin gen wird der Zutritt zu öffentlichen Häusern untersagt und die Schließung derselben angeordnet. Weiterhin Schließung derjenigen Tanzsüle und öffentlichen Veran staltungen, die nicht die Bürgschaft ehrbarer S'tten geben, befohlen. Bilder und Zeichnungen, die die Moral ver letzen, werden verboten und die Theatewensur eingeführt. Tlenn bei uns das Gesetz zur Bekämpfung von Schmutz lind Schund so ähnlich aussieht, dann können wir deut sche Demokraten behaupten, etwas von wahrer Freiheit zu verstehen, dann haben wir wenigstens im Gesetz die Freiheit der Sittlichkeit an Stelle der F rei he i t d e s L a st e r s, an der unser Volk zu sterben droht, wenn wir nicht rasch für Abhilfe sorgen. Es kann sein, daß, wenn man reichsgesetzlich jetzt so etwas wie einen großen Verein zur Bekämpfung der essentlichen Ilnsittlichkeit einsührt, damit etwas erreicht ist — das Gegenteil ist aber leider eher wahrscheinlich. Es kann nämlich der ganze Schmutz erfaßt werden, oder »ur der Schaum der abgründigen Gewässer,- auf die Me thode kommt es hier an. Es könnte sein, wenn wir ebenso viele Vereine zur Bekämpfuirg der öffentlichen lkisittlichkeit haben werden, wie wir in Deutschland be reits an Zahl Kegelvereine, Boxvereine. Cchwimmvereine, Wehrvcreine »sw. haben — wenn alle diese Vereine, deren . Zahl größer sein soll als die Zahl der Einwohner Deutschlands — Vereine zur Bekämpfung des Schmutzes und Schundes würden, dann, meine Damen und Herren, behaupte ich. daß die deutsche Vereinsmeierei wenigstens ciuen gewissen Sinn hätte. Sie hätte aber einen noch viel größeren Sinn, wenn sie der wirklichen Geschmacks bitdung und der positiven Bekämpfung vieler Laster die nen würde. Denn in wie vielen Vereinen wird gerade gegen die Freiheit von Schmutz und Schund gesündigt, z. V. auf welchem tiefen Niveau befindet sich bereits die Pflege der „Geselligkeit"? Wie amerikanisch wird jedes gesunde Gefühl, jeglicher Nest von Gemüt und Geist nie dergeboxt. niedergetrommelt, niedergetreten, nieder geredet. niedergesungen — und das alles ott vor Tausen den von Menschen jeden Sonntag!!! Grundsätze zurAnschlvtzsrage Dun-eskarrzler Dr. Sripel formuüerk die S-ettungnahme -er österreichischen Regierung — Deutsch-Oesterreich und Italien Wien. 2. Dezember. Im Finanzausschuß des Nationalrates kam es am gestrigen Dienstag zu einer außenpolitischen Debatte, bei der von den Rednern aller Parteien die Vorgänge in Südtirol und die Fragede s A n s ch Iusses an las Deutsche Reich erörtert wurden. Von ch r istlich - sozi a I e r Seite wurde die Regie rung ersucht, Schrille zu unternehmen, um das schwere Los der Deulschen in Südtirol zu erleichtern, und verlangt, daß die Mitglieder des Volkelchnndes aus die Zustände in Südürol aus- merksam gemacht werden. Der g r o ß d euts ch e ReZner gab der Meinung Ausdruck, daß der Anschluß an das Deutsche Reich sich nicht aushalte» lassen werde und daß die wirtschasüich orientierten Kreise auch der Staaten, die sich bisher als die ersten Widersacher des An schlusses gezeigt hätten, langsam zn der Erkenntnis kamen, daß die Äesriedung der Wirtschaft Europas praktisch undurchführ bar sei. wen» gerade das deutsche Voll! vo» dieser Befriedung ausgeschlossen werde. Es werde niemanden aus die Tauer ge lingen, den Anschluß zu verhindern, wenn die Deutschen diesen Anschluß selbst wolle». Darüber sei man sich einig, daß die öster reichische Bevölkerung in ihrer überwältigenden Mehrheit, wenn diese Frage einmal zur Entscheidung „^.n.nen we-de. d-n An- schlußgedanken in die Tat imisetzen würde. Von sozialdemokra tischer Seile wurde an der Anschlußpolitik der christlich-sozialen Partei Kritik geübt. . Bundeskanzler Dr. Seipel erklärte in seiner Antworlrede. man kenne seinen Standpunkt und den Standpunkt seiner Partei in der Anschlnßsrage. Wir halte» uns, sagte Seipct. an 8 Grundsätze. Wir glauben 1., daß eine Poliiik des ewigen D c m o n st r i e r e n s tat sächlich keine Berechtigung habe, ja, sogar schädlich ist; 2. sind mir der Meinung, daß wir Realpolitik treiben müssen, indem wir unsere Kräfte daraus konzentriere», daß der „z w e i t e dc ri t s ch e Staa t", wie Oesterreich einmal in Berlin bezeichnet worden ist, bestehe,, kann und nicht etwa einem wirtschaftlichen Verfall oder einer sozialen Revolution anheim- föllt. Der 3. Grundsatz ist der, daß wir alles tun müstcn. um der We't das Vertrauen be-zubringen, daß mir die Verträge achten und auch nicht jm geheimen auf den Bruch der Verträge durch Mittel der Gewalt oder der Intrige hinarbeite-!. lieber die Beziehungen zu Italien sagte der Bundeskanzler: Ein wirk'ich gutes Verhältnis zwischen Italien und uns kann solange nicht W'rk'ichkrit werden, wie die Klagen von jenseits des Brenners nicht verstumme». Wir vertrete» die Interessen der in Italien lebenden österreichischest Staatsbürger energisch, können uns aber in italienische Parteivcrhültnisse nicht ein- mischen. Der Tatsache, das; in letzter Zeit unsere Zeitungen in die dculschen Teste des Brenners nicht eingesührt werden dürfen, licgen offenbar Maßnahmen lokaler Behörden zugrunde. Wenn ein allgemeines Verbot der Einfuhr deutscher Zeitungen in Italien »achgeiviesen werden sollte, wäre die Anwendung von Repressalien zu erwägen. Was das Verhältnis zu der Person Mussolinis anbelaugt, so muß ich es aus Gründen der politischen Klugheit zurückwcise». gegenüber Männern, die andere Staaten au die Spitze gestellt haben. Stellung zu nehmen. lieber die Frage der Abschaffung des Visu m z w a nges führte der Kanzler aus: Gegen eine einseitige Absclxstinng sprechen Bedenken wirischaillicher Art. lieber eine generelle Abschaffung der Visen mit Reziprozitäts-Klausel finden Berhand- lungen statt. Der Kanzler schloß seine Darlegungen mit Ser Feststellung, daß Oesterreich mit alle» Staaten in sehr guten Beziehungen stehe. Am Ost-Oberschlesien Eine polnische Note an Deutschland. Warschau, 2. Dezember. Dw Poin. Telegr.-Agentur ver breitet solg.nde Meldung: Am 80. November hat der polniscke Gestnwle in Berlin eine Note überreicht, die einen Protest der polnischen Regierung gcoen die Erklärung enthäli. die am 28. November d. I. in der Angelegenheit der letzten Gemcinderats- wcststen auf dem Gebiet der scklenschen Woiemcd'chast im Na men der Regierungsparteien im Dcuiichen Reichstag vom Abg. Emmmaer abgegeben worden ist. Diese Erklärung enthält estie Kritik der Walsten sowie des Vorgehens der polnischen Behör den gegenüber Bürgern der polnischen Republik. Sie belaßt sich inst dem Bcrhästn-s der polnischen Reoicrnng z» den demschen Minderheiten in Polen nnd enthält eine Wendung, worin Sie genannten Parle-en ge-enüder den Wählern, die die üenlsche Liste gewühlt Hoden, ihren Dank aussgrcchcn. Diese Kund gebung hat in Anwc-'enhcit der Verirrter der Reichsregierung staltaefnnden. Sie sei eine Einmischung in die inneren Aime- le'cnheitcn eines fremde» Staates, die de» inicrnationolcn Ge- siogenbeilen zuwider lause und in der äst.istucben Mmnung beider Länder unerwünschic Wirkungen hervorruicn müsse. Der Protest der polnischen Negierung ist insofern istcht ganz verständlich, als cs sich um eine Erkläruna politischer Par teien handelt, ans deren Farm und Inhalt die Regierung keinen Einfluß hat. De» Parteien als solchen wird man nach der materiellen Seite hin das Recht nicht bestreiten können, zu dein Ergebnis einer Wahl in einem ehemals deutsche» Gebietsteil Stellung ui ncb n n. das du Verbundenheit dieses Gebietes mit der deutschen Kulinrgcmeinschast zum -Ausdruck bringt und in diesem Sinne die Sicherung der Erhaltung dieser Gemein schaft zn fordern. Meine Damen nnd Karren, das Wort Schund klingt fast wie S ch ü n d n n g. Wie wird bei uns tue Schändung Keilte geradezu gezüchtet! Will man dieser traurigen Verrohung begegnen durch reichsgesetzliche Indizierung des literarischen Schundes allein? Soll eilt Oiesetz statt der bloßen Oberfläche nicht auch den Kern treffen? Wunden kann man nicht Keilen, solange die Bazillen nicht ausgetricben werden. Courlhs-M'hler wird Keule als gefährlicher bc-eichnet als eine Mudität. Mas eben dauernd das bessere und feinere Empfinden abstnmpst, statt es zn schärfen und zu erziehen, das ist gefährlicher als mancher bloße Augenblickskitzel. Ein wüster Box kampf van 2 Stunden kann gefäkrlichcr, verrohender wirken als irgendcme Zweideiitwkeit. Wer sich tierisch bcboxt, der wird sich auch fade Warte an den Kopf wer fen. Man müßte also du- Quelle alles Schund und Schmutzes erfassen, dann erst kann von einen! Damm die Rede sein. Mas Schmutz nnd Schund ist, bleibt eben so lange eine bloß akademische Frage, wenn man darunter n n r das Literarische versteht. Solange Schmutz nur in Bild nnd Scbrift ersaßt merden soll, mährend das Laster sich überall spreizt und dazu der holde Blödsinn der Schlager weiter blüht, solange stürmt man mit literari scher Bekämpfung, wie Don Quichote gegen die bekann ten Windmühlenflügel. Leider verstehen wir persönlich nur wenig von Gesetzemachen, sonst würden wir folgen den Znsatzantrag zum vorliegenden Entwurf oinbriugen: „Das deutsche Bolk. einig in dem Willen zur Bekämpfung aller Unkultur seines Lebens, verlangt von den Vertre tern im Parlament und insbesondere seinen Ministern, daß sie nicht nur Messen usw. eröffnen, daß sie auch j ü h r- lich mindestens einmal für 14 Tage eine Studienreise in die von Schmutz nnd Schund besonders bedrohten Großstädte nnd Mietskasernen machen znm Zwecke der Beobachtung der Wirksamkeit der unter 88 r y erlassenen Neichsgesctze gegen Sckmntz nnd Schund. Sie hoben sich an Qrt und Stelle Vortrag halten zn lassen über die Sor gen und Wünsche der besuchten Städte. Gemeinden. Län der. Kommissionen! Klagen, Beschwerden nnd Wünsche entgegeiizniiehmeii und einer parlamentarischen Unter suchungskommission vorznlegen." Zweitens richte ich von dieser Stelle ans einen An trag an den Presse verein zn Berlin: 8 1: „Es ist eine für jede Zeitung verbindliche weiße Liste der jenigen Autoren von Zeitungsromanen ansmslellen, deren N.Zinen nnd Werke für eine echte, leichlversländliche, gute und interessante Volksunterhaltnng verbürgen. Alle anderen Romane dürfen nicht veröffentlicht werden. Der 8 2 müßte alle Vernnglimpfnno.cn im Namen des ritter lichen Geistes ehrlicher Meinungsäußerung und guter Sitte verbieten. — Meine Damen und Herren, ivenn Sie diese Forderungen als zn weitgehend ablehnen sollten, bitte ich Eie vorher zn bedenken, daß cs für einen echten Volksstaal keine wichtigere innenpolitische nnd kulturelle Aufgabe gibt, als die Verteidigung und Siche rung der Religion und aller guten Sitte. Bedenken Sie bitte dies und fordern Sie mit mir im Na men des Volkes, im Namen der wahren Freiheit, im Namen der Brüderlichkeit nnd Gleichheit alles Heiligen und Guten: Kampf gegen Selbslvergistnng, gegen S ch m n tz u ii d S ch u n d j e d e r A r t. Es geht um die „heiligsten Güter der Nation", um die Seele unseres Volkes'