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Nummer 2S7 — 27. Jahrgang rrichr»» «mal wvche»t!.mi> den Multr. «ratiSdetiagen .Die well' und ,gür »liiere kleiilen Leute', towte de» rerlbetlane» ,8t. Benno-Blalt'. »UnIerdalNin« und Wissen'. .Die Weil der Frau'. .Nerzllicher Ratgeber'. Da» gute Buch'. .gilmrnnd. ichau'. Monatlicher Bezugspreis 3 MI. etnkcht. Bestellgeld. Liujeluumlner X» ch Sonuabeud- n. Sonntagnilmmer SV s -auvllchrtstletter- Dr. w. Debczyk. Dretden. Sonnlag,-en 30.Dezember 1928 BerlngSor«: Dresden Anzeigenpreise: Die lgelvalteue PeMzeNe!t« z :„nul,»n- anze>gen ».Tlellenaelilche S»»z. Die Petltre'lomezeil» Wmm breit I Fiiir Anzeige» ausierkialb de? Berbrell,mg?gebiete< 4vz diePetilretlomezeile I.ttt» Brietaeb. ttt» ^ ^miloll« böberer Mewall eriilchl >ede BervilichUnia »ui Lielernua wwi« srilillumr v. Anzeigen-Au'trvgen ». Leütnng n. LNuik-eneriag, i-eichitit'tchel Teil Artur Venz, Dresden. «SrschiistSftelle. Druck».Bering: idrrmanla A..z«. l iir Verlag und Druckerei, Filiale Dresden. Dretdeu-A.1. Po»erstratzet7. FeniruiiNVIS. Vosiichrcklonlo Dresden 77N8. Banttonlo Ttadtban' DreSdcn Ar M7I» Für chrisNiche Politik und Kultur Redaktion Dresden-Altstadt der Sächsischen VolkSzeitung t Poiierstratzc 17. Fernen- MH und »INI2. Erziehende Rechlslunde in den Schulen Bon Landgerichtsdirektor Dr. Marx, Köln. Volk und Recht sind sich mehr und mehr fremd ge worden. Zu verwundern ist das nicht bei der Fülle der Gesetze, durch die sich selbst der Fachjurist kaum mehr hindürchfindet: umfaßt doch z. B. das Reichsgesetzblatt der Jahre 1920 bis 1925 allein 12 807 Seiten. Bei der Sich tung des Reichsrechts, die vorgenommen wird, werden von über 11000 Reichsgesetzen immer noch mehrere Tausend gültiger Gesetze übrig bleiben. Die vielfach überstürzte Ge setzgebung der letzten Jahre läßt feste Rechtsgrundsätze oft kaum mehr erkennen. Dem Laien muß das Recht nach gerade als ein „undurchdringliches Gewirr von Para graphen" erscheinen, als „eine Technik, deren Kenntnis und Handhabung allein dem gelehrten Fachmann zu kommt" (Pros. Dr. Merk, Marburg, „Vom Werden und Wesen deutschen Rechts" 1920.) So aber darf es im all gemeinen Volksinteresse nicht sein. Recht, Gesetzgebung und Rechtsprechung dürfen nicht als Fremdkörper im Volksleben erscheinen, sonst wird unser Volk juristi schem Pfuschertum und Winkclkonsulcntcntum ausgeliefert. Beffe! („Ncchtskunde für den Alltag") klagt mit Recht: „Leider mangelt es nie an Leuten, die die Rechtsfremd heit des Volkes auszubcuten verstehen, ja es gibt ganze Ge schäftszweige, die auf der rechtlichen Unersahrcnheit des Volkes anfgebaut sind." Auf mangelnder R e ch t s k e n n t n i s ist zum größten Teil auch das Mißtrauen gegen die I u st i z zurückzuführen. So mancher Nechtsuchcnde, der einer seiner Erwartung nicht entsprechenden Entscheidung verfällt, kann den Ausführungen des an das Gesetz ge bundenen Richters nicht folgen. Ihm fehlt jedes Verständ nis für das betreffende Urteil. Er wird verbittert, empfindet Mißtrauen gegen die Justiz und sät solches weiter. Das mangelnde Vertrauen zur Rechtsprechung erscheint allerdings einigermaßen verständlich, wenn man die Klage von Ricks l,-Ungenügende Gesetzesvorbereitung und Ge fährdung der Rechtspflege", Deutsche Richterzeitung 1925, S. 521) liest: „Wie soll die Rechtspflege gleichmäßig, einfach und na türlich Gesetze anwenden, wenn schon die Gesetze alles andere als einfach und natürlich sind, und ohne jede Mitwirkung der die Gesetze Ausführenden vorbereitet werden und in Kraft treten?" Das Mißtrauen des Volkes müßte sich viel eher gegen die Gesetzgebung statt gegen die Richter wenden. Unserer parlamentarisch oft zu sehr beeinflußten Gesetzgebung fehlt nicht nur das rechte Maß, sondern mangelt es oft auch an tiefer durchdachten Rechtsgrundsützen. — Hinsichtlich der überstürzten Gesetzgebung hat schön Landgerichtspräsident Dr. Mosler in Bon» (Deutsche Richterzeitung 1927, S. 101) hervorgehoben, daß bald aus jedem möglichen und unmöglichen Anlaß der stets dringende Ruf nach dem Ge setzgeber erschallt und es sich infolge Schnellzugstempos bei aller Tüchtigkeit der Entwurfsbearbeiter nicht um aus- gereifte Ergebnisse handeln kann, vielmehr der Zusammen hang mit der Ge'amtheit des Rechts verloren geht. Wie werden doch die Entwürfe behandelt! „Die ganze innerpalitische Zerrissenheit spiegelt sich in so vielen gesetzgeberischen Verhandlungen wider, und die Entwürfe sind ihr Spielball. So entstehen dann Gesetze so wird fort und iort mit Novellenslickwerk gearbeitet. Kaum ist der Entwurf Gesetz, so sind schon eine Fülle van Zweifeln da. Die Arbeit des Richters wird ungemein erschwert, und die Rechtsuchenden sehen in der Gesetzgebung ihren Feind und damit auch in dem Richter, der die Gesetze anwenden muß. aber vorher nicht gefragt morden ist. Ratgeber sind meistens die jeweiligen Interessenten." Treffender, als Dr. Mosler es tut, kann man die Zu stände nicht schildern. Aber noch ein weiteres ist zu beachten. Die Jurispru denz ist. wie Iheringso tiefgründig dnrgelegt hat, nichts anderes als p r a k t i s ch e P h i l o s o p h i e. Das Recht hat die Lebensverhältnijse der Menschen unter Beachtung der allgemeinen sittlichen Grundsätze zu ordnen. Es hat Pflichten zu statuieren, die dasjenige Minimum von sitt lichen Grundsätzen darstellen, das nötig ist, uni einem un geregelten. sittenwidrigen Zusammenleben der Menschen nach Möglichkeit vorzvbe>'gen Wie selten ieooch ist man Die Krise in Frankreich Konflikt zwischen Parlament und Regierung — Poincare -rohl wieder einmal mit seinem Rücktritt Keule: Die Welt (Illustrierte Wachenb"ilage) Unterhaltung und Wissen Turnen. Sport und Spiel Filmrundschau Paris, 29. Dezember. Im sranzösischen Parkameu! Herrschi K r, se» st i m in » n g. Innerhalb drr Negirrnng haben sich Disserenzen ergeben, uns die Regierung als Ganzes stimmt mit den parlamentarischen Körper schaften nick»! überein. ES wird davon gesprochen, daß Poincare seine» Rücktritt sür de» 2. Januar angctnndigt Hai. Die Gründe sür die Differenzen i,„ .Kabinett sind die beiden Kannnerbcschlnsse über die Erhöhnng der Diäte» nnd über das Verbot sür die Abgeordneten, gntbezahllc Posten in AufstchtSrätcn nnd ähn liche mit der politische» Vrranlworttichkrit nichi vereinbare Sinc- tnrrn anznnehnien Tie Erhöhnng der Tiäirn wurde, wie nach erinnerlich sein wird, mit der ispäier überdies bestrittenen) Mehr- hci! van einer Stimme angenommen. Der gnigemcinle, aber etwas übereilt sormnlicrie Bcschlnß, der dir Moral vcr Volksvertreter vor finanziellen Verlockungen ichützcn soll, kann ln seiner jetzigen Fassung zu der Konseguenz sichren, daß auch Abgeordnete und Senatoren, die gleichzeitig Rechtsanwälte sind, in ihren Bcruss- pslichten gestört werden müßten. Poincarö ist im Grunde weder gegen eine den Verhält- nisscn entsprechende Erhöhung der Diäten, noch gegen den Schutz dcr parlamcnlarlscheu Unabhängigkeit. Er glaubt aber, daß über die erste Frage das Parlament in einer politisch ruhigen Zeit be raten soll, »ne er wünscht die Fnrmnlicrnng der Bestimmungen über die parlamentarische Unabhängigkeit so scharf zu sassen. daß kcinc Mißverständnisse und Ungerechtigkeiten entstehen können. Die anderen Minister waren aber der Meinung, daß die Regierung der Stimmung in der Kammer Rechnung tragen müsse, und sie stinnn- !en deshalb dem Vorschlag des Finanzministers EHuron zu, nach de,,, sie Erhol»,,>a der Diäten ans 6t) OM Francs im Jahre durch Kanielcn begrenzt werde» solle». Unter dem Eindruck der Drohung Polnrarös bat der Senat in seiner gestrigen Nacbtsitznng die Beratung des Einnatnncbndgets beendet und das Gesamtbildget mit 273 gegen 17 Stimmen verabschiedet. Das Bndgctgleichgewicht ans Grund der Beratung des Senats stellt sich wie folgt: Einnabme 15152 806 778, Ausgaben 15 318 662 913. Einnahnicübcrschnß 131 Milt. 113 865 Francs. — DaS Budget gebt nunmehr wieder an die Kam ni er zurück, da dcr Senat wesentliche Abänderungen an der von dcr .Kammer angenommenen Tagung vorgenomnicn hat. Die» Frage der össciitlichcn Betätigung von Parlninentaricrn und be sonders der Ucbcrnahme von AnfsichlSratsposten hat der Senat zu- rnckgcsteltt. Die Regierung will aber die Beratung der entspre chenden Vorlage heilte »ackmiittag im Senat verlangen und nach Abnahme durch den Senat beantragen, die entsprechenden Besinn» »»tilge» wieder in das Einnahmebndget aufzunchnicn. * In der Presse wird die varlamcntarisctie Lage als ernst beurteil!. „Petit Pari sie»" schreibt: In partaincntarischen Kreisen herrscht Unbehagen. Im Abgeordnetenhaus und im Senat hat man den denttichc» Eindruck, daß politische Zwiicb niftitle ein- treten wurden, wenn man sich nicht in der Zeit des bndgeteren Waffenstillstandes befände. „Quotidicn" bemerll: Es scheint nicht zweiselhaf!, daß die Kamcr diesmal vom Senat ermutigt, der Erhöhnng drr Diäten znstinnnt. Poincarö scheint nicht gewillt zn sein, eine dop pelte Niederlage hinznnehmen. Wird er, von den Grnppc» verlassen, die ihm bis jetzt gefolgt sind, „nd auch von seinen eigene» Mini stern, eine verringerte Macht behalten wollen? Allgemein glaubt man das nicht. .Exzelsior" schreibt: Es scheint sicher zu sein, daß »ach dem Wicdcrznsannnentritt des Parlaments im, Januar die verworrene Lage geklärt werden muß. Ter Entschluß dcr radika len Kannnerfrattion, die Regierung über die allgemeine Politik zu intervenieren, kann Poincarö im Januar Gelegenheit geben, diese Klarheit zu schaffen, um fcstznstetlcn. daß das von ihm an, 11. Ja nuar gebildete Kabinett noch das Vertraue,i der Kam,»er besitzt. Erste Vernehmung von Klotz Paris, 29. Dezember. Gestern wurde der ehemalige Finanzminister Klotz, der woge» Betruges und Wcchselsälschuug verhaftet worden mar, vom Untersuchungsrichter vernommen. Klotz führte, wie Havas meldet, u. a. aus. er habe täglich Schecks ausgegeben, ohne sich dabei etwas zn denken. Er könne sich das nur durch Wil lensschwund erklären. Er habe jedesmal die Ue'oerzeugung gehabt, diese Schecks einlösen zu können, und habe, wie er durch Briese und Telegramme beweisen könne, ans Geldein gänge gerechnet. Niemals habe er beabsichtigt, irgend jeman den zu betrüge»: er sei das Opfer seiner Unvorsichtigkeit gewor den. — Die medizinischen Sachverständigen, die ans Antrag des Verteidigers erneut eine Untersuchung von Klotz ans seinen Geisteszustand hin vornehmen sollen, werden heute ernannt werden. Neuer Millionenbetrug in Nordfrankreich Lille, 29. Dezember. Beim Untersuchungsrichter sind von einer Reihe van Landwirte i Klagen wegen Betrugs in Höhe van zu sammen 2 Millionen Franken gegen einen früheren Rotar des Departements Lot-et-Garone. der gleichzeitig Bürgermeister seiner Gemeinde war. sowie gegen eine andere Persönlichkeit unbekannter Herkunft cingegangcn. Beide batten in Lille vor einem Jahre eine Zweigstelle einer Gesellschaft gegründet, die sich namentlich mit Exportgeschäften nach Südamcrtüa befaßte nnd ihren Sitz in Paris gehabt haben sollte. Die Betreffenden werden von der Polizei gesucht. lich heute Des notwendigen Zusnwmenhanges zwischen Recht und Moral bewußt? Ein Grund mag mit darin liegen, daß die meisten Menschen ohne alle tiefere philosophische Bildung sind, es ihnen an festeil Grundsätzen und Erund- anschauungen für die Orientierung über richtiges Recht fehlt. Dadurch erhallen wir eine Menge gesetzlicher Bb- .stjinmungen, die nur augenblicklichen Zweckmäßigkeits- nrwügunge» ihre Entstehung verdanken und tieferer Prü fung aus ihre wirkliche Berechtigung nicht standhalten können. 'Tste mangelnde philosophische Bildung, besonders auch der Zuristen, hat schon Paulsen („Die deutschen Universi- j -ten und das Universitätsstudium", S. 537) aerügt. Dieser ! Rangel trägt zu einem großen Teile mit Schuld an der i erwelts'i'nnn des Rechtes, den juridischen Modernismus, den Papst Pius AI. in seinem hervorragenden Rund schreiben „Olli aionno" vom 23 Dezember 1923 geißelt. Den dargelegten sehr ernsten Uebelständen kann aber non Grund auf nur abgeholfen werden, wenn auch die Schulverwaltungen dazu übergehen, b e i allen Schülern den Rechtssinn beizeiten zu weckenundzu schul e n. Sehr treffend schreibt Rechts anwalt Felix Josef Klein lBonn). der so rührige und verdienstvolle Berfechter des Giitegedankens im Recht, in einer Abhandlung „Oniveisiins litsinrnm": „M'.r will scheinen, daß trotz aller Betonung der Staats bürgerkunde der Gymnasiast an eigentlicher Nechtsknnde für das Leben auch heute nicht das bescheidenste Maß erhält und seine Vorstellung von dem überaus durstig bleibt, was ihm bevorsteht, wenn er zur Fahne dcr Justiz schwört. M » ß d a s s o s e i n ? Kann die Schule hier nicht mehr bieten? Muß sie es nicht als kleine „Onivonsitrrs liternrum", wo doch eine gewisse Orientierung über das Recht die Vermittlung eines sehr wesentlichen Stückes Kultur eine unentbehrliche Sicherstellung für die Brandung des Lebens bedeutet? Theoretisch wird die ausgeworsene Frage gewiß überwiegend bejaht. Aber wenn es an die praktische Aus führung kommt, taucht rasch das Bedenken ans, man könne dem Gymnasium nicht immer weitere Aufgaben zumuten. Eine bescheidene Unterweisung in dem Recht, das sich tausend- iacb in unierm Leben auswirkt, ist aber wollt eine der näcklt- liegonden Ausgaben der höheren Letzranstalten. soweit Ne Wissen vermitteln wollen, das dem praktischen Leben dient." Und in einer anderen Abhandlung (,.Rechtsbeleh rung") hebt Klein mit besonderem Recht hervor, daß auch bei der studierenden Jugend, die künftighin berufen ist, Volksberater und Volksführer zu stellen, ein größeres Maß von Rechtskenntnissen wünschenswert ist. Ein Gutachten der R e ch t s f a k u l t ä t V r e s l a u hat schon 1925 gerügt, daß die Jurisprudenz als einzige Wissenschaft von der Schule bisher in keiner Weise behandelt worden ist. Rechtliche Belehrung kommt auch nach einem Gutachten der Necktsfakultät Greifswald vom 28. 1. 25 einem tiefgefühlten Bedürfnis unserer Zeit entgegen. Bei vlan- mäßiger rechtlicher Unterweisung in Schulen und Fort bildungsschulen besteht sogar die Möglichkeit, manche künf tige Rechtsstreitigkeit billig und rasch zu erledigen, da die Parteien aus ihrer Jugendzeit gewisse Rechtsgrundbegrifse mit sich bringen werden. Im bisherigen staatsbürgerlichen Unterricht wird genügende Rechtsbelehrung kaum einmal erteilt. Bor allem auch strafrechtlicher Unterricht tut not. wie schon vor dem Kriege von immer weiterst» Kreisen anerkannt wurde (vgl. Ministerialdirektor Dr. Wulfen „Unkenntnis des Strafgesetzes" in der wissen schaftlichen Beilage des Dresdener Anzeigers vom 17. 5. 1903). Auch Prof. Dr. Beperle („Die Reickoverfasiung als Grundlage des staatsbürgerlichen Unterrichts" 1921) bezeichnet es auf Grund eingehender Studien als eine be sonders dringende Aufgabe, in der Jugend den geschwun denen Sinn für die Scheidung von Recht und Unrecht, von Gefetzesverachtung und Gesetzesübertretung wieder zu heben und damit zugleich an der Stärkung nnd Autorität von Gesetz »nd Verfassung z» arbeiten. Bereits im Mai 1927 habe» nun in sehr dankens werter Weise die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für allgemeine Rechtsbelehrung in Dresden (Ministerial direktor Dr. Wulfsen, Landgerichtsdirektoren Dr. Otto und Siedamgrotzky. Amtsgerichtsrat Dr. Be Hell. Oberstudienrat Bros. Dinaeldev «nd