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M MW WienW M Vie WM«. Zwei Ereignisse waren es, die während der letzten Tage im Vordergründe des politischen Interesses standen: Dev Konflikt der libe ralen Partei mit dem Kultusminister Dr. Beck und die F r o n t st e l l u n g, in der sich die Konservativen zu dem M i n i st e r des Innern befanden. Es ist in den poli- rischen Kreisen mit Recht diesen Vorkommnissen eine größere Aufmerksamkeit zugewandt worden, weil sie siir die sich daraus weiter entwickelnde politische Situation ausschlaggebend sein können. Mit dem wegen seiner Schärfe Aufsehen er regenden Angriff, den der nationalliberale Frak tionsführer Dr. He 1 tner gegen den Kultus minister Dr. Beck wegen dessen Stellung in der Frage der Besetzung des zweiten Lehrstuhles für praktische Theologie an der Landesuniversität richtete, stellte Hettner zugleich zwischen den Liberalen und den Konservativen in dieser Frage eine Scheidewand auf, was um fo be merkenswerter ist, als es hier das erste Mat ist, daß sich die liberalen Parteien in diesem gegenwärtigen Landtage in einem scharfen grundsätzlichen Gegensätze zu den Konservativen befanden. Ob die Schärfe des Hettnerschen. Tones gegen den Kultusminister berechtigt war, mag dahingestellt sein. Es heißt sogar, daß mit seinem Angriffe manche seiner politischen Freunde nicht ganz einverstanden gewesen sein sollen, was allerdings offiziell bestritten wipd. Abgesehen von der reinen Pev'onenfrage, soll man die Bedeutung der Frage, «wie die Be setzung der theologischen Lehrstühle an der Universität erfolgt, für unser kirchliches Leben gewiß nicht unterschätzen. Aber eine andersge artete Auffassung, wie sie im vorliegenden Kalle der Kultusminister vertrat, gibt doch selbst dem schärfsten politischen Gegner noch nicht das Recht, an dem ehrlichen Bestreben des Kultusmini sters, den Frieden in unseren: kirchlichen Lebe,: und unter den bürgerlichen Parteien herbeizu führen, zu zweifeln. Die Konservativen in Front gegen den Minister des Innern! Das ist, so wird den „Leipz. N. N." geschrieben, namentlich in Sach sen kein alltägliches Bild. Die Konservativen stehen allerdings mit ihren Anschaulungen viel fach stark im Gegensätze zu dem Minister. Schon als Graf Vitzthum die konservative Interpella tion über die Arbeiternot auf dem Lande beantwortete, kam das deutlich zum Ausdruck. Die kühle Behandlung, die der Mini ster der Frage der Arbeiternot auf den: Lande angedeihen ließ, sein Rat, die Arbeiter besser zu entlohnen, seine Behauptung, die Landwirte seien Gegner der inneren Kolonisation — eine solche Fülle von Vorwürfen mußte naturgemäß die Konservativen in ihren Auffassungen stark verletzen, und.sie stimmten ihrem Sprecher Dr. Böhme einmütig bei, als dieser sagte, es habe die Konservativen geradezu frappiert, wie wenig der Minister die praktische Seite der Frage kenne, wie grau seine Theorie sei. Und jetzt noch der offene Konflikt des Ministers mit dem Abgeordneten Dr. Böhme. Zunächst muß man sich, um das richtig zu würdigen, vergegenwärtigen, daß Dr. Böhme, als er in der letzten Sitzung der Zweiten Kam mer vor den Ferien seine Erklärung gegen den Minister Vitzthum abgab, seine Fraktion ge schlossen hinter sich hatte. Dr. Böhme ilt ein Politiker, mit dessen Einfluß innerhalb seiner Partei auch ein Minister rechnen sollte. Graf Vitzrhum hat das nicht getan. Man kann sehr darüber in: Zweifel sein, ob es taktisch klug war von dem Minister, sich auf eine Mini- sterialveror'dnung zu stützen, die den Behörden Sen Verkehr mit den Abgeordneten einfach ver bietet. Zwar hat die Regierung das Recht, den Behörden und Beamten zu verbieten, irgend welche bildenden Abmachungen mit den Abge ordneten zu treffen. Aber den Staatsbeamten den Verkehr mit den Abgeordneten zu unter sagen, das ist doch wohl ein so unhaltbarer Standpunkt, daß der Minister sich w.cht zu wun dern braucht, wenn er bei einer solchen Stel lungnahme den einmütigen Widerstand der Kam mer gegen sich hatte. Die Abgeordneten sind das Sprachrohr ihres Bezirks und müssen für sich das Recht in Anspruch nehmen, daß sie zur Lösung wirtschaftlicher Fragen, bei denen sie in folge Auftrags und des Vertrauens der Bevöl kerung schon tä.ig gewesen sind, im Interesse der Sache bei den Verhandlungen auf Ersuchen zugelassen werden. Auf die Verfassung vermag sich der Minister dabei nicht zu stützen, denn im § 133 ist nur von den Ständen die Rede, nicht aber von den einzelnen Abgeordneten. Wie es bestimmt heißt, wollen die Konservativen die Frage, ob der Verkehr der Behörden mit den Abgeordneten prinzipiell verboten worden kann, im Laufe dieser Session noch zu einer endgül tigen Klärung bringen. Da sie dabei die übri gen Parteien aus ihrer Seite haben, wird Graf Vitzthum voraussichtlich einen sehr schweren. Stand haben. Man soll solche Vorkommnisse nicht tragi scher nehmen, als sie sind. Sie sind aber immer hin wichtig genug, da sie das Verhältnis der Parteien zur Regierung beleuchten, und weil in ihnen manchmal der Schlüssel liegt zu späte ren Ereignissen. Nus dem Seiche. Fürst Bülow und Bismarck Fürst Bütow hat an den Verfasser des Buches über den „Fürsten Bismarck 1890 bis 1898", den früheren leitenden politischen Redak teur der „Hamburger Nachrichten" Hermann Hofman n, ein Schreiben gerichtet, in dem cs u. a. heißt: „Für die freundliche Uebersen- dung Ihres Werkes über Fürst Bismarck sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Sie wissen, daß ich von Jugend an den: Fürsten treu ergeben war und geblieben bin. Gen: werde ich Ihr Buch meiner Bibliothek einverleiben und mich an seiner Hand in vergangene Zeiten und in die große Gedankenwelt des gewaltigen Man nes zurückversetzen, dessen Ideen und Urteile nie veralten können." Fünf Zeppelin Luftschiffe „auf Kiel". Im kommenden Frühjahr werden voraus sichtlich fünf Zeppelin-Kreuzer die! Halle in Friedrichshafen verlassen. Davon sollen zwei der Marine, zwei der Heeresver waltung zugeteilt werden, während der fünfte ein P a s s a g i e r l u f r s ch i f s sein wird. Neben der Friedrichshafener Stamm werft wird die zu Anfang des kommenden Jahres neu zu eröffnende Potsdamer Luft schiffswerft ihre Tätigkeit ausnehimen. Sie macht den Anfang mit dem Bau von zwei Luftschif fen, von denen eins für militärische Zwecke^ das andere für Verkehrszweckc bestimmt ist. Ein neuer Wasserstrahl gegen die Welsen. Die „N o r d d. A l l g. Zt g." schreibt halb-- amtlich: Auf einer Generalversammlung des Deutsch-Hannoverschen Vereins in Nienburg hat nach Zeitungsmcldungen der Reichstags rbgcord- nete Freiherr v. Schele u. a. gesagt, der Herzog von Cumberland wünsche, daß die Partei den Kampf um die Wiederherstellung des König reichs Hannover f o r r s e tz e. Wenn dabei dar an gedacht werden sollte, daß die Welfen die Wiederherstellung Hannovers von einer freien Tat Preußens erwarten so hat der Reichskanz ler deutlich genug im Reichstage gesagt, daß dies leere Hirngespinste sind. Bei einen: anders gedachten Kampfe kann siäb die Partei nach der Erklärung, die der Herzog von Cumberland wiederholt dem Reichskanzler; gegeben hat, nicht auf den Willen des Herzogs berufen. Diese Aeutzerungen des halbamtlichen Blat-! tes sind recht bemerkenswert. Sollten die Wel fen fortfahren, sich auf den Herzog zu be rufen, dann dürfte es angebracht sein, daß der Reichskanzler nähere Angaben über die Erklärun gen des Herzogs von Cumberland macht. Die Verwendung der Nationalflugspende. Das Kuratorium der Nationalflugspende hielt kürzlich eine Sitzung ab, in der Prinz Heinrich von Preußen als Protektor darauf hinwies, daß der an das deutsche Volk ergangene Appell, das deutsche Flugwesen zu unterstützen, Ergebnisse erzielt habe, woraus wir stolz sein dürften. Wenn Deutschland die Periode des Tastens im Flugwesen überwunden habe, so habe zu diesem Gelingen die Nationalflug spende in hervorragender Weise beigetragen. Von dem Ergebnis der Nationalflugspende, das 7 234 506 Mark betrage, wurden u. a. veraus gabt für Fliegerausbildung 586 272 Mark, für Fliegerprämien und -renten 479 513 Mark, für Wettbewerbe 213 000 Mark. In rechtlich ver bindlicher Forni zugssagt seien 2 846 170 Mark, darunter für die großen Fexnflüge 300 000 Ml., an das Reichskolonialamt für Förderung des Flugwesens in den Kolonien 100 000 Mark, an Ehrenpreisen für Militärflieger 55 000 Mark, für den Flugzeugmotoren-Wettbewerb 225 000 Mark, für Wasserflugstützpunkte 100 000 Mank, für einen Wasserflugzeugwe.tbewerb der Reichsmarine 125 000 Mark, für einen Wasserflugplatz an der Ostsee 250 000 Mark, an Prämienkosten für. Fliegerausbildung 776 000 Mark, für Verficht rung von Fliegern 669 570 Mark, für Gründen uni) Rentenflüge 435 000 Mark, für einen Schnel- ligkeitswettbewerb 1914 300 000 Mark. Für 1914 oder später würde die Ausschreibung eines mit 300 000 Mark ausgestatteten Geschwindig keitswettbewerbes für Flrrgmaschinen beschlossen- Schließlich überreichte Prinz Heinrich die verschiedenen Preise, und zwair den 1. an S t o e f f l e r, Aviatik, Mühlhausen (2079 Kilo meter), 100 000 Mark, 2. an Schlegel, Waggonfabrik Gotha (1497 Kilometer), 60 000 Mark, 3. an Kaspar, Waggonfabrik Gotha (1381 Kilometer), 50 000 Mark, den 4. an ^Thelen, Albatros, Johannisthal (1373 Kilo Meter), 40 000 Mark, den 5. an Oberleutnant K a st n e r, Militärverwaltung (1223 Kilo meter), 25 000 Mk., den 6. an Leutnant Geyer, Militärverwaltung (1170 Kilometer), 15 000 Mark, den 7. an Stiefvater, Johannis thaler Jeannintaube (1170 Kilometer), 10 000 Mark. Die Bcrmögenserklärung zum Wehrbeitrag Die Kölner Handelskammer beschloß die Verlängerung der F r i st sür die Ab gabe der Vermögenserklärung zum Wehrbeitrag zu beantragen. Freiherr v. Oppenheim erklärte, daß es kleineren Bankgeschäften gar nicht mög lich sein werde, die Auszüge für die Wehr steuerveranlagung rechtzeitig fertigzustellen. Ein Regierungsvertretcr, der sich bei seiner Bank habe unterrichten wollen, habe sich dem nicht , ft verschließen können. Es soll eine Hinaus- sapebung des Termins bis zum 15. Februar nachgesucht werden. Telegraphisch soll der Ausschuß des Deutschen Handelstages um Unterstützung ersucht werden. Banken und Gewerkschaften. Die Deutsche Bank hatte vor kurzem einen Angestellten, der für den gewerkschaftlich organisierten Allgemeinen Verband der deutschen Bankbeamten agitatorisch wirkte und als Be-. auftragter seiner Kollegen der Direktion die Wünsche der Angestellten unterbreitete, gemaß regelt. Daraufhin hat sie Generalkommission der deutschen Gewerkschaften als Vertretung der gewerkschaftlichen Zentralverbände mit der Deut schen Bank verhandelt. Es fand eine längere Aussprache zwischen Vertretern oer Generaikom Mission und zwei Direktoren der Deutschen Bank statt, die aber zu keinem die Gewerkschaften be- süiedigenden Ergebnis führte. Die Vertreter der Deutschen Bank versicherten, daß die Bank nicht die Absicht habe, das Koalitionsrecht ihrer An gestellten zu beeinträchtigen. Eine ausreichende schriftliche Erklärung hinsichtlich der Sicherung des Koalitionsrechts wurde aber von ihnen ver weigert. Daraufhin haben die Gewerk schaftsverbände mit den: Abbruch der Geschäftsbeziehungen nichr nur gedroht, sondern sie sind auch zugleich zur Tat geschritten und haben ihre erheblichen Guthaben bei der Deutschen Bank, soweit es vertragsmäßig mög lich war, gekündigt und überhaupt weitere? Geschäftsbeziehungen abgebrochen. Alsa, ein ge schäftlicher Boykott in regelrechter Form! In Ergänzung dieser Mitteilungen erfährt die „B. Z." von unterrichteter Seite, daß d:e bei der Deutschen Bank befindlichen Gewerk- scha'tsdepositen insgesamt den Betrag von a n- nähernd 20 Millionen Mark er reichen. Ein großer Teil hiervon ist täglich fällig, während für die übrigen Gelder eine Kündigungsfrist von drei bis sechs Monaten notwendig ist. Die Generalkommission der Ge werkschaften hat mit dem Abzug ihres Guthabens bei der Deutschen Bank den Anfang der Kün digungen gemacht und ihr Vermögen der Mittel deutschen Kreditbank überwiesen. Die anderen Gewerkschaften dürften diesem Beispiel in den nächsten Tagen folgen. Die Bank wird in der Lage sein, aus ihrem täglichen Kassenbeftand das gesamte Vermögen, das die Gewerkschaften bei ihr angelegt haben, zurückzuzahlen. Nus dem Nuslsnde. Eine Stiftung für das Studium des Deutschen in England. Otto Beit in London hat der Univer sität Cambridge die Summe von 3009 Lstrl. (60 000 Mark) zur Verfügung gestellt mit der Bestimmung, daß damit eine Biblio thek deutscher Bücher ins Leben ge rufen werden soll, die dem Schböder-Professor der deutschen Sprache und Literatur, Professor Dr. Karl Breul, und später seinen Amtsnach folgern unterstellt sein soll. Die Bücherei ist in erster Linie zur Förderung des wissenschaft lichen Studiums der deutschen Sprache, Lite ratur und Kultur an der genannten Universität bestimmt. Sie wird den englischen Studenten des Deutschen etwa das bieten, was in Deutschland die größeren Seminarbibliotheken für deutsche Studenten des Englischen enthalten. Daneben aber soll sie auch der ganzen sich für deutsche Art und Kunst interessierenden akade mischen Welt von Cambridge unter gewissen Be dingungen zugänglich sein. Ohne Zweifel wird Otto Beits großherzige Stiftung wesentlich da zu beitragen, das nun seit fast dreißig Jahren (seit 1884) in Cambridge eifrig gepflegte höhere Studium des Deutschen zu stärken und erfreu lich weiter zu entwickeln. Sie bedeutet somit eine wesentliche Förderung des Deutschtums in England, die von weitreichender Wirkung sein wird. Russische Repressalien gegen Deutschland. Der russische Handelsminister hat dem Minifterrate folgende Gesetzentwürfe vorgelegt:. 1. Einen Entwurf betr. die Auferlegung eines. Zolles auf ausländisches Ge-. treibe, das nach Finnland eingeführh wird, und zwar in Höhe von 4,30 Rubel für 100 Kilogramm brutto auf Roggen, Gerste, Hafer, Weizen und Buchweizen in Körnern, so-i wie Erbsen und Spelz; von 6,50 Rubel aus dieselben Getreidearten in Mehlform. Der Zeit-, punkt des Jnkra'ttretens dieses Gesetzentwurfes, ist noch nicht festgesetzt; 2. einen Entwurf betr. die Besteuerung von Getreide in Körnern, außer Neis, Erbsen und Bohnen, die nach Rußland eingeführt werden, und zwar in Höhe von 30 Kopeken für das Pup brutto. Die unverzüg liche Einführung dieser Maßnahmen sei wün-. schenswert, denn das System der verschleierten. Ausfuhrprämien, wie es in Deutschland, üblich ist, hindere die Entwicklung der russischen Landwirtschaft. Französische Besorgnisse. Im Ausschuß der Kammer für Auswär-, tige Angelegenheiten führte Leygues in sei-, nem Exposee über die äußere Lage und die. Interessen Frankreichs in: Orient u. a- folgen des aus: Die Zukunft ist finsterer und unge wisser als je. Die Balkankrisis hat nichts ent schieden. Indem der Dreibund aus dem Zau dern und den Fehlern der Tripel-Entente, Nutzen zog, hat er die Ereignisse, welche seinem Prestige schweren Abbruch getan hatten, zu sei nem Vorteil verwendet. Das Gleichgewicht im Mittelmeer ist erschüttert (?) und K o n st a n-, tinopel und die Meerengen sind i n den Händen Deutschlands (?). Die, Ereignisse hatten eine:: unmittelbaren Widerhall, in Kleinasien, wo wir große Interessen haben. Insbesondere in Syrien müssen wir unserer wirtschaftlichen Aktion einen entschiedenen Im-, puls geben. Wenn Frankreich mit Ehren die Krisis bestehen will, die Europa durchmacht, so schloß Leygues, dann mutz es eine feste und, klare Diplomatie haben, deren Direktiven un veränderlich sind. Ehurchill in Paris. Der englische Marinemini,'ter C h ur ch i l l ist am Sonnabend vormittag in Paris einge- trofsen. Gegenüber dem kürzlich von einigen Blättern verbreiteten Gerücht, Churchill würde in: Anschluß an seine Pariser Reise auch einige Wochen in Deutschland zubringen, mutz hervorgehoben werden, daß der Minister bei sei ner Abreise erklärt hat, er beabsichtige nur, die Aeroplan-Ausstellung in Paris zu besichtigen. Er wolle seine Reise nicht weiter fortsetzen und beabsichtige auch nicht, nach Deutsch land zu fahren. Delcastee verläßt Petersburg. Der Pariser „Matin" veröffentlicht folgende von uns bereits angedeutete Aufsehen erxegende, anscheinend offiziöse Mitteilung: Als Herv Delcassec im März d. I. den Botschafter- Posten in Petersburg annahm, wurde- angenom men, daß er nur in außerordentlicher Mission für sechs oder zehn Monate dorthin gehe. Aus persönlichen Gründen und überwiegend aus familiären Rücksichten wollte sich Delcassee nicht für unbestimmte Zeit von Paris entfernen. Sein Nachfolger ist noch nicht namhaft gemacht. Offenbar will man in Pattis die Oeffenft lichkeit in Frankreich mit dieser Mitteilung! schonend auf den Rücktritt Herrn D e l- cassees von seinem Petersburger Botschaft terposten und seinen Mißerfolg in der russischen Hauptstfadt vorbereiten. Es verlautete ja schon seit längerer Zeit, daß Delcassee sich von Peters burg sortsehne, weil er ebensowenig wie seine Vorgänger in der aristokratischen Petersburger Gesellschaft habe festen Fuß fassen können. Man muß annehmen, daß Delcassee in Pattis s e l b st wieder eine entscheidende Rolle spielen möchte. Vielleicht hofft er auf einen baldigen Kabinettswechfel, bei dein auch für ihn ein Portefeuille abfallen könnte. Viel leicht hoftt er auch, daß der Kabinettschef Dou-? mergue, der ja das Ressort des Auswärtigen wohl nur interimisti'ch übernommen hat, ihm dieses Portefeuille abtritt. Ein solcher Wechsel wäre allerdings für die deutsch fttanzö- sischen Beziehungen von sehr bösen Folgen begleitet. Der Pariser Mitarbeiter der „L. N. N." erfährt hierzu, der Rücktritt sei die Folge der russischen V c r st i m m u n g über die französische Finanzpolitik gegen über der Türkei und die mangelhafte fran zösische Unterstützung Rußlands in der Frage der deutschen M i I i tt ä r m i s s i o n. Da zu kommt allerdings noch, daß Delcassee schon? vorher die beiderseits in ihn gesetzten Erwar tungen nur wenig erfüllt hätte. Die Nachfolge dürfte überaus schwer lösbar sein, da für die sehr schwierige Petersburger Stellung fähige Diplomaten kaum verfügbar sind. Aus Albanien. In Valona sind zwei angesehene Notabeln als Vertreter der Stämme Choti und GrUda eingetroffen, uni die völlige Solidarität dieser