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Wöchentlich «scheinen drei Nummern. PrSnumeration«-Priit 22j SUdergr. (t Thlr.) vierieliSdrlich, 3 TUN. iür dat ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin sSr dir Pränumerationen werden von ied«r Buchhandlung (in Berlin dei Deit u. Como., ISgnstrape Nr. 25), so n>ie von allen Königl. Post Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 140. Berlin, Donnerstag den 21. November 1844. Buchara. Colonel Stoddart, Capitain Conollp und I>r. Wolff. Bo» dem großen Weltdrama: die Engländer in Asien, dessen Kata strophe schon ein Jahrhundert währt, dessen Schauplatz von den Ufern des rothen bis an die des stillen Meeres reicht, unter dessen Helden selbst die Riesenfigur Hpdcr Ali'S nicht vereinzelt dasteht, — waren die Scencn, welche in den letzten Jahren westlich und nordwestlich von Indien vorgingen, keineS- wegeS die minder interessanten. Wir haben dabei Gelegenheit gehabt, uns in Kabul, Ghasni und dem Chaibarpaffe umzusehcn, die militairischen Groß- thaten von Nott, Pollock und Sale so wie den weiblichen Heldenmuth der Gattin des Letzteren zu bewundern, als unparteiische Zuschauer auch wohl die Macht des Unabhängigkeitsgefühls zu erkennen, welches in dem kriegerischen Stamme der Afghanen lebt. Weniger möchte cs bekannt sepn, daß die so vielfach besprochenen Schicksale der englischen Offiziere Stoddart und Conollp, deren unglückliches Ende nun kaum noch zu bezweifeln ist, mit jenen Begeben heiten in einer Art von Zusammenhang stehen, und cs wird darum, bevor mit der nun bald zu erwartenden Rückkehr des vr. Wolff diese Angelegenheit beendet ist, der folgende Bericht unseren Lesern nicht unwillkommen sepn. Im Jahre 1838 ward dem englischen Gesandten zu Teheran von dem da maligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Palmerston, der Auftrag crtheilt, einen seiner Offiziere, den er zur Erreichung des ihm mit- getheilten Zweckes für besonders geeignet erachte, nach Buchara zu senden; und allerdings galt es eine für einen englischen Offizier ganz eigcnthümliche Pflicht zu erfüllen: die Auslösung russischer Gefangenen. ES war nämlich ungefähr zu Anfänge jenes Jahres eine reiche Karawane, worunter ZW rmnnye scauslkutv, »bl» Vtc pergs,-- P-nnin» M.-is.indera» und die Stevvcn westlich vom OruS kommend, an der Gränze der Bucharei erschienen, vor geblich, um mit ihren Waarcn die Messen von Chokan und Aarkand z» be suchen. Bei ihrem Durchzuge an verschiedenen Orten war hier und da laut bar geworden, jene Kaufleute, deren Aeußeres eben nicht glänzend erschien, seyen nichtsdestoweniger im Besitze großer Reichthümer, — Veranlassung genug, alle Horden der Wüste zu einer gemeinschaftlichen Expedition zu ver einigen, um sich in die Güter und ihre Besitzer zu theilen. Usbeken, Kirgisen, Chiwaner, Turkomancn thatcn sich zu einem vollständigen Heere zusammen, dem sich sogar Weiber und Mädchen, von der diesen Stämmen iuwohnenden Plünderungslust beseelt, anschlossen. An der engsten Stelle eines Passes, den die Karawane zu durchwandern hatte, postirte sich die Näubcrschaar zu beide» Seiten, überfiel die Sorglosen zür Nachtzeit, wo jede Vertheivigung un möglich war, und machte sie ohne Blutvergießen Alle auf einmal zu Gefan genen. Die reichen Waarcn wie das in großer Menge Vorgefundene baare Geld wurden vertheilt und die Kaufleute, merkwürdiger Weise lauter blühende Jünglinge, selber zur Waarc für die Sklavenmärkte Mittel-Asiens gemacht. Jetzt kam ein äußerst befremdlicher Umstand ans Licht. Die vorgeblichen Kaufleute waren sammt und sonders Offiziere, die zu gleicher Zeit diese Ge genden verkleidet zu durchstreifen den Plan gefaßt, ja, waS noch auffallender, zu gleicher Zeit die Erlaubniß dazu erhalten haben mußten. Mit einem Worte, eS waren Abgeordnete Rußlands, die sich mit Hülfe ihres Goldes zuerst bei den verschiedenen Chans und Emirs in Turkestan cinschmeicheln, dann versuchen sollten, dieser Barbaren militairischc Kräfte zu formircn und auszubilden, ohne Zweifel, um sie zu friedlicheren Nachbarn der Briten in Indien zu machen. Wir unterbrechen hier für einen Augenblick den Fortgang der Erzählung, um zweiselsüchtigen Lesern, denen manche der eben angeführten Details un wahrscheinlich vorkommen möchten, die Versicherung zu ertheilcn, daß wir dem englischen Berichterstatter — welcher sich zur Whigpartei bekennt und dem Ministerwechscl von 1841 alles seitdem in den fünf Erdtheilen vorgcfallene Unglück zuschreibt — wen» auch in; Auszüge, doch treu nachcrzählcn, und unser englischer Berichterstatter ist „ein ehrenwcrthcr Mann". Er zählt sogar unter seinen Quellen ein zu Petersburg aus der Druckerei der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften hervorgegangenes Werk: „Nachrichten über Chiwa u. s. w. vom General-Major Gens" auf, giebt aber nicht an, ob er die obige Geschichte aus demselben entnommen. Kehren wir nun zu dem erwähnten Auftrage Palmerston s zurück. Der scharfblickende Staatsmann hatte, als jene Nachrichten ihn erreichten, alsbald die Absichten Rußlands durchschaut. Sicherlich war er auch auf diesen schlimm sten Fall vorbereitet gewesen und hatte nun, wo seine Ehre im Spiele war, den erwünschtesten Vorwand, um ein mächtiges Heer über den OruS zu führen. Dem konnte nur durch ein schnelles Manöver vorgcbcugt werden, und so er hielt Colonel Stoddart den Auftrag, entweder die russischen Offiziere auszu lösen oder den Emir zu bewegen, daß er sie ohne Lösegeld ziehen lasse. Die Sendung, ohne Zeitverlust unternommen, ward vom besten Erfolge begleitet und dadurch Rußland im voraus jeder Veranlassung zu irgend einer Feind seligkeit beraubt. Welche Pflichten Stoddart zum ferneren Verweilen nöthig- ten, müssen wir hier unerwähnt lassen; so viel ist gewiß, daß während der ersten Zeit seines Aufenthaltes zu Buchara die widersprechendsten Nachrichten über seine dortige Stellung cinliefcn. Bald genoß er des Emirs höchste Auszeich nung, wurde von ihm zu Rathe gezogen, wie ein Orakel betrachtet, bald wieder schien er in plötzliche Ungnade gefallen zu sepn, ward in den tiefsten Kerker geworfen, dem Hunger und Schmähungen aller Art preiSgcgeben und mit dem Tode bedroht. Die Ursachen dieser schwankenden Verhältnisse waren weder den Launen des EmirS, noch dem Betragen Stoddart s und des ihm später nachgcfolgten Conollp zuzuschreibcn, sondern weit über die Mauern der Bucharei hinaus aufzusuchcn. So wie die Indus-Armee durch jene für un durchdringlich gehaltenen Pässe ihren Weg gebahnt und der britischen Macht in Afghanistan Anerkennung verschafft hatte, zeigte sich der politische Nasr Ullah seinen Gefangenen geneigt; er hatte ihre Unschuld entdeckt und suchte durch Geschenke und Ehrenbezeigungen aller Art das Frühere vergessen zu machen. Dost Muhammed und sein Sohn, von den usurpirten Thronen ge- stoßen, zuerst Flüchtlinge in Turkestan, dann Gefangene in Indien und von englischer Gnade abhängig, waren lebende Beispiele von dem, was die Feinde und Beleidiger Englands zu gewärtigen hatten. Sogar nach der unglücklichen Mordscene in Kabul wagte Nasr Ullah nicht, den Aufreizungen der Barukzai- Chefs Gehör zu geben und ihrem Beispiele gemäß die in seiner Gewalt be findlichen Engländer hinrichten zu lassen Er mochte wohl den Briten zu- traucn, sie würden nicht säumen, die Scharte auszuwctzen; andererseits durfte cr cS auch mit den blutdürstigen und rachgierigen Barukzais nicht verderben, und so begnügte er sich damit, die englischen Offiziere wieder ins Gefängniß führen zu lassen. Ein Signal zu ihrer abermaligen Freilassung waren die Operationen der Briten im Chaibarpaffe, die Wiedercrobcrung von Kabul und Ghasni und die darauf folgenden Siege; aber da der Emir sah, daß sich die englischen Behörden in Indien nicht um das Schicksal ihrer Landsleute kümmerten, so gewann später die Politik der Barbarei wiederum die Ober hand. Eine Vermittelung von Seiten des rusfichcn Gesandten, General PatrowSki, der den Emir im Auftrage seiner Regierung zur Auslieferung der Gefangenen an dieselbe aufforderte, würde guten Erfolg gehabt haben, hätte nicht Colonel Stoddart selbst geglaubt, durch eine auf solche Weise erlangte Befreiung der Ehre seiner Nation etwas zu vergeben. Nur einmal, und zwar kurz nach seiner Ankunft in Indien, hatte Lord Ellenborough sich der beiden Offiziere erinnert und ihretwegen ein Schreiben an Nasr Ullah ergehen lassen, das jedoch, wie man aus sicherer Quelle weiß, niemals an den Ort seiner Bestimmung gelangt ist. ES enthielt ein so falsches wie unpolitisches Motiv, die Freiheit der Gefangenen herbcizuführen, nämlich die Angabe, Stoddart und Conollp sehen nur „unschuldige Reisende", ihre Schritte also von keinerlei Konsequenz, mit dem Beifügen, Nasr Ullah möge sie nur laufen lasse», er, der General-Gouverneur, wolle schon dafür Sorge tragen, daß sie sich nimmer wieder in seinem Lande blicken ließen. Der Empfang eines solchen Briefes würde den Emir nur berechtigt haben, jene Beiden als Lügner und Betrüger hinrichten zu lassen, die sich erdreistet hatten, einen offiziellen Charakter anzunehmcn. WaS demnach von den Leitern der öffentlichen Angelegenheiten vcrnach- lässigt worden, das zu bewerkstelligen unternahm rndlich ein Privatmann, Capitain John Grover, der, früher mit Colonel Stoddart befreundet gewesen, den Entschluß gefaßt hatte, ihn mit Gefahr seines eigenen Lebens zu befreien. Aber nicht wollte er unnützerweise die Anzahl der Gefangenen Nasr Ullah'S vermehren, sandern wandte fich an Lord Aberdeen, um für sein Vorhaben die Autorisation der Regierung zu erlange». Der edle Lord hätte nichts dagegen gehabt, ihn als „unschuldigen Reisenden" ziehen zu lassen, doch wußte Capitain Grover wohl, daß Unschuld in jenen Regionen keinen sicheren Schutz gewährt. Alle seine Bemühungen konnten ihm jedoch nicht einmal Audienz bei dem Minister verschaffen, und einige subalterne Beamten, mit welchen er seine Pläne zu besprechen angewiesen wurde, suchten ihm vermöge der wunderlichsten Beweise die Ueberzeugung bcizubringen, die Gegenstände seiner freundschast- lichcn Fürsorge befänden fich längst nicht mehr unter de» Lebenden. Grover war weit entfernt, ihnen Glauben zu schenken, auch waren Stoddart und Conollp zu jener Zeit — Juni 1843 — wie sich jetzt herausstellt, wirklich noch