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«. Aaheoanv. «,.«» Eonnaben», IS. Oktober 19Z0 Lrohtaniairtst: «achULtei» Dretde» Fernlpttcher-Saminelnummn! »6341 Nur iür Nach!,,sprich« Nr. «voll EchrisUeiluno u. Hauvlge>chäi>»slelle: Dreidcn - A. l, Marienftrabe »8/«» Gegründet ^SSS P««»g»<,epa-r »et tit,Nch »wetmaliger ZustellUN, »wnatlllst »ik. cetnichUezitch «o Wg. für rr»o-rlo-n>, durch Postbe,ug «.«» W«. einlchttebttch S« PIg. Postgebühr «ohne P°st,usteUung»ge»ühr> hei Imal wbchenMchem Perlend. Stnzeinummer 10 Psg., autzerhalb Dreeden« 16 PIg. Anjetgen- prelle! DI- einlpaltlge «o mm breite Zelle »s Psg., für auewärli «0 PIg. gamtltenan,eigen und «tellenaefuch- ohne Rabat« 1» PIg., außerhalb -5 P,g., die S» mm breite Rellame,elle roo Psg, außerhalb eso PIg. Ollerienaebiihr 30 Pia. Aurwstrttge «ustrstge gegen «orau«b-,ohlung »ruck ». »erlag: «eps« » «ei-h-rdl, Dresden. Postlchell-Üto. 1V3« Dreide» Nachdruck nur mit deütl.Quellenangabe lLreSdn. Nachr.I «ulLIIig. Unverlangt« Schrtslstücke werden ntch. auibewahrt Schwache Mehrheit für Brüning in Gicht Die Scheidung -er Geister SttwvauupvdUck uo8«r«r vorUaar Lvdrlltlsltang Berlin, 17. Okt. Obwohl die Debatte über die Regie rungserklärung noch nicht abgeschlossen ist, läsit sich die nächste Entwicklung bereits eintgermasten sicher Voraussagen: DaS Kabinett Brüning wird die Mißtrauensvoten aller Wahrscheinlichkeit nach Überstehen, indem eS sich den Einzelabstimmungen durch einen Antrag, über alle diese kritischen Angelegenheiten zur Tagesordnung überzugehen, entzieht. Dieser tu der parlamentarischen Ge schichte nunmehr zur Gepflogenheit werdende Weg wird des halb beschritten werden, weil eine Mehrheit sicher- gestellt erscheint. An sich zwar besteht in der Ncichs- versassung die Vorschrift, das« eine Ncichsregierung des Ver trauens des Reichstags bedarf. Allmählich hat man sich daran gewöhnt, sich damit zu begnügen, das, ein Mißtrauensvotum nicht -urchkommt. Da aber Einzelmtsttranensvoten, z. B. gegen Dr. Curtius, zweifellos eine Mehrheit finden würden, umgeht man alle diese Schwierigkeiten, indem man durch den oben gekennzeichneten Antrag alle Einzelmtß- trauensvoten ntederstimmt. So wird der Gang der Dinge höchstwahrscheinlich darin bestehen, daß das Kabinett Brüning den morgigen Sonn abend und den kommenden Montag — wahrscheinlich wird tie Vertagung erst dann kommen — überlebt. Der Reichstag wird dann nach Hause geschickt und erst Anfang Dezember wieder zusammentreten, um die Eiatsberatungen zu beginnen und die inzwischen als Gesetz entwürfe bearbeiteten Vorschläge aus dem Sanicrungs- und Wirtschaftsprogramin zu beraten. Heute ist die Sache so, bast das Kabinett den rettenden Amcrikakredit bekommen hat und daß ihm auf einige Zeit wenigstens der finanzielle Atem nicht ausgeht. Wer weis, aber, wie lange diese halbe Mil liarde langt? Wer weist, wie viel von dieser halben Mil liarde nicht schon pränumerando ausgegeben ist? In jedem Fall, die unerfreuliche Bilanz steht fest: Die Negierung bleibt, es wirb weitergcwnrstclt — bis zum nächsten Male. In einer solchen Stunde ist cs unumgänglich, die Verant wortlichkeiten für diese Sachlage schon heute festzulegen, wie wohl die Abstimmungen noch nicht stattgesundeu haben. Denn in den programmatischen Reden, die heute von den Führern der Parteien gehalten wurden, läßt sich bereits er kennen, wie es kommen must und kommen wird. Die Debatte begann mit einer Rede des früheren Reichs kanzlers Müller, des Typs der verbürgerlichten Sozial demokraten, der das Kabinett, seine einzelnen Minister und sein Programm entgegen allen Festlegungen seiner Partei wie ein rohes Ei behandelte. Selten ist die Sozialdemo kratie so gefügig, so freundlich, ja so jovial gewesen wie in dieser Rede des vom Reichskanzler Brüning seinerzeit ab gelösten Kanzlers. Selten hat die Sozialdemokratie sich deut licher an das Zentrum »nb seine Mitläufer hcrangedrängt. .Kelten war sie demütiger als in dieser Stunde, wo sie vor der Entscheidung stand, zu kämpfen und in Opposition gegen einen NcchtSblock zu treten, mit allen Unbequemlichkeiten, die für die Linke damit verknüpft gewesen wären, oder vor dem Zentrum zu Kreuze zu kriechen. Die sozialdemokratische Wählerschaft wird sich nach den Posannenstösten des Wahl kampfes eintgermasten wundern, das, ihre Führer dem ver haßten Bürgertum aus der Zentrumsecke plötzlich so demütig aus der Hand fressen. Der Abg. Strastcr nagelte dies dann auch humorvoll init der Bemerkung fest, man könne nnd wolle die Sozialdemokratie nicht daran * hindern, Harakiri zn machen. Die Rede des nationalsozialistischen Führers war klug und gemäßigt. Trotzdem blieb selbstverständlich dem Snstem nichts erspart. Mit großem Geschick entwickelte der Abg. Strastcr das Weltbild des Nationalsozialismus. Mit großem Geschick hielt er der Negierung ihre Sünden vor. Mit großem Geschick zog er die Bilanz von zwölf Jahren nachrevolutionärcr Politik, und er verstand es, das Haus von rechts bis links nicht nur zu fesseln, sondern darüber hinaus in vielen bürger lichen Kreisen nahezu aktives Interesse am Nationalsozialis mus zu erwecken. Daß die Nationalsozialisten dem Reichswehrminister Gröner ob seiner Haltung im Leipziger Prozest und der übrigen Unfreundlichkeiten gegenüber dem Nationalsozialis mus nicht grün sind, wird jeder verstehen. Heute ergab sich daraus die seltsame Situation, dast der nationalsozialistische Vizepräsident Stöhr seinen Parteigenossen wegen einer un- parlamentarischen Acustcrung Uber die EideSaufsassung Gröners zur Ordnung rufen muhte. Nachdem der Abg. Pieck die Mittagsstunde mit kom munistischem Geschwätz gefüllt hat, gab der dcutschnationale Fraktionssührer Dr. Obcrsohren für seine Parteifreunde eine sehr scharf formulierte und wirkungsvolle Erklärung ab. Während sich Strastcr mehr in allgemetnpolttischer Problematik ergangen hatte, präzisierte Oberfohren dt« Bor- kürfe, die besonders hinsichtlich der Außenpoltttk dem Kabinett gemacht werden müssen. Wte Keulenschläge sielen die Angriffe gegen den Außenminister auf die Regierungsbank nieder. Die Rede gipfelte in der Feststellung, daß dieses Kabinett auch von seiten der Deutsch- nationalen keinerlei Vertrauen erwarten könne. Dann sprach für das Zentrum der Abg. Ioos, der sich selbstverständlich hinter seinen Parteifreund Brüning stellte. Inzwischen hatte sich bereits herumgesprochen, daß die Volkspartei ebenfalls regierungstreu geworden sei. Sie wird das Kabinett Brüning diesmal stützen. Als Opfer dieser Schwenkung blieb ihr Partei- und Fraktions führer Dr. Scholz mit seinem höchst begrüßenswerten Ver such einer Nechtsblockbildung aus der Strecke. Die durch die Zeitungen gegangene Meldung, dast Dr Scholz aus Gesund heitsrücksichten sich vier Wochen der parlamentarischen Arbeit enthalten würde, ist nur eine halbe Wahrheit. Wohl ist Dr. Scholz gesundheitlich schwer mitgenommen. Aber der Hauptgrund für seine persönliche Distanzierung vom parla mentarischen Geschehen liegt wohl in der Art und Weise, wte sein Versuch, eine neue Rechtssront zu bilden, in der eigenen Partei verhindert wurde. Als nächster Redner trat dann ein neuer Mann im Parlament, der Fraktionssührer der Staatspartet, Dr. August Weber, ein Nattonalliberaler. aus, der schon vor dem Krieg eine Nolle gespielt hat. Wie zu erwarten, stützt auch der Nest der Staatspartei das Kabinett Brüning. Den Reigen der Debatteredner beschließt mit versöhn lichem Humor Prälat Leicht von der Bayrischen VolkSpartet, der ebenfalls sich auf Brünings Seite stellt und der zum Schluß seiner Rede leider das Kreuz, das Sym bol des Christentums, gegen das Hakenkreuz, das Symbol des Nationalsozialismus, auszuspielen versucht. Aeußerungen dieser Art können leicht zu all den vielen Zwisten und Kon flikten, die es im deutschen Volke gibt, auch noch dem tra gischsten Zwiespalt, dem der Konfession, neue Nahrung geben. * Nach der Plenarsitzung traten noch einige Fraktionen zu Sitzungen zusammen, in denen vorzugsweise die durch die heutigen Erklärungen der Fraktionen geschaffene Lage er örtert wurde. An dem bisherigen Bild, daß es der Regie rung mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen wird, über die gegen sie eingcbrachten Misttraueusanträge hinwegzukommen» änderten diese Fraktionssitzungen nichts mehr. Von beson derem Interesse war lediglich die Sitzung der Deutsche« Volkspartei, in der die Anregung der Staatöpartci behandelt wnrde, mit der Deutfchen Volkspartei in eine technische Arbeits« gemeinfchaft einzntrcten. Da die Staatspartet jetzt nur noch 14 Mann stark ist und in folgedessen keine Fraktionsrechte genießt, also auch in den Ausschiissen nicht vertreten ist, hat die Staatspartei den Ent schluß gesatzt, an die Volkspartet die Frage zu richten, ob sich eine sogenannte technische Fraktionsgemeinschaft zwischen beiden Fraktionen bilden laste, ein Vorgang, der ja bekannt lich in diesem Reichstag schon ein Beispiel hat. Die Deutsche Volkspartei ist in ihrer heutigen Sitzung noch zu keiner Entscheidung gelangt, vielmehr sollen im Lause des Sonnabend erst noch wettere Verhandlungen mit der Staatspartei erfolgen. . ... , ». K» «s: ^4- -L- . Ser großen Aussprache erster Ais Klgvuvr Vrodtdarivbt ckor .vrssckoor dlavürlodtsn" Berlin, 17. Okt. Der Redner der Nationalsozialisten, Gregor Strastcr, beschloß seine Stellungnahme zu Brünings Regterungsprogramm mit folgenden Erklärungen: Die Verfassung des Reichs und der Länder wird von uns geachtet. Wir verlangen allerdings von diesen Verfassungen, daß sie sittlich sind. Der Kapitalismus und der Marxismus haben das deutsche Volk vor das ungeheuerliche Problem gestellt, eine Milliardenlast zu verzinsen. Ich habe mich gewundert über die antisemitische Tendenz des Herrn Müller-Franken. Er sagte, wir hätten von Moses abgcschrieben. Moses war einer der größten Gesetzgeber der Welt. Wenn er Anlaß hatte, sich gegen die Zinsgauncr seines Volkes zu wenden, so ist das ein Zeichen dafür, daß die Juden damals genau so waren wie heute. (Stürm. Bcif. b. d. Natsoz. Heiterkeit im ganzen Hans.f Im Beamtentum gibt es nur eine Zersetzungs- gesahr, nämlich, daß in Preußen Revolutionsschieber die führenden Stellen entnehmen. Wenn man von armen Teufeln 50 Pfennig für jeden Krankenschein und jedes Rezept ver langen muß. dann soll ein Staatsmann, der Geld braucht, zu nächst zugreifen, wo es sich lohnt. Die Krankenkassen haben Millionenpaläste gebaut und Zchntauscnde sozialdemo kratischer Faulenzer sitzen darin! Der Redner geht dann auf die Regierungserklä rung ein. Sozialpolitik sei notwendig, dürfe aber nicht zur Versorgung der Angehörigen einer bestimmten Partei wer den. Die Außenpolitik habe uns auch nicht einen Zentimeter vorwärts gebracht. Der Kapitalflucht werbe inan nur Herr werben, wenn man sie dem Landesverrat gleichstelle und sie mit Zuchthaus bestrafe. Aus der Tatsache der Nichtabriistung der anderen Staaten sollte man die Folge rung ziehen und den Versailler Vertrag als ungültig er klären. Der Redner spricht zum Schluß der Regierung das Mißtrauen seiner Partei aus, besonders dem Minister Gröner, der die Politik des Verrats fvrtsctze. (Der Reichskanzler verläßt den Saal.) Das deutsche Volk, so schließt der Redner, ist erwacht. Den Preis szu den Sozialdemokraten) bezahlen Sie! lStiirm. Beif. rechts, die Natsoz. rufen dreimal im Chor: Deutschland erwache!) Vizepräsident Stöhr weist darauf hin, daß der Abg. Strastcr dem Minister Gröner Eidesbruch vorgeworfen habe, dafür müsse er ihn zur Ordnung rufen. Ab«. Pieck (K.) stellt fest, baß die Minister der Rede Scö Nationalsozialisten andächtig zugchört hätten. 'Die Kommunisten würden dafür sorgen, daß diese Minister für immer von diesen Bänken verschwinden. Während -er Rede leert sich der Saal fast vollständig. Abg. Ioos (Z.) erklärt, die Zentrumsfraktion billige die Regierungserklä rung. Die Zeiten sind so ernst, baß eine Aushebung der Not verordnung nicht zu verantworten wäre. fUnruhe und Zu rufe b. d. Komm.) Gewisse Erfahrungen in den letzten Monaten legen es uns nahe, die soziale Auswirkung gewisser Bestimmungen der Notverordnung zu überprüfen und an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Unter der gegenwärtigen Krise leiden alle Länder der Welt, auch das reiche Amerika. Daraus ergibt sich schon, wte lächerlich es ist, die deutsche Krise auf Fehler der Regierung ober auf die ReparattonSlast surück-uführerr. Diese Weltkrise kanu nur durch ein Zusammenwirken der verschiedenen Länder behoben werden. Das Gerede von agrarischer Habsucht ist lächerlich angesichts der Tatsache, daß bei Kartoffeln der Erzeugerpreis für den Zentner nur 60 Pfennig, der Kleinverkausspreis aber 2,50 biS 3 Mark beträgt. Wir begrüßen es, daß die Negierung unter Beachtung der Gesetze der Wirtschaft energisch auf die Sen kung der Preise hinarbeiten will. Dabei darf auch nicht zuriick- gcschreckt werden vor Zwangsmaßnahmen» wenn sie notwendig werden sollten. Der Metallarbeit erkämpf ist ein Unglück, und wir alle wünschen, daß er so schnell wie möglich beendet werden kann. Die Reichsregicrung hat schon allein dadurch, daß sie im Amte blieb, bas Vertrauen des Auslandes zu Deutschland gestärkt. Beim Gehaltsabzug der Beamten sollte eine Staffelung angewandt werden, die den Familienstand berücksichtigt. Das deutsche Zentrum wird alles tun, um die Bestrebun gen zur Revision der Verträge zu fördern. Der jetzige Reichskanzler hat zweifellos einen neuen Ton in die Außenpolitik gebracht. Wenn auch die parlamentarische Lage schwer ist, so muß dennoch eine parlamentarische Lösung versucht werden. Eine solche Lösung ist mög lich. Wir werde» die Negierung unterstützen bei der Arbeit, Deutschland aus chaotischen Zuständen wieder zur Ordnung zu führen. fLebhastcr Beifall in der Mitte.) Abg. Dr. Oberfohren (Dn.) betont, -aß das deutsche Volk bet den Wahlen eindeutig eine radikale Abkehr von dem bisherigen System der Innen- und Außenpolitik verlangt habe. Die Negierung Brüning habe dem Wahlausgang in keiner Weise Rechnung getragen. In Verfälschung und Mißachtung der Wahlen habe sie auch jetzt wieder Anschluß an die Sozialdemokraten gesucht. Mit dem Hinweis aus die Weltwirtschaftskrise werde versucht, von den wirklichen Ursachen unserer Wirtschaftsnot abzulenkcn, von den Tributzahlungen. Weil die Regierung nicht den Mut habe, die Revision des Aoungplanes zu fordern, suche sie -er schweren Finanzkrise durch weitere Ver schuldung und neue Belastungen zu begegnen. Seine Partei verwerfe deshalb den Sanicrnngsplan, weil er die Katastrophenpolitik weiterführe, deren Ende das Chaos sein werde. Der Kampf gegen den Poungplan müsse mit allen Mitteln fortgesetzt werden. Der Redner empfiehlt die von Dr. Hugenberg geforderte Reparattonsabgabe. Die Noungplanrcvtsion müsse sofort in Angriff genommen werden. Erst nach der Tributentlastung fei eine innere Ge sundung denkbar. Der Redner lehnt die Methoden und Auf fassungen der Außenpolitik der Regierung Brüning ab. Der Außenminister habe in Genf völlig versagt. Der Redner kritisiert weiter die Handels- und Wirtschaftspolitik, die auf völlig neue Grundlagen gestellt werden müsse. Auch in den wehrpolttischen und kulturellen Fragen habe die Negierung versagt. Znm Schluß verlangt der Redner eine Regierungs, bildnng, die dem Votum des deutschen Volkes Geltung ver, schafft» nnd spricht der Regierung Brüning das Mißtrauen aus. (Beifall rechts.) (Fortsetzung der Aussprach« flehe Seite Lf