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Nach der Ansicht einer hoch- angesehenen, mit den Verhältnissen in Westafrika wohlver- ttauten Persönlichkeit bedeutet der Umstand, daß England kürzlich von den Ufergebieten deS Nigers in einer Ausdeh nung von 900 Kilometern Besitz ergriffen hat, nichts Ge ringeres als die Ausschließung deö deutschen Handels von diesem LandeStheile, dessen Einwohnerzahl auf mindestens 25 Millionen geschätzt werden muß. Die Entscheidung über die Zukunft deS Nigers bildete bekanntlich einen der hauptsächlichsten Programmpunkte, über welche die jüngste internationale Konferenz in Berlin zu berathen hatte. Eng land bestritt anfangs den übrigen Mächten daS Recht, sich auf die Erörterung dieser Frage einzulaffen, da die Ufer- aebiete deS genannten Stromes auf Grund wohl erworbener Rechte als britisches Eigenthum anzusehen seien. Trotz dieses Widerspruches Englands trat aber die Konferenz in die Lerathung deS oben erwähnten Programmpunktes ein und somit durfte man annehmen, daß die Mehrzahl der Mächte nicht geneigt sei, die britischen Ansprüche auf den Niger anzuerkennen, vielmehr beabsichtige, diesen Etrom mit den angrenzenden Ländereien, ähnlich wie daS Kongo- Gebiet, für neutral zu erklären. DaS that aber die Konferenz — auS welchen Gründen, entzieht sich vor läufig noch unserer Kenntniß — nicht, sondern be stimmte nur, daß die Schifffahrt auf dem Niger frei sein sollte, während mau die Ufergebiete gänzlich unb«- rückfichtigt ließ. Somit stellte sich den Engländern kein Hinderniß entgegen, die oben erwähnte Besitz ergreifung vorzunehmen. Nunmehr können deutsche Schiffe zwar auf dem Niger fahren, andererseits sind aber die Briten berechtigt, bei der Landung die auS Deutschland kommenden Waaren mit so hohen Zöllen zu belegen, daß die deutschen Fabrikanten die Konkurrenz mit den Engländern nicht werden auShalten können. Hat die Konferenz sich mit den Niger-Angelegenheiten deshalb so viel beschäftigt, um einen solchen ungerechten Zustand der Dinge herbeizuführen? Nehmen wir den Fall an, daß ein deutsches HauS Niederlassungen am Niger gründen will, so dürften ihm alle denkbaren und undenkbaren Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden und während England sich in'S Fäustchen lacht, wird eS stets die Ver antwortlichkeit dafür auf die Eingeborenen abwälzen, gerade so, wie eS jetzt die ägyptische Regierung für die von ihm selbst geschaffene Lage in Dongola verantwort lich macht. DaS sind allerdings traurige Aussichten für den deutschen Handel in den Niger-Gebieten! Auch an der ostafrikanischen Küste scheinen sich die Deutschen in einer sehr üblen Lage zu befinden. Be kanntlich ist ein deutsches Geschwader dorthin unter wegs, um den Sultan von Zanzibar, welcher in letzter Zeit den Agenten der „deutschen ostafrikanischen Gesell schaft" gegenüber eine feindselige Haltung angenommen hat, zur Anerkennung der seitens dieses Kolvnial- VerrineS erworbenen Rechte zu zwingen. Von dieser § kriegerischen Maaßregel verspricht man sich nun in den mit den ostafrikanischen Verhältnissen vertrauten Kreisen nicht nur keinen Nutzen, vielmehr befürchtet man, daß ' ein derartiges gewaltthätigeS Vorgehen seitens der ! deutschen Reichsregierung für unseren Handel nach Ostafrika verhängnißvoll werden könnte. Und — so fragt man weiter — hat daS streitige Objekt denn überhaupt einen solchen Werth, daß eS sich lohnt, ! um seinetwillen eine kriegerische Aktion zu beginnen? Die Interessen der deutschen ostafrikanischen Gesellschaft sind doch von verschwindend geringer Wichtigkeit gegen über den jetzigen dort bestehenden deutschen HandelS- intereffen. Seit den vierziger Jahren haben deutsche Kaufleute dort allmählich sich ein Absatzgebiet erworben und einen Einfluß errungen, der bei ruhiger Entwickelung für die Zukunft die größten Erfolge versprach. Nun kommen einige Herren auS Deutschland, von denen einer früher bereits einmal vorübergehend zwei Tage in Zanzibar war und ergreifen, ohne die bestehenden Ver hältnisse genauer zu kennen und ohne sich hierüber mit den in Zanzibar ansässigen Landsleuten zu berathen, Besitz von gewissen Territorien, auf die der Sultan von Zanzibar glaubt Ansprüche zu haben. Wären die in Zanzibar Jahre lang ansässigen deutschen Kaufleute der Ansicht gewesen, daß dem deutschen Handel und ihrem vaterlande mit derartigen Erwerbungen gedient sei, so hätten sie die Gelegenheit, solche zu machen, gewiß nicht vorübergehen lassen. Doch eben, weil sie die Verhältnisse kannten und glaubten, daß etwas Ersprießliches nicht dabei herauskommen würde, sind von denselben in dieser Hinsicht keine Schritte gethan worden. Und glaubt denn die „deutsche ost afrikanische Gesellschaft", wenn nun wirklich der Sultan von Zanzibar gewaltsam zur Anerkennung ihrer Rechte gezwungen wird, daß dann die Kolonisten in den be treffenden Gebieten in Ruhe und Frieden werden leben können? Wer dies annimmt, beweist, daß er von den dortigen Verhältnissen nicht die geringste Kenntniß hat. Die Eingeborenen daselbst sind durch ihr Umhertreiben und durch die Sklavenjagden so verwildert, daß sie sich etwaigen Kulturbeftrebungen unsererseits durchaus feind lich gegenüber stellen werden, abgesehen davon, daß sie als Muhamedaner auch in religiöser Beziehung unsere Feinde sind. Wie will sich die Gesellschaft später bei Streitigkeiten mit diesen Leuten, die nicht au-bleiben werden, schützen? Hier verliert der kaiser liche Schutzbrief seine Wirksamkeit, denn wir können doch unmöglich jedeSmal, wenn Deutsche im Inneren Afrika- angegriffen werden, Matrosen oder Soldaten dorthin schicken, um die Uebelthäter zu bestrafen, zumal sie gar nicht einmal zu fassen sein würden. Bisher ist unter der Aegide deS SultanS von Zanzibar, der dort eine Art Polizei auSübt, Alle- verhältnißmäßig glatt ver laufen; stellen sich die Deutschen ihm aber feindselig gegenüber, so wird er sich hüten, unseren dortigen Lands leuten auch ferner seinen Schutz angede.hen zu lassen. Wie verlautet, wird der älteste Sohn deS deutschen Kronprinzen demnächst nach Stettin übersiedeln, um, nachdem er zuvor zum Obersten befördert worden ist, daS Kommando über das dort stehende Königsregiment zu übernehmen. Prinz Wilhelm beabsichtigt, in einem Privathause, dessen jetzigen Bewohnern bereits gekündigt sein soll, Wohnung zu nehmen. Der Bundeörath beschloß in seiner Sitzung am Donnerstag, den von verschiedenen Seiten eingelaufraea Gesuchen behufs Einführung der Doppel-Währung keine Folge zu geben. — Officiös wird versichert, daß die ReichSregierung augenblicklich mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes eifrig beschäftigt ist, auf Grund dessen die UnfallversicherungS-Haft auch auf die See schifffahrt ausgedehnt werden soll. Dem Reichstage soll die diesbezügliche Vorlage bereits im Laufe der nächsten Session behufs Berathung zugehen. — Am 23. d. M. findet in Berlin die Genoffenschaftöversamm- lung der Norddeutschen Tertil - Industriellen für Wolle und Baumwolle statt. Eine Vorbesprechung der Be- rufSgenoffen wird am 22. d. M, nachmittags 5 Uhr, Unter den Linden 14, stattfinde«. In einer kürzlich in Stettin stattgefundenen Volks versammlung hielt der Porcellanarbeiter Bey im Auf trage der Gewerkvereine einen höchst bemerkenswerthea Vortrag über „Abschaffung der Kinderarbeit und Ein schränkung der Frauenarbeit in den Fabriken." „Wen« wir ein Fohlen haben" — führte der Redner o. A. auS — „so lassen wir eS auf der Weide herum laufen, damit eS sich auStummelt; unsere Kinder dagegen senden wir in die dumpfen Fabriken, wo sie nur zu oft moralisch und physisch zu Grunde gehen. Sind unsere Kinder schlechter als die Fohle«? (Stürmischer Beifall) Der Staat müßte diesem Unwesen ein Ende machen, indem er sagte: Ihr dürft Eure Kinder, so lange sie der Llterlichen Pflege und Erziehung bedürfe«, nicht fremden Leuten in den Fabriken anvertrauen! Die Gesundheit ist daS heilige Eigenthum eine- Jeden und daS wird durch die Kinder arbeit frivol verletzt." Was die Frauenarbeit betrifft, so trat der Redner für eine Einschränkung derselben ein, da die Mutter in daS HauS zur Erziehung ihrer Kinder gehöre; die Familie sei die Grundlage der mensch lichen Gesellschaft und wenn daS häusliche Zusammen leben gestört werde, könne auch der Staat nicht ge- Feuilleton. Loni. Erzählung au< dem Rirsengebirge von Georg Hartwig. (8. Fortsetzung.) Heute zum ersten Male fand Toni ihren Platz be setzt. Mit zusammengezogeaen Augenbrauen blieb sie davor stehen und firirte daS junge Mädchen eindringlich, welches sich ungenirt darin breit machte. „DaS ist mein Platz, Nandel, wißt Jhr'S nicht?" fragte sie kurz. „Habt Ihr ihn gepachtet, ja?" gab diese spöttisch zurück. „Gepachtet oder nicht — er kommt mir zu. Steht auf und geht Eurer Wege." „Warum nicht gar! Ich kann mich hinsetzen, wo ich will. Sucht Euch ein Plätzel, da drunten giebt'S «och etliche!" Toni stand starr vor Scham und Entrüstung, d«S spöttische WiSpern und Kichern ringS umher fühlte sie wie Messerstiche in ihr stolzes Herz dringen und glühend heiß schoß ihr daS Blut in die Wangen. Mit Auf bietung aller Selbstbeherrschung wandte sie sich noch einmal an die triumphirende Insassin. „Ich frag' Euch jetzt zum letzten Male im Guten, Nandel, wollt Ihr mir meinen Stuhl einräumen oder nicht?" „Ei -" „Wenn Du Dich unterstehst, Nandel und ihr nach- giebft, so sind wir au-einander", flüsterte ,S scharf und vernehmlich hinter der Kanzel hervor. r Toni blickte hin und gewahrte einen jungen Burschen, dessen Bewerbung sie einst kurz zurückgewiesen hatte. Jetzt gaffte er mit dreistem Blicke zu ihr herüber und nickte ihr höhnisch zu. Welche Umwandlung! War dieS ein« wohlge plante Bosheit? War man ihr nicht bisher mit Ehr furcht und Bescheidenheit aus dem Wege gegangen? Toni faßte sich an die Stirn, al- ob sie träume — aber «ein, sie wachte ja und sah, wie Anneli ihr mit leidig zunickte. Weichen sollte sie? Nimmermehr! Wie gebannt in ihrem Starrsinn machte Toni sogar Miene, die verhaßte Usurpatorin an der Schulter zu fassen, um sie gewaltsam zu entfernen — aber ein vielstimmige-, i drohende- Murmeln und Raunen ließ sie erbeben. Un- ! ruhig glitten die Füße aller Anwesenden auf den Stein- fliesrn hin und her; die ganze Versammlung lehnte sich j gegen die Ansprüche deS tiefathmenden, todtblaffen ; Mädchen- auf, dessen Lippen vor gewaltsam unter drückter innerer Erregung zitterten. Die Orgel begann j zu spielen; Toni hörte eS kaum. Sie sah nur, wie Aller Augen über die aufgeschlagenen Gesangbücher hinweg sich an ihrem ohnmächtigen Grimme weideten, j sie vernahm statt des frommen Büßliedes nur hin und ! wieder ein halblautes: „DaS ist der hochmüthigen Dkne ; schon recht!" Und „geh' fort, sag' ich Dir, geh' fort!" murmelte sie mechanisch, i Mitten in dem allgemeinen Aufruhr trat die Ge- i statt deS Pfarrers in die Sakristeithür. Verwundert i und kopfschüttelnd blieb er auf der Schwelle stehen und musterte die Gemeinde. Im Nu sanken die neugierig erhobenen Köpfe zurück — nur Eine blieb aufrecht stehen, sie war ja in in ihrem Recht und brauchte Niemandes Gegenwart zu scheuen. Aa ihr vorüber schritt der greise Seelsorger zum Altar, mißbilligend ruhte sein Auge auf ihr — da endlich im letzten Augenblick siegte die Scheu über den Rachedurst — Nandel rückte halb zur Seite und überließ Toni Wang ein schmales Plätzchen auf ihrem Stuhle. WaS jetzt erfolgte, war noch unerträglicher al- da- bereit- Vorangegangene. Die ganze Predigt — eine Mahnung zur Buße und Demuth — schien ausschließlich an ihre Person gerichtet zu sein. Hochmuth und hof färtige- Wesen abzulegen und daS schönere Gewand christ licher duldsamer Liebe anzuziehen, ward ihr warnend zuge rufen. „Trotzet nicht auf Eure leiblichen Vorzüge!" Toni athmete kaum, sie schaute auch nicht auf, weil sie sonst in dat schadenfrohe Antlitz ihre- ver schmähten Liebhabers hätte sehen müssen — aber sie fühlte durch die gesenkten Lider hindurch die Blicke aller Anwesenden auf ihren Wangen brennen. Bittere Ent schlüsse und Gelübde rangen sich in ihrer Seele loS. Endlich ging auch diese Folter zu Ende. Gegen ihre Gewohnheit blieb Toni diesmal statt voranzugehen an ihrem Platze stehen, sie wollte die neidischen, miß günstigen Nachbarn nicht wieder sehen, niemals wieder. Erst alS sie die Kirche geräumt fand, schritt auch sie zum AuSgang — aber, o Schreck««, noch stand die . M«ng« im Kreise auf dem Kirchplaye, unter ihr der f Pfarrer, welcher seine Gemeinde mit strengen Worten ! für die Störung deS Gottesdienste- zur Rechenschaft ' zog. Kaum war Toni sichtbar geworden, als ein Wink seiner Hand auch sie zu sich beschied. Nur langsam I leistete sie dem Ruf« Folge. « „Hast Du drinnen noch Buße gethan, meine Tochter,