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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen «,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterbaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bt, vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 46. Sonntag, den 17. April 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf,Gkrilla, z6. April 1904. — Der Geflügelzucht, welcher bis jetzt in hiesiger Gegend und auch in unserem Orte sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, hat jetzt sehr an Interesse gewonnen. Die Bewohner sehen es ein, daß die Zeit gekommen ist, mit der alten Zucht zu brechen, und einer neuen Richtung nicht länger verschlossen gegen überzustehen. Wer die ersten rentablen Ver suche mit der Haltung von Geflügel macht, für den kommen zunächst folgende Punkte in Be tracht: 1. Auswahl der Geflügel, 2. Stall einrichtung, 3. Nachzucht, 4. Behandlung er krankter Tiere, 5. Fütterung, 6. Halten von Fachblättern, Anschluß an Vereine und Besuche von Geflügelhöfen und Ausstellungen. Die Auswahl guten Geflügels überläßt der An fänger besser einem erfahrenen Züchter, oder er wendet sich an einen Verein. Auch die Angabe über Anlage der Stallung überläßt er am besten einem solchen, der sich hierin praktische Kenntnis erworben; denn je einfacher und bequemer der Stall hergerichtet, desto leichter und mehr Freude bereitet die Haltung von Geflügel. Die Aufzucht betreibe man erst nur im Kleinen, um sich allmählig die nötige Erfahrung anzueignen. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist nun die Behandlung erkrankter Tiere. Wenig werden Krankheiten auftreten bei sorgfältiger Reinhaltung der Ställe und Ausläufe. Sobald einzelne Tiere unwohl sind, was man ja sehr leicht bemerkt, sondere man dieselben sofort von den gesunden und ändere die Fütterung. WaS die Fütterung nun selbst betrifft, füttere regelmäßig, nicht daß das Ge flügel einmal mit überfülltem Krapf umher läuft, dann wieder hungrig die Schlafstätte aufsuchen muß. Für frisches Wasser sei stets gesorgt. Von großer Wichtigkeit ist noch die Haltung von Fachblättern. Diese sind sehr billig und zugleich sehr belehrend. Was den Beitritt zu einem Verein betrifft, so bietet für unseren Olt der Geflügel- und Kaninchen züchter Verein Ottendorf und Umgegend eine gute Gelegenheit. In den Versammlungen desselben werden regelmäßig Vorträge ab gehalten, woran sich stets eine Erörterung und Beantwortung von Fragen schließt. — Die Zeit der holden Pfirsichblüte rückt heran. In der Lößnitz und der Loschwitzer Gegend röten sich bereits diese ursprünglich persischen Obstbäume, deren Name Pfirsich, Pfersich oder Persich noch heute an die Ab stammung von Persica erinnert. Die Bäum chen erreichen bei uns nur die halbe Höhe, welche sie in Persien erreichen. — Lehrling oder jugendlicher Arbeiter Es ist verschiedentlich vorgekommen, daß Handwerker junge Leute, welche die Absicht haben, das betreffende Gewerbe zu erlernen, nicht mehr als Lehrlinge, sondern lediglich als jugendliche Arbeiter in Beschäftigung nehmen. Es geschieht dies, weil die Lehr herren nicht die Pflichten auf sich nehmen wollen, welche das Gesetz ihnen den Lehr lingen gegenüber auferlegt. Deshalb mag hier ausdrücklich darauf hingewiesen sein, daß die Ausbildung eines ordentlichen Handwerkers notwendigerweise die Ableistung einer in der Regel aus drei Jahre festzusetzenden Lehrzeit vorausgesetzt, und eine Beschäftigung als jugendlicher Arbeiter nicht die Vorteile für einen jungen Mann mit sich bringt, die er für sich aus einer Veschästigunf als Lehrling erlangen kann. Einesteils bietet schon der Lehrvertrag die Gewähr für eine andauernde, -Unterbrechungen nicht unterworfene Ausbildung, wohingegen ein nur als jugendlicher Arbeiter angenommener junger Mann darauf keinen Anspruch hat, anderseits ist nur ein Lehrling, nicht auch ein jugendlicher Arbeiter, zur Ab legung der Gesellenprüfung berechtigt, welche nach den Bestimmungen der Neichs-Gewerbe- Ordnung die unumgängliche Voraussetzung bildet zur Erlangung des Rechtes, späterhin auch selbst einmal Lehrlinge anleiten zu dürfen. Ferner können zur Meisterprüfung, mit deren Ableistung die Berechtigung zur Führung des Meistertitels verbunden ist, nur solche Bewerber zugelassen werden, welche zuvor die Gesellenprüfung bestanden haben. Eltern und Vormünden von jungen Leuten, welche sich dem Handwerksberufe widmen wollen, werden also darauf bedacht sein müssen, daß ihre Pflegebefohlenen stets als Lehrlinge und nicht nur als jugendliche Arbeiter in Beschäftigung genommen werden. Der Lehr vertrag ist schriftlich in drei gleichlautenden Ausfertigungen abzuschließen, von denen eine, wenn der Lehrherr einer Innung als Mitglied angehört, bei dieser, und wenn er keiner In nung angehört, bei der Gewerbekammer ein zureichen ist. Die Unterlassung der Einreichung des Lehrvertrages an die Innung beziehungs weise an die Gewerbekammer wird bestraft, ebenso wie ein Lehrherr bestraft wird, der den Lehrvertrag nicht ordnungsmäßig abschließt. — In sarkastischer Weise spottet das „Leipz. Tagebl." über den bundesstaatlichen Lotterie- partikularismuS. Bald mache Sachsen ein Gesetz zum Schutze der nationalen Arbeit auf dem Gebiete dos patentierten Glücksspiels, das gegen Preußen gerichtet sei, bald führe Preußen einen Wall gegen Sachsen auf. Wer als Preuße in Preußen sein Geld ein- büße und eine Niete ziehe, sei ein Prachtkerl, ein Patriot vom reinsten Wasser. Wer als Preuße in Sachsen das große Los gewinne, sei ein Hochverräter am heiligen Geiste des preußischen Partikularismus. Juristisch sei man zu dem Zustand gelangt, daß der Er werb eines von einem Bundesstatt ausge gebenen, mit dem deutschen Reichsstempel ver sehenen Loses strafbar ist. Die zivilrechtliche Lage sei die, daß das Spielen in einer aus wärtigen Lotterie erlaubt ist und daß auf grund des Bürgerlichen Gesetzbuchs die in einem Bundesstaat erteilte Genehmigung den Lotterievertrag im ganznn Reiche verbindlich macht. Das Geschäft sei zwar strafbar, aber zivilrechtlich giltig. Dem gesunden Menschen verstand wolle das nicht einleuchten, aber die Finanzminister fragten dagegen, ob der gesunde Menschenverstand ihnen ihre Restatbedürfnisse befriedigen könne. Für sie sei die Hauptsache, daß Geld einkomme, und damit bastaI Es sei, schließt das genannte Blatt, wirklich Zeit, daß mit einer derartigen Gesetzgebung auf geräumt werde und von größeren Gesichts punkten ans Gesetze gegeben würden. — Das Königreich Sachsen zählte am An fänge des Jahres 1904 an selbständigen Ge meinden 3186, nämlich 3043 Landgemeinden und 143 Stadtgemeinden. Unter letzteren be finden sich 79 Städte mit revidierter Städte ordnung. Selbständige Gutsbezirke gibt eö 1224 Die Gesamtzahl der Rittergüter beträgt 942. Unter den Verwaltungsbezirken weist die größte Zahl an Rittergütern auf die Amts hauptmannschaft Bautzen, nämlich 130. Es folgen die AmtLhauptmannschaften Löbau (70), Grimma (60), Borna (59), Plauen (57), Kamenz (56), Meißen (55) usw. Evangelisch- lutherische Kirchengemeinden gab es zu Beginn des lausenden Jahres 1223, evangelisch-luthe rische Schulgemeinden 1879, römisch-katholische Pmrrereicn 45 und römisch-katholische Schul- aemeinden 41. Von den römisch-katholischen Pfarrereien befinden sich die meisten (17) in der Kreishauplmannschaft Bautzen, davon 7 in der Amtshauptmannschaft Zittau, 5 in der Amtshauptmannschaft Kamenz, 4 in der Amts hauptmannschaft Bautzen, während in der Amtshauptmannschaft Löbau nur an ihrem Sitze sich eine solche befindet. Lediglich evan gelisch-lutherische Kirchengemeinden weisen ans die amtshauptmannschaftlichen Bezirke Dippoldis walde, Großenhain, Borna, Döbeln, Leipzig, Rochlitz, Flöha, Glauchau, Marienberg, Auerbach und Schwarzenberg, also von 27 Amtshaupt mannschaften des Landes 11. — Auf der Sonne sind, wie man der „Franks. Zeitung" berichtet, zwei neue große Flecken entstanden. Ihre schwarzen Kerne (Schlünde) sind so groß, daß sie bequem ein paar Erdkugeln verschlingen könnten. Die Flecke sind an Größe denen gleich, die im Oktober v. I. die heftigen Störungen im inter nationalen Tslepraphenbetrieb verursachten, und merkwürdigerweise gleichen sie ihnen auch auf fallend. Dresden. In einem hiesigen Blatte war im vorigen Monate behauptet worden, daß ein Fleischer aus Hochkirch ekelhafte Fleisch waren fast ausschließlich nach Dresden gebracht habe und daß diese Waren hier von großen Fleischgeschäften aufgekaust worden feien. Die sofort von der städtischen Wohlfahrtspolizei eingeleiteten und nunmehr abgeschloffenen ein gehenden Ermittlungen haben keinerlei Anhalt für die Richtigkeit der vorerwähnten Be hauptungen ergeben. — Prinz Waldemar von Preußen hat seinen Ferienaufenthalt in Dr. Lahmanns Sanatorium auf „Weißer Hirsch" beendet und sich von hier nach Plön zu einem Besuche der kaiser lichen Familie begeben. — Ueber das Vermögen der Kaffe „Saxonia", Krankenkasse für ganz Deutschland, eingeschriebene Hilsskaffe Nr. 131 zu Dresden, wurde gestern nachmittag das Konkursverfahren eröffnet. -— Ein in Meuslitz wohnhafter Kutscher der Düngerexportgesellschaft stürzte am Donnerstag abend von seinem Gefährt in der Residenzstraße vom Wagen und kam mit dem Kopf unter das Rad zu liegen. Der schwere Wagen ging über ihn weg und tötete ihn sofort. Der Ver unglückte war verheiratet. — An demselben Abend wurde auf der Marschallstraße zwischen Rietschel- und Schulgutstraße eine 19jährige Kellnerin von einem Straßenbahnwagen über fahren. Sie wollte hinter einem Wagen die Straße passieren und lief dabei in einen in entgegengesetzter Richtung kommenden Wagen hinein. Die Unglückliche kam unter den Vorder perron zu liegen; sie wurde mittels Unfall wagens dem Johannstädter Krankenhaus zu geführt. — Im Ullersdorfer Forstrevier ist am Montag ein seit einer Woche verschwundener Schreiber von hier erschaffen aufgefunden und behördlich aufgehoben worden. Es liegt un zweifelhaft Selbstmord vor. Wurzen. Polizeilich verboten wurde dem hiesigen Naturheilverein die Abhaltung eines Vortrages über die gegenwärtige Äerzte- bewegung und die ärztliche Organisation im Königreich Sachsen. Mutzschen. In der öffentlichen Gemeinde ratssitzung wurde beschlossen, die Straßen inner halb der Stadt sowohl wie auch in der Bahn hofsstraße elektrisch zu beleuchten. Es sollen zu diesem Zwecke 32 Nernst-Lampen zu je 34 Normalkerzen Leuchtkraft Aufstellung finden. Da sich die Besitzer des Elektrizitätswerkes verpflichten, den Strom für Straßenbeleuchtung für 30 Pfg. pro Kilowattstunde der Stadt abzugeben, so wird der Aufwand für die Straßenbeleuchtung der Stadt pro Jahr 661 Mark betragen, und zwar einschließlich der Kosten für Erneuern der Brenner der Nernst- Lampen. Die bisherige Petroleumbeleuchtung kostete der Stadt bei 24 Laternen 418 Mark- Leipzig. Die Generalversammlung der Ortskrankenkasse hob das statutarische Recht der Mitglieder auf, auf Kosten der Kasse die Familienmitglieder behandeln zu lassen. Damit ist der Streit zwischen Aerzten und Ortskranken kasse in die letzte Phase getreten, indem nun allen Beschwerden über ungenügende ärztliche Behandlung der Rechtsboden entzogen und damit der Aufsichtsbehörde die Macht zum Einschreiten genommen ist. Je nach der Zahl der neugewonnenen Aerzte soll später die Familienbehandlung wieder in das Statut aus genommen werden. Wäre indes die Erklärung der neuen Aerzte, daß die Zeit für die Familien behandlung auch jetzt schon vorhanden sei, voll inhaltlich zu nehmen, so würde sich der obige Beschluß wohl unnötig gemacht haben. Von dem neuen Stande der Dinge erhoffen die früheren Aerzte eine ihnen günstige Entscheidung; bei objektiver Betrachtung der Sachlage vermag man diese Hoffnung leider nicht zu teilen. Grimma. Einen jähen Tod fand der aus Bröhsen gebürtige, beim Gutsbesitzer Schroth in Grechwitz dienende 19 Jahre alte Bruno Matthes am Montag Abend kurz nach 6 Uhr. Auf dem Wege zum Grimmaer Jahr märkte wurde er von dem Radfahrer Ziegelei arbeiter Schmidt aus Grechwitz mit solcher Gewalt angefahren, daß er mehrere Meter nach rückwärts und derartig auf den Hinter, köpf geschleudert wurde, daß er einen doppel ten Schädelbruch erlitt und in wenigen Augen blicken sein Leben aushauchte. — In einer hier stattgefundcnen Versammlung der im Maurerfach beschäftigten Arbeiter wurde der Beschluß gefaßt, bei nicht sofortiger Er höhung des Stundenlohnes auf 38 Pfennige, die für 1. Juli von den Arbeitgebern bereits zugesichert worden ist, von Anfang nächster Woche ab in den Ausstand zu treten. Zur Zeit sind in Grimma 13 größere Bauten in Arbeit, bei denen etwa 300 Personen beschäftigt werden. Oberlungwitz. Der gefährliche Ein brecher Pfüller, genannt Franke, dessen Ver haftung seinerzeit unter erschwerenden Umständen erfolgte, ist ans königliche Landgericht Zwickau abgeliefert worden. Die Haussuchung, bei Pfüller — der in Hohenstein-Ernstthal zahl reiche Diebstähle ausgeführt hat — förderte ein ganzes Warenlager zutage. Wie raffiniert der Dieb ist, geht daraus hervor, daß er den sonntäglichen Gottesdienst fast nie versäumte und als Mitglied einer religiösen Sekte den Anschein eines streng religiösen Mannes er weckte. Zur Wegschaffung der gestohlenen Sachen waren zwei Wagen notig. Raschau. Die durch die Explosion einer Petroleumlampe schwer verletze 20jährige Tochter des Werkmeisters Schubert, Braut des Lehrers Kneisel, ist im Kgl. Krankenstift zu Zwickau ihren schweren Wunden erlegen. Waltersdorf. Von einem wütend ge wordenen Ochsen ist die Mutter des hiesigen Gartenbesitzers Thiele am Dienstag nachmittag gräßlich zngerichtet worden. Die Fran war mit dem mit einer Kuh und einem Ochsen bespannten Wagen vom Felde heimgekommen. Beim Ausspannen wurde der Ochse wild, ging gegen die Frau los und verletzte sie mit den Hörnern so schwer, daß die Ein geweide heraustraten. Dann trat das Tier auf der am Boden liegenden Frau mit den Füßen herum. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Burgstädt. Durch Funken aus einer vor überfahrenden Lokomotive entstand am Dienstag nachmittag in Markersdorf ein größerer Wald brand, der durch Bahn- und Straßenbeamte und die Großersche Fabrikfeuerwehr gelöscht wurde. Zwickau. Die Königliche Kreishauptmann schaft hat dem 13 Jahre alten Sohne des Schutzmannes Weber in Rabsau für die mit Mut und Entschossenheit bewirkte Errettung eines Kindes vom Tode des Ertrinkens 30 Mark Geldbelohnung gewährt. Gößnitz. Am Montag wurde, wie ge meldet, die 16 Jahre alte Stickerin Klara Bergmann beim Wehre tot aus der Pleiße gezogen. Die Polizei hat sich der Angelegen heit angenommen, da verschiedene Gerüchte um gehen, daß sich die Bergmann, welche mit ihrem Liebhaber nachts vom Tanzsaal weg den Heimweg antrat, nicht selbst ins Wasser gestürzt hat. Infolge dieser Gerüchte wurde ein in einer mechanischen Stickerei beschäftigter Sticker Bühler au» Plauen in Haft genommen.