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Wöchemlich enchnnm Vrei Nunimern. Pränumeraiions-Prejs 22j SUöcrgr. jj ^dlr.) viencUahrli», Z TdU. fin d>i« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alle» Tbeiu» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen »erden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen Konigl. Post-Aemtcrn, angenommen. Literatur dcs Auslandes. 1/ 127 Berlin, Dienstag den 22. Oktober 1844. England. Cromwell's Charakter, nach Robert Southey. Aus der Feder des kürzlich verstorbenen Dichters Robert Southey ist so eben beim Buchhändler Murray in London- eine Lebensbeschreibung Oliver Cromwell's erschienen, mit welcher das Publikum gewissermaßen überrascht worden. Auch hat bereits der Sohn des Verstorbenen, Herr Charles Southey, gegen diese Herausgabe protestirt, indem er behauptet, sein Vater habe diese Abhandlung bloß für die bei Murray erscheinende ttuarcerl)- kevierv, nicht aber für die Publication in Gestalt einer besonderen Schrift, abgefaßt. Wäre diese Behauptung gegründet,-so ließe sich daran ein Rechtsstreit über eine neue, da- literarische Eigenthum betreffende Frage knüpfen, nämlich die, ob ein Verleger, dem ein Manuskript zwar unbedingt, jedoch ohne Nennung dcs Autor-NamenS verkauft worden, das Recht habe, diese» Manuskript auch mit dem Namen des Verfasser« zu publiziren? Der Buchhändler Murray hat indessen nachgcwiesen, daß er bereits bei Southey'S Leben einen Theil der Aufsätze, die derselbe für die Cunner!^ lieview geschrieben, in besonderen Ausgaben und mit dessen Namen publizirt, so wie, daß der Verstorbene ihn ermächtigt habe, auf gleiche Weise mit mehreren anderen Aufsätzen, unter denen sich auch das Leben Cromwell's befand, zu verfahren. Dieses Leben Cromwell's ist vielleicht eine der besten Biographieen, die bis jetzt über den Lord Protektor erschienen. ES werden darin die großen Züge seines Charakters, so wie die hervorstechenden Momente seiner Zeit, mit wenigen, aber kräftigen Zügen dargestellt. Der Verfasser, obwohl sein ganzes Leben hindurch entschiedener Tor», zeigt sich doch freundlicher gegen Cromwell, als der größere Theil der englischen Geschichtsschreiber. Wir theilcn hier die Schlußstcllen seiner Monographie mit, welche von l)r. Southey'S Darstellung deS Charakters und der Laufbahn des Lord Protektors ein anschauliches Bild geben. Er sagt: „So groß war der Ruf, welchen Cromwell durch seine wunderbare Er hebung, so wie durch die großen Maßregeln seiner Regierung und die Kraft seiner Waffen, im Auslande erlangt hatte, daß unter Anderem erzählt wird: e» sep ein asiatischer Jude nach London gekommen, um seinen Stammbaum cinzusehen und daraus vielleicht zu entnehmen, daß er der Löwe au» dun Stamme Juda sey. Unter seinen näheren Umgebungen betrachteten ihn Einige in der That mit einer ähnlichen Verehrung; ihre warme Anhänglichkeit und die etwas zweifelhafte Devotion einer Art enthusiastischer Prediger erfüllte die ihn umgebende Atmosphäre, doch so lange er körperlich gesund war, siegte die natürliche Kraft seines Verstandes über jenen tödtlichen Einfluß, und ruhig, klar, aber auch sorgenvoll, wie sie waren, betrachtete er die Dinge. Shak- spcare selbst hat keine dramatischere Situation erfunden, al» diejenige war, in welcher sich Cromwell befand.') Er hatte die höchste souveraine Gewalt durch Mittel erlangt, die nicht minder verbrecherisch, als diejenigen Macbeth'» waren, abep die That selbst hatte weder sein Herz verhärtet, noch ihn ver wegen in seiner Schuld gemacht. Mit seinem Glücke hatte auch sein Gcmüth an Ausdehnung gewonnen. Je mehr er in seiner Laufbahn vorschritt, um so mehr nahm er auch wahr, wie irrthümlich die Prinzipien gewesen, von denen er ausgegangen, und nachdem er den Umsturz der Kirche, deS Adels und de» Thrones bewirkt hatte, ward er durch die Erfahrung, den unfehlbarsten aller Lehrer, überzeugt, daß das Episkopat, der Adel und die Monarchie an sich gute Institutionen und nothwcndig für ein Land seyen, in welchem sie so lange bestanden hätten. Gern hatte er das Uebel, das von ihm ausgegangen, wieder gut gemacht, gern hätte er die Monarchie wieder hcrgestellt, ein Haus der Pairs geschaffen und die bischöfliche Kirche wieder eingesetzt. Aber er ward behindert und überwältigt durch die Werkzeuge selbst, deren er sich bis dahin bedient hatte, von Männern, denen er früher seine eigenen leidenschaftlichen Jrrthümer mitgethcilt und die er nicht im Stande war, von sich wieder zu entfernen, von Männern, die unfähig waren, durch Erfahrung Weisheit zu erlangen, und so kurzsichtig, nicht einzusehcn, daß ihr eigene» Leben und Schicksal abhingen von der Befestigung seiner Macht durch die einzigen Mittel, welche dieselbe stabil und sicher machen konnten. In Furcht vor diesen Männern, durfte er nicht selbst die Krone ergreifen und sie auch nicht auf ihren rechtmäßigen Erben übertragen; durch die Hinrichtung Karl'S hatte er ') In der That habk» wir auch, so oft wir den CromwkU in einer neueren drama tischen Bearbeitung aus der Bühne sahen, den Wunsch nicht »uterdrüeten könne», Shak- speare Hütte nicht vor, sondern nach Cromwell gelebt; wir würden dann gewiß durch seine Meisterhand eine ganz andere Anschauung von diesem dramatischen Charakter bekommen haben, als wir dis jetzt besitzen. sich unfähig gemacht, diese Rechtswiederherstellung, die sonst in seiner Macht gestanden haben würde, zu bewirken. Seine Frau, die nicht von ihrem Glücke aufgeblasen war, ertheiltc ihm den Rath, mit dem verbannten Könige zu unterhandeln und ihn wieder auf den Thron zu setzen; seine traurige Antwort daraus war: „Karl Stuart kann mir niemals seines Vater» Tod vergeben, und wenn er es könnte, so wäre er der Krone unwürdig." In gleicher Weise antwortete er, als ihm derselbe Rath zum zweiten Male mit dem Vorschlag erthcilt wurde, daß Karl eine seiner Töchter heiraten solle. Was würde Cromwell, gleich viel, ob er auf diese oder auf jene Welt blickte, nicht darum gegeben haben, wenn seine Hände von dcs Königs Blut rein ge wesen wären! Solchergestalt war der Zustand von Cromwell's Gcmüth während der letzten Jahre seines Lebens, als er Herr der drei vereinigten Königreiche und unzweifelhaft der mächtigste Potentat in Europa, so wie sicherlich der größte Mann eine» Zeitalters war, in welchem das Geschlecht der großen Männer noch in keinem Lande auSgestorben war. Niemand war der Stellung, die er ausfülltc, so würdig als er, wären nur die Mittel anders gewesen, durch die er sie erreicht hatte. Er würde verfassungsmäßig, mild, gnädig, freisinnig regiert haben, wenn er den Eingebungen seines Herzens und den Wünschen seine« besseren Jch'S hätte folgen können; Selbsterhaltung zwang ihn zu einem strengen und argwöhnischen System; er ward zuletzt dahin gebracht, ohne Parlament regieren zu müssen, dcnn so viel er dasselbe auch modifizirte und nach Belieben zusammcnsetztc, zeigte cS sich am Ende doch immer unlcnkbar, und weil er ein Usurpator war, so mußte er auch nothwcndig ein Despot werden. Dieselben Frommen, in deren Augen er so hoch gestanden, nannten ihn fetzt eincn häßlichen Tyrannen und stifteten ärgere Komplotte gegen ihn an, als selbst die Royalisten. Erlebte in beständiger Gefahr und in ewiger Furcht. ES ward niemals bekannt, wohin er sich begeben wollte, bis er in seinem Wagen saß; selten kehrte er auf dem Hinwege auch wieder zurück; er trug Waffen unter seinen Kleidern und schlief selten zwei Nächte hinter einander in demselben Zimmer. Die letzten Tage Karl'S, als er das Schaffst vor sich sah und di» Insolenz Bradshaw's und die unmenschlichen Schmähungen Cook'S erdulden mußte, waren bcneidcnSwcrth im Vergleiche mit den letzten Lcbens- tagen Cromwell's. Karl hatte den Frieden der Secle, den Jener nicht zu er- lange» vermochte; die einzige große Sünde, die er begangen, indem er Strafford opferte, war ihm ein beständiger Grund zur Trauer, Beschämung und Reue gewesen; er empfing seinen eigenen Tod als eine gerechte Strafe für jene Sünde, verhängt über ihn von einer allgerechtcn und allweisen Vor sehung, und da er empfand, daß sie abgebüßt sey, so legte cr sein Haupt auf den Block im vollen Vertrauen auf die Gerechtigkeit der Nachwelt und mit sicherer Zuversicht auf die Gnade Gottes. Cromwell zweifelte an beiden. Ludlow erzählt uns, daß er bci seinem Tode vor Allem besorgt schien über die Borwürfe, die, wie er sagte, die Menschen seinem Namen machen würden, wenn sie nach seinem Tode auf seine Asche blickten; und selbst das letzte reli giöse Gefühl, das cr äußerte, drückte eine gleiche Besorgniß über de» Zustand in der Welt aus, welche cr nun betretcn sollte. Es war dies die Frage an eincn seiner fanatischen Prediger, ob die Lehre wahr sey, daß der AuSerwählte nicht zuletzt doch fallcu könne? Auf die Erwiederung, daß nichts gewisser sey, als dies, sagte cr, „dann bin ich sicher, denn ich bin überzeugt, daß ich einst im Stande der Gnade war." Die geistigen Getränke, die ihm zu dieser Zeit in starken Dosen gereicht wurden, wirkten mächtig auf ein durch lange Krank heit geschwächtes und durch die Natur dieser Krankheit zum Delirium gc. neigtcS Gemüth. Er versicherte den Aerzien, gleich wie eck ihm die thörichtcn Fanatiker, von denen er umgeben war, versichert hatten, daß cr nicht sterbcn würde, wenn ihnen auch die Symptome seiner Krankheit so erschienen, denn Gott sey weit über der Natur. Dankgebete wurden öffentlich angestellt für die unzweifelhaften, von Gott crtheiltcn Bürgschaften seiner Genesung, und viele seiner letzten Worte waren mehr die eines Vermittlers, als die eine« Sünders, indem er für das Volk bat, als ob seine eigenen Verdienste ihn zu solcher Vermittelung zwischen Gott und den Menschen berechtigt hätten! Selbst sein Tod zerstreute diesen Wahn noch nicht; als die Nachricht davon denjenigen gebracht wurde, die zusammengetrctcn waren, um für ihn zu beten, erhob sich ein gewisser Sterry und bat sie, sich nicht stören zu lassen; „denn", sagte er, „es ist dicS eine gute Nachricht; wen» Cromwell dem Volke Gotte» zu großem Nutzen war, als er unter uns sich befand, um wie viel mehr wird c» erst jetzt der Fall seyn, da er zum Himmel cmporgcstiegen ist, um zur Rechten Jesu Christi zu sitzen, dort für un» sich zu verwenden und sich unserer bei allen Gelegenheiten zu erinnern?"