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MsdmfferTageblatt IUIIUÜ Nr. 221 — 89. JshrganU Montag, den 22. Sept. 1930 Vas vergewaltigte Memellanä mk III^ Gegen die puffchgerüchie. Erklärungen Brünings und Wirths. Nach der preußischen Regierung haben auch Mit glieder der Rcichsregierung beruhigende Erklärungen zu oen Putschgcrüchtcn gegenüber den Vertretern amerika nischer Nachrichtenagenturen abgegeben. Reichskanzlei Brüning betonte, die Rcichsregierung habe unbckümmcri um die Putschgerüchtc und um den Ausgang der Wahler ihre ganze Kraft auf die sachlichen Ausgaben richtcr können, die darin bestehen, die während des Sommers in Angriff genommenen und verschiedentlich auch zuni Abschluß gebrachten Arbeiten sortzusetzen und auszu bauen. Sie sei des einmütigen Willens, auf diesem Weg« fortzusahren, da sic überzeugt sein könne, daß sie bei diese, ihrer Aufgabe die Unterstützung aller derer finden würde, die die beste Garantie für eine Aufwärtsentwicklung üi eben dieser Arbeit sehen. Das deutsche Volk sei von jeher ein Volk der Arbeit und habe sich selbst in schwerster Zeiten durch eigene Kraft und nüchterne Einschätzung des Möglichen vorwärts geholfen. Die staatlichen Machtmittel der Landespolizcibehörden reichten vollkommen aus, mr solche Unruhen schon im Keime zu ersticken. Auch Rcichsfinanzminister Wirth bestreitet ganz ener gisch eine Putfchgefahr. Die kleine Wehrmacht sei völlio Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Aber einen wirklichen Ausgleich dieser unerfreulichen Ge schehnisse, eine Stützung und Wiedererlangung unseres „Kredites" im Ausland, also des dortigen Vertrauens aus eine ruhige innenpolitische und daher wirtschaftliche Weiterentwicklung in Deutschland, können nur Tat sachen herbeiführen. Andererseits hat dieses Vorkomm nis aber auch wieder einmal bewiesen, wie stark, wie unbe dingt wir Wirtschafts- und kreditpolitisch vom Ausland abhängen, auf das Ausland Rücksicht nehmen müssen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postd-stnÄÜn" «-AÜ»" nehmen zu jeder Heil Be« Sherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitu g Z g s Bezugspreises. — Rücksendung etngesändtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Wie wird das neue Kabinett? Zurückweisung von Alarmnachrichten. Für kommenden Dienstag ist das Reichskabinett z« einer Sitzung einüerufen, um das Arbeitsprogramm aus zuarbeitcn, das dem Reichstag bei seinem Zusammentritt vorgclegt werden wird. Von der Stellungnahme der Parteien zu diesem Arbeitsprogramm wird der Reichs kanzler die Gestaltung der Dinge im neuen Parlament ab hängig machen müssen. Pariser Nachrichten, die von Un stimmigkcitcn im Reichskabinett und von dem bevorstehen den Rücktritt des Ernährungsministcrs Schiele sprechen werden von zuständiger Stelle als jeder Grundlage cut kehrend bezeichnet. Oie Paneuropa-Angelegenheit. Das Präsidium der Völkerbundversammlung hat auf Vorschlag des Generalsekretärs des Völkerbundes be schlossen, den Ausschuß für die Prüfung der Paneuropa frage für Dienstag, den 23. September, cinzuberufcn. Die erste Sitzung des Ausschusses soll sich nur mit der Festsetzung des Arbeitsprogramms der nächsten Sitzun gen befassen. Die Aufnahme der praktischen Arbeiten soll möglichst noch im Herbst, vielleicht aber auch erst im Januar erfolgen. Zaleski gegen Prüfung der Minderheitenfragen Im Politischen Ausschuß der Völkerbundversamm lung gab der p o l n i s ch e A u ß e n m i n i st e r Z a l e s k i eine ungewöhnlich scharfe Erklärung zur Minderheiten frage ab. Er bestritt auf das entschiedenste die Zuständig keil der Völkerbundversammlung, sich mit den Minder heitenfragen zu befassen. Es sei eine Enttäuschung, fest- stellcn zu müssen, daß trotz der in Madrid erzielten Ein stimmigkeit man es jetzt dennoch für notwendig erachte, auch auf das Minderheitenproblem zurückzukommen, das bereits nach grundlegender Prüfung eine Lösung ge funden hätte. Tie polnische Regierung sei jedoch be reit, die Schaffung eines allgemeinen Minderheitenschutzes in Erwägung zu ziehen. An der Sitzung des Politischen Ausschusses der Völkerbundversammlung nahmen auch Reichsaußen minister Dr. Curtius, ferner Briand und die Außen minister der Kleinen Entente teil. Buxton-England er klärte, ein Fortschritt in der Minderheitenfrage könne nur durch gegenseitiges Verständnis und Übereinkommen er zielt werden. Der Völkerbund müsse die Durchführung der Minderheitenschutzverträge überwachen und sich für eine Besserung der Lage einsetzen. Es sei heute vielleicht noch zu früh, das in Madrid geschaffene Verfahren abzuändern. Man müsse noch einmal versuchen, die dort geschaffene Neuregelung in loyaler Weise anzuwenden und alle damit gebotenen Mittel auszunutzen. Der Gedanke einer euro päischen Einigung sei undenkbar, solange die Gegensätze zwischen den Mehrheits- und Minderheitenvölkern be ständen und die Rechte der Minderheiten nicht gerecht ge schützt würden. Bulgarien, Italien, Südslawicn waren gegen Ände rung der Minderheitenbestimmungen, Motta-Schweiz dafür. Der Deutsche Koch- Weser wies die Auffassung des polnischen Außenministers Zaleski zurück, daß eine Abänderung des Verfahrens heute nicht möglich sei, und unterstrich, daß die Schaffung eines ständigen Minder heitenausschusses beim Völkerbund im Interesse des Friedens durchaus notwendig sei. Mit aller Offenheit müsse er der Meinung entgegentreten, als ob die Minder heitenfrage heute bereits befriedigend geregelt wäre. Man stehe jetzt erst in der Lösung der Minderheitenfrage am allerersten Anfang. Ein deutscher Entschlietzungsmrtrag wurde eingebracht, daß die Völkerbundversammlung von der Notwendigkeit einer uneingeschränkten Aufrechterhal tung des Schutzes der geheiligten Rechte der Minderheiten im Sinne der Aufrechterhaltung des Friedens und der Annäherung der Völker überzeugt sei. Die Völkerbund versammlung spreche den Wunsch aus, daß alle zuständigen Organe des Völkerbundes sich bemühen mögen, die in der Madrider Ratsentschließung geschaffenen Möglichkeiten zum Schutze der Minderheiten auszuschöpfcn. Memelbefchweröen in Genf. Deutscher Dringlichkeitsanirag. Die Reichsregierung hat durch die deutsche Abordnung kn Gens im Völkerbundrat einen Dringlichkeitsantrag ein gebracht, die Beschwerde des Memelgcbietes auf dic Tagesordnung der gegenwärtigen Ratstagung zu setzen und unverzüglich zur Verhandlung zu stellen. Der Dring lichkeitsantrag vcrlangi die Vorwegnahme der zwei ent scheidenden Forderungen der Beschwerde: 1. dic Bildung des Memcldircktoriums auf parlamentarischer Grundlagc nach den am 10. Oktober stattfindendcn Wahlen zu sichern, 2. Enthaltung jeder Beeinflussung der bevorstehenden Wahlen zum Mcmeler Landtag durch die litauische Re gierung. Der deutsche Dringlichkeitsantrag weist darauf hin, daß die Wahlen znm Memeler Landtag ursprünglich nach den allgemeinen litauischen Wahlgesetzen erfolgen sollten, daß jedoch im Laufe der letzten Jahre und zuletzt noch vor ganz kurzer Zeit S o n d e r g es e tz e für die Regelung der Wahlen im litauischen Gebiet erlassen worden sind, dic nicht als zulässig angesehen werden können, da die Wahlen im Memelgebiet nur nach dem allgemeinen litauischen Wahlrecht stattfinden dürfen. Die übrigen Punkte der Memelbeschwerden, so nimmt man an, würden aus sach lichen Gründen erst auf die Januartagung des Völker- bundrates gestellt werden und dann zur Verhandlung ge langen. Die beiden genannten entscheidenden Punkte müßten jedoch sofort verhandelt werden, um zu ver hindern, daß der Rat inzwischen durch die litauische Regierung einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wird Zwischen der deutschen und der litauischen Abordnung waren Verhandlungen geführt worden, in denen vor deutscher Seite versucht worden war, eine direkte Ver ständigung mit der litauischen Regierung herbeizuführen Diese Verhandlungen haben sich jedoch zerschlagen. In folgedessen hat sich die deutsche Abordnung gezwungen ge sehen, den Dringlichkeitsantrag auf sofortige Eröffnung des Verfahrens vor dem Völkerbundrat zu stellen. Litauen schwer velsstet Gens, 21. September. Der Völkerbundsrat wird sich, wie bestimmt erwartet wird, noch im Laufe dieser Woche mit der von der deutschen Regierung übernommenen Beschwerde des memel- ländischen Landtags gegen die dauernden Rechtsverletzungen im Memelgebiet befassen und einen Berichterstatter dafür einsetzen. Das vorliegende, die litauische Regierung nach allgemeiner Auf fassung schwer belastende Material dürfte eine hinreichende Grundlage für eine sofort vom Völkerbundsrat zu treffende Ent scheidung in den Hauptpunkten der Beschwerde bieten. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. An,a,cnprrir: die 8 gespaltene Raumzeile MRpsg., die t gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich»« pscnnig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. NachweisungsgebLhr ro Reichspsennige. iS«» geschriebene Erscheinung»« — - . . . .. tage und PlatzvorschriftM werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. An,ei*» annahmebisoorm.lOUHr. ' - — Für die Nichtigkeit d« durch FernrufübermitteltcnAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Ieder Nabattanspruch erlischt, wenn derBetrag divech Klr:^«ingezogen werdenmußoderderAuftraggeberinKonkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittluugsstellenentgeg«. Panikmacher. Auf das überraschende Wahlergebnis haben du Börsen in Deutschland und im Ausland mit einer teils größeren, teils geringeren Baisse geantwortet —, «bei schon in kürzester Zeit konnten sich die Kurse der deutscher Papiere an den deutschen und ausländischen Börsenplätzen wieder erholen. Auch auf dem Geldmarkt tra: nur einc ganz vorübergehende Stockung in der ausländischen kurz fristigen Kreditgewährung ein —, kurz, das deutsche Wahl ergebnis schien kreditpolitisch ziemlich spurlos, jedenfalls fast eindruckslos vorüberzugehen. Bis nun gegen Ende der vorigen Woche im Ausland ein ganz überraschen- derKurseinbruch für deutsche Anleihen erfolgte, der sich natürlich in verstärktem Maßstab auch über dic deutschen Börsen hin fortpflanzte. Es handelte sich dabei um deutsche Anleihepapiere jeder Art, also um solche aus deutschen Ländern und Kommunen ebenso wie um dic Emissionen deutscher privatwirtschaftlicher Unternehmun gen, selbst um die Dawes-Anleihe von 1924, deren Kurs in London und in Newyork erheblich zurückging. Was war denn nun eigentlich geschehen, das jene ur sprüngliche, also ziemlich ruhige Beurteilung der neuen politischen Lage in Deutschland plötzlich an den aus ländischen Börsen zu einer heftigen Baisse werden ließ? Was zerstörte so überraschend in ausländischen Finanz kreisen die Überzeugung, daß es in Deutschland zu keinerlei innenpolitischen Unruhen komme, die natürlich auch unerfreuliche wirtschaftspolitische Folgen haben müßten? Eins sei noch schnell, aber als etwas sehr Wesent liches erwähnt: Überall in der Welt sind die Börsen jetzt im Zeichen und in der Zeit der allgemeinen Wirtschafts krise ganz besonders empfindlich, reagieren selbst aus ziemlich offenkundige „Tatarennachrichten" weit stärker, als dies eben bei aufsteigender oder gar guter Wirtschafts konjunktur erfolgen würde. Wer selbst pessimistisch ist, wem es selbst schlecht geht, der glaubt leichter an dic Wahrheit pessimistischer, schlechter Nachrichten. Und außerdem gibt es an jeder Börse eine — Baissepartei, die am Sinken der Kurse ein Interesse hat und daher den Grundsatz befolgt: „Was da fällt, soll man noch stoßen!" Nun hörte man draußen alle möglichen Meldungen über angeblich schon sehr weit getriebene „Rüstungen" der Nationalsozialisten, von Gerüchten über Putsch vorbereitungen dieser Kreise, von Wühlereien in der Reichswehr und bei der Schutzpolizei, — kurz, man glaubte im Ausland, aus Grund dieser Mitteilungen die innenpolitische Lage in Deutschland sehr viel gefahr drohender ansehen zu müssen, als dies noch kurz zuvor geschehen war. Daß die Baissepartei sich dieser Stimmung an den ausländischen Geldplätzen rasch bemächtigte und nun die deutschen Zustände mit einem Schein von Be rechtigung schwarzinschwarz malte, war eine weiter nicht mehr auffallende Folge. Der bedenklich gewordene ausländische Inhaber deutscher Anleihepapiere verklei nerte seinen Besitz, also — rutschten die Kurse ab. So ganz unvorbereitet für eine solche Entwicklung war der Boden übrigens doch nicht; denn ebenso in Deutschland wie im Ausland herrscht eine tatsächliche Ungewißheit darüber, wie in der deutschen Jnnenpoltik die Dinge weiterlaufen werden. Das alles färbt natürlich nach der Wirtschafts-, also auch nach der treditpolitischen Seite sehr stark ab, namentlich dort, wo es sich nm langfristige Anleihen des Auslandes an Deutschland handelt, deren Sicherheit und Rentabilität leiden müßten, falls es in Deutschland wirklich zu einer gefahrdrohenden innenpolitischen Zuspitzung kommen würde. Solche Befürchtungen sind natürlich auch von ge radezu verhängnisvollem Einfluß auf die Stellungnahme des Auslandes neuen deutschen Anleihewünschen gegen über. Schon in den beiden letzten Monaten ist überhaupt — unter dem Eindruck des deutschen Wahlkampfes — der Zufluß des Auslandskapitals so gut wie ganz ins Stocken geraten; jene ausführlichen Meldungen über angebliche Putschabsichten sind nun nicht gerade geeignet, diese Stockung zu beheben! Wurde doch außerdem in gewissen Kreisen des Auslandes, in denen man nicht gerade deutsch- fft, aus durchsichtigen politi- angeblich Gefahrdrohende der breiter ansgemalt, geradezu unmittewar b^ 'n Deutschland ein Putsch schon Dem allem ist ebenso wie der Reiöbswebrminister für die Wehrmacht in seiner Rede auf dem Manöv^ nun auch die preußische Regierung durch ihre Erklärung in scharfer Form entgegengetreten. Es läge nichtdiege ringste Veranlassung vor für Schwarz malerei, die nur zu katastrophalen wirtschaftlichen Folgen 'führe. Leider sind aber diese amtlichen Gegenmaßnahmen doch zu spät erfolgt, als daß ste noch rechtzeitig dem Stimmungsumschwung und demgemäß den Kurseinbrüchen für deutsche Anleihen an den Auslands- und Jnlandsbörsen entgegenwirken konnten; die Alarm gerüchte aus Deutschland hatten ihre verhängnisvollen Folgen schon gezeitigt. Hoffentlich tritt aber doch nun jetzt wenigstens eine Beruhigung ein und man muß daher all dem gegenüber doch wohl auch darauf verweisen, daß auf dem Geldmarkt, also beim kurzfristigen Kredit, solche Stockungen, Störungen oder gar Vertrauenseinbrüche nicht in irgendwie beachtlichem Umfang eingetreten sind. Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" LvilSdrUff-DrkSdeN Postscheck: Dresden 2640 fest in der Hand Les Reichspräsidenten. Versuche, in des Reichswehr sogenannte nationalsozialistische Zellen zu bilden, seien absolut fehlgeschlagen. über die Polizei ^nne ebenfalls gesagt werden, daß sie ein zuverlässiges Instrument in den Händen der Länder darstelle. Jeder Versuch, mit Gewalt irgendwie gegen die Autorität des Staates anzugehen, würde — und das sei die feste Über zeugung der gesamten Reichsregierung — schon im Keime erstickt werden. Zu Besorgnissen über revolutionäre Um triebe von rechts oder links sei keine Veranlassung ge geben. Selbstverständlich erfordere die zutage getretene Radikalisierung der deutschen Wähler nicht nur größte Aufmerksamkeit von feiten aller nichtrevolutionären Par teien, sondern man müsse sich auch aufrichtig und ehrlich Rechenschaft darüber geben, ob es fernerhin angebracht ,ei, Deutschland und seine Jugend, die zum größten Teil ohne Hoffnung lebt, unter unethischcn Bedingungen da hinsiechen zu lassen.