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TharM, Nossen, Mtnlthn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementprcis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Psg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 87. Dienstag, den 28. October 1884. Bekanntmachung. Die Schulvorstände des hiesigen Bezirks werden hierdurch darauf aufmerksam gemacht, daß die Anzeige über die für den Fall einer Mobilmachung als unabkömmlich zu bezeichnenden Lehrer bis zum 15. November dieses Jahres anher zu erstatten und dazu das Seite 166 des Gesetz- und Verordnungs-Blattes vom Jahre 1876 ersichtliche Schema zu benutzen ist. Meißen, am 21. October 1884. Königliche Bezirksschul - Inspektion. Boffe^ Wangemann. Bekanntmachung, die Wahl eines Höchstbesteuerten in die Bezirksversammlung betr. An Stelle des am 4. Juli dies. Js. verstorbenen Rittergutsbesitzer Oehmichen auf Choren ist für hiesige Bezirksversammlung ein Vertreter der Hochstbesteuerten zu wählen. Zu dieser Wahl wird Sonnabend, der 29. November dieses Jahres, WormittagS IIV? Uh» hiermit anberanmt und ergeht an die stimmberechtigten Höchstbesteuerten des hiesigen Bezirks hierdurch Einladung, zu nurgedachtem Zeitpunkte im Saale des Gasthofs zur Sonne hier sich einzufinden und die Wahl unter Leitung des unterzeichneten Amtshauptmanns vorzunehmen. Hierbei wird noch daraus aufmerksam gemacht, daß diejenigen Stimmberechtigten, welche bis Mittags 12 Uhr des obengedachten Tages in dem Wahllokale sich nicht eingefunden haben, von der Theilnahme an dieser Wahl ausgeschlossen sind, sowie, daß die Liste der obener wähnten Stimmberechtigten an hiesiger Canzleistelle zur Einsicht ausliegt und daß etwaige Einsprüche gegen diese Liste bei deren Verlust spätestens bis 15. November dieses Jahres allhier anzubringen sind. Meißen, am 22. October 1884. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Tagesgeschichte. Ueber die Landwirthschaft und die Wahlen hat Fürst Bis marck am 9. Mai d. I. im Reichstage den Stachelreden Eugen Rich ters gegenüber Folgendes erklärt: Herr Richter hat mir vorgeworfen — und ich bekenne mich schuldig —, daß ich für die Landwirthschaft und deren Interessen mit Entschiedenheit eimrete und daß ich glaube, daß unsere wirklichen Interessen durch die politischen Parteikämpfe ge schädigt werden. Ja, meine Herren, einen Reichskanzler, der sich für die Landwirthschaft nicht interessirt, den müßten Sie fortjagen, den kann das Land nicht gebrauchen. Es sind 25 Millionen Menschen von unseren 45 Millionen, deren Interessen von dem Wohl und Wehe der Landwirthschaft abhängen. Sie hängen doch sonst so an Majori- täten und sind für Abstimmungen von 101 gegen 100; aber hier ist bei weitem die überwiegende Menge der Bevölkerung in der Land wirthschaft betheiligt und nächst dieser in der Industrie. Demgegen über steht ein kleines Quantum der unproduktiven Bevölkerung, die zum Theil ganz unproductiv ist, indem sie von Tausch und Austausch lebt oder nur mit der Couponscheere ihre Thätigkeit abschließt. Ich bin immer eingetreten für die beiden ersteren großen Schlagadern un seres gesellschaftlichen Organismus: für die Landwirthschaft und für die Industrie; wenn ich für diese nicht einträte, würde ich mich vor meinem eignen Gewissen nicht entschuldigen können. Ich würde mich nicht halten können vor der öffentlichen Meinung, ich würde mich vor meinem König nicht verantworten können. Sie würden sehr wohl thun, mir gegenüber zu sagen: diesem Kanzler keinen Groschen, oder fort mit diesem Ministerium, wenn ich mich um die Landwirthschaft nicht vorzugsweise bemühte. Sie ist das Hauptgewerbe, und wenn die Landwirthe mehr zusammenhielten, dann würden sie sich besser zu schützen im Stande sein, als sie es bisher im Stande gewesen sind. Bisher sind es die Gelehrten gewesen, die uns regieren, theils Beamte, theils sonstige Schristgelehrte, theils Redacteure aller Art, kurz und gut, die unproductive Bevölkerung im Reichstag. An der Stelle, die ich vertrete, sind natürlich die Beamten, die Leute vom grünen Tisch vorherrschend; das Quantum grüner Tisch, was die Regierung hinein bringt, ist nur dann verbrauchbar, wenn aus dem Lande eine Mino rität vom grünen Tisch in den Reichstag hineinkommt, und deshalb arbeite ich dafür — und das sollten Sie mir danken, das Land dankt es mir — daß das Land womöglich von der Vertretung durch ge werbsmäßige Abgeordnete befreit würde, daß Leute, die die Interessen des Landes fühlen und mit durchmachen, hierher geschickt werden und daß wir wissen, was das Land denkt, nicht, was die Parteien denken. Die politischen Parteien sind der Verderb unserer Verfassung und der Verderb unserer Zukunft. Dem ernsten und weittragenden politischen Folgen — wenn sich dieselben auch erst später bemerkbar machen werden — begleiteten Er- nisse, welches den Uebergang aus der vorigen in diese Woche bildete, dem Ableben des Herzogs Wilhelm von Braunschweig, waren zum großen Theile die Betrachtungen der Tagespresse in dieser Woche gewidmet. Einen bemerkenswerthen Kommentar zu der braunschwei gischen Thronfolge-Frage bringt die „Nordd. Allg. Ztg." in ihrer Abendausgabe vom 22. Oktober an leitender Stelle. Das offiziöse Blatt schreibt, es wolle heute nicht die rechtliche Seite der Frage be rühren, welche der Entscheidung des Bundesrathes unterliege, sondern lediglich auf die politische Seite eingehen, welche die gedachte Frage durch das Verhalten der Hannoverschen Welfenpartei genommen. In politischer Hinsicht dürfe man sich nicht über die Gefahren täuschen lassen, welche dem Reiche drohten, wenn ein Anhänger der Welfen partei als Herzog von Braunschweig souveraines Reichsmitglied würde. Die landeshoheitlichen Rechte, die er als solcher in einem bestimmten Bezirke ausübe, würde er benutzen, um seinen Hof zum Krystallisa- tionspunkte für Welfenumtriebe hinzugeben und unter der herzoglich braunschweigischen Autorität die Mittel vorzubereiten, um die Pläne der Welfenpartei zu verwirklichen, sobald anderweitige Komplikationen des deutschen Reiches den Moment dazu günstig erscheinen ließen. Das Programm und die Haltung der Welfenpartei haben das Reich in die Unmöglichkeit versetzt, diesen Bestrebungen einen archimedischen Punkt zu gewähren, wie ihn die Residenz eines souveränen Partei mitgliedes in Braunschweig geben würde. Das sieht freilich nicht darnach aus, als ob Preußen den Ansprüchen des Herzogs von Cum berland auf den braunschweigischen Thron sehr entgegenkommen würde! Mittlerweile konserirt der welsische Thronpretendent in seiner „Residenz" Gmunden in Oesterreich mit Exzellenz Dr. Windthorst über die Lage und darf man wirklich begierig sein, zu erfahren, welche Vorschläge der gewandte Führer des Centrums dem Herzog von Cumberland ge macht hat. Als zuverlässig verlautet, daß Preußen keine Ansprüche auf Braunschweig erheben, sondern nur die Thronfolge Cumberlands verhindern will. Zugleich wird betont, daß die Erhaltung der beiden braunschweigischen Stimmen im Bundesrathe von allen Seiten gewünscht wird. Im Uebrigen wird Preußen auf die gesetzlich vorgesehenen Entscheidungen des Bundesraths einerseits, der braunschweiger Landes- i Vertretung und des Regentschaftsraths anderseits keine Pression ausüben. Eigenthümlich ist die Stimmung, die man in der Bevölkerung Braunschweigs findet, fast Niemand ist da, der wünscht, daß der Herzog von Cumberland zur Regierung käme; fast Alle wünschen i aber, daß ein Herzog, und zwar ein verheiratheter, so bald als mög- ! lich seinen Einzng in Braunschweig halte. Die Frage: was und wie ! viel hat der Herzog unserer Stadt vermacht? ist allgemein. Man ! hofft, daß dem Theater ein großes Kapital ausgesetzt worden ist, da mit diese Zierde den Braunschweigern möglichst unverkürzt erhalten bleibe. Von einer Welfenpartei in Braunschweig ist nichts zu merken. Der Bundesrath hielt am 23. d. eine Sitzung ab, auf deren ? Tagesordnung sich u. A. die Dampfersubventionsvorlage und ! die Gesetzentwürfe, betreffend die Ausdehnung der Unfallversiche- i rung auf das Transportgewerbe und sonstige gewerbliche Anlagen, sowie auf die Land- und Forstwirthschaft, befanden. Nach Angabe der „B. P. N." sind es zwei getrennte Gesetzentwürfe, durch welche die Unfallversicherung abgeschlossen werden soll. Die an erster Stelle I erwähnte Vorlage betreffend, wissen die „B. P. N." noch mitzutheilen, daß bei der dem Bundesrathe jetzt zu unterbreitenden Vorlage wesent-