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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189105299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910529
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910529
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-05
- Tag 1891-05-29
-
Monat
1891-05
-
Jahr
1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1891
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Kedaltion und Lrprdilion Johannesgasse 8. Aprrchliuiidr» drr Urdnrtion Vormittags tO—12 Uhr. Nachmittags ö— ü Uhr. tzitr ti» Mckü-be eln^kiaoklkr Manulcni-ie m--r st» die »iedLcncn mV» veidaitUch. Annahme der für die nächstsolgende Nummer bestimmte» In jerate an Wochentage» bis .1 Uhr Nachmittags, an Sonn- >»,v Festtagen srüh dis',9llhr. 3n drn Filiairil für Ins.-^imaßinr: Ltto Mrmm's Tortim. tAIsrcd Hahn), UniversitälSstrabe 1, LoniS Lüsche. Katharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7, nur bis V-2 Uhr. Mbonnement-preis vierteljährlich 4'/, Mk. in Alt-Lciozig, incl. Bringeriohn d Mk., durch die Post bezogen »> Mk. Einzelne Nrn. 20 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren lür Extrabeilagen sin Tageblatt-Format aesalzt) ohne Poitbeiördernng 60 Mk., mit Postbesdrderung 70 Mk. Instratr 6 gespaltene Petitzetle SO Ps. (»rohere Schriften laut uns. Preisverzeichnih. Tabellarischer u.Zissernsah nach hüherin Tarif Reklamen unter dem Neda ct ionsstrich die sgespalt. ZeileöOPf .vorden Familien na chrtchten die 6gespaltene Zeile 40 Ps. Jnierale sind stets an die Expedition zu sende». — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuiimerirmlo oder durch Post» Nachnahme. M. Areita^ den 29. Mai 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, das Auf- und Ablade» entlang der Markthalle betr. Nach 8. 14 der Marktordnung vom 22. April d. I. ist eS ge stattet, daß unter gewisse» Beschränkungen in die Markthalle eiu- gefahren und dort zum Zwecke des Auf- oder Abladens gehalten werden darf. Daneben ist es jedoch in gleicher Weise gestattet, das Auf- und Abladcn von drn beide» an die Halle angrenzenden Fahr- strahen, der Markthallen- und der Brüder,straffe ans, z» be wirken, ja es cmpsirhlt sich diese Art, Waaren an- ober ab- rnsahrcn, ganz besonders dann, wen» dadurch der Trans port vom Wagen bis zum Bestimmungsort in der Halle verkürzt und erleichtert wird Wagen, welche zum Zweck des Auf- oder Abladens an der Markthalle in einer der genannten Strogen aussahren, haben dicht an der Kante deS Fußsteigs in der Weise zu halten, daß die Deichseln in der Brüdersiraße nach dein KvnigSplatz, in der Markt- hallenslrasje nach dem Roßplatz zu gerichtet sind, daß ferner dir einzelnen Wagen möglichst nahe an einander gerückt und daß endlich hierbei, zur Erzielung größere» Platzes, die Deichseln (sammt Pferden) etwas seitlich »ach der Mitte der Straße zu gerichtet werden. Wir erwarten, Laß diesen Anordnungen von den Auffahrenden im Interesse des Verkehrs, sowie im eignen Interesse, allenthalben uachgekommen werden wird. Leipzig, den 28. Mai 1891. Ter Rath drr Stadt Leipzig. Or. Georgi.Größel. Lorstenmarkt. Ter zweite diesjährige Markt für Borste» findet in der Zeit von Montag, den 29. Juni, bis Sonnabend, den 4. Juli, statt. Leipzig, den 26. Mai 1891. Ter Rath der Stadt Leipzig. Dr. Georgi.Wirthgen. Kirchen-tleubau Lcipzig-Volkmarsdorf. Submission für Erd- und Maurerarbeiten. Die Ausführung von Erd- und Maurerarbeiten soll vergeben werden. Anschläge hierzu sind bet Herrn Architekt Julius Zeißig, Leipzig, Mozartstraße 5, gegen Erstattung von 2 zu entnehmen. Daselbst sind auch die Bedingungen und Zeichnungen in den Stunden von 2—4 Uhr Nachmittags einzuschen. Die Angebote sind bis Montag, drn 8. Juni, Mittag 12 llhr bei genanntem Herrn Architekten einzureichen. Der Unterzeichnete behalt sich die Auswahl unter den Anschlag einreichenden Unternehmern, sowie das Recht vor, die Angebote rvent. abzulehnen. Leipzig-VolkmarSdorf, den 28. Mai 1891. Ler Sirchenvorstand. Bekanntmachung. Nächsten Sonntag, als am 3l. d. M., liegen Vormittags II Uhr bis Nachmittags 4 Uhr im Schulzimmer Nr. 17 der XVI. Bezirksschule allbier die Lriginalpläne unserer Kirche zur Besichtigung aus. — Alle lieben Glieder unserer Kirchgemeinde werden hierzu freundlichst eingeladen. Leipzig-VolkmarSdorf, den 28. Mai 189l. Drr Sirchknvorftand. Im Güterschuppen der Ladestelle III in Leipzig-Lindenau wird ein bisher zur Lagerung von Getreide vermiethet gewesener Raum von 132 qm Flächeninhalt Ende Juni d. I. miethfrei. Unter welchen Bedingungen die Weiterveruuethung erfolgen soll, ist aus gedachter Ladestelle zu erfahren. Angebote sind bis zum 20. Juni d. I. anher einzureichen. Leipzig, deu 28. Mai 1891. Königliche BetricbS-Lbcrinspcction l. König!. Kunstakademie und Kunstgewerbe schule in Leipzig. Sonntag, den 31. Mai d. I., Vorm. '/»12 Uhr findet in der Aula des neuen Anstaltsgebäudcs, Wächterstraße II, eine Prämien- vertheilung an Schüler statt. Eingeleitet wird die Feier mit einem kurzen Bortrage über das Leben Meissonniers und seine Werke, welche in einer französischen Ausgabe in Heliogravüren ausliegcn. Zugleich ist eine Ausstellung der durch Herrn Prof. Haselberger wieder hergestellten Dürer'schen Fensterbilder aus der Landauer Capelle in Nürnberg von 1508 veranstaltet. Ferner sind aus der Glasmalerabtheilung folgende unter Be> »Heiligung von Schülern gefertigte Arbeiten ausgestellt: 1, eine ge. treue Nachbildung der Dürer'schen Fensterbildcr, 2) Bicrpassebilder, Scencn aus dem deutschen Ritter- und Minneleben nach Zeichnungen von Wohlgemuth und 3) das Wappen deS deutschen Reiches und der 7 Wahlfürsten aus dem 16. Jahrhundert. Im Namen des Lehrercollegiums beehrt sich hierzu ergebenst einzuladen Leipzig, den 28. Mai 1891. Der Direktor: De. Ludw. Nieper. Kirschen-Verpachtung. Tie diesjährige Nutzung der RöVcraner Kirschenplantage (un gesähr 1300 Stück tragende Bäume vorzüglicher Sorten) soll Montag, den 1. Jnnt dss. Js., Vormittag 11 Uhr, im „Waldschlößchen" zu Röderau, unter den zuvor bekannt zu gebenden Bedingungen, meistbietend verpachtet werden. Auswärtige» Bietern ist nachgelassen, ihre Gebote auch schriftlich beim Unterzeichneten Bureau einzureichen, diese Gebote müssen jedoch spätestens Vormittag 8 Uhr genannten TageS an Burcaustelle ein gehen. Riesa, am 23. Mai 1891. Königliches AbtheilnngS-Jngcnienr-Biirea». Zur Erneuerung des Dreibundes. * Aus Wien wird dem „Dresdner Journal" von wohl unterrichteter Seite Folgendes geschrieben: Am 3. Februar >888 ward deu Völkern Europa« durch solenne Eröffnungen, die an jenem Tage in Berlin und Wien erfolgten, die -Kunde von dem Inhalte des segensreichen Bündnisses, welches seit den Lctobcrtagen des Jahre« 1879 zwischen den beiden innig befreundeten Nachbar-Kaisermächten besteht. Wußte man damals auch schon längst, daß dieses Friedcnsbüntniß sich zum Mittelpunkte der europäischen Konstellation anSgcstaltet batte, kannte man auch in aUaemeinrn Zügen die Grund lagen und wesentlichsten GestchtSpuncte des Bündniß vertrage-, so war doch die Wirkung jener denkwürdigen Pnblication allenthalben «ine überaus tiesgebcnde. Diese Wirkung ward verstärkt durch die Mittbeilungen von berufener Seite, nach welche» das Gebeimniß des Ver trages in einer schwierigen politischen Phase enthüllt worden war, um manche drohende Gefahren zu bannen. Wir wissen jcute, da wir uns in drn drei Jahren seit der bedeutsamen Veröffentlichung der Segnungen ungetrübten Friedens erfreuen durften, daß jener erhabene „Zweck vollkommen erreicht wurde. Bei allen Nationen deS WeltthcileS hat sich die Erkeuntniß eingelebt, daß die FriedenSliga die mächtigste politische Schöpfung sei, die seil dem Beginne deS Jahrhunderts durch vereintes Streben edelgesinnter Monarchen und ihrer Nath- zeber entstand. DaS Interesse, welches die Völker Europas ür daS große Werk hegen, erfuhr in den Tagen froher FriedcnSzuversicht ebenso wenig eine Abschwächung, wie in jenen Epochen, in welchen am politischen Horizonte dunkle Wolken auftauchten. Angesichts dieses stets rege gebliebenen Interesses kann eS nur begreiflich erscheinen, daß die Erörterung aller mit dem Allianzverhältniß zusammenbängenten Fragen und Einzelheiten von der europäischen Publicistik bei jedem halbwegs geeigneten Anlässe unternoinmen wird. Gegen eine solche Erörterung wird gewiß kein Bedenken zu erbeben sein, wenn dieselbe im Sinne dankbarer Würdigung der Friedensbürgschaften geführt wirb, welche wir dem Staatcnbunde verdanken; auch der Ausdruck der Hoffnung auf ungeminderten Fortbestand jener Bürgschaften ist nur die naheliegende und gerechtfertigte Kund gebung des wahren Empfindens der verbündeten Völker, und stlbst daö gelegentliche Bestreben nach der Lüftung des Geheim nisses, welches viele Bestimmungen der Tripelallianz noch umgiebt, kann streng genommen nicht befremden. Noch sind die Abmachungen nicht bekannt, die bei dem Eintritt Italiens in den FriedenSbund vereinbart wurden, und noch um- gicbt tieseS Dunkel alle Fragen, welche sich auf das wiederholt ostentativ geäußerte wohlwollende Einvernehmen Großbritanniens mit den Eentralmächteii beziehen. In letzterer Richtung haben Kundgebungen englischer Staats männer ebenso wie politische Maßnahmen, welche von dem Eabinct von St. James in vollkommener Uebercin- timmung mit Schritten der Dreibundmächte unternommen worden, zu der Vcrmuthung geführt, daß zwischen der Politik Englands und jener der Kaisermächtc nicht bloS eine Zufalls harmonie bestehe; die Organe der öffentlichen Meinung haben sich nicht immer mit der Eonstaiirung dieser wertb- vollen Thatsachcn begnügt, sondern ebenso mühselige wie vergebliche Versuche unternommen, um ein Mehr zu ergründen. Insbesondere hat aber das Berhältniß Italiens den beiden alliirtcn Kaiscrmächten das SensationS- bedürsniß oder kurz gesagt, die Neugierde eines großen TheilcS der internationalen Publicistik beschäftigt. Ost zenug wurde von berufenster Seite zugegeben, daß jenes Verhältniß ebenso auf den Grundlagen eines förmliche» BündnißvertragcS in bestimmt umschriebener Form beruht, wie das innige Einvernehmen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn. Tie betheiligtcn Factoren haben eS aber nickt für augczcigt oder, wenn man der Nebcnumstände der Veröffentlichung deS deutsch-österreichischen Vertrages gedenkt, Wohl richtiger nicht für geboten erachtet, die Mitwelt über den Inhalt jener Abmachungen aufzuklärcn. Die Thatsachc, daß der Vertrag oder die Verträge Italiens mit den Kaisermächtcn nicht publicirt wurden, hat die wohlwollende, aufrichtig friedlich gesinnte Presse Deutscb- landS, Oesterreich-Ungarns und Italiens wohl so manches Mal zu Erörterungen und Eombinakionen veranlaßt', doch fanden die betreffenden Besprechungen stets bald wieder ihren Abschluß. Offenbar war dabei die vernünftige Erwägung maßgebend, daß der hohe Wertb des Bündnisses völlig unab hängig ist von der größeren oder geringeren Publicity aller bezüglichen Einzelheiten. Man conjecturirl nicht mehr über den deutsch-österreichischen Bund, weil man denselben längst als de» ,^-ocber cke dronro" der europäischen Politik betrachtet und man hat es ebenso dort, wo inan den Frieden ehrlich will, aufgegeben, daS Einvernebmen Italiens mit seinen Alliirtcn Tag für Tag in die Erörterung zu ziehen. Ein Anderes gilt aber von jenen Preßorganen, die leider unentwegt daS Bestreben verfolgen, die Friedenszuversicht in Europa zu erschüttern und womöglich bei jedem Anlasse die Grundlagen dieser Zuversicht durch gewaltsame Heraus forderung von Verstimmungen und mißtrauischen Bedenken zu schädigen. Diese Organe, welche trotz ununterbrochener Mißerfolge ihre planmäßigen Versuche in jener Richtung unentwegt fortsetzen, haben nun speciell das Bundesverhältniß Italiens mit den Kaisermächten zum ÄngriffSpuncte ihrer aussichtslosen Wühlarbeit gewählt. Kaum war rö ihnen ge lnngeii, die Wahrscheinlichkeit aufzudcckc», daß dieses Ver hältniß seinerzeit nur für einen bestimmten Zeitraum fixirt warb, so begannen sie schon damit, diese Vermuthung im Tone absoluter Gewißheit vor aller Welt zu verkünden. Es wurde dann abgewartct, ob von maßgebender Stelle ein Dementi jener Annahme erfolgen würde; als eine solche Zurückweisung nicht erfolgte und als später überdies von autoritativer Seite die Wahrheit der erwähnten Eombination zugegeben ward, durfte man aus der gewonnenen Basis weiter bauen. Durch conseguente Verbreitung verschiedenster Angaben über die GiltigkeitSdauer deS Bündnisses »nd durch scharfe Beobachtung der Aufnahme, welche diese Angaben in com- petcnlcn Kreisen fanden, gelangte man schließlich zu nianckcn Anhaltspunkten bezüglich icncS Zeitraumes. Damit war nun die Aufklärung über die große Frage erzielt, wan» die Minirarbeit gegen die Erneuerung der Tripelallianz in Scene zu setzen sei. Etwa seit Halbjahrsfrist seken wir die Mineure consequcnt an ihrem traurigen Werke beschäftigt, das früher nur durch gelegentliche Voritöße cingcleitct ward. Die pan- slawistischcn Hetzblätter hahen ihr Bestes aufgcbotcn, um den Glaube» an die Erneuerung des Dreibundes zu erschüttern und in Italien selbst eine gewisse Abneigung gegen die dunoeSsrrundlichcn Tendenzen der Regierung hervorzurufen. Jene Hetzblätter batten sich bei ihrem Treiben der regen Unterstützung gesinnungSverwandter Organe außerhalb Ruß lands z» erfreuen und die frivole Agitation wurde so manches Mal, unter Anderem leider auch uiWie», von Organen bewußt oder unbewußt gefördert, die sich besser von solchen Dingen ferne gehalten hätten. Die Kunde von dem Ministerwechsel in Rcm verlieh den unermüdlichen Kämpfer» für eine schlechte Sache neuen Mlitb. Au» dem Rücktritte EriSpi'S zogen sic den Schluß, daß in Italien die böse Saat Boden gefaßt hätte, welche sic geflissentlich auSstreuten. Nach ihrer Ansicht wäre Marquis Rudini nur berufe» worden, um Italien a»S den Bahne» einer bewährten, für daS Königreick stetS vortbeilbast gewesene» Politik auf den Pind der Abenteuer hinüber zu jcnken. Aber eben in dem Momente, in welckem sich die internationalen Friedensfeinde ihrem Ziele am nächsten wähnten, begann für sie eine Epoche ununterbrochener Enttäuschungen. Der Nachfolger EriSpi'S entwickelte mil jener Vorsicht, welche ein eben ans Ruder gelangter Staatsmann delhälige» muß. aber dock ohne jegliche Zwei beinigkeit ein Programm, daS die volle Uebereinstinimnng mit der Politik EriSpi'S verkündete. Bis zur Stunde liegt nicht daö geringfügigste Anzeichen einer Abweichung von diesem Programme, wohl aber eine Reibe von Momenten vor, die darthnn, daß Marquis Rutini'S Stellung gegenüber dein Parlament und der Bevölkerung Italiens eben auf Grund jenes Programms eine feste und gesickerte ward. Man bemüht sich in Rom, die sinanzielleii Erwägungen mit den Erfordernissen der auswärtigen Politik in Einklang zu bringen und man bereitet sich in ernster, zielbcwußtcr Weise daraus vor, die Fortsetzung der bisherigen Politik gegen alle Schwankungen und Störungen zu schützen. Angesichts dieser Tbalsachen erhielten die Rückzugsgefechte der internationalen publicistischen Friedensfeinde ein überaus klägliches Gepräge. Dort, wo inan früher die Nichternenennig deS Dreibundes als nnzwciselhaft bezeichnet hatte, muß man heute zu armseligen Eonjectureii greifen, um doch die Mög lichkeit in Betracht ziehen zu können, daß die von allen Freunden des Friedens gewünschte Losung durch unvorhergesehene Zwischcn- Tlle vereitelt oder verzögert werden könne. Z» diesem Zwecke werden die Silbcnstechercicn »nd waghalsigen Erfindungen über Modifikationen des Bündnisses, über den genauen Zeitpunct deS VcrtragsablaufS nnd ähnliche Einzelheiten unentwegt fort- zesctzt. Die große Mehrbeit der italienischen Bevölkerung ignorirt diese kleinlichen Experimente ganz ebenso, wie die Versuche, in letzter Stunde unerfüllbare Hoffnungen oder gegenstandslose Besürcktunzcn bei der Nation wachznrusen. Im so mehr ist aber für die nüchterne politische Presse anderer Länder aller Grund vorhanden, daö verworrene Treiben übelwollender Agitationöblätter gänzlich unbeachtet zu lassen. Ter angebliche lhatsächliche Inhalt der Ans- trcuunge» über die Biindnißverhandlnngen ist völlig cnt- werlhet durch die vor Kurzem von Berlin »nd Wien auS erfolgte autoritative Erklärung, daß der Bund Italiens mit den Kaiscrmächten noch nicht erneuert ward. Die Besorgnisse bezüglich dcö weiteren Ganges der Dinge sind aber erfreulicher Weise, wenn sic überhaupt an ernster Stelle austauchten, gänzlich dadurch beseitigt, daß ein journalistisches Organ des Wiener auswärtigen Amtcö vor Kurzem ohne die sonst stetS geübte diptomaliscke Reserve die Erneuerung der Allianz als unbedingt verbürgt be< zeichnete. Mil dieser werthvollcn Gewißheit finden wir von ..nserem GestchtSpuncte aus wahrlich das Genügen; dürfe» wir darauf rechnen, daß die monumentale Grundlage des europäischen Fricdcnögcbäudcs unerschüllert bleibt, so kann uns die Frage nur nebensächlich erscheinen, an welchem Tage und unter welchen Einzelinobalitäten diese bedeutsame Thal sache sörmlich besiegelt wird. Die Getreidezölle und die Handelsverträge. Sobald die Frage der Getreidczölle im deutschen Reichs tage oder im preußischen Landtage zur Sprache kommt, so sälll der politische GesichlSpunct fort, und wir haben eine reine Interessenvertretung vor uns, abgeseben von der frei sinnigen Partei, welche als Vorkämpfer!» für billige Lebens mittel auftritt, ein Streben, in welchem sie mit de» Scciat- demokralen zusammcntrifft. Die Frage, welche auch »ach der Mitlwochösitzung des preußischen Abgeordnetenhauses als eine offene zu betracklcn ist, lautet: Wird der Preis deS Kornes durck den darauf lastenden Zoll erhöbt oder nicht? und bei Bejahung dieser Frage: Ist der Preisunterschied der Höhe des Zolles gleich? Die Freisinnigen bejahen beide Fragen, die Landwirthe auf konservativer Seite und im Eentrnm verneinen sie. Die beiten letztercnKategorien behaupten,daß derKoriipreis durch den Zwischenhandel und durch den RnbelcurS bestimmt wird, daß aber der Zoll darauf so gut wie keinen Einfluß übt. Es kommt noch die Wirkung Hinz», welche die Ernte auf den Gctrcitcprcis äußert, nnd selbst in dieser Beziehung gehen die Meinungen auseinander. Der Abgeordnete Schultz- Lnpitz hat in dieser Beziehung beachtenSwerlbe Mitthcilnngen gemacht. Er sagt: „In Folge des durch die Speculation erzielten hohen GctreideprciseS sind in den letzten acht Tagen 40 000 WiSpel Getreide in Nordrußland gekauft worden, welche in den nächsten l t Tagen nack Berlin komme» werden, nnd nach der Elbe bin sink 7000 Wispel abgeschlossen. Es ist sicher, daß auch Südrußtand erhebliche Vorrälhe abgegeben hat, und man kann erwarten, daß vermöge der uivcllircnden Tbätigkeit des Handels in Berlin, wo gestern bereits der Roggen um vier Mark gefallen ist, sehr bald eine wesentliche Preisermäßigung eintreten wird." Diese Beinerkunczen gewähren einen Einblick in daS Ge triebe, welches die Epccnlalion in den Getrcidcbandel bringt, und da muß man wirklich zwcisclhast werde», ob der Lärm, welcher wegen der Höbe der Gclrcitczölle im Parlament ge macht wird, irgend welche thalsächliche Grundlage hat. Wenn es wahr wäre, daß tcr Preis des BrodcS um den Gclrcidc- zoll vertbcnerl wird, so würde man, vorausgesetzt, daß die Landwirthschast nickt in ihrer Existenz bedroht wirk, für die Aushebung der Gctreidezöllc eintreten muffen. Dieser Nach weis ist aber bisher nicht geführt, vielmehr spreche» viele Umstände dafür, daß tcr GetreidcpreiS fast ohne Rücksicht auf die Höhe des Zolles von den Getreidehändlern bestimmt wird. Um über den wahren Sackvcrhalt zur Klarheit zu gelangen, müßten Erhebungen von einem Umfange nnd einer Genauigkeit angestellt werde», die viel Zeit und Müde in Anspruch nehmen würde», ebne bei ihrer Vielgestaltigkeit eine Gewähr für ihre Richtigkeit zu bieten. DaS ist die eine Seite der Frage, die andere besteht darin, daß sich die Vertreter der landwirthsckastliche» Interessen auf daö Entschiedenste dagegen wehren, ans eine Herabsetzung der Getreidezölle cinznaehcii, gleichviel ob da durch große allgemeine Interessen anss Spiel gefetzt werde». Bei der Mittwoch-sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses kam auch der Handelsvertrag zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn zur Sprache, und aiif eonservaliver Seite machte sich daS Streben geltend, den Vertrag ab- zulehncn, wenn er eine Herabsetzung der Getreidezölle ent halten sollte. Dieser Standpunct ist vom Minister von Bötticher treffend gekennzeichnet worden, dnrck die Bemerkung, daß der Wertb deS Vertrage« nur a»S seinen« Gcsammtinbalt bcurtbcilt werden könne. Irgend eine Mit- tbcilnng über den Inhalt de« Vertrages lehnte er ab, weil die Berbandliingen über andere mit dem deutsch-österreichischen 1 Vertrage in Verbindung stehende Verträge noch schweben. Nach Lage der Sache kann eS keinem Zweifel unterliegen, daß die Verhandlungen geheim geführt werden muffen. Die Grenzlinie zwischen der allgemeinen und der Handels- Politik ist sehr schwer zu ziehen. In Zeiten der Ruhe, in welcher internationale Verwickelungen nicht zu befürchten stehe», läßt sick die Grenzlinie scharfer ziehen, aber unter den heutigen Verhältnissen, wo Alles auf daS Höchste gespannt ist, wäre da« Zustandekommen von inter nationalen Handelsverträgen unmöglich ohne den Schutz des Geheimnisse«. Es ist allgemein bekannt, daß Frank reich den Ablauf der bis znm l. Januar 1892 geltenden Handelsverträge benutzen will, »inj sein wirth- schaftlichcS Uebergewicht in Europa zur Geltung zu bringen, lieber die Wege, auf welchen dieser Zweck erreicht werden soll, gehen die Ansichten angcnblickjich noch auseinander, oder über den Zweck herrscht volles Einverständnis!. Nun hat sick im Laufe der letzten Monate gezeigt, daß die Vertreter der Schutzzollpolitik in Frankreich bei Durchführung ihrer Ab sichten auf den Widerstand derjenigen Handelskreise stoßen, welche auf den Export nnd auf die Erzeugung solcher Artikel angewiesen sind, welche durch hohe Schutzzölle dem Untergang geweiht sind. Die Spiritusbrenner, die Müller, die Zucker» sabrikantcn erheben lauten Widerspruch gegen die hohen Schutzzölle. Unter solchen Umständen kann von Aufreckthaltung ein seitiger Interessen in Deutschland nicht die Rede sein. Es ist von allen Seiten, insbesondere vom Tische dcö BundeS- ratbS und in Preußen von der Ministerbank ans mit großem Nachdruck wiederholt worden, daß die Interessen der Land- wirthschaft in ihrem ganze» Umsange gewürdigt und berück sichtigt werden, daß aber die Gcsa»»nlwol>lfal>rt die oberste Richtschnur für die Handlungsweise der Negierung bildet. Man sollte »icinen, daß hiernach die Lage nach allen Seiten hin geklärt sein müßte. Die Handelsverträge, welche heute thcilS abgeschlossen, theilö noch in der Schwebe sind, haben nicht den Zweck, irgend welche Interessen ans Kosten anderer, z. B. der Landwirthschast ans Kosten der Eisen-Industriellen oder nmgckchrt zu bevorzugen, sondern eS soll durch sie ein Zustand berbeigcsührt werden, welcher dem ganzen Reiche sromnit. Die Sache liegt doch sctsticßlich nicht so, daß die Gesamint- wohlsahrt durch das Interesse der Landwirthschast und dev Großindustrie bestimmt wird, wenn auch ohne Weiteres an erkannt wird, das; Landwirthschast nnd Eisenindustrie sckr wesentlich auf die Wohlfahrt großer Kreise cinwirken. Die Lage ist aber auch in Wirklichkeit nicht so, wie sie nack den Reden i»i Reichstag: nnd im preußische» Landtage scheinen kvnnre. ES sind in der Hauptsache die Extreme, welche dort z»»i Anödrnck gelanaen. I» der Praxis gestalten sich die Verhältnisse ganz anders wie sic sich in den erregten Erörterungen der Parteiführer dar» stellen, die Vaterlandsliebe ist doch schließlich in Deutschland die bestimmende Kraft für das öffentliche Leben. Tic »latcriellcn Interessen behaupten unter allen Umständen einen weitgehenden Einfluß auf die Gesetzgebung aller Länder, und man kann sich nicht wunder», wenn auch das als ircal geartet bekannte Deutschland davon keine AuSiiabme macht. Man kann aber Loch auS allen Reden, welche ans dem Kreise der landwirthsckaftlichen Interessenten über die Getreidezölle ge halten worden sind, die GrnnLmelodic hcrauShöreu, daß die deutsche Landwirthschast eS nicht aus sich nehmen wird, Verträge mit andere» Staaten von höchster politischer Wich tigkeit aus einseitigen Rücksichten aus die eigenen Interessen zu Falle zu bringen. Die deutsche Landwirthschast lcsindet sich offenbar am besten unter der Herrschaft de« Friedens, die Ziirückdrängliiig der sranzösitcken Schutzzollpolitik durch die Eüngung der nicht mir ikr solidarische» Staaten Europas ist aber eine Errungenschaft, welche dem europäischen Frieden zu Gute kommt. * Leipzig, 29. Mai. * ES wird der „A. R. E" bestätigt, daß der SlaatS- secretair dcö Auswärtige», Frhr. Marsckall v. Bieberstein, Se. Majestät den Kaiser ans dessen Reise an den nieder ländischen, sowie an den englischen Hof begleiten wird. Herr v. Marschall wird sich jedoch dein Gefolge'deS Kaisers während der Nordlandrcisc nickt anschlicßen, sondern etwa am 10. Juli nach Berlin zurückkchren, um dann Mitte des selben Monats seinen mehrwöchigen Svmmerurlaub, den der selbe in seiner badischen Hcimath zuzubringen gedenkt, anzutretcn. — Der Reichskanzler v. Caprivi gedenkt vor läufig in Berlin zu bleiben. Wenn sich, was nicht aus geschlossen, Herr v. Eaprivi noch zu einer kurzen UrlaubSrcise entschließen sollte, so dürste dieselbe in den August fallen. Im September wird der Reichskanzler dann (dem Vernehmen nach) Sc. Maj. den Kaiser sowohl zu den Manövern im Wiener Wald, als auch zu denjenigen der beiden bayerischen ArmeccorpS in der Nähe vv» München begleiten. * Der preußische Staatshaushalt wird in diesem Jahre ungewöhnlich spät fertig. Während das Gesetz ver- fassungSgcmäß vor Beginn des Etatsjabrcö, d. h. vor dem I. April vcllcildet sein müßte, wird eS, da auch daS Herren baus »och darüber zu bcsckiicßcn bat, in diesem Jahr erst im Juni verkündigt werden können. Formell liegt darin ohne Zweifel ein Widerspruch mit der Verfassung, der auch da durch nicht ganz beseitigt ist, daß nack dem Antrag der Re gierung eine Bestimmung in daö EtatSgesey eingeschaltet wird, durch welche die bis zur gesetzlichen Feststellung de« Etats innerhalb der Grenzen Lcjsclbon geleisteten Ausgaben nachträglich genehmigt werden. Indessen, da keinerlei sach liche Meinungsverschiedenheiten dieser Verzögerung zu Grunde liegen, die Etatoberatbung sich vielmehr in diesem Jahre be sonders glatt abgcwickclt hat, wird man diese formale Jncorrectheit nicht allzu tragisch zu nehmen brauchen. Kleinere Ucberschreitiiiigcn der verfassiingSinäßigen Frist für die Publioalion des EtatögcsctzcS sind auch in früheren Jahren wiederholt vorgekommcn. In diesem Jahre aber läßt sich die lediglich durch praktische Zweck mässigkeitsgründe »nd Rücksichten auf eine nützliche Gc- schästseintheilung entstandene Abweichung von der Regel mit besonders gute» Gründen entschuldigen. Sic fällt weder einer Säumigkeit der Regierung, »ock des Abgeordneten hauses zur Last, sonder» ist lediglich durch die ganz außer ordentliche Nebcrladnng mit wichtigen Gesetzen und den sehr berechtigten Wunsch, die letzteren möglichst rasch in Sicher- bcil zu bringe», herbcigcsübrt worden Wenn der Landtag nickt bei frischer ÄrbcilSt.aft die großen Refornigesctzc energisch in Angriff genommen, sondern einen ansehnlichen Theil seiner Zeit in den ersten Monaten dieses Jahres auf
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