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Ireiöerger Knjeiger und T agebla t t. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^?18«. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6 U. für den and. Tag. Ins«, werden bi» V. 11 U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, den 12. August Prei» vierteljährl. 20 Ngr, Inserate werden die gespaltene ZM oder derm Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. 4- Freiberg, den 11. August. Vor einiger Zeit ist in Preußen eine neue Partei aufgetaucht, welche sich die der „landwirthschaftlichen Interessen" nennt und die als ihre Absicht aufstellt, für die Wahl von Landwirthen in das Parlament zu sorgen, damit diesem schwer bebürdeten Stande endlich einmal mehr Einfluß auf die ihn betreffenden Gesetze und Angelegenheiten werde. Die Partei hat wirklich einigen Boden gefunden und sogar versucht, sich als eine besondere Fraktion zu organisiren. Wie es scheint, verzweigt sie sich auch schon bis Sachsen, insofern gelegentlich der bevorstehenden Ergänzungswahlen für den nächsten Landtag in mehreren ländlichen Districten die Agitation auftritt, daß der Landwirth nur einen Landwirth wählen solle, weil nur dieser seine Interessen richtig vertreten könne. ES ist dies aber eine sehr schiefe Auffassung der Gesammtbe« deutung einer konstitutionellen Volksvertretung, wenn man sie aus Sorge für die einzelnen Privat-Jnteresscn zu einer Gesellschaft von bestimmten Ständen machen will. Es ist dies geradezu ein reactionäreS Gelüst, dem das Volk in der Ueberzeugung fern bleiben muß, daß mit der Förderung dieses Princips nichts Gutes herauskommen kann. Denn wenn erst der Landmann nur einen Landwirth in die Kammer schicken will, so kann ebenso gut der Arbeiter nur einen Arbeiter, der Industrielle nur einen Fabri kanten Hineinsetzen wollen, lediglich seiner Special-Interessen wegen, wie eS ja auch die social-demokratische Partei thut, die denn aber doch noch politische Ziele verfolgt und insofern gerechtfertigter da steht. Mehr und mehr würde dann das Parlament eine Stände versammlung und die Gesammtheit der Wähler eine Masse von einzelnen Corporationen, die gildenmäßig ihre Separat-Jnteressen in einer Versammlung verfolgen würde, welche die Interessen des ganzen Landes im Auge haben soll. Man wählt doch wahrhaftig nicht den Juristen, weil in der Kammer Gesetze gemacht werden, wozu er die berufene Person ist; man wähle deshalb auch nicht den Landwirth, weil er von der Landwirtschaft und deren Interessen, sondern weil er von den Angelegenheiten des Landes etwas ver steht. Dazu gehören ja die landwirthschaftlichen Dinge ebenso gut, wie die handelspolitischen, juristischen, die finanziellen u. s. w. Denn nur wer in allen diesen Fragen sein Auge fest auf das Staatswohl gerichtet hält, der ist der rechte Mann für ein Man dat des Volkes, nicht aber etwa Derjenige, welcher in beschränkter Auffassung des Zweckes einer Landesversammlung aus derselben einen nur bestimmten Interessen dienenden Klub machen möchte. Außerdem haben die Landwirthe wahrlich ebensowenig Grund, sich für die Bewegung auf parlamentarischem Gebiet zu einer beson deren Partei zu einigen, wie z. B. die Katholiken. Weil es eben bei der Wahl eines Abgeordneten nicht darauf ankommt und nicht darauf ankommen soll, weß Standes oder weß Glaubens, sondern nur weß Geistes und politischer Ueberzeugung Kind er sei, so wer den Katholiken wie Landwirthe gewählt, von den Freisinnigen so gut wie von den Conservativen, aber nicht ihres Standes oder Glaubens wegen. So hat es immer in der Kammer eine Anzahl Landwirthe gegeben, die denn doch wohl genügte, für die sie selbst berührenden Interessen da- Wort zu ergreifen und die wahrlich nicht blinder für jene die Landwirthschaft betreffenden Fragen sein werden, als Abgeordnete, die nur als „Landwirthe" in die Kammer kommen. Es liegt doch klar auf der Hand, daß der Grundbesitz nicht zu kurz bei den Wahlen kommt; aber wir werden zu bedenken geben müssen, daß die landwirthschastliche Partei nur verkehrten Auf fassungen huldigt, wenn sie bei den Wahlen als Kaste auftritt. Darüber in einem nächsten Artikel. Tagesgeschichte. Berlin, 9. August. Das Generalauditoriat hat, nach Mit- theilung hiesiger Blätter, soeben einen Bericht über alle in der norddeutschen Armee im verflossenen Kriege vorgekommenen Ver brechen und Vergehen vollendet und dem Kriegsminister eingereicht. Dasselbe spricht sich darin zunächst höchst günstig über die DiSciplin der Truppen aus; es sind im Verhältnis zu dem Militär anderer außerdcutschen Staaten nur ein Drittel oder die Hälfte an leichteren Disciplinarvergehen und Strafen im Dienst vorgekommen. Der während der Kriegszeit vorgekommenen Verbrechen und Vergehen waren noch einmal so viel, wie in Friedenszeiten. Am häufigsten kommt das Vergehen der unberechtigten Requisition vor, demnächst das Verbrechen des Diebstahls, wobei jedoch zu bemerken ist, daß im Kriege nicht ebenso feine Unterschiede über daS EigenthumSrecht aufgestellt werden können, wie im Frieden. Widersetzlichkeiten gegen die Befehle der Vorgesetzten sind verhältnißmäßig sehr wenig vor gekommen. Lobend wird insbesondere auch die Landwehr erwähnt, weil dieser Theil der Truppen derjenige sei, der sich durch Alter und gesetztes Benehmen vor andern auszeichne. — Die „Frankfurter Zeitung" hat ihre Angriffe, die sie ge legentlich der Dotationsfrage auf General von Manteuffel machte, weiderholt. Derselbe scheint sich aber wenig daraus zu machen und hat folgende Depesche nach Königsberg geschickt: „Compi'egne, 1. August. An die Redaction der „Ostpreußischen Zeitung". Nach der „Frankfurter Zeitung" hat die „Hartung'sche Zeitung" Bedenken ausgesprochen, ob sie ohne Gefahr den in der „Frankfurter Zeitung" stehenden Artikel „Zur Dotationsfrage", der lediglich von mir handle, aufnehmen könne. Ich habe das Einschreiten gegen jene Zeitung wegen dieses Artikels abgelehnt und würde es gern sehen, wenn die Königsberger Zeitungen den Artikel vollständig aufnehmen. - v. Manteuffel." — Der General v. Manteuffel fiedelt mit seinem Hauptquar tier am 20. August nach Nancy über. — Die seit etwa einer Woche durch die Presse gehenden Mittheilungen über das Borschreiten der Cholera beruhen fast sämmtlich aus Ungenauigkeiten und Uebertreibungen. Nach officiellen, aus der Provinz Preußen hier eingegangenen Nachrichten sind bis AM 4. d. M. in Danzig 8 Mann, unter ihnen 2 Matrosen Sr. Majestät Schiff „Pommerania" an der cbolsr» nostras, Sommer- cholerine, die durch ihre nicht ansteckende Form von der wirklichen Cholera sich wesentlich unterscheidet, erkrankt. Bon diesen ist Nie mand gestorben. Fälle asiatischer Cholera waren bis zum 4. August weder bei Civil-, noch Militärpersonen vorgekommen. — Die Berichte, die aus den verschiedenen Provinzen über den Stand der Gewerbe eingehen, lauten, de^ folge, äußerst günstig. Die nachtheiligen Wirkungen des Krieges find theilS bereits vollständig, thetls nahezu verschwunden, und in einigen Landestheilen ist ein Aufschwung der erfreulichsten Art zu conttatiren wie er nach dem Kriege von 1866 nicht sobald eintrat. Ein sicheres Zeichen für die günstige Lage der Industrie ist die Thatsacbe, daß in den Steuerverhältnissen kein Rückgang stattgesun« den hat, obgleich die Personalsteuer der betreffenden Mannschaster