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Großenhainer UnterhaltuM- L Anzchkblatt. Anägffatt der Kömgk Alick^aLftiuamlsekenft, des Kmä^. AmtLgerickts iiild des Ztadtrat^s zu Großenhain. Erscheinen: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend. Vierteljährliches Abonnement: am Schaller 1 M., durch den Boten ins Haus 1 M. 25 Pf., durch die Post l M. 2b Pf., durch die Post ins Haus l M. 5V Pf. Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. Verantwortl. Redacteur: Herrmann Starke sen. Inserate für die am Abend auszugebende Nummer werden bi« früh 9 Uhr angenommen und Gebühren für solche von auswärts, wenn dies der Einsender nicht anders bestimmt, durch Postnachnahme erhoben. Nk. 140. Dienstag, den 25. November 1884. 72. Jahrgang. Aufgebot. Von dem unterzeichneten Amtsgericht ist auf Antrag des Ortsrichters Carl Heinrich August Hiemann in Copitz, als Sondervormunds der unmündigen Ernst Herrmann, Anna Marie, Ida Marie Geschwister Kadner in Copitz beschlossen worden, das Ausgebots verfahren zu eröffnen zur Herbeiführung der Todeserklärung des am 13. November 1819 in Weinböhla gebornen ehelichen Sohnes des Schankwirths Christian August Salomo Pfeil, des Müllers Ernst Herrmann Pfeil, welcher der Großvater der durch den Antragsteller vertretenen Unmündigen ist. Derselbe ist am 5. August 1854 von Großenhain aus, woselbst er einige Monate gewohnt, nach Amerika ausgewandert und ist die letzte Nachricht von ihm durch einen im Jahre 1861 geschriebenen, aus Chile in Südamerika datirten Brief an seinen Bruder, den Gastwirth August Balduin Pfeil in Weinböhla, gelangt. Es wird daher genannter Müller Ernst Herrmann Pfeil andurch geladen, spätestens in dem auf den 2. Juni 1883 Vormittags 0 Utzr angesetzten Aufgebotstermin persönlich oder durch einen gehörig legitimirten Bevollmäch tigten vor hiesigem Amtsgericht zu erscheinen, widrigenfalls er für todt erklärt und sein hier verwahrtes Vermögen den sich legitimirenden Erben desselben ausgeantwvrtet werden wird. Großenhain, am 12. November 1884. Königlich Sächsisches Amtsgericht. Schröder. Ur. Brunner, Ref. Bekanntmachung und Einladung. Die Großenhainer Herberge zur Heimath soll Sonntag den 30. November d. I. in Betrieb gesetzt und durch eine kurze Feierlichkeit im Herbergssaale nach Schluß des Nachmittagsgottesdienstes, gegen Uhr, eröffnet werden. Der Zutritt, so weit der Platz reicht, sowie die Besichtigung ist Jedermann gestattet, der sich für unser Unternehmen interessirt, und werden alle Gönner, die uns unterstützt, die Damen, die so fleißig geholfen, die Handwerksmeister, Gesellen, Arbeiter u. s. w., denen die Herberge zu gute kommen soll, hierdurch freundlichst eingeladen. Der Großenhainer Kreisverein für innere Mission. D. Harig, Bors. Politische wettschau. Die ungewöhnlich kurze Thronrede, mit welcher der deutsche Kaiser am Donnerstag die neue Legislatur periode des deutschen Reichstages in feierlichster Weise er öffnete, befleißigt sich einer großen Zurückhaltung und ist bei aller Wärme des Ausdrucks für Diejenigen enttäuschend, die eine große Kundgebung überraschender Art erwartet hatten. Von den angekündigten Vorlagen hatte man all seitig bereits die vollständigste Kenntniß, während in dem Aktenstück der Plan der Altersversicherung nur angedeutet und die Art der Deckung des Deficits gänzlich übergangen ist. Fast will es scheinen, als wolle die Reichsregierung absichtlich dem Recht der Initiative des Parlaments vollen Spielraum lassen. Dagegen wird in sehr bedeutungsvoller Weise betont, daß die Anfänge einer Colouialpolitik „nicht alle Erwartungen, die sich daran knüpfen, erfüllen können." Diese Warnung vor zu weit gehenden Hoffnungen wird da durch specialisirt, daß den jetzigen colonialen Bestrebungen nur Bedeutung für Handel und Industrie beigemessen wird, also nicht für die Errichtung von Ackerbau-Colonien. Die auf die Lage Europas bezügliche Stelle der Thronrede hat nicht nur den lebhaftesten Beifall der deutschen Volksver tretung gefunden, sondern wird auch überall als eine frohe Friedensbotschaft mit größter Befriedigung ausgenommen werden. Nach einem Wahlkampfe voll überraschender Zwischen fälle ist nun der deutsche Reichstag in eine neue Legislatur periode eingetreten. Die Volksvertretung zeigt nicht mehr die Physiognomie, an die man sich während der anderthalb Decennien des Reichsbestandes gewöhnt hatte und die nur von drei zu drei Jahren unerheblich sich veränderte, je nach dem die Wahlschlacht den Conservativen oder den Liberalen größere Erfolge gebracht hatte. Der Reichstag bietet in der neuen Periode auch ein neues Bild. Eine socialdemo kratische Fraction von 24 Köpfen ist erstanden, die der Reichsregierung zu schaffen machen wird, wenn auch Fürst Bismarck dem Anwachsen der Socialdemokratie gegenüber sich bisher fast theilnahmSlos verhalten hat. Jedenfalls ist es dem Reichskanzler viel peinlicher, daß das ultramontane Centrum über 100 Mann stark in den Reichstag zurück kehrt. Nach wie vor wird das Centrum die herrschende Partei und der Kern jeder Parlamentsmehrheit sein, gleich viel ob dieselbe für oder gegen die Reichsregierung stimmt. Zunächst sind die Mitglider dieser zahlreichen Fraction in sehr erbitterter Stimmung, da der deutsche Bundesrath unmittelbar nach Ablauf der Stichwahlen den von dem letzten Reichstag angenommenen Windthorst'schen Antrag wegen Aufhebung des Expatriirungs» Gesetzes ablehnte. Mit diesem Bundeörathsbeschluß hat die ReichSregiernng die Centrumspartei geradezu vor den Kopf gestoßen und schreibt deshalb daö ultramontane Organ „Germania": „Dem neu zusammentretendeu Reichstag ist durch die Ab lehnung der Stempel des CulturkampfeS aufgedrückt und das katholische Volk wird sich sicherlich in lebhafter Ueber einstimmung mit seinen eben erwählten Vertretern befinden, wenn diese der Schroffheit der Reichsregierung unerbitt liche Entschiedenheit in allen jenen Dingen entgegensetzen, die den Steuerzahler neu belasten sollen." Dem mecklenburgischen Landtage gingen die Urkunden über den Erbfolgeverzicht des Herzogs Paul Friedrich und die Bestätigung desselben durch den Großherzog zu. Dar nach sollen die von dem Herzog freiwillig aufgegebenen Rechte nach dem etwaigen Auösterben seiner nachgeborenen Brüder und deren Nachkommen nur unter der Bedingung wieder in Kraft treten, daß der zur Erbfolge Berechtigte verpflichtet sein soll, zur protestantischen Kirche überzutreten. Die Session der österreichisch-ungarischen Dele gationen ist nach Erledigung sämmtlicher Vorlagen ge schlossen worden. Ihre Hauptbedeutung lag diesmal in den officiellen friedlichen Erklärungen über die Stellung Oesterreich-Ungarns zu Rußland und in den Kundgebungen des Vertrauens, welche von beiden Delegationen dem Minister Grafen Kalnoky gewidmet wurden, dessen aus wärtige Politik demnach einen vollständigen Erfolg errungen hat. In der am Donnerstag stattgefundenen Sitzung des Finanzausschusses des ungarischen Unterhauses erklärte der Referent Hegedüs, das Deficit Ungarns sei zwar noch groß, doch werde es auch ohne Steuererhöhung möglich sein, das Gleichgewicht künftig herzustellen. Der Referent verwies auf die Besserung der wirthschaftlichen Lage, welche sich s nach dem nächsten Ausgleiche und durch die künftige Valuta- Regelung noch steigern werde. Allem Anschein nach wird sofort nach der Wieder eröffnung der italienischen Kammer, die auf den 27. d. M. anberaumt ist, ein parlamentarisches Gefecht ! stattfinden, welches einen Einblick auf die künftige Stärke ! der Regierung gestatten und zugleich den Gradmesser für j die Stimmung der Kammer der wichtigsten der in der nächsten Zeit zu gewärtigenden Vorlagen, der Eisenbahn frage gegenüber, abgegeben wird. Der italienische Justiz minister hat, verstimmt über die Verweigerung seines Planes bezüglich der Beförderung höherer Justizbeamter, seine Ent lassung eingereicht. Als seinen Nachfolger bezeichnet man den Senator Eula, den Präsidenten des obersten Turiner Gerichtshofes. Zwischen der liberalen Mehrheit der dänischen zweiten Kammer und dem Ministerium Estrup herrscht seit ge- , raumer Zeit eine höchst feindselige Stimmung, die zu einem ! vollständigen Strike des VolkSthiug geführt hat. In dem letzter« beantragte am 20. d. die Linke, auch die Regierungs- ' Vorlage über die Arbeiterversicherung als durch die am j Tage vorher beschlossene Tagesordnung erledigt anzusehen, i wonach die Verhandlungen über alle Regierungsvorlagen sistirt werden sollen. Hierauf erklärte der Ministerpräsident Estrup, er halte nächst der Vertheidigungsvorlage die sociale Reform für die wichtigste Regierungsvorlage. Die von der Kammer gewählte neue Form, diese Vorlage zu begraben, verändere in keiner Weise die Situation; er verlange von der Kammermehrheit ein positives Programm. Darauf vertagte der Präsident des Volksthings die Sitzungen bis auf Weiteres, da alle Berathungsgegenstände durch die be schlossene motivirte Tagesordnung erledigt seien und nichts Neues vorliege. Der Regierung bleibt nun nur noch die Wahl zwischen Kammerauflösung oder Cabinetswechsel. Die Franzosen wünschen zwar eine Vermittelung Englands, um dem chinesischen Feldzug ein Ende zu machen, i wollen aber nicht darum bitten und setzen deshalb die kostspieligen Rüstungen fort, in der Hoffnung, die Insel Formosa inzwischen als Pfandobject zu erringen. Dabei ist die wirthschaftliche Krisis in Frankreich noch immer im Zunehmen. Ein Krawall der brotlosen Arbeiter in Lyon machte das Einschreiten der Truppen nöthig; in Paris wird die Noth unter den bedrängten Arbeitern ebenfalls stark von revolutionären Agitatoren ausgenutzt. Der Ra- dicale Rövillon brachte den Nothstand der Pariser Industrie am Donnerstag in der Kammer zur Sprache und bean tragte die Ausführung großer Arbeiten und die Bewilligung eines Credits von drei Millionen Francs zur Unterstützung für die Pariser Bevölkerung. Der Minister Waldeck- Rousseau zählte die bereits in Angriff oder in Aussicht ge nommenen Arbeiten auf, sprach sich gegen den Credit aus und beantragte mit Erfolg die einfache Tagesordnung. In der englischen Wahlreformfrage ist endlich, nach I den zahlreichen Wandlungen, welche dieselbe durchgemacht ' hat, eine entschieden günstige Wendung eingetreten. Die Annahme der Bill ist im Oberhause, Dank der Mäßigung Gladstone's, gesichert. Die von ihm den Lords gegenüber bewiesene Nachgiebigkeit wird von der „Times" über schwänglich gepriesen. Der „Standard" und andere conser- vative Blätter geben unverhohlen ihrer Freude Ausdruck. Das liberale Organ „Daily News" versucht den Beweis zu erbringen, daß das Oberhaus ursprünglich noch mehr verlangte, als es erhielt; das Blatt giebt jedoch mit süß saurer Miene zu, das die Bedingungen des CompromiffeS die Stellung der liberalen Partei nicht unwesentlich ver ändern. Im Vertrauen auf den gesicherten inneren Frieden rührte der Minister Gladstone wiederum an die orientalische Frage, indem er in Konstantinopel gegen verschiedene russische Uebergriffe protestirte, wahrscheinlich, um die russische Aufmerksamkeit von Indien abzulenken. Wie russische Regierungsblätter andeuten, steht die Einverleibung des Khanats von Khiwa, welches mit seinem jetzigen Herrscher in Folge großen Steuerdrucks unzufrieden ist, unmittelbar bevor. In denselben Blättern bejubelt man die vor einigen Tagen in Riga stattgefundene Ein weihung der griechisch-katholischen Erlöserkirche als einen Triumph der orthodoxen Religion über das protestantische und deutsche Clement in den Ostseeprovinzen. — Bei der Ueberführung des in dem letzten Nihilistenprocesse zum Tode verurtheilten, aber zu Festungshaft begnadigten Oberst lieutenants Aschenbrenner in die Kasematten von Schlüssel burg, gerieth der Gefangene mit einem auf dem Schiffe anwesenden Militärarzt in Streit und schlug denselben ins Gesicht. Auf die Meldung, welche der Commandant von Schlüsselburg hiervon machte, erfolgte aus Petersburg der Befehl zur Hinrichtung Aschenbrenner's durch Pulver und Blei. Die bei dem Excesse des Moskauer Cadettencorps betheiligten Zöglinge sind zur Einreihung in sibirische Linien- Regimenter verurtheilt und bereits dorthin transportirt worden. Wie man aus der egyp tischen Hauptstadt berichtet, wachsen die Schwierigkeiten des englischen Nilfeldzuges mit jedem Tage und dürften noch mehrere Monate verstreichen, ehe General Wolseley vor Chartum anlangt. Alles hängt davon ab, ob der Nordwind anhält, denn ohne seine Hilfe, heißt es, würde es für die Boote unmöglich sein, den Nil hinaufzufahren. Tagesnachrichlen. Sachsen. Zur diesjährigen Feier des Namenstages Sr. Majestät des Königs mußten des Bußtags wegen musikalische Aufführungen unterbleiben; Mittags aber ge ruhte Se. Majestät im königl. Residenzschlosse die Glück wünsche des königl. Hausministers, der Herren der königl. Hofstaaten und des MinisterialratHS im Ministerium des königl. Hauses, der königl. Leibärzte und des hochw. Bischofs mit der Hofgeistlichkeit entgegenzunehmen. Den Schluß des Tages bildete ein Familiendiner bei <L>r. königl. Hoheit dem Prinzen Georg. Deutsches Reich. Se. Majestät der Kaiser stattete am Freitag Vormittag der Frau Kronprinzessin aus Anlaß des Geburtstages derselben einen längeren Gratulations- Besuch ab. Die Constituirung des Reichstags ist am 22. Novbr. vollzogen worden. Zum Präsidenten wurde mit 261 von 333 Stimmen (darunter 71 weiße Zettel) der conservative Abg. v. Wedell - Piesdorf (Regierungspräsident zu Magde burg und königl. Kammerherr) gewählt, während die Wahl der früheren Vicepräfidenten, der Abgg. Frhr. zu Francken stein iCentrum) und Hoffmann (deutschfreisinnig), per Accla- mation erfolgte. Unter allseitigem Beisall richtete v. Wedell bei Uebernahme des Präsidiums folgende Ansprache an das