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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190203232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020323
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020323
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-03
- Tag 1902-03-23
-
Monat
1902-03
-
Jahr
1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1902
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Mnzekgen« Preis die 6 gespaltene Petitzcile 2L Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familienuach- richte« (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenauuahme 25 H (rxcl. Porto). Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen»Au-gabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit PostbefSrderung .Sl 70.—. Iiunahmeschluß - für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4'Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Staude früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet vöv früh 8 biS Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polzin Leipzig. Nr. M. Sonntag den 23. März 1902. SS. Jahrgang. Abonnement auf das zweite Vierteljahr 1902. Im Interesse rechtzeitiger Lieferung wolle die Be stellung dnrch die Post bereits jetzt veranlaßt werden. Der Preis beträgt wie bisher bei allen Postanstalten 6 DaS Abonnement und die Zahlung des Zeitungsgeldes können auch durch die Briefträger erfolgen. Für Berlin führt unsere KMal.Lxpe-riron in Berlin SW., Königgriitzerstratzc 116, Bestellungen aus. Aus der Woche. Die Tafel der auswärtigen Politik war in der ver gangenen Woche reich besetzt und der größere Theil der Presse bat sich mit Eifer auf die servirten Gerichte geworfen, um sie mittelst des Gewürzes ihrer Commentare dem Publicum mundgerecht zu machen. De» Muth, mit vr. Faust, der doch sogar o. ö. Professor war, gelegentlich einmal zu sagen: „— sehe, daß wir nichts wisse» können", findet heutzutage nicht mehr so leicht ein ZeikungSlatt. Und doch ist es außer den Handelnden vielleicht Niemand genau bekannt, waS der zweite ostasiatische Zweibund zu bedeuten hat und warum Herr Delcasss sich gerade jetzt eine Debatte über auswärtige Politik beim französischen Senate bestellt hatte. DaS für Deutsche Erhebendste, was über die neue russisch-französische Vereinbarung geschrieben worden ist, war die im Tone der Befriedigung vorgebrachte Er innerung eine» Berliner Blattes an da- — selbstlose Wort Caprivi'-, der europäische Zweibund habe erst wieder da- gestörte politische Gleichgewicht unsere- Erd- theil- hergestellt. Zu diesem Zwecke aber hat sich Frankreich nicht um daS Zustandekommen seine- Bündnisse- mit Rußland bemüht und ist dieses auch nicht durch die beste Freundin Deutschlands, die römische Curie, gefördert worden. Der Zweck bleibt für Beide der alte. Deshalb ist es aber doch nichts weiter als einerseits eine plumpe Hetzerei, andererseits ein auch nicht gerade von Raffinement zeugender „Appell an die Furcht in deutschen Herzen", wenn die englische „Morning Post" eS so darstellt, als wäre nach dem neuen asiatischen Zweibunde beab sichtigt, den den Franzosen vorschwebenden Zweck des älteren, europäischen Bundes nun schleunig zu verwirklichen, d. h. die Revanche und die „Wiedergewinnung" von Eisaß-Lothringen, womöglich auch des linken NheinuferS, zu betreiben. Die Kaltblütigkeit des Berliner Regiments verdient nicht viel Vertrauen, aber die Befürchtung, daß es sich durch eine solche Angstmacherei weiter auf die englische Seite drängen lassen könnte, braucht doch nicht gehegt zu werden. Die guten Engländer müssen schon nach anderen Mitteln suchen, um sich ihr ostasiatisches und sonstigeSMißbehagen —eS ist ja fast schon ein universales — durch deutsche Gutmüthigkeit lindern zu lassen. Die Schlüssel von Straßburg und Metz werden von Rußland nicht in Asien gesucht, und wenn daS neue Ab kommen auf eine vollständige und unwiderrufliche Inbesitz nahme der Mandschurei durch die große Ostmacht abzielen sollte, uns brauchte daS nicht zu geniren. Die handels politische „Thüre" würde, vielleicht von Maaren abgesehen, deren Absatz die russische Regierung sich auS rein fiScalischen Gründen vorbehält, „offen" bleiben und die Herrschaft Ruß lands würde unseren Kaufleuten den Wettbewerb der Eng länder, die z. Zt. den Handel in der Mandschurei fast aus schließlich beherrschen, nur erleichtern. „Die Hochschützler scheinen in Amerika die Ober hand zu behalten." Mit diesen rührend naiven Worten quittirt ein freihändlerischeS Blatt über die ihm und seines Gleichen bereitete Enttäuschung unverständiger Hoff nungen, mit denen man sich durch die Reise des Prinzen Heinrich hatte erfüllen lassen. Leute, die ihren Kopf zu Anderem gebrauchen, als darauf zu fallen, haben nichts Anderes erwartet und die letzten wirthschaftlich- politischen Aeußerungen, die — in durchaus unverbindlicher Weise — Mc. Kinley vor seiner Ermordung that, niemals in dem Sinne einer Abkehr der Vereinigten Staaten vom Hochschutz und der Zuwendung zu einer HandelSvertragS- politik, zu der Amerika sich durch kräftige Gegenmaßregelu anderer Staaten nicht gezwungen sieht, gedeutet. Die Enttäuschung nützt natürlich nicht-; übermorgen wird man wieder in deutschen Blättern zu lesen bekommen, der Schutzzoll sei im 19. Jahrhundert al- eine Erfindung der deutschen Regierung in die Welt gekommen und werde im zwanzigsten als ausschließlich deutsches Patent auSgebeutet. Die extremen Agrarier scheinen dieser VerwirrungSarbeit nach wie vor Vorschub leisten zu wollen. Die Bedeutung der Wahlzisfern von Ra st enburg-Gerdauenwird vielleicht überschätzt, jedenfalls müssen sie zu Procentualberechuungen herhalten, die vor den Gesetzen der politischen Arithmetik nicht bestehen können. Immerhin, der Freisinn hat in dem überwiegend ländlichen Wahlkreise um 2000 Stimmen zugenommen, die Agitatoren vom Bunde der Landwirthe dürfen sich somit rühmen, mit ihren herausfordernden Forderungen und Ausschreitungen etwas zu Wege gebracht zu haben, wa- Niemand mehr zu gelingen schien, nämlich den Cadaver Freisinn so weit zu galvanisireo, daß er Lebensäußerungen von sich zu geben wenigsten- scheint. Im klebrigen kann der Wahl in Verdauen weniger Beweiskraft beigemeffen werden, al- linksliberale Blätter ihr zuschreibea. Der Handelsvertrag-Verein hat mit großer Kraft und großen Mitteln gearbeitet, die ländliche Bevölkerung dcö Wahlkreise» ist seit 1898 vielleicht zurückgegangeu, die nichtbäuerliche jeden falls gestiegen. Auch in BreSlau-West hat die Arbeiter bevölkerung in den letzten vier Jahren zugenommen und im Lichte dieser Thatsache könnte der Rückgang der socialdemo kratischen Stimmen, der sich an Stelle de- mit Sicherheit erwarteten Anwachsen- zeigt, al- eine ernste Niederlage der Partei erscheinen. Wahrscheinlich aber hat die Abneigung der allerunentwegtesten Parteidogmatiker, den daS „End ziel" verachtenden Ketzer Bernstein zu wählen, das ungünstige Ergebniß verursacht. Wenn die „Post" die Wahl von Gerdauen als rin äußerst bedenkliches StimmungSsvmptom auömalt, so geschieht dies in der Absicht, die MeyrheitSparteien de- Reichstags zur Annahme der Zollvorlagen der Negierungen anzufeuern, nebenbei vielleicht aber auch, um die Regierungen zu einem kleinen Entgegenkommen zu bewegen. Der Reichskanzler hat ja in der That ein großes Interesse daran, daß ein ihm annehm bares Gesetz zu Stande kommt. Schon der Autorität wegen, denn das Scheitern einer derart vorbereiteten Reform würde dem Ansehen der Spitzen der Regierung nicht nützen, auch wenn ihnen die Halsstarrigkeit deS Parlaments zur Ent schuldigung diente. Ihre Fähigkeit, zu führen, erführe durch einen Fehlschlag eine ungünstige Beleuchtung. Daß eS den monarchischen Regierungen Deutschlands mit vielleicht einer einzigen, im Bunderathe nicht gerade viel bedeutenden Ausnahme mit der Herbeiführung neuer, für die Landwirthschaft und einer beträchtlichen Anzahl von Industriezweigen günstigerer Handelsverträge ernst ist, unterliegt keinem Zweifel. Sie sind aber eben deshalb in schwieriger Lage, weil sie sich von der ReichStagSmehrhrit zu einer ganz bestimmten Erklärung haben drängen lassen und weil diese Mehrheit, die nur zuzugreifen brauchte, um sehr Erkleckliches zu erlangen, noch Erklecklicheres fordert. Eine Mittheilung, die dieser Tage durch die Blätter ging und »ach der die Regierung schon mitten in Verhandlungen mit den jetzigen Vertrags staaten stehe», ja schon handelseinig mit ihnen sein sollte, war eine au- eigenen, durch die ReichStagSferien strotzend gewordenen BcrichterstaUersiagern gesogene Erfindung. Die Versicherung anderer Blätter, Laß sie von zuständiger Seite das Gegentheil „vernommen", aber auch. Die deutsche Negie rung wird sich in diesem Stadium nicht über den diploma tischen Stand der Dinge äußern und die fremden Staats verwaltungen dürften auch au- guten Gründen „dicht ha!':n". Die nationale Unthat de- Herrn Schönerer ist in der reich-deutschen Presse grell beleuchtet, aber doch -.ich» überall so gebrandmarkt worden, wie sie verdient und wie eS der Empfindung des deutschen Volks entspricht. Der Herr mag sich gesagt sein lassen, daß man sein Ver halten hierzulande nicht al- den Ausfluß blinder Leidenschaft ansieht, sonvern als daS Thun eines Mannes, der sich vom niederen Instinkte der Eitelkeit leiten läßt, der, um von sich reden zu machen, selbst davor nicht zurückschreckt, gegen das eigene bedrängte VolkSthum den vergifteten Dolch zu zücken. Herr Schönerer wird im deutschen Reiche lange suchen müssen, bis er Leute findet, die iya ander- und höher be- werlhen. Der Krieg in Südafrika. Khaki. Man schreibt uns aus London, 19. März: Schneller als man cs für möglich halten sollte, hat sich die englische Presse von ihrem Anfall von Edelmuth und Dankbarkeit erholt, und Niemand spricht mehr von der Freigabe gefangener Boerengenerälc. Der Kriegs minister Mr. Brodrick schlug vielmehr in der gestrigen Sitzung Les Unterhauses einen ganz anderen Ton an, als er gefragt wurde, ob das Tragen englischer Uniformen durch die Bocren als ein mit Todesstrafe bedrohtes Ver brechen angesehen werde. Er thetlt die Auffassung des Interpellanten und erklärte, Kitchcner habe schon über mehrere Bocren, die bei ihrer Gefangennahme britische Uniformen trugen, die Todesstrafe verhängt und werde dies in künftigen Fällen jedenfalls wiederholen. Der irische Abgeordnete Mr. Dillon erinnerte daran, das; die Bocren bereits Khaki getragen, ehe dieser Stoff in der britischen Armee cingesührt wurde, aber ohne Erfolg, denn der Kricgsminister hielt ihm entgegen, daß die Bocren auch die besonderen RegimcntSavzctchcn an den höchst wahrscheinlich erbeuteten Uniformen beließen. Diese Mittheilung soll nicht nur zur Rechtfertigung der von der Heeresleitung in Südafrika angewandten Me thoden dienen, sondern auch zur Entschuldigung für Lord Methuen, an dessen Niederlage nun lediglich die von den Bocren getragenen Khakt-Uniformen die Schuld tragen sollen! Ein anderer Umstand, der allerdings, wenn die Vermuthung auf Wahrheit beruhen sollte, die Kriegs leitung schwer belasten würde, wird noch für das Unglück verantwortlich gemacht: Der Truppenkörper des Gene rals Methuen diente vielen unausgebildeten Recruten als „Schule", und außerdem befanden sich in demselben eine große Anzahl Capholländer, deren Tapferkeit und Loyalität stark in Zweifel gezogen wird. Die Soldaten, die zwei Stunden lang in wilder Flucht vor dem Feinde herltefen, gehörten der 86. Schwadron der sogenannten Ueomanry an, einer Truppe, die beinahe den fünffachen Sold bezieht wie ein gewöhnlicher Liniensoldat und die sich bis jetzt fast nur durch — gelinde ausgedrückt — Mangel an Tapferkeit ausgezeichnet hat. Auch die Sol daten, welche drei Mal in die Gefangenschaft der Bocren geriethen und jedes Mal nach Abnahme ihrer Uniformen und Waffen in Freiheit gesetzt wurden, bis Lord Kitchcner sich weigerte, sie wieder zu bewaffnen, gehörten zu dieser „theuren" Truppengattung. Mittlerweile hat der Obcrst- commandtrende in Südafrika wieder einmal die Genug- thuung, einen Erfolg zu meiden, der unter Anderem die Gefangennahme eines Generals einschlteßt. Obwohl man bisher nicht besonders viel von ihm gehört und gelesen, wird General Cherry Emett von der englischen Presse als ein Commandant von Ansehen und Wichtigkeit bezeichnet. Ein weiteres für die Engländer erfreuliches Ereigniß ist der Umstand, daß Neu-Seeland dem Mntcrlandc aber mals 1000 Soldaten zur Verfügung stellt. Nicht, daß von britischer Seite wieder 1000 Soldaten mehr in die Kriegs arena geführt werden, ist das Wesentliche an der Sache, sondern die Thatsache, daß die Colonien trotz der langen Dauer des Krieges und trotz der Mißerfolge der britischen Waffe« nicht müde rverdev, dem Mutterland-, soweit, ihre. Kräfte reichen, Beistand zu leisten. Man muß auch be denken, daß die 1000 jungen Leute nicht nur kriegstllchtig, sondern auch arbeitsfähig (?) sind und deshalb gerade in den Colonien nothwendig gebraucht werden, so daß also das Opfer weit größer ist, als cs auf den ersten Blick scheinen mag. Wie fest übrigens die Negierung und das Volk ent schlossen sind, Len Krieg bis zum Ende auszufechten, zeigt ja auch die gestrige Abstimmung über den Antrag Camp- bell-Banncrmau's, eine parlamentarische Enquete wegen der Armeccontracte zu veranstalten. Obwohl fast alle Mitglieder des Unterhauses der Ucbcrzeugung sind, daß eine solche Untersuchung nützlich und nöthig ist, wurde der Antrag mit einer Mehrheit von 155 Stimmen abgelehnt — nicht um das Kriegsministcrium vor dem Nichtcrspruche des Parlaments zu schützen, sondern um ihm die Hände zur energischen Wetterführung des Krieges frei zu lassen. Deutsches Reich. Berlin, 22. März. (Versammlungsfrei heit und bayerisches Centrum.) Das officielle Organ der bayerischen Centrumspartei fährt fort, gegen die V e r s a m m l u n g s f r c i h e i t An griffe zu richten, die es anläßlich der bekannten Hocns- vrocch-Versammlung begonnen hat. Daß das bayerische Vereinsgesetz Präventiv-Verbvte für Versamm lungen in geschlossenem Raume nicht kennt, räumt das Münchener Blatt ohne Weiteres ein. Aber es entschädigt sich durch die Berufung auf das bayerische Aus führ ungsgesey zur Reichs st rafproceß- ordnung, das in Artikel 102 solche Präventiv-Maß- regeln vorsehe. Worauf cs den Centrumspolittkern bei der Anwendung des Präventiv-Berbvtcs für die HoenS- broech-Bersammlung angekommen wäre, deutet das Cen- trumSblatt in folgender Auslassung an: „Auf dem Ver waltungswege kann man gegen derlei polizeiliche Prävcn- tiv-Verbote ankämpfen, aber im Augenblicke dcr Ver süßung hat diese bindende Kraft." Man sieht hieraus, daß 'es dem Ccntrum lediglich darum zu thun war, die Ver sammlung wegen des Auftretens einer verhaßten Persön lichkeit auf jeden Fall zu verhindern. Daß die Hocns- broech-Bersammlung eine „Gefahr für das StaatSwohl" in sich geschlossen habe, wie das Ccntrumsorgan behauptet, ist natürlich eine recht durchsichtige Finte. Das Centrum verwechselt mit dcr ihm eigenen Unbefangenheit das Staatswohl mit dem Wohle dcr CcntrumSpartci! Je eifriger das Münchener Blatt nach einer Rechtshandhabe gesucht hat, mittels welcher die Hocnsbrocch-Vcrsammlung Hütte verhindert werden können, um so seltsamer nimmt sich sein Bemühen aus, die nunmehr dementirte Meldung, daß dcr Erzbischof von München beim Prinzregenten gegen die Hocnsbrocch-Vcrsammlung vorstellig geworden sei, liberalen Blättern in die Schuhe zu schieben. That- sächlich war es dasselbe Centrumsvrgan, das im Anschluß an die Erwähnung der Audienz des Erzbischofs wörtlich berichtete: „D c r R e g e n t w a r a n f a n g s g c n e i g t, Schritte zur Verhinderung der Vcrsamm- l u n g z u t h u n, und begegnete hierbei bei anderen Mit gliedern des Königshauses, wir nennen Prinzessin Therese, derselben Anschauung über den Charakter der Versammlung. Erwägungen von anderer Seite bewirkten, daß man den Dingen ihren Lauf ließ." Es gehört eine starke Dreistigkeit dazu, die Meldung von dem Versuche des Erzbischofs, den Prinzregenten zur Verhütung der Versammlung zu bewegen, nunmehr als liberale Erfin dung zu bezeichnen. Sie war und bleibt eine ultramou- tane Erfindung, die um so verwerflicher ist, als sie dem Erzbischof sowohl, wie dem Prinzregenten Ansichten und Absichten unterlegt, die ihnen fern lagen. /?. Berlin, 22. März. (Das Ergebnis; der Bres lauer R e i ch S t a g s e r s a tz w a h l.) Daß bei der ReichstagScrsatzwahl in Breslau der socialdemokratische Candidat gewählt werden würde, stand von vornherein außer Zweifel, denn dcr Kreis ist seit dem Jahre 1881, mit Ausnahme der Wahlen von 18!(O, sveialdemvkratisch vertreten und seit dem Jahre 1893 haben die Socialdemo- kralcn stets im ersten Wahlgange gesiegt. Wenn der soctalistische Bewerber diesmal einige hundert Stimmen weniger erhalten hat, als bei den letzten allgemeinen Wahlen, statt daß er in Folge der Bevölkerungszunahmc eine Stimmenzunahme erhalten hätte, so ist dies wohl darauf zurückzuführen, daß Eduard Bern stein trotz seiner Aussöhnung mit der Partei den radikalen Genossen doch eine etwas ver dächtige Persönlichkeit ist. Was die bürgerlichen Parteien anlangt, so ist unsere Voraussage, daß die Conscrvativen sich mit ihrem Bündnisse mit dem Ccntrum völlig unnütz c o m p r o m i t t i r e n würden, in weit höherem Maße eingetroffcn, als man eS hätte für möglich halten sollen. Bei den letzten all gemeinen Wahlen erhielt der Cartellcandidat ca. 4400, dcr Centrumscandidat ca. 2500 Stimmen, während die Frei sinnigen cs auf etwa 5600 Stimmen brachten. Danach hätte man «»nehmen sollen, daß der gemeinsame Candidat der Conscrvativen und des Ccntrums wenigstens an die zweite Stelle kommen würde. Statt dessen steht er mit kaum 4500 Stimmen an dritter Stelle und ist von dem freisinnigen Bewerber um volle 2000 Stimmen überholt worden. Dieses Ergebniß ist wohl in erster Reihe darauf zurückzuführen, daß die Nationallibcralen des Wahl kreises denn doch lieber für einen freisinnigen Candidaten cintrcten wollten, als für einen Bewerber klerikaler Schattirung, was man ihnen gewiß nicht wird verübeln können. Viel interessanter aber ist die Thatsache, daß zweifellos ein guter Theil dcr conscrvativen Wählerschaft einfach zu Hanse geblieben ist. Wir haben von vornherein daraus lsingewiesen, daß gerade in Schlesien und spccicll in BrcSlau die Abneigung der evangelischen Bevölkerung gegen den Klerikalismns noch viel zn stark ist, als das; die Wähler sich einfach für einen Candidaten an die Urne commandiren ließen, dcr den Klerikalen nahe steht. So haben denn die Breslauer Conscrvativen von ihrem LiiLdnisse M dem Eentrvm nichts gehabt, als jene Blamage, die ihnen jeder Kenner der Verhältnisse Vorher sagen mußte. Was die Freisinnigen anlangt, so brauchen sic auf ihre Stimmenzunahme um ca. 1000 auch durchaus nicht zu stolz zu sein, denn diesen Zuwachs haben sie durchaus nicht der eigenen Kraft zu verdanken, sondern wohl wesentlich der Unterstützung der Nationalliberalen. V Berlin, 22. März. (Telegramm.) Zur gestrigen Abendtafel beim Kaiserpaare waren geladen Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein, Prinz Aoalbert, der Reichskanzler Graf v. Bülow und Gemahlin. Nach dcr Abendtafel trafen die Prinzen August Wilhelm und Oscar und später derKronprinz ein. Heute Morgen begab sich das Kaiserpaar nach dem Mausoleum in Charlottenburg; hierauf besuchte der Kaiser mit dem Kronprinzen das Palais Kaiser Wil helms 1., hörte sodann im königlichen Schlosse die Vor träge des Staatssekretärs des Ncichs-Martne-Amts von Tirpitz und des Chefs des Marine-Cabinets Frhrn. v. Scndcn-Bibran, und nahm militärische Meldungen entgegen. — In Gegenwart Les Kronprinzen fand heute Vormittag die feierliche Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf dem Hohen- zollcrnplatz in Nixdorf statt. Ter Minister des Innern Frhr. v. Hammer st ein und die Spitzen dcr Provinzial-, Militär- und städtischen Behörden waren anwesend. Die vom Kaiser Franz-Garbe-Regiment ge stellte Ehrencompagnic mit Fahne und Musik erwies die Honneurs. Schulen und Vereine mit Musik bildeten Spalier. Dcr Kronprinz wurde mit lebhaften Ovationen empfangen. D Berlin, 22. März. (Telegramm.) Der Krcuzcr„Kaiserin Augusta" und die Torpedoboote „8. 91" und „8. 92" treten am 24. März die Heimreise von Hongkong aus an und laufen zunächst Singapore an. D Berlin, 22. März. (Telegramm.) Die Gesetzessammlung veröffentlicht das Gesetz betreffend den Erwerb von Bcrgwerkseigenthum im Oberbergamts bezirk Dortmund durch Len Staat vom 21. März 1902. <A Berlin, 22. März. (Telegramm.) Die „Nat.-Ztg." veröffentlicht den Wortlaut der Rundfrage, welche der preußische H a n d c l s m i n i st e r unlängst über das Cartcllwescn an die Regierungspräsi denten gerichtet hat; in dcr Rundfrage werben die selben beauftragt, ohne Veranstaltung einer förmlichen Enquete, welche die bctheiligtcn Kreise unnöthig beun ruhigen würde, das amtliche, zu ihrer Kcnntniß gebrachte Material nach einem 25 Fragen enthaltenden Fragebogen cinzurcichcn. Der Minister habe hinzugefügt, von Mit- thcilungcn über die Kalt-, Kohlen-, Coaks- und Noheiscn- syndicatc könne vorläufig abgesehen werden. V Berlin, 22. März. (Telegramm.) Dcr Reichskanzler Graf v. Bülow hat heute für die Ostcrtage einen kurzen Urlaub nach Venedig und den vbcritalienischcn Seen «„getreten. 0. l l. Berlin, 22. März. (Privattelegramm.) Dcr Reichskanzler hat den Ehrenvorsitz im deutschen Ccntralcvmitö zur Errichtung von Heil stätten für Lungenkranke übernommen. Das Central- comitö bat seine Thättgkcit erweitert. L. Berlin, 22. März. (P ri v a t t c l e g ram m.) Tic „Nat.-Ztg." schreibt: Die Ausweisung polnischer Studenten von dcr Charlottenburger Hochschule hat den Anlaß zu folgender Interpellation des Abgeord neten v. Jaworski im österreichischen Abgeord nete n h a u s c gegeben: „Laut verbreiteter Zeitungsnachrichten sollen pol nische Studircndc in neuester Zeit aus Untcrrichts- austaltett des preußischen Staates ausgcwicscn worden sein. Durch diese Nachrichten lebhaft beunruhigt, stellen die Unterfertigten an Sc. Erccllcnz den Herrn Minister präsidenten die Anfragen: ,,l) Ob diese Meldungen der Wahrheit entsprechen und ob sich unter den Nelegirtcn auch österreichische Untcrt Hanen befinden? 2) Aus welchen Gründen erfolgte die Ausweisung? 3) Was gedenkt die hohe Negierung zu thun, um im deutschen Reiche die akademische Freizügigkeit öster reichischer Unterthanen polnischer Nationalität zu wahren?" Unterzeichnet ist diese Interpellation von allen Mitgliedern des Polenclubs. Abg. Bretter stellt ferner in einer Interpellation folgende Frage: „Ist dcr Herr Ministerpräsident geneigt, das Ansehen des öster reichischen Staates pflichtgemäß in Schutz zu nehmen und — wenn seine Bemühungen fruchtlos bleiben sollten — zu Repressiv maß regeln gegen die in Oesterreich domictlircnden preu ßischen Unterthanen zu greifen?" Angesichts dieser Interpellationen wiederholen wir, daß nur solche Studenten ausgcwicscn sind, die sich an der großpvlnischen Agitation bcthciligt haben. Wir erwähnten schon, das; über diese Begründung kein Zweifel gelassen ist, so daß der russischen und der öster reichischen Negierung nicht unbekannt bleiben wird, aus welchem Grunde wir auf den Besuch dieser Elemente ver zichten. Die Interessen dcr drei Reiche an der Bekämpfung dcr großpolnischcn Agitation und der auf Wieder vereinigung des Polcnreiches gerichteten Bestrebungen sind aber ganz gleichlaufend. UcbrigcnS befinden sich unter den auögcwicscncn Studenten, so viel wir wissen, nur einige wenige Lestcrreicher. Wenn die zweite Inter pellation von Rcprcssivmaßrcgcln gegen die in Oester reich domicilirewdcn Preußen die Rede ist, so könnte cs sich nach Lage dcr Dinge nur um ein entsprechendes Vor gehen der österreichischen Regierung gegen solche Preußen handeln, die etwa an gegen den Bestand Oesterreichs ge richteten Umtrieben thcilnchmcn. Es würde aber natur gemäß Niemaud cinsallcn, gegen eine Ausweisung solcher Elemente, sofern sic vorhanden wären, etwas einzu wenden. Um aber schließlich der Meinung vorzubcugcn, das; etwa die neuesten Ausweisungen polnischer Studenten nur auf eigenmächtiges Vorgehen und vielleicht auf Miß griffen untergeordneter Organe beruhten, möchten wir betonen, daß sie nach unsere» Informationen tbatsüiblich einer allgemeinen Anordnung dcsReichs kanzlers entsprechen, die in Deutschland durch aus ländische Polen betriebene großpolnische Propaganda auf*
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