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Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Rr. 19 — 92. Iaüraana Wilsdruff-Dresdcn Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Montan, den 23. Januar 1933 Postscheck: Dresden 2640 s Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Apfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Rcichs- pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vorge schriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wllsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bts norm. 10 Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Zationaie Tageszeitung für die Landwirtschaft, LLLS«? Woch-Nbla« ,ur »lsd-usf X. Umg-g-nd kein Anlnru^i Z-n- I O! ; . Betriebsstörungen besteht ic crung er Zei ung o er turzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandtcr Schriftstücke , oura, ,^ernru, uocrmilietien Anzeigen »nein, wir »eine «aranne. ^eoer Aaoatianipruch eruicht, wenn oer betrag nurch erioigt nur, wenn Ruckporto beUiegt. Kluge eingezogcn werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitzen, des Amts- — Ms und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Die Vertagung. . Wer heutzutage den Versuch machen wollte, neben oem Wagen des Geschehens einherznlansen, nm alles veovachten zu können, dürfte vermutlich sehr schnell Atem und Geduld verlieren. Denn cs ist wirklich nicht mehr allzu amüsant, dabei im Kreise herumzulaufen, während me wirklichen, nämlich die wirtschaftlichen Kräfte, auf oenen dieser Wagen des politischen Geschehens herum- mhrt, doch mit immer größerer Stärke vorwärtsdrängen. Und noch ärgerlicher wird für den „die Lage" Beobachten den, wenn der Wagen des politischen Geschehens mit einer Stoßen, dichten Plane überspannt ist, unter der sich, durch »-Vertraulichkeit" oder diesmal überraschend gut gewahrte Diskretion vor den Augen der Beobachter geschützt, die Parteiführer miteinander oder mit der Regierung raufen. Da es im Parlament meist anders kommt als man denkt oder vermutet, so ist der — „unverbindliche" — Pertagungsbeschluß im Ältestenausschuß des Reichstages 'aum als eine wirkliche Überraschung zu bezeichnen; über raschend wäre es höchstens gewesen, wenn man dort nun endlich einmal geradewegs auf die Entscheidung los- gesahren wäre! So aber ist der Wagen pmgebogen und »Wägt . . . einen großen Reif". Die Negierung ließ dazu erklären: „Bitte sehr!" und läßt den Wagen noch- «mls acht Tage hindurch im Kreise herumfahren. Alles »ganz unverbindlich". Es schien einen Augenblick so, als wolle sie sich sozusagen auf den Kutschbock setzen und die Pferde vorwärtspeitschen, ohne Rücksicht auf ein noch so lautes Geschrei der Wageninsassen. Aber es schien eben nur so. Statt dessen ließ die Reichsregierung erklären, sic »könne" sich dem nicht widersetzen, wenn der Reichstag noch die Frist einer Woche dazu benutzen wolle, die Mehr- aeitsverhältnisse im Parlament einwandfrei festzustellen Wenn dies nun aber, oft versucht, wiederum nicht zu er reichen ist? Es scheint, als sei der Reichskanzler durch die Vertreter des Zentrums dazu veranlaßt worden, dem Reichstag oder vielmehr den Parteien zu dem angedeute- W nochmaligen Versuch — dem wievielten? — einc Respektsfrist von acht Tagen zu konzedieren. Und vielleicht darf man daraus schließen, daß das Zentrum es in dic Hand nehmen will, „die Mehrheitsverhältnisse im Parla ment festzustellen". Das wäre auch insofern eine Wieder holung, als der erste Abschnitt der Lösungsversuche nach dvn Papens Rücktritt ja mit einem ähnlichen Auftrag ar den Vorsitzenden der Aentrumspartei, Dr. Kaas, ab geschlossen hat, und zwar mit der Feststellung, daß einc Regierungsfähige und -willige Mehr heit auch im neugewählten Reichstag nich: vorhanden war. Hofft man jetzt in den Tagen bis iUM 27. Januar ein anderes Ergebnis herbeizuführen? Daß der Vorschlag der Nationalsozialisten, diese Ent Widung überhaupt solange zu vertagen, bis außer de: Regierungserklärung auch noch die Haushaltsberatunc dnf die Tagesordnung einer Plenarsitzung gebracht werden könne, von allen anderen Parteien und der Reichs Regierung selbst abgelehnt werden würde, war von vorn herein zu erwarten. Denn es läßt sich ja heute gar nich: Wen, wann und — ob ein behandlungsfähiger Haus haltscntwurf zustande kommen wird. Die Zukunft is hoch völlig ungewiß und man wird erst im Früh Mr sehen und sagen können, wie allgemeinwirt Ichastlich und daher auch finanziell der Hast must. Und was hätte dann, nach mindestens vier Monatiger Tätigkeit, die Neichsregiernng überhaupt noch »Programmatisch zu erklären"? Die Annahme des natio ^sozialistischen Antrages würde also dazu geführt haben A sich derNeichstag auf Monate hinaus von jeder irgend mie gearteten parlamentarischen Einflußnahme aufdasTur und Lassen der gegenwärtigen Neichsregiernng abgeschalte hatte. Diese „Tolerierung" wollte der Reichskanzler sogen ms eine stillschweigende Billigung des Kabinetts unt mner Politik durch den Reichstag betrachtet wissen, offen oar im Sinne des Artikels 54 der Verfassung, wonach de: Reichskanzler und die Reichsminister „zu ihrer Amts Nchrung des Vertrauens des Reichstages bedürfen" Dieser Auslegung ihres Antrages haben aber die Natio ^Sozialisten schärf widersprochen, und wenn man diest Sanze Jach? vom politischen Standpunkt aus be dachtet, so wäre tatsächlich auch eine wirkliche, eine aus «rucNich „formale" Entscheidung in der Schwebe ge oilebcn. Das hat die Neichsregierung übrigens auch selbs: «cipiirt, weil sie erklären ließ, sie halte auch bei einer Ver Wung für längere Zeit eine „unzweideutige Klärung" oer Lage für unbedingt erforderlich. ». Ob und wie diese erfolgt, wird man freilich erst am Ergebnis selbst sehen können, bis also der Wagen des poli- chchen Geschehens den ganzen Kreis wieder herumgefahren v Wird man am 27. Januar wirklich zu dem Entschluß gekommen kein, endlich nach irgendeiner Richtung vor- martszufahren? Seldte vor Sem brande»- burgislücn Stahlhelm. k Frankfurt an der Oder, 22. Januar. Bei der am °nnta- begonnenen Schulungstagung des Stahlhelms, der In der Schwebe. politische Pause. Neue Besprechungen um die Regierungsbildung. Nach dem Beschluß des Ältestenrats des Reichstages ruhten am Sonnabend die Verhandlungen zwischen den einzelnen Parteien vollständig. Es dürften lediglich zwanglose interne Besprechungen innerhalb einzelner Parteien stattgefunden haben, in denen die Lage erörtert wurde. Man rechnet allgemein damit, daß vor Montag oder Dienstag nichts mehr geschieh und daß dann erst von irgendeiner Seite die Initiative zu Verhandlungen ausgenommen wird. Bisher ist jedoch völlig unklar, von wem diese Initiative ausgehen soll. Der Beschluß des Ältestenrats auf kurzfristige Ver tagung des Reichstages ist, wie sich herausstellt, unter dem starken Druck der Wirtschaft erfolgt, die sowohl bei der Negierung wie bei den Parteien ihren Ein fluß dahingehend ausgcübt haben dürfte, doch noch einmal eine Verständigung zu versuchen. Hierbei dürfte darauf hingewiescn worden sein, daß in der nächsten Zeit eine Reihe von Messen beginnen sollen, deren Erfolg durch Wahlkämpfe schwer beeinträchtigt werden würde. Die Regierung hat, wie erklärt wird, die gestrige Ver tagung des Reichstages um eine Woche auf den 31. Janucn „hingenommen", weil man dem Reichstag die Möglichstes zur Klärung der politischen Verhältnisse lassen müsse. Iw übrigen glaubt die Regierung eingreisen zu müssen, wenn der Ältestenrat des Reichstages am 27. Januar nochmals den Versuch einer Vertagung machen sollte. Für den Fall, daß kurz vor dem oder nach dem 31. Jannar feststeht, daß der offene Konflikt zwischen Reichstag und Negierung ausgebrochen ist, rechnet man in der Wilhelmstraße damit, daß der Reichspräsident den Reichstag auflöst. Es wird jetzt erklärt, daß die größere Wahrscheinlichkeit für nochmalige Neuwahlen spricht, ob wohl die Wahl auch nur ein Hinausschieben der dringend notwendigen grundlegenden Klärung der inneren Politik bedeuten würde. Gewerkschaftsführer beim Michspraftdenien. Der Reichspräsident empfing als Vertreter des Bundesvorstandes des Allgemeinen Deutschen Gewerk schaftsbundes und des Allgemeinen Freien Ange- st e l l t e n b u n d e s die Herren Leipart, Graßmann, Eggert und Stähr zur Entgegennahme eines Berichtes über die Notlage in der Arbeiterschaft Deutschlands und gleichzeitig von Vorschlägen auf wirtschaftlichem, handels politischem und sozialem Gebiet. * NSDAP, und Kabinett Schleicher Rcichstagspräsideni Göring in Dresden. In einer Kundgebung der Dresdener NSDAP, spraä Neichstagspräsident Göring. Er charakterisierte v« allem die Stellungnahme der NSDAP, zur Regierunt Schleicher. Göring bezeichnete Brüning als den Kanzls der Irrungen, Papen als den Kanzler der Wirrungei und Schleicher als den Kanzler der Mischungen und Bei Mischungen. Wenn Herr Schleicher mit Torpedos schieße* wolle, möge er begreifen, daß die nationalsozialistisch! Bewegung mit den Panzerplatten der Treue versehen sei Göring verwahrte sich dann gegen den Vorworf, «ist Reichstagspräsident den Parlamentarismus ge rettet zu haben. Allerdings habe er den Kampf für dH Rechte des Volkes gegen die Anmaßung einer Regierunj ausgenommen. Die nationalsozialistische Bewegung sei Deutschlands letztes Aufgebot; wenn dies vernichtet wer den würde, würde der Bolschewismus herrschen. Wem Hitler das große Ziel erstrebe, ein neues Deutschland zi schaffen, könne er nicht bei Papen oder Schleicher als Vize kanzler eintreten. Es gehe um das Letzte; deshalb müsst Hitler an die Front kommen und Schleicher verschwinden auch Prinz Wilhelm v. Preußen beiwohnte, sprach u. a. Bun desführer Seldte. -Er gedachte zunächst des 18. Januar und führte dann aus: Aus der heutigen Not der Deutschen gebe es nur dann eine Rettung, wenn das Volk selbst diese Haltung wolle. Keine echte Führung dürfe den sozialen Zug verkennen, der durch die deutsche Welt unserer Zeit geht. Schuf Bismarck den Staat, so hätten wir die -Nation zu schaffen. Das sei die Aufgabe der Frontgeneration. So wie Brandenburg das Herz Preußens sei, so sei das Frontsoldatentum das Herz des deut schen Volkes, das starke Herz, das die bange Not überdauere, das mit seinem gesunden Blut alle Vergiftungserscheinungen überwinde. Diese Kraft hätten nur die, die von dem Front soldatengeist beseelt seien. Darum sei der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten sein Werk und sein Tun, noch auf lange Zeit hinaus in Deutschland absolut notwendig. Wenn der Reichs kanzler von Schleicher sich zur allgemeinen Arbeitsdienstpflicht als höhster deutscher Volksschule bekenne, so begrüße der Stahl helm das und sage diesem deutschen Mann seinen herzlichen Dank. Das deutsche Soldatentum sei unsterblich, unzerstörbar, wichtigstes und edelstes deutsches Lebensgut. Nie sei es zu töten, immer stehe als höchstes Gut des deutschen Volkes opfer bereit sein Soldatentum, sein Frontgeist, der Stahlhelmgeist. Der Redner schloß mit einem Glückauf für das Entscheidungs jahr 1933. Tschechoslowakei wünM Herabsetzung ihrer Achnldpn. Amerika winkt aber ab. Der tschechoslowakische Gesandte in Washington hat bei dem Staatsdepartement vorgesvrochen, um sich über die Haltung Amerikas hinsichtlich der Ermäßigung der tschechoslowakischen Schulden zu erkundigen. Von seilen des Staatsdepartements wurde später erklärt, man wolle nicht den Anschein erwecken, als ob Amerika den anderen Schnldnermächten dieselbe Behandlung wolle zuteil werden lassen wie England. Kaserinnpmm in Snmn. Ein Toter, vier Schwerverletzte. Nach einer amtlichen Mitteilung unternahmen Mva fünfzig Personen einen Angriff auf die Kaserne des 43. Infanterieregiments in Brünn. Es kgm zu einer Schießerei, bei der fünf Bersonen verletzt wurden, drei davon schwer. Einer der Schwerverletzten starb nach kurzer Zeit Viele Personen wurden verhaftet. — Der Ober leutnant der Reserve, Wladislaw Kobcinek. der in Brünn wegen seines eraltierten Auftretens bekannt ist, kam in der letzten Zeit mit faschistischen Kreisen aus der Umgebung von Bucowic in Berührung, und es gelang ihm, diese dazu zu bewegen, einen Angriff auf die Kaserne in Brünn auszuführen. Ser Anschlag auf den mandschurischen Wniffervräsldenten. Auch General Muto verwundet? Zu dem Gerücht über den Bombenanschlag auf den mandschurischen Ministerpräsidenten in Tschangtschun ver lautet in Schanghai, daß das Attentat bereits am 12. Januar durch ein Mitglied der koreanischen unabhän gigen Partei ausgeführt worden sei. Sowohl der Minister präsident als auch der japanische Botschafter General Muto seien verwundet worden. Die Behörden hätten jedoch den Vorfall bisher geheimgehalten. Einem anderen Bericht zufolge, ist der Gouverneur der Provinz Kirin verhaftet worden, da er im Verdacht stehe, das Attentat angestiftet zu haben. Hoffnungslose Schttchiungsversuche im Mandschureikonftiki. Der Sonderausschuß der Völkerbundversammlung zur Schlichtung des mandschurischen Konflikts, der sog. 19er-Ausschuß, hat, wenn auch nicht formell, das Versöhnungsverfahren zwischen Japan und China als aussichtslos aufgegeben und beschlossen, das Verfahren des Artikels 15 Absatz 4 des Völkerbund- Vertrages vorzubereiten, nach dem der Völkerbund nun mehr unverzüglich zu einer endgültigen Stellungnahme zum Mandschureikonflikt gezwungen ist. Der Ausschuß Hai es abgelehut, zu den amtlichen japanischen Gegenforderungen Stellung zu nehmen, da diese Vorschläge keineswegs die Grundlage für einc Weiterführung der Versöhnungsaktton des Völkerbundes bilden. Der Ausschuß hat sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß das formelle Scheitern des Versöhnungs verfahrens nur von der außerordentlichen Völker bundversammlung festgestellt werden könne. Die fast einheitliche Stimmung im Ausschuß ging dahin, daß für den kaum noch zu vermeidenden Bruch die japa nische Regierung allein verantwortlich zu machen sei. In Tokio erklärte der japanische Kriegsminister: Selbst für den Fall, daß der 19er-Ausschuß oder andere Völker bundinstanzen Entschließungen gegen Japan annehmen würden, bestehe noch keine Notwendigkeit, daß Japan deshalb den Völkerbund verlasse. Die japanische Re gierung könnte dann „andere Maßnahmen" treffen, um dic Entschließungen nicht zu erfüllen.