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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.08.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100819022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-19
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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Äezugs-Preis für Lechzig und Vorort« durch «1er« lräger um» Spediieur« 2m«l ttglich tu« Hau« gebracht: VO monatl., L.7V vierteljLbrt. Bet unter« Filiale» u. An» «ahmeftellrn adgebol«: 7L H monaU., U.2L viertrtiShrl. Durch die Poft: tauerhaid Deultchiand» und der deuttchen Kolonien viertellthrl. !i.86 monatl. I2i« auStchl. Poftbeftellgcld. Hern er tu Belgien, Dänemark, den Donaustaate«, Italien, Lurcmburg, Niederlande, Nor wegen, Lest erreich - Ungarn, Notstand, kchweden, Schwei, u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« BejchPtsstelle de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger Tageblatt erlcheint 2 mal täglich, Sonn. u. Feiriag« nur morgen», ttldonneuiem.Lnnanme : Augustutplatz 8, bei unteren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen. lowie Postämter« uad Briefträgern. iktnzelverkauispret» der Morgen. ,u«g>b« IV der r. den» r «»gab« S -b. stiedaktton und GeschäflSkellrr Johannisgalle «. gernwrecher: I46SL i«6i», 14SS4. Abend-Ausgabe. MpMerTagMM Handelszeitung. Ämtsölatt des Aales und des Aolizeiarrttes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis istr Jnjerat« au« Letoug und Umgedmeg bi, Sgripaltenc bv mia breit» Petit^tl, L H, di« 74 auu drette dtrNan>e»eile l »ou «»wärt» M Nelamea t.20 J»Ierat« »»« vebdrden i« amtlichen Teil bi» 74 ou» breit« Pettr^tl« 40 ch«1chäit«an,eigen mtt P advortchrttten un» tu der A ^ndausgab« im Breite erhöht. Nadali nach iarsi. Beilagegebübr ü P. lautend exkl. Postgebühr. FesterteUt« Anfträa« kännen nicht zurück gezogen werden. Für da« itrtcheinen ,a »«Ülauatrn Tagen und Plt»rn wird kriu« Sarantte übernommen. «neigen-Annahme: Aogustu-platz 8, bei lämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- E,p«dttu>llen de« Ja- und Autlanbet. Haupt »Filiale Berlin: T»rl Duncker. Herwgt. vchk. Hosduch» Handlung, Lützowstiabe IU. iTelepho» VI, Nr. 4uo6). Hauvt-Filtalr Dre-dei« Eeestrage 4,1 (Telephon 4621). Nr. 228. Das geplante SsterreichMe MMausluhrverdot. Die Fleischnot, die sich auch bei uns in Deutschland durch ein immer weiteres Anziehen der Preise in be denklichster Weise bemerkbar macht, wird in Oester- r e i ch-ll ngarn höchstwahrscheinlich zu außerordent- lichen Maßnahmen führen. Wir berichteten schon, daß auf Anregung des Wiener Eemeinderats der öster reichische Handelsminister wegen eines Ausfuhrver bots für Schlachtvieh und Fleisch Verhandlungen ein geleitet hat. Erfreulicherweise kann die österreichisch ungarische Regierung ein Ausfuhrverbot nicht ohne weiteres auf das deutsche Reichsgebiet ausdehnen. Denn im Artikel I des deutsch-österreichischen Handels vertrages heißt es, daß beide Teile sich verpflichten, den Verkehr zwischen ihren Ländern durch keinerlei Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbote zu hemmen. Ausnahmen hiervon dürfen nur stattfinden a) bei Tabak, Salz, Schießpulver und Sprengstoffen; Hs aus Gesundheitsrücksichten; «) in Beziehung aus Kriegsbedürfnisse unter außerordentlichen Umständen. Eine Fleischteuerung fällt nicht unter diese Aus nahmen, und wenn etwa die österreichische Regierung aus der durch die Fleischnot zu befürchtenden Unter ernährung des Volkes Gesundheitsrücksichten kon struieren wollte, so brauchte sich Deutschland auf eine so weitgehende Auslegung der Ausnahmebestimmun gen nicht einzulassen. Die Einfuhr von Vieh und Fleisch aus Oesterreich, die ohnehin schon über Gebühr eingeschränkt ist, entspricht einem dringenden Bedürf nis. Führten wir doch im Jahre 1908 allein für 41 Millionen Mark Rindvieh ein! Bekanntlich ist für die Dauer der Gültigkeit des Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungarn ein Vieh- seuchen-Uebereinkommen abgeschlossen wor den, wonach der Verkehr mit Tieren und tierischen Rohstoffen aus dem Gebiete des einen der vertrag schließenden Teile nach dem Gebiete des andern auf bestimmte Eintrittsstationen beschränkt und einer tier ärztlichen Kontrolle im Eingangsstaate unterworfen werden kann. Noch enger ist die Einfuhr von Schweinen aus OesterreichrUngarn begrenzt. Letzteres hat sich mit einem ziffernmäßig festgelegten Kon tingent zufrieden erklärt, und im Artikel 10 der Kon vention wird bestimmt, daß zur alsbaldigen Abschlach tung in Schlachthäusern, die an der bayrischen und sächsischen Grenze belegen sind, aus Oesterreich- Ungarn zusammen jährlich bis zu 80 000 Stück ge sunde Schweine — 50 000 nach Bayern und 30 000 nach Sachsen — unter gewissen Voraussetzungen Zugelassen werden Den bayrischen Schlachthäusern sind also wöchentlich bis zu 062 Stück, den sächsischen bis zu 577 Stück zuzuführen, jedoch sind diese Wochen kontingente mit der Maßgabe übertragbar, daß inner halb eines Monats in die Schlachthäuser an der bayrischen Grenze nicht mehr als 5625, in diejenigen an der sächsischen Grenze nicht mehr als 3375 Stück eingebrachr werden dürfen. Muss, »en is. gugult isio. 104. Jahrgang. - - - - M "»>!!!" Daß die in Oesterreich herrschende Fleischteuerung auch ohne Ausfuhrverbot sich bei uns fühlbar macht, da die österreichischen Produzenten Vieh und Fleisch vorteilhaft im eigenen Lande absetzen können und sich nicht den Scherereien der Seuchenkonvention auszu setzen brauchen, ist wohl feststehend. Die Maßnahmen, die die Wiener Regierung ergreifen könnte, wären nur in bezug auf die Aufhebung der für den Grenz verkehr gestatteten zollfreien Beförderung ausge schlachteten Fleisches in Mengen bis zu 2 Kilogramm zulässig, doch ist für solche Maßregeln eine sechs monatige Kündigung vorgesehen. Gegenüber Oesterreich-Ungarn sind wir also vor plötzlichen Ausfuhrverboten hinlänglich geschützt, weit weniger ist dies gegenüber anderen Staaten der Fall. So sind die hier in Betracht kommenden Vorschriften des russischen Handelsvertrages weit dehnbarer. Auch in diesem verpflichteten sich beide Teile, den gegenseitigen Verkehr durch keinerlei Ein fuhr- bzw. Ausfuhrverbote zu hemmen. Indes sind Ausnahmen zulässig für solche Erzeugnisse, die den Gegenstand eines Staatsmonopols bilden, sowie für Erzeugnisse, für die aus Rücksicht auf die Gesundheit, auf die Deterinärpolizei und die öffentliche Sicherheit oder aus sonstigen schwerwiegenden Gründen außerordentliche Verbotsmaßregeln er gehen könnten. Es läge gar nicht so fern, daß zu den „sonstigen schwerwiegenden Gründen" auch ungewöhn liche Fleischteuerungen gerechnet werden, doch ilt Rußland für die Fleischoersorgung des Deutschen Reiches nicht so wichtig wie Oesterreich-Ungarn. Leider ist keine Aussicht vorhanden, daß das Thema „Fleischteuerung und Fleischnot" in abseh barer Zeit von der Tagesordnung verschwindet — im Gegenteil, die Kalamität verspricht zum Schaden der großen Masse des Volkes immer schlimmer zu wer den, ohne daß von der Reichsregierung Abhilfe maßregeln zu erwarten wären. polstllche Nachrichten. Orientreisen von Mitgliedern de» Königshauses. Ende September treten nach Len „Dr. Nachr." Prinz und Prinzessin Johann Georg und Prinzessin Mathilde gemeinsam eine Reise an, die sie nach Jerusalem, dem Sinai, nach Damaskus usw. führen wird. Die Rückkehr soll erst kurz vor Weihnachten erfolgen. Ferner gedenkt am 29. Januar nächsten Jahres der König eine Reise nach Aegypten und N ubien anzutreten. Der Reiseweg dürfte von Genua oder Neapel nach Al^andrien und von dort über Port Said durch das Rote Meer genommen werden. Der König gedenkt auf dieser Reise namentlich auch der Jagd obzuliegen. In seinem Gefolge werden sich voraussichtlich der sächsische Gesandte in Wien Graf Re^, die Llügeladjutanten v. Schmalz und v. Kön neritz, sowie der Kgl. Leibarzt Generalarzt a. D. Dr. Selle befinden. Die Reise wird sich voraussicht lich bis in den Monat April ausdehnen, der König würde demnach etwa 21/2 Monate abwesend sein. Infolge dieser längeren Abwesenheit des Königs und der weiten Entfernung ist die Frage zu er örtern, ob auf Grund von 8 9 der Verfassung eine Regierungsvvrwesung einzusetzen wäre. Der genannte Paragraph lautet: „Eine Reglsrungsoer-vesung tritt ein: während der Minderjährigkeit des Königs, oder wenn der selbe an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit verhindert ist und für die Verwaltung des Landes nicht selbst Vorsorge ge troffen hat oder treffen kann. In beiden Fällen wird die Mgierungsverwesung von dem der Thron folge nächsten volljährigen Agnaten geführt. Sie besteht nur auf so lange, als der König an der Aus übung dor Regierung behindert ist, und deren Ein tritt und Schluß wird gesetzlich bekanntgemacht." Sollte sich die Einsetzung einer Regtcrungsoer- wcsung notwendig machen, so würde diese natürlich von dem Prinzen Johann Georg als nächstem voll jährigen Agnaten ausgeübt werden. Abschluß der Metzer Gedenkfeiern. Metz, 19. August. (Tel.) Der gestrige fünfte und letzte Gedenktag galt dem Andenken der wackeren Krieger, die bei Gravelotte — St. Privat für ihr Vaterland ihr Leben ließen. Die Feier begann um 9 Uhr vormittags am Jägerdenkmal in der Schlucht von Gravelotte. Daran schloß sich eine Ge denkfeier in der Gedenkhalle zu Gravelotte, wo Graf Haeleler der Korpsführer und einzelner hervor ragender Persönlichkeiten besonders gedachte. Es folgten mehrere weniger lange Feiern am König- Wilhelm-Stein bei Mogador, am Denkmal der 18. Division bei Verneoille, des Alexanderregiments bei Amanweiler, des Eardekorps bei St. Privat, des 1. Garderegiments, am Sachsendenkmal bei St. Privat. Nach achtstündiger Wanderung war die gestrige Feier aus den Schlachtfeldern zu Ende. An den einzelnen Denkmälern wurden orien tierende Vorträge über den Verlauf der Schlachten, u. a. auch vom Grafen Haeseler, gehalten. Als am Schluß der Feier der Vorsitzende der Vereinigung zur Schmückung und Erhaltung der Kriegergräber und Denkmäler, C 0 mbre, den Wunsch ausdrückte, Graf Haeseler möge in zehn Jahren auch wieder so frisch und gesund wie heute der Feier vorstehen, erwiderte der 75jährige Generalfeldmarschall vergnügt: Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Ihnen Lebewohl zu sagen bis auf das Wiedersehen in zehn Jahren. Aoends 8^ Uhr formierten sich aus Theaterplatz 23 patriotisch« Vereine au» Metz und Umgegend mit Fahnen und Lampions zu derSchtußfeier und zogen mit sämtlichen Musik korps der Garnison an der «spitze vor das Kaiser- Wilhelm-Denk^al, wo in Anwesenheit einer ungeheuren Menschenmenge ein Militärkonzert mit anschließendem Zapfenstreich einen würdigen Abschluß der glänzend verlaufenen Eedcnkseierlich- keiten bildete. Besuch des italienischen Ministers des Auswärtigen in Ischl. Wien, 19. August. (Tel.) Das Wiener „Frem denblatt" veröffentlicht folgendes Eommuniauü: In Gemäßheit mit der seit Jahren bestehenden Gewohn heit, daß jeder neuernannte Minister des Aeußern einer der drei verbündeten Staaten sich den Sou veränen der beiden anderen Staaten vorstellt, wird Giuliano am 2. September sich nach Ischl begeben, wo er vom Kaiser in Audienz empfangen wird. Vor der Audienz wird Giuliano am 30. August in Salzburg eine Begegnung mit dem Grafen Aehrenthal haben. Frankreichs Pläne auf asiatischem Gebiet. Paris, 19. August. (Tel.) Der „Matin" inter viewte gestern den Kriegsminister über die Avia tik. Dieser bestätigte die kürzlich von dem Bericht erstatter für das Kriegsbudget gemachten Mit teilungen und führte aus: Alle unsere Bestrebungen bezüglich der Aviatik werden dahin zielen, die Apparate zu vervollkommnen, besonders für den militärischen Gebrauch, und die Zahl der Apparate sowie die Zahl der asiatischen Offiziere zu vermehren, soweit es die zur Ver fügung stehenden Mittel erlauben. Uebereinkommen zwischen der Türkei und Bulgarien. Sofia, 19. August. (Tel.) Zwischen der türkischen und der bulgarischen Regierung ist ein Ueberein kommen über die Regelungder Flüchtlings frage zustande gekommen. Die Pforte garantiert anstandslos die Rückkehr der Flüchtlinge nach Maze donien und bietet Maßnahmen zur Verhütung weiterer Mißhandlungen. Wie in amtlichen Kreisen verlautet, soll England die Vermitt lerrolle übernommen und eine Einigung zustande gebracht haben. — Gestern fand ein von mazedoni schen Emigranten einberufencs Protest Meeting gegen die Mißhandlung von Bulgaren in Mazedonien statt. Die Redner verlangten den Krieg gegen die Türkei. — Dieses Verlangen ist nun infolge des Ab kommens gegenstandlos geworden. Christen und Mohammedaner in Kreta. Kanea, 19. August. (Reutermeldung.) Die zwischen den Christen und Muselmanen herrschende feindselige Gesinnung nimmt zu. Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen kommender Verwickelungen. Die Muselmanen verübten mehrfach Gewalttätigkeiten. In Rethym 0 und Sud 0 zün deten sie das Eigentum der Christen an. wobei einer der Besitzer bei lebendigem Leibe ver brannte. Aus Rache hierfür verübten die Christen mehrere Moroanschläge gegen die Muselmanen. Zur Festnahme ües Kaudmörüers Karl Rappins. Die Kgl. Staatsanwaltschaft Leipzig «rsucht un» um Bekanntgabe des Folgenden: Die Staatsanwaltschaft legt Wert darauf, daß bekanntgegeben wird, daß die in unserer gestrigen Abendausgabe enthaltene amtliche Kundgebung über das Anhalten des Karl Koppius am 11. Fe bruar 1909 am Alten Rathaus in Leipzig nichtv 0 n ihr ausgeht. — Im Anschluß hieran dürfen wir Mitteilen, daß unsere gestrige Nachricht eine polizeiliche gewesen ist und den Zweck verfolgte, eine für das Ansehen der Leipziger Krimi nalbeamten bedeutsame Tatsache nicht so ganz unbe kannt bleiben zu lassen. * Vom Polizeiamt erhalten wir hierzu noch folgende Mitteilungen: Ein hiesiges Morgcnblatt gibt in seiner heutigen Nummer den gestrigen Bericht oer „Leipziger Zeitung" und des „Leipziger Tageblattes" über die am 11. Februar 1909 erfolgte erste Ergreifung des Raubmörders Karl Koppius durch den Leipziger Kriminalbeamten Reinhold Hofmann mit der Abänderung wieder, daß der mitwirkende auswärtige Oberbeamte (es ist unseres Wissens nach der Berliner Kriminalkommissar Vonberg. Die Red.) dem Kriminalschutzmann Hofmann den Befehl „Dringen Sie den Mann weg!", also den Befehl zur Abführung des Koppius gegeben S) «MH. Roman von H. Courths-Mahler. Der große Salon im ersten Stock der Villa war als Musikzimmer eingerichtet. Ein wundervoller Flügel stand darinnen und auf einem Ständer da neben lagen einzelne Notenblätter, die Frau Erna eben dem Schranke entnommen hatte. „Du hast eine enorme Auswahl, liebes Kind, und sogar sehr schwierige Sachen darunter. Leider liegt mir alles zu tief. Ich habe einige von meinen Noten mitgedracht. Schade, daß ich mich selbst begleiten muß; ich bin in dieser Beziehung sehr verwöhnt durch einen jungen Musiker, der in Konzerten immer die Begleitung übernahm, wenn ich sang. Er verstand es meisterhaft, sich mir anzupassen." „Vielleicht versuchst du es einmal mit mir, Mama. Ich will mir Mühe geben." „Sieh dir mal meine Noten an; kannst du diese Lieder vom Blatt begleiten?" Ruth blätterte die Hefte durch, die ihr Erna reichte. Ein leises Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich denke, es wird gehen , sagte sie ruhig. Sie setzte sich an den Flügel, nachdem sie ihrem Vater zärtlich zugenickt hatte. Die Majorin saß er wartungsvoll neben Waldeck. Bei Ernas Frage, ob Ruth die Lieder begleiten könne, hatte sie mit diesem einen amüsierten Blick getauscht. Die beiden wußten, daß das junge Mädchen eine exzellente Klavier spielerin war, die die schwierigsten Aufgaben be wältigte. Erna trat neben Ruth und diese begann zu präludieren. Die junge Frau setzte mit lauter, kräftiger Stimme ein. Sie sang in der Mittellage voll und rein, die tiefen Töne klangen jedoch unklar und verschleiert und in der Höhe verletzte ein fein empfindendes Ohr ein scharfer, harter Klang. Es war ein seelenvoller Bravourgesang, dem der feine Schmelz tiefer Inner lichkeit versagt war und der nicht in die Herzen der Zuhörer dringt. Ruth begleitete tadellos. Die Töne, die unter ihren Händen bervorquollen, schmiegten sich ver schönernd dem Gesänge an und milderten manche Harte. Frau Erna erntete mit gnädigem Lächeln den Beifall der beiden Zuhörer und sagte anerkennend zu Ruth: „Du begleitest ganz famos, da werde ich ost um deine Hilfe bitten, wenn ich neue Lieder einstudiere." »Ich stehe dir gern zur Verfügung, wenn ich Leinen Ansprüchen genüge." „Vollkommen, man merkt, daß du selber singst, aus der Art, wie du begleitest. Aber nun laß dich selbst hören, kleine Ruth, ich bin wirklich gespannt auf deine Leistung." Sie ließ sich neben ihrem Gatten in einen Sessel gleiten, und während er ihr die Hand küßte, sagte sie leise: „Wir wollen eine sehr günstige Kritik üben, da mit Las gute Kind nicht entmutigt wird." Waldeck sah sie zärtlich an. ^,Du bist ein Engel, mein süßes Weib", flüsterte er. Du richtete sich Erna plötzlich kerzengerade empor und starrte betroffen zu Ruth hinüber. Voll und wejch, wie tiefer, klarer Elockenton er scholl die süße, seelenvolle Altstimme des jungen Mädchens und füllte den Raum mit wunderbarem Wohlklang. Da gab es keine Härten und Schwächen. In gleichmäßiger Schönheit reihte sich Ton an Ton und wob Zauderfäden um die Zuhörer. Die Augen der Majorin glänzten in Tränen und auch Waldeck sah wie durch einen feuchten Schleier auf sein Kind. Er war tief ergriffen und es schien ihm, als habe Ruth noch nie so schön gesungen, als habe der Ausdruck, den sie ihren Liedern gab, an Tiefe gewonnen. Am fassungslosesten war jedoch Erna. Sie hatte erwartet, ein niedliches kleines Stimmchen zu hören, und war großmütig bereit ge wesen, es über Gebühr zu loben. Was sie jedoch hier zu hören bekam, war von einer Vollendung und Meisterschaft, daß ihr Herz von Neid und Mißgunst erfüllt wurde. Sie war klug genug, zu erkennen, daß Ruth eine größere Künstlerin war, als sie je gewesen. Mit dieser Stimme und diesem Können würde sich eine Frau wie sie die Welt erobert haben. Und hier ver barg man «in solches Talent im engen Kreis der Häuslichkeit. Wie ganz anders hätte sich ihre Zu kunft gestalten lassen m,t diesen Stimmitteln. Hier siel diese Gabe als überflüssig einem Goldfisch in den Schoß, der sie neidisch, gleich seinen Schätzen verbarg vor der Oeffentlichkett. Bitterer Neid erfüllte ihr Herz. Daß sie die Garttn eines Millionärs geworden und aus Armut und Dürftigkeit zu einer so glänzenden Höhe ge stiegen war, erschien ihr plötzlich als wertlos, der Künstlerneid wucherte in ihr empor und machte ihr die Stieftochter verhaßt. Ein böser, tückischer Blick schoß aus den schönen Augen hervor und ließ sie in bösem Licht ausleuchten. Die Majorin fing diesen Blick auf und erschrak. Sie hatte in die kleinliche Seele der Konsulin ge sehen. Als Ruth geendet hatte, sprang Waldeck auf und schloß seine Tochter in die Arm,e. „Herzlichen Dank, mein Kind, wunderschön hast du gesungen. Ich bin stolz auf dich." Er wandte sich mit strahlender Miene zu Erna um. „Was sagst du zu Ruths Gesang, Liebe, findest du ihn nicht auch entzückend?" Da ,ah er betreten das böse Funkeln in den Augen seiner Frau. Das Lächeln, welches sie dann in rh. Gesicht zwang, nahm dem rosigen Gesicht alle Schönheit und verwandelte es zum Erschrecken. Waldeck sah sie mit großen, entsetzten Augen an. Ihm war. als habe er in einen Abgründ geblickt, der sonst mit Blumen bedeckt war. Erna nahm sich zusammen. „Verzeih mir, ich bekam eben meinen dummen nervösen Kopfschmerz. Sehr hübsch hat Ruth ge sungen, aber ich muß mich jetzt zurückziehen, ich brauche Ruhe." Und ohne noch jemand Rede zu stehen, verließ sie den Salon Tie drei sahen eine Weile stumm und verlegen vor sich hin, ehe die Majorin ein mühsam sich hin- jchlexvcndes Gespräch in Gang brachte. Sie hatte gleich Ruth die kleine Szene bemerkt und richtig gedeutet. Waldeck aber grübelte vor sich hin. Einen Augenblick war dem blindverliebten Manne die Binde von den Augen genommen worden, und wenn er sie auch, sich selbst betrügend, in jäher Hast wieder schloß und zu vergessen suchte, was er gesehen, jo blieb doch immerhin eine tiefe seelische Verstimmung zurück, die seinem Wesen die strahlende Glückseligkeit nahm. Ruth kannte ihren Vater zu genau, um dies nicht zu bemerken. Heiß stieg die Angst um sein Glück in ihr empor. Sie beugte sich zärtlich über ihn. „Mach dir keine Sorgen um Mamas Kopfweh, Papa. Das geht vorüber. Ich kann auch zuweilen keinen Gesang anhören, ohne nervös und gereizt zu werden. Das liegt in der Stimmung." Er streichelte ihre Hände und sah mit frohem Auf atmen in ihr liebes Gesicht. So mußte es sein. Erna war nervös und er hatte in törichtem Wahn etwas gesehen, was gar nicht vor handen war. Er empfand Reue, Erna Unrecht getan zu haben, und erhob sich. „Ich will doch nach ihr sehen, Kind." Und er ging hinaus. Ruth sah ihm mit traurigem Lächeln nach und blickte dann still zu Frau von Erotthus hinüber. Die nickte ihr zu. „Brav, Kindchen. Denk immer daran, was ich dir sagte: Das Glück ist eine Illusion. So lange du diese deinem Vater erhalten kannst, so lange wird er glücklich sein." Waldeck aber lag seiner Frau zu Füßen und hielt sie zärtlich umschlungen. Er schalt aus das böse Kops weh und gab ihr die zärtlichsten Kosenamen. Sie ließ alle über sich ergehen und bezwang ihren Grimm klugerweise. Sie wußte was in ihrer Macht lag, auf zubieten, und da es ihr wichtig war. Waldeck zu be herrschen, suchte sie den schlimmen Eindruck zu ver wischen. — Und es gelang ihr vollständig. (Fortsetzung folgt.) Erlebnisse einer palsteiallistentin. Stuttgart, 19. August. (Priv.-Tel.) Der Ge- meinderat verhandelte gestern in nichtöffent licher Sitzung über die Angriffe, die die frühere P 0 l i z e i a s s i st e n t i n der städtischen Polizei, Henriette Arendt, in ihrem kürzlich erschienenen Buche: „Erlebnisse einer Polizeiassistcn- tin anläßlich ihrer Entlassung aus städtischen Diensten" gegen verschiedene Mitglieder der städti schen Verwaltung gerichtet hat. Die Oeffentlichkett war ausgeschlossen mit der Be gründung, daß eine Gefährdung der Sittlichkeit vor liege. Aus der Darstellung geht hervor, daß die Ein leitung des Disziplinarverfahrens gegen die Polizei assistentin Arendt wichtiges Belastungs material gezeitigt habe Die Entlassung wurde vom Gemeindcrat einstimmig ge nehmigt, wie auch alle Beschlüsse, die in der An gelegenheit vom Gemrinderat gesagt worden sind. * Im Herbst 1907 erschien ein Buch „Menschen, die den Pfad verloren". Man nahm es der Verfasserin, Schwester Henriette Aren dt, übel, daß sie damit den Titel eines bekannten und wert-
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