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62. Jahrgang. Donnerstag, dm 10. Dezember 1896. Nr. 142. Verantwortlicher Redacteur: Paul Ichne in Dippoldiswalde. Mit achtsettigem »Hllustrirteir UuterhaltungSblatt". Mit land, und hauSwirthschaftlicher Msxal-beilage. Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend Amtsklatt für die Königliche Umtsljauptmannschnst, das Königliche Amtsgericht Md dm Kladtrath zu Dippoldiswalde. Inserat«, welche bet der bedeutenden Xuflage d«S Blattes eine sehr wirk same Lerbreitunä finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenz eile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen- dem Aufschlag.— Eirme- sandt, im redaktionellen Theile) die Spaltenzeile SVPfg. Di« , Weißeri-.Zeitung", erscheint wöchentlich drei, mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2S Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., eimnonatlw) 42 Nm. lÄnzelne Nummern 1V Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. -Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Weihnachten füllt in diesem Jahre auf den Freitag, so daß also Donnerstag „Heiligabend" und Freitag und Sonnabend Weih- nachtsfesltage sind und der folgende Tag ist ein Sonn tag. Am 3l. Dezember haben wir Donnerstag, der NeujahrSlag ist somit der Freitag und mit dem folgen den Sonntag finden die Festtage ihren Abschluß. Wir haben in zwei Wochen demnach fünf Feiertage. — Die Hausirer, die in Mügeln als „Tuch- uepper" ihr Unwesen getrieben und Vertrauens seligen für gutes Geld werthlose Maaren aufgeschwin delt haben, haben auch in unserer Stadt ihr un sauberes Handwerk getrieben. Es ist nicht unmöglich, daß sie auch noch die Umgegend beglücken und sei daher ausdrücklich vor ihnen gewarnt. — Auch ein Kolporteur hat unter Berufung auf einen der hiesigen Herren Geistlichen an verschiedenen Stellen An zahlungen aus ein Buch sich zu verschaffen gewußt und haben Anfragen in Berlin die Unrichtigkeit seiner gemachten Angaben ergeben. Der letztere soll übrigens in Dresden zur Haft gekommen sein. Poffendorf. Der hiestgeMännergesangverein feiert Freitag den ll. d. M. sein diesjähriges Stif tungsfest mit gesanglichen Vorträgen und Festball im Schumann'schen Gasthofe. — Unser segensreich wirken der Frauenoerein gedenkt auch am kommenden Weih nachtsfeste einer Anzahl Bedürftigen und Armen des Ortes eine Weinachtsfreude zu bereiten. Dresden. Großherzogin Alice von Toskana, die Mutter der Prinzessin Friedrich August, ist am Montag Vormittag in Dresden angekommen und auf dem Hauptbahnhof vom Prinzen Friedrich August und den beiden kleinen Prinzen empfangen worden. — Prinzessin Luise, Gemahlin Sr. Königlich-n Hoheit des Prinzen Friedrich August, Herzogs zu Sachsen, ist am 9. Dezember, früh 2 Uhr 25 Minuten, von einem Prinzen glücklich entbunden worden. — In der Oppellstraße 24 wurde am 8. Dezember früh durch die WohlsahrtSpolizei die im Hinterhause wohnende 40jährige Wittwe Bergmann mit ihren drei Kindern im Alter von 4, 6 und 11 Jahren todt auf gefunden. Die Frau hatte in der Aufregung darüber, daß ihr Mann in der Diakonissen - Anstalt gestorben ist, ihre Kinder und sich dann selbst vergiftet. — Nicht ein Schwinden, sondern eine Zunahme der kleinen und mittleren Fabrikbetriebe ist in unserem Lande mit seinen zahlreichen Großbetrieben zu be obachten. Nach einer von der Dresdener Handels kammer soeben veröffentlichten Statistik betrug 1891 in ihrem Bezirk die durchschnittliche Arbeiterzahl der Fabrikanlagen 23 Köpfe, ist aber seitdem in stetiger Abnahme bis auf 21s zurückgegangen. Die Zu nahme der mittleren und kleineren Betriebe ist dem nach größer gewesen als die Vermehrung der Groß- betHebe. -p Der berühmte Statistiker Geh. Ober-Neg.-Rath Engel in Oberlüßnitz, von dem kürzlich die Z-itungen meldeten, daß eine Besserung in seinem Befinden ein getreten sei, ist Dienstag früh seiner im Januar 1890 verstorbenen Gattin im Tode nachgefolgt. Er wurde 1821 in Dresden geboren, war 1860 bis 1882 Direktor des statistischen Bureaus, woselbst er auch erfolgreich das von ihm begründete „Statistische Seminar" leitete. -Mit Engel's Eintritt in das statistische Bureau in Berlin begann für dasselbe eine neue glänzende Periode. Freiberg. Die alte Esche aus der Wallstraße, welche wiederholt der Gegenstand der Besprechung in den Sitzungen der städtischen Kollegien gewesen ist und für deren Erhaltung jederzeit Bürger unsrer Stadt eingetreten sind, ist endlich gefallen. Dieselbe .niederzulegen, war eine schwere Ausgabe, die Herr Baumeister May in glänzender Weise gelöst hat, indem weder den dort stehenden Häusern, noch den Bäumen und dem Strauchwerke der Promenaden der geringste Schaden zugefügt worden ist. Mit dem Baume selbst ist abermals ein Gegenstand der Erinnerung an das alte Freiberg gefallen. Der mächtige Stamm des nur mit seinen beiden starken Aesten über die Erde ragenden Baumes war verschüttet und befindet sich ungefähr 4V- m tief in der Erde. Der Baum selbst hatte seinen Stand unmittelbar außerhalb der Stadt mauer in dem sogenannten Zwinger. Als er sich noch in seiner ganzen Größe zeig'e, waren längs der Wall straße noch Reste der alten Stadtmauer mit mehreren Thürmen vorhanden. Die Mauer war so hoch, daß sie bis an die Dächer der dort stehenden Häuser reichte. Die Straße war sehr eng und für gröberes Fuhrwerk sehr schwer zugänglich. Ausweichen konnten sich die Geschirre auf dieser Straße nicht, weshalb immer am oberen oder Unteren Ende gewartet werden mußte; wenn zwei Geschirre gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung die Straße befahren wollten. Unterhalb der jetzigen Bastei stand der alte Röhrstuhl, mehrere kleine Häuser, in welchen die Röhrarbeiter Holzröhren für die Wasserleitung bohrten. Am Ausgange dec Nonnen gasse befand sich etn mächtiger Thurm, in welchem Getreide lagerte. Unweit desselben stand daS Accisen- hauS, welches Ende der fünfziger Jahre gefallen ist. Außerhalb der hohen Mauer kam zunächst der Zwinger in Breite von 7—8 w, in dem sich Privalgärten und Strauchpartten befanden. Auch hatten hier verfchtedne Seiler ihre Spinnbahnen angelegt. Nach de« Teichen zu wurde dieser Zwinger durch eine zweite Mauer von dem eigentlichen tiefen Stadtgraben abgegrenzt. Durch eine dritte niedrige Mauer, in Brusthöhe, war der tiefe Graben nach außen hin, den Teichen zu, abge schlossen, an deren Außenseite rings um die Stadt ein gepflasteter Weg sührte. So mag dieser gefallene Baum bei manchem alten Freiberger Erinnerungen an jene längst vergangenen Zeiten wach gerufen haben. (Fortsetzung des Sächsischen in der 2. Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Fürst Bismarck hat das Ehren präsidium des Komitees für die Nationalfeier des 22. März 1897, des 100jährigen Geburtstages Kaiser Wilhelm I. übernommen. — Die militärische Laufbahn des Obersten Liebert, des neuen Gouverneurs von Ostascika, hat sich wie folgt gestaltet: Am 6. August 1866 Sekondelieutenant geworden, kehrte Liebert aus dem Feldzuge 1870/71 mit dem Eisernen Kreuz 2. Klaffe heim. Am 13. Juli 1872 avancirte er zum Premierlieutenant und am 17. September 1878 zum Hauptmann. Am 20. Februar 1886 wurde er Major und am 16. Mai 1891 Oberst lieutenant. In dieser Charge stand «r einige Zeit im Dienste der Kolonialoerwaltung und unternahm seine mehrfach erwähnte längere Informationsreise nach Deutsch Ostafrika, aus Grund deren er sich im Reichs tage sehr warm über die aussichtsvolle wirlhschast- liche Entwickelung Ostafrtkas aussprach. Sodann war er mehrere Jahre hindurch Ches des Stabs des X. Armeekorps. Am 14. Mai 1894 zum Oberst be fördert, erhielt er das Kommando über das in Frank furt a. O. stehende Grenadier-Regiment Prinz Karl von Preußen (2. Brandenburgisches) Nr. 12 — Der neue Gouverneur wird sich dem Vernehmen nach noch in diesem Monate auf seinen Posten in Dar-eS-Salam begeben. Seine Familie nimmt er zunächst noch nicht mit. — Nach der Veröffentlichung über die Kriminal statistik des Jahres 1895 ist die Zahl der Ver brechen und Vergehen um etwa 8000 gegen das varangegangene Jahr gestiegen, was eine Zunahme von etwa 2 Proz. bedeutet, wahrend die Bevölkerung nur um 1 Proz. durchschnittlich alljährlich zunimmt. Diese Steigerung der Strafthaten insgesammt ist je doch nicht so bedenklich, wie die Steigerung speziell der Stras.haten gegen die Person und unter diesen wieder des Vergehens der gefährlichen Körperverletzung. Im Jahre 1895 wurden 80000 Personen wegen diese« Delikts bestraft, gegen 62000 im Jahre 1891. Während die Vevölkerungszunahme in diesen vier Jahren nur 4 Prozent beträgt, hat also die Zunahme des Vergehens der Körperverletzung mehr als 20 Proz. betragen. Man muß daraus den Schluß ziehen, daß der Respekt vor der Person des Nebenmenschen ständig im Sinken begriffen ist. Um diesem bedenklichen Um stande wirksam entgegenzutreteu, sind zwei Mittel an gängig: einmal Verschärfungen des Strafvollzuges bei besonders Drohen Strafthaten oder bei einem Rückfälle des Thäters. Zweitens aber energische Anwendung des Strafgesetzes durch das erkennende Gericht. Der Gerichtshof hat im Falle des Vergehens gegen den Paragraph 323a einen Spielraum zwischen 2 Monaten und 5 Jahren Gefängniß. Die Strafen sollten mach höher bemessen werden und zugleich sollte für möglichste Publizität der strengen Urtyeile gesorgt werden. Oesterreich. In der Nacht zum 6. Dezember er- solgte in Brüx im Einbruchsgebiete der Katastrophe vom September dieses Jahres eine neuerliche Erv- senkung, welche bis 3 Uhr Morgens dauerte und an mehreren Häusern Riffe und andere Merkmale zürück- ließ. Die Erdsenkungen dürsten mit Bohrlocharbeiten zusammenhäng-m. Im Anna Hilfs-Schachte haben keinerlei Veränderungen stattgefunden. Der Betrieb der Aussig-Teplitzer Bahn hat keine Störung erfahren. ^ Budapest, 7. Dezember. Die Polizei verhaftete hieb eine aus 5 Personen bestehende Bande, welche seit Jahren falsche Silbergulden fabrizirte, von denen viele Tau end in Verkehr gebracht sind. Italien. Die Niedermetzelung der italienischen Forschungsexpedition unter Konsul Cecchi durch räube rische Somalistämme an der Ostküste Afrikas hat die italienische Regierung nun doch veranlaßt, eine mili tärische Expedition nach dem Schauplatze des Ueber- salles zu veranstalten. Der Kreuzer „Volta" ist am Sonntag mit 5 Mitrailleusen und anderem Kriegs material an Bord von Neapel nach Mogadischu ab gegangen. Der „Volta" wird Massauah anlausen und dort die 200 Askaris, welche nach Mogadischuh bestimmt sind, an Bord nehmen. Von einem förm lichen Rachekriege der Italiener gegen die feindlichen Somalis kann aber natürlich keine Rede sein, eS kann sich höchstens darum handeln, den betreffenden Somali stämmen einen Denkzettel für den Uebersall der Ex pedition Cecchi zu verabreichen. Frankreich. Wie in Parlamentskreisen verlautet, wird der Deputirte Lockroy ein Staatsmonopol für Petroleumrassineriebeantragen, dessen Erträgnisse die vorg schlagenen außerordentlichen Macinekcedite decken sollen. — Wenn man vor zehn Jahren — so erzählt Cornely im „Matin" — bei der Prüfung die Frage stellte: „Welches ist der erste und wichtigste Hafen der Welt vom Handelsstandpunkte aus?", so halte der Kandidat zu antworten: „Liverpool". Heute aber lautet seine Antwort: „Hamburg". Und dabei hätte doch eigentlich der Meinung CornelyS nach Frank reich den Wellhafen besitzen müssen; denn Frankreich sei ein gotlgesegnetcsLand, das durch seine geographische Lage dazu geschaffen wäre, die Niederlagestelle der Reichthümer dieser Welt zu sein. Statt dessen aber fahren die Schiffe, statt an der französischen Küste zu landen, durch den Aermelkanal und trotzen den Stürmen der Nordsee. Die Ursache dieser Erscheinung sieht Cornely in der Selbstsucht derjenigen, welche die Macht jeweilig in der Hand hätten; sie dächten nur an die lokalen Bedürfnisse ihrer Wähler. Statt einen Hafen ersten Ranges zu schaffen, habe Frankreich seine Hilfs quellen aus eine ganze Menge von Häfen vertheilt.