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Schönburger Tageblatt Uttd Mialen: in Altstadtwatdenburg bei Herr: U«d WMenburger Anzeiger Mittwoch, deu 9. December 189V Kaiser zu verletzen. Unter besonderen Umständen ist kurzer Zeit erscheint der Gerichtshof wieder und richtet an den herbeigerufcnen Zeugen v. Tausch nochmals die Frage, ob er bei seinen Aussagen bleibe. Als dieser in bejahendem Sinne antwortet, verkündet der Präsident: Das Gericht beschließt, den Zeugen v. Tausch wegen oringenden Verdachts des wissentlichen Meineides zu verhaften. (Große Sensation.) v. Tausch ist zur ge richtlichen Haft abzuführen. Es steht Ihnen (zu v. Tausch) gegen diesen Beschluß Beschwerde beim könig lichen Amtsgericht offen, v. Tausch hebt noch einmal die Hand hoch und betheuert: Was ich gesagt habe, ist wahr. Daraus wird er abgeführt. Es wurden darauf noch einige Zeugen, unter ihnen ein Mitarbeiter des „Berl. Tagebl.", Stärk mit Namen, vernommen. Stärk, ein Oesterreicher, ist einmal von Tausch über seine Per sonalien vernommen und ist dabei nach dem Verfasser des Flügeladjutanten-Artikels in der „Köln. Ztg." ge fragt worden. Stärk hat darauf Herrn v. Huhn als Verfasser genannt. Ueber die Frage, wie er dazu ge kommen und über die ganze Persönlichkeit des Herrn Stärk findet eine längere Auseinandersetzung statt, aus der hervorgeht, daß der p. Stärk in nahen Beziehungen zu Tausch steht. Darauf verzichtet der Gerichtshof sowohl wie die An klagebehörde und die Vertheidigung auf die Vernehmung weiterer Zeugen. Die Beweisaufnahme wird deshalb geschloffen und es folgen die Plaidoyers. Der Ober staatsanwalt charakterisirte in seinem Plaidoyer die beiden Angeklagten Ledert und Lützow genau so, wie man sie aus dem Proceß kennen gelernt hat und betonte des Weiteren, daß der Behörde durch die Anstellung von Vertrauensmännern ein Makel nicht erwachse. Die Be hörden sind zu ihrem Bedauern gezwungen, solche Ver trauensmänner zu halten, da sie im Sicherheitsinterefse ganz unentbehrlich sind. Die eminente politische Bedeu tung des Processes liegt nicht in der Bedeutung der Angeklagten, sondern in der der Beleidigten. Beleidigt sind der Gras Eulenburg, der Hosmarschall des Kaisers, ein hochgeachteter Mann aus der nächsten Umgebung des Monarchen, an den sich bisher noch Niemand herange wagt. Beleidigt ist der Staatssekretär Frhr. v. Mar schall, der Prinz Alexander zu Hohenlohe und der Wirkl. Geh. Legations-Rath vr. Hammann in Bezug auf ihre Amtsehre. Dem Hofmarschall Grafen Eulenburg ist der Vorwurf einer Fälschung, eines Vertrauensbruches, eines Verraths gemacht worden. Er soll die Intentionen deS Kaisers eigenmächtig durchkreuzt haben zum Schaden seines Vaterlandes und englischen Einflüssen gehorchend. Es ist bei dieser Gelegenheit vas Wort Nebenregierung benutzt worden. Das ist ein nichtsnutziges Wort, das m jedem Falle geeignet ist, die Ehrfurcht gegen den dächtigt worden sei, die Mittheilung über die Reform des Militärstrasproceffes in den „Münch. N. N." ver anlaßt zu haben, trotz der bereits abgegebenen ausführ lichen Erklärungen des Frhrn. v. Marschall immer noch der Aufklärung bedürfe. Frhr. v. Marschall antwortet darauf, daß der Kricgsminister von Bronsart zu ihm, Marschall, gekommen sei und den Verdacht auf Herrn v. Köller geworfen habe. Er, Marschall, habe keinen Verdacht gegen Herrn v. Köller gehegt. Nachdem ermit telt worden war, von wem die Mittheilung in den „Münchener Neuest. Nachr." verfaßt worden, habe eine befriedigende Aussprache zwischen dem Herrn v. Bronsart und Herrn v. Köller stattgefunden. Der Vertheidiger des Angeklagten Berger beantragt, die Herren v. Bron sart und v. Köller als Zeugen zu laden. Das Gericht behält sich die Entscheidung Uber diesen Antrag vor. Botschafter in Wien, Graf Philipp zu Eulenburg, be kundet hieraus, daß er den Kriminalcommissar v. Tausch in Abazzia kennen gelernt, woselbst dieser in dienstlicher Function war. Es war dies im Frühjahr 1894. Seit dem habe er den Commifsar wenig wieder gesehen. Ein mal noch bei der Anwesenheit des Kaisers in Stettin und dann noch einmal bei einer anderen Gelegenheit. Das letzte Lebenszeichen des Herrn v. Tausch war ein Brief, den der Botschafter im October in Liebenberg er hielt. Dieser Brief enthielt einen Zeitungsartikel, der sich mit der Fälschung des Zarentoastes beschäftigte. In dem Briefe erklärte Tausch, er hätte dem Grafen Inter essantes zu melden und bat dieserhalb um eine Unter redung. Graf Eulenburg erwiderte oarauf, daß sich wohl in Berlin eine Gelegenheit finden würde. Diese Begegnung ist nicht erfolgt. Eine andere Correspondcnz als diesen Brief hat eS nur noch einmal gegeben, indem sich Tausch in einem Briefe an den Botschafter dafür bedankte, daß dieser die Verleihung eines Ordens an ihn befürwortet habe. Der Botschafter erklärt darauf, indem er betont, daß jedes Wort unter seinem Eide stehe, es sei eine Verleumdung und böswillige Erfindung, wenn behauptet werde, er hätte Beziehungen zu Herrn v. Tausch unterhalten, namentlich solche, die mit den inkriminirten Zeitungsartikeln in Zusammenhang ständen. Derartigen Machenschaften intriguanter Natur und der artigen Verleumdungen stehe er gänzlich fern. Schließ lich erklärt Graf Eulenburg, daß er über die Angelegen heiten des Processes mit Herrn v. Marschall gesprochen habe, und zwar in der zwischen ihnen üblichen vertrau lichen Weise. Zeuge von Tausch giebt zu, daß er sich ohne Vorwissen seiner Behörde mit dem Botschafter in Verbindung gesetzt. Während der alsdann folgenden Vernehmung des Chefredacteurs Levysohn muß der Zeuge abtretcn. Levysohn bekundet, daß Tausch unter einem Vorwande bei ihm erschienen sei und ihm erzählt habe, daß Ledert im Auswärtigen Amte empfangen worden sei, dabei habe sich Tausch in sehr scharfen Ausführungen gegen die Regierung ergangen. Tausch, nochmals ver nommen, stellt alles das in Abrede, insbesondere, daß er erklärt habe, Ledert werde im Auswärtigen Amte vernommen. Es folgt ein scharfes Kreuzverhör, in dessen Verlauf sich der Oberstaatsanwalt plötzlich zu folgender Erklärung erhebt: Angesichts dieser Aussagen ist der Moment gekommen, den ich fürchtete, der Moment, in welchem ich gezwungen bin, den folgenschweren Antrag zu stellen, den Zeugen v. Tausch wegen dringenden Ver dachtes des wissentlichen Meineides zu verhaften. Der Präsident erklärt darauf, der Gerichtshof werde sich zu- rüdziehen, um über diesen Antrag zu berathen. In in diesem Worte eine Majestätsbeleidigung enthalten. Wenn es nun die Hauptaufgabe des Processes sein sollte, die Hintermänner zu ermitteln, welche hinter den beiden Inkriminirten Artikeln standen, so mag auch dieser Zwed als verfehlt bezeichnet werden. Aber der Angeklagte Ledert hat kaum solche Hinter männer gehabt; er hat die Informationen, die er seinem Collegen Lützow gegeben, in seinem eigenen klugen Ge hirn ausgehedt. Die Frage nach den Hintermännern kann also nicht Zwed dieser Verhandlungen gewesen sein. Die Hauptaufgabe dieses Processes war vielmehr, den Beweis dafür zu erbringen, daß alle die Vorwürfe, welche seit kurzer Zeit und systematisch gegen das Auswärtige Amt geschleudert wurden, in nichts zerfallen, daß sie Wittersnsisbericht, ausgenommen am 8. December, nachm. 4 Uhr. 7kq Mill reducirt auf den Meeresspiegel. Ttzermometerstand ff 4,5" 0. (Morgens 8 Uhr -s 5".) Feuchtigkeitsgehalt der. Luft nach Bsrometerstan» Lambrechts Polymeter 66"/o. Thaupuukt — 0 Grad. Windrichtung: Süd. Daher Witterungsausfichten für den 9. December: Meist halbheiter. Mialen: in Mstadtwaldenburz bei Herra Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage , y Kaufmann Otto Förster; in Kausungeu Uuuahmc'von JuserÄkn 1ür"die"'»Schster- M ß dorf^bei Stiegler; in Pen^e! »» 1 «e" 2» «f. Einzelne Nrn. b Pf. Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in gerate pro Zei^ W Pf.^Eiuge!. 20 U. Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten, ^»dition: WaldenKnrg, Obergaste - - . , —- , . — Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenfteiu-Calluberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Zugleich wett ""bredet m en St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- Altstadt-Waldenburg, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, lruba-Niederham, Lai g Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Waldenburg, 8. December 1896. Zu dem Proceß Ledert-Lützow haben sich di- leitenden Bluter sämmtlicher Parteien dahm ausgesprochen, daß aründliche Reform der pol,tischen Polizei dringend s rdL ist; nur die Organe des Bundes der Land- w rthe und die hochconservatwe „Kreuz-Zettung" nehmen in der Sache noch immer °me Ausnahmestellung -m. Das Polizeipräsidium in Berlin hat Herrn v. Tausch b-«its fallen lassen, indem es ihm mit Nüdsicht auf die schwebenden gerichtlichen Verhandlungen die fernere Aus übung von Amtsverrichtungen vorläufig untersagt hat. Ueber das Resultat der Besprechung der Minister Hohen lohe, Marschall, Schönstedt und v. d. Rede, die in An gelegenheiten des Processes am Sonnabend stattgesunden, ist nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen, ebenso wenig ist es bisher bekannt geworden, ob das energische Vor gehen des Staatssekretär- Frhrn. v. Marschall auf vor heriger Vereinbarung mit anderen Ministern beruhte. In politischen Kreisen will man jedoch aus gewißen Anzeichen schließen, daß ein solches Einvernehmen über die Führung dieses Processes erfolgt ist. Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit eine Aeußerung deS Herrn v. Marschall in der Gerichtsverhandlung, wonach dieser mit dem Botschafter Grafen Philipp v. Eulenburg bei dessen letzter Anwesenheit in Berlin über die Sache gesprochen und den Eindrud erhalten, daß dieser seine Auffassung theile, in der Angelegenheit mit rücksichtsloser Energie vorzugehen und Klarheit zu schaffen. Graf Eulenburg ist übrigens am Sonntag bereits in Berlin eingetroffen und hat den ganzen Tag über im Auswärtigen Amte conserirt, nachdem er von Wien aus den Gerichtspräsi denten telegraphisch gebeten hatte, als Zeuge in dem Processe vernommen zu werden. Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt in besonderen Beilagen den Wortlaut der Darlegungen deS Frhrn. v. Marschall, sowie der übrigen wichtigen Zeugen, indem sie ausdrücklich hervorhebt, daß sie dies im Interesse der völligen Klärung der Ange legenheit thue. Das Vorgehen der „Nordd. Allg. Ztg." läßt jedenfalls die Wünsche der Negierung erkennen, die daraus gerichtet sind, rüdsichts- und schonungslos die volle Wahrheit zu ergründen. Der Andrang zur MontagS-Sitzung war kolossal. Unter den Zuhörern befand sich auch der japanische Ge sandte. Der Vorsitzende theilte mit, daß die Verhand lung am Sonnabend lediglich deshalb ausgefallen sei, weil einige Mitglieder der Strafkammer anderweitig dienstlich beschäftigt waren. Oberstlieutenant Gaede giebt die Erklärung ab, daß die mit Kukutsch unterzeich nete Quittung im Kriegsministerium von vornherein nicht für echt gehalten worden sei, und daß, als Kukutsch im Kriegsmmisterium vernommen wurde, ein Verdacht gegen ihn nicht bestand. Oberstaatsanwalt Drescher theilte mit, daß er den Chefredacteur des „Berl. Tagebl." Dr Levysohn, als Zeugen geladen habe, weil Levysohn im October in einem Artikel behauptet hatte, Ledert sei im Auswärtigen Amte empfangen worden. Der Oberstaats anwalt möchte nun wissen, ob Levysohn diese Mitthei- etwa von Tausch erhalten. Ferner kommt der Oberstaatsanwalt aus Artikel der „Staatsbürger-Ztg." zu sprechen, die in der letzten Zeit erschienen und in denen das Auswärtige Amt abermals verdächtigt wurde. Im Anschluß hteran fragt der Oberstaatsanwalt den Mitangeklagten Redacteur der „Staatsbürger-Zeitung" Berger, ob dieser sich m.t den jüngsten Auslassungen des Blattes identificire. Der Vertheidiger Bergers bemerkt daß die Art, wie seinerzeit der Minister v Köller vcr'