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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«' Preis 22; Sgr. (' THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die ur des Aus Man pränumerirtrauf diese» Beiblatt der AUg. Pr. SiaaiS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so >vie im AuSlande bei den Wohllöbl. Poch - Jennern. 82. Berlin, Montag den 1v. Juli 1837 England. Der Vogelgesang. Die liebliche Melodie der Vögel findet ihre» Weg zu jedem Herzen; aber da« Motiv der zarten Ergießungen, die an einem heileren Früh- lin-jS-Morgen Wald, Felsen, Strom und Thal mit so süßen Tönen erfüllen, ist bei de» Ornithologen viel mehr Sache des Zweifel«, al« diejenigen glauben mögen, die nicht ganz in die Geheimnisse der Zoologie eingeweiht sind. Vieles ist über diesen Gegenstand geschrieben worden, und wenn wir die verschiedenen Meinungen prüfend gegen einander halten und unsere eigenen Beobachtungen hinzusügcn, so sind wir an- zunehmen berechtigt, daß hiebe und Wetteifer die beiden großen An regungen des Vogelgesang«« sind. Damit wollet! wir aber nicht gesagt haben, daß es nicht auch viele andere Gründe für den Vogel giebt, ihn zum Singen auszumnnlern; das bloße Vergnügen, sich in einem ihm theucr gewordenen Neste zu befinden, sich in der Milte eines Orte«, wo sein hiebling«-Zuller im Ueberfluß ist, zu sehen, und mehrere der gleichen angenehme Empfindungen sind ost dem zarten Gefühle de« Tbierchens schon eine Aufforderung, sich einen melodische» Ausdruck zu verschaffen. Zn England ist die Jahreszeit der Reproduktion unbestreitbar die, von welcher der Dichter sagt: und unaesähc zehn Wochen im Jahre werden als die Periode angege ben, wahrend welcher die mMtn unserer iu dem Zustande der Freiheit lebenden Vögel dem Gesänge huldigen. Hiervon giebl cs sreilich manche Ausnahme». Wir haben eine wilde Drossel bis weil in de» September hinein sehr lieblich singen hören, aber wir lauschten in der Nähe und konnten kein Weibchen entdecken. So hören wir auch das Rothkehlchcn im Herbste und sogar im Winter; und die Vögel im Käfig, wenn sie wohl genährt und gepflegt werde», singen den größte» Theil des Jahre« hindurch. Ehe wir weiter gehen, wollen wir versuchen, dem Leser Ausschlüsse über da« natürliche musikalische Instrument zu geben, das jene lauten und verwkckelten Passagen hervorbringt. Der Larynx ist an« zwei Theilen zusammengesetzt: der erste enthält die eigentliche rima zloltiäm am obere» Ende, während die niedrigere Abtheilung, die ebenfalls eine rima xlottisti» bat, mit straffen Membranen versehen ist. Das untere gleicht einem Klarinellrohr und da« obere der Oeffnung de« Instru ments, woran« der Ton kömmt. Man hat ganz richtig behauptet, daß in der Struktur de« Vogel« kein Theil ist, welcher der Luft unzugäng lich wäre. Daher sagt Jacguemin, nur in dieser Fähigkeit, Lust ein- und auSzualhnien, läge die Lösung de« Räthsel«, wie ein so kleine« Ge schöpf so starke und anhaltende Töne ohne sichtliche Ermattung hören lassen könne. Die Muskeln, deren Aufgabe es ist, diese« wunderbare Blase-Instrument zu beherrsche», sind bei dem Geschlechte, welches mit der Kraft de« Gesänge« begabt ist, verhältnißmäßig stärker und wohl- auSgebildet. John Hunter fand, als er eine männliche Nachtigall, eine männliche und weibliche Amsel, einen männlichen Hänfling und eine» männlichen und weiblichen Buchfink secirte, daß der Larvnx der Nach tigall stärker al« der der übrigen Vögel derselben Größe war; und überall sand er ihn beim Männchen weil stärker, als beim Weibchen Der Wetteifer, mit welchem einige dieser gefiederten Sänger in der Gesan- genschast sich gegen einander versuche», ist jedem Vogel-Liebhaber be kannt, und Bechstein bemerkt von den Kanarienvögeln in Thüringen, daß es viele giebt, die, besonder« in der Paarungszeit, mit solcher An strengung und Eifrigkeit singen, daß die feinen Gefäßchen der Lunge breche,, und der arme Sänger sofort verendet. Barrington, der große Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gewen det bai, bemerkt, daß sich einige Passagen bei wenigen Singvögeln mit den Jnicrvallen unserer Tonleiter vergleichen lassen, daß aber der größte Tbeil diese« Gesänge« keine Vergleichung^nit dem Notenverhältniß zu- läßt, weil die Schnelligkeit und die Höhe Flößer, al« bei unseren sännnl- liche» Instrumenten seh. Derselbe Gelehrte behauptet, daß einem Bogel selbst die Stimme seiner Galtung abgehen kann, wenn man ibn aus dem Neste genommen Hal, bevor er älter als zwei Tage geworden ist. Die Nestlinge können zwar vor dem siebente» Tage nach ihrer Geburt nicht sehen, wohl aber den ersten Augenblick ihres Lebens schon hören. Gerade weil sie nicht« sehen, sind sie die ersten Tage mehr ans den Laut ihrer Aelteru auf merksam, besonders da ihnen durch die Stimme der Alten die Ankunsl ihres Fullers verkündet wird. Nachdem Herr Barrington die Weise angiebt, wie man solche junge Vögel mil Mühe aufzieht, spricht er von einem Hänfling und einem Dompfaffen, dir man i» einem Alter von 2 di« 3 Tagen aus dem Neste genommen Halle, und von anderen sel tenen Fälle» von Nachahmung in folgender Weise: „Der erste dieser Bögel (der Hänfling) gehörte Herrn Matthews, einem Apotheker zu Kensington. Er halte keine Gelegenheit gehabt, Melodieen nachzuahmcn, und sprach daher nur in fast artikulirtem Tone: prett^ bog, (hübscher Junge) und einige andere kurze Sätze. Ich hörte selbst da« prelt^ ün)- von diesem Vogel, der, wie wir Herr Matthew« versichert, weder die Stimme, noch den Ton irgend eine« anderen Bogels halte. Dieser redselige Hänfling lockte viele Menschen von London nach Kensinzwn, wo er im vorigen Jahre starb. — Der vorerwähnte Dompsaffc besand sich zu Knighton iu Radnorshire; ich Hörle ibn, al« ich zufällig vor dem Hause vorbciging. Ich hielt die Stimme für die eine« Zaunkönig« und ging in da« Haus, nm mich darüber zu belehren, da dieser kleine Bogel selten lange im Käfig lebt. Lie Leute des Hause« jedoch sagten mir, sie hätten keinen anderen Vogel als eine» Dompfaffen, und glaubten, er sänge seine natürliche Stimme; allein ich verweilte lange Zeit im Zimmer und Hörle keinen anderen Ton, als den eine« Zaunkönig«, oh»e die geringste Beimischung der Stimme eines Dompsaffc». Durch wcitcre Erkuüdigungcn crsnhc ich, daß der Vogel aus dem Neste genommen wurde, als er erst einen oder zwei Tage all war, daß man ihn vor einem Fenster ausgehängt hatte, das nach einem kleinen Garlen ging, und daß er aus diese Weise die Stimme des Zaunkönig« nachahmeu lernte. Diese Thatsachen beweisen, daß die Vögel nicht gerade eingeborenen Trieb zu den Melodieen, welche den einzelnen Arre» eigenthümlich sind, zur Welt mitbringen. Wenn aber der Vogel im Stande der Freiheit doch so sehr dem Ge säuge der ganzen Spielart anhängt, daß man sogleich beim Anblick de« Bogels weiß, welchen Gesang man zu erwarte» hat, so kommt dies daher, daß der junge Nestling nur auf die Stimme seiner Aeltern lauscht, ohne sich im geringste» uni die Stimme» der rund um ihn der singende» fremde» Bögel zu kümmern. So weiß Jedermann, daß der gemeine Haussperling in der Freiheit nicht« Andere« lhut, als zwitschern, obgleich ihm keineSwcge« da« Vermögen fehlt, anderen Bö geln nachzustngen. Um mich von letzterem ganz vollkommen zu über zeugen, nahm ich einen gemeinen Sperling au« dem Neste, al« er flügge »ae, und erzog ihn mit einem Hänfling; der Bogel hörte jedoch auch zufällig einen Dompfaffen und bekam dadurch eine Stimme, die eine Mischung von den beiden verschiedenen Stimmen der Lehrmeister hatte." Derselbe Beobachter erzog ein junge« Rothkehlchen bei einer sehr schönen Nachtigall, die aber schon beinahe nicht mehr schlug und nach vierzehn Tagen ganz stumm wurde. Da« Rothkehlchen war in der kurzen Zeit gelehrig genug, und scin Gesang hatte später drei Viertel von der Stimme der Nachtigal, und da« vierte Viertel war da«, wa« die Vogelfänger in England ,,rul>l>i«ü" nennen, da« heißt, eine Stimme, die so viel al« gar nicht« bedeutet. Bechstein behauptet, daß säst alle Vögel in der Jugend Stücke lernen können, die man ihnen täglich vorspielt oder vorpseisl; aber nur diejenigen, welche ein starkc« Gebächiniß Haden, vertauschen für immer ihre natürliche» Töne gegen die Melodiken, die man sie gelehrt bat. Nach der Angabe vieler Beobachter kommen folgende Töne inr Gesänge der Bögel vor: ss-stur bei der Waldlerche; X stur bei der Drossel; die Terze 0 — gewöhnlich beim Kuckuk; ^-stur beim ge wöhnliche» Hahne; dagegen da« It mnl bei einem sehr großen Hahne; dasselbe bci manchen Eulen; D-stur bei manchen anderen. Demnach hätten wir K, li-mol, 0. I) und t, zu welchen Barrington aus eigener Erfahrung bei einer Nachtigall, die drei Jahre im Käfig gelebt hatte, noch 0 binzusügl und außerdem bemerkt, daß er ost von einem und demselben Bogel und k gehört habe Wir wollen jetzt einige Worte über denjenigen Ton verschiedener Vögel sprechen, welchen man vielleicht am besten dnrch ConversationS- ton bezeichnen kann. Die HauSvögel bedürfen wegen ihrer Stimmen keiner weiteren Beschreibung, Wer kennt nicht da« gellende Lied jene« Apostel« de« neuen Tage«, da« tagtägliche Lied, worin er un«, seitdem cs hieß: „Es werde Licht!" jedesmal mit stolz emporgehobenem Kopfe zuruft: „Es wird Licht!" odcr die behaglichen LosungSlöne, womit der glückliche Polpgamist scin zahlreiche« Serail zur offenen Tafel ruft. Wer kennt nicht die Musik der Madame Partlet (Frau Kratzesuß), welche mil Selbstgefälligkeit und Geräusch von Mcierhof zu Meierbof und von Dors zu Dorf schreit: „Seht, ich habe diese glückliche Stätte zum Geburtsorte eines frischen Eie« gemacht." Wir sprechen nur von den weniger bekannten wilden Bögeln.