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AI für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter 162 — 88. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Montag, den 15 Juli 1929 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 kine Sonclerkommillion Mr Schikanen Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- genchts „ad des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finauzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Bei Einrichtungen, die für unbeschränkte Zeit geschaffen werden sollen, must man mit allen Eventuali täten, auch den schlimmsten, rechnen, und man darf uns nicht verübeln, wenn wir daran denken, daß die Sonder kommission einmal als Werkzeug für alle möglichen Schi kanen, zum Beispiel gegenüber dem berechtigten Ausdch- nungsdrang der Industrie in diesem Gebiet, gebraucht werden könnte. Man sucht uns den französischen Vorschlag mit der Behauptung schmackhaft zu machen, daß er auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit aufgebaut sei. Diese an gebliche Reziprozität ist aber illusorisch, einfach aus dem Grunde, weil es auf französischer Seite an einem zu kon trollierenden Objekte fehlt. Wenn die Reziprozität darin bestehen soll, daß Deutschland bei einer Verletzung der de militarisierten Zone durch eine andere Macht gleichfalls die Möglichkeit der Anrufung des besonderen Kom missionsverfahrens haben würde, so ist auch das gegen standslos. Eine solche Verletzung der demilitarisierten Zone durch eine andere Mach twäre doch nur durch den Einmarsch französischer oder belgischer Streitkräfte in das Rheinland denkbar. Es versteht sich von selbst, daß in einem solchen Falle ein Kommissionsverfahren keinerlei Zweck mehr hätte. So ist es durchaus erklärlich, daß nach dem ganzen Verlauf der öffentlichen Diskussion über dieses Thema die Einrichtung der neuen Kommission in der deutschen Öffentlichkeit als ein neuer Versuch aufgefaßr wird, dem Rheinland ein internationales Sonderstatut aufzuerlegen. Man fragt sich in Deutschland vergeblich, wer denn ein be gründetes Interesse an dieser Einrichtung haben könnte. Welche militärischen deutschen Maßnahmen im Rheinland hat denn Frankreich zu befürchten? Ist es denkbar, daß in diesem verkehrsreichen, offen vordenAugenvonganzEuropa liegenden Ge biet heimlich militärische Vorbereitungen getroffen wer den könnten, die eine dringende Gefahr für Frankreich darstellcn würden? Eine heimliche militärische Vorberei tung im Rheinland ist so absurd, als wenn jemand heim lich auf dem Potsdamer Platz in Berlin ein Gebäude er richten wollte. Wenn wirklich einmal ein Streit darüber entsteht, ob eine Eisenbahnrampe oder eine ähnliche Anlage mit den Bestimmungen des Vertrages von Versailles im Einklang steht, bedarf es denn da einer Instanz, die man über die Locarnoverträge hinaus mit besonderen Kompetenzen ausstatten müßte? Vergegenwärtigt man sich alles dies, so sollte das Ausland verstehen, daß es genug ist, wenn Deutschland für seine westlichen Grenzgebiete ohne zeit liche Beschränkung die einseitige Verpflichtung zu dau ernder Entmilitarisierung auf sich nehmen mutz und datz diese Verpflichtung in Locarno unter die Garantie Eng lands und Italiens gestxllt Wortzen ist. Was darüber als dauernde Einrich tung hinausgeht ist für Deutschlaudun- t r a a b a r. Der wesentliche Inhalt des Abkommens ist folgender: Fn der Einleitung des Abkommens kommt zum Ausdruck, daß das Abkommen unter Vorbehalt der beiderseitigen gru, dsätzlichen Auffassung unterzeichnet worden ist und den Zweck hat, im Rahmen der Gesamtrcgelung der aus dem Kriege herrührenden finanziellen Fragen auch diejenigen Fragen zu erledigen, die bisher zwischen Belgien und Deutschland wegen der im Zu sammenhang mit der Besetzung Belgiens entstandenen besonderen wirtschaftlichen Schäden noch schwebten. Deutschland wird an Belgien während 37 Jahren folgende Jahreszahlungen leisten: Im ersten Jahre 16,2 Millionen, im zweiten, dritten und vierten Jahr je 21,5 Millionen, vom fünften bis zum zwölften Jahr je 26 Millionen, vom dreizehnten bis zum zwanzigsten Jahr je 20,1 Millionen Mark, vom einundzwanzigsten bis zum stebenunddreißigsten Jahr je 9,3 Millionen Mark. Die Gesamtsumme beträgt danach 607,6 Millionen Mark. Die Jahreszahlungen werden in der gleichen Form ge zahlt werden, die in dem Noung-Plan vom 7. Juli 1929 für die allgemeinen Reparationszahlungen vorgesehen ist. Die Zahlungen werden durch die Bank für den internationalen Zahlungsausgleich mit verwaltet werden. Falls Deutschland von dem in dem Sachverständigenplan vorgesehenen Zahlungsaufschub Gebrauch macht, werden die Jahreszahlungen in Form von Sachlieferungen entrichtet. Für den Fall von Meinungsverschiedenheiten ist ein Schiedsgerichtsver fahren vorgesehen. Das Abkommen tritt erst nach Ratifi zierung in Kraft, die gleichzeitig mit der Ratifizierung der Staatsverträge über den Sachverständigenplan er folgen soll. Belgien hatte bekanntlich auf der Noung-Kon- f.er_enz die Forderung gestellt, daß Deutschland eine Dr. Stresemann über die „'Versöhnungskommission*. über die Frage derFeststellungs-und Ver söhnungskommission, die auch zu dem kürzlich erfolgten Briefwechsel Kaas—Wirth die Grundlage ab gab, äußerte sich jetzt Reichsaußenminister Dr. Stresemann in einer Unterredung mit einem Pressevertreter u. a. folgendermaßen: Es war eine unliebsame Überraschung, als während der Besprechungen, die während der letzten Völkerbunds versammlung in Genf über die Räumungsfrage stattfan den, dem deutschen Reichskanzler von französischer Seile plötzlich wieder der Plan der Einrichtung eines Sonderorgans für die Behandlung derjenigen Meinungsverschieden heiten entgegengebracht wurde, die zwischen Deutschland und Frankreich aus den Bestimmungen des Vertrages von Versailles über die demilitarisierte Zone entstehen könnten. Der Plan ging dahin, daß in diesem Falle die Verträge von Locarno einer Ergänzung bedürften, und daß diefe Ergänzung vor der endgültigen Lösung der Räumungsfrage geschaffen werden müsse. Als sich zeigte, daß damit an die Einrichtung eines zeitlich unbeschränkten Sonderorgans für das Rheinland und die angrenzende 50-Kilometer-Zone gedacht war, hat der Reichskanzler das als unannehmbar bezeichnet und sich lediglich zur Diskussion über eine bis zum Jahre 1935 dauernde Einrichtung dieser Art bereit erklärt. Alle politischen Parteien in Deutschland, wie noch die letzte Reichstagsdebatte gezeigt hat, haben sich geschlossen hinter diese Auffassung gestellt, und es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Stel lungnahme als eine endgültige angesehen werden muß. Frankreich möchte vor der Anrufung des Völkerbundrates ein besonderes Untersuchungsverfahren eknschalten, weil dies seiner Ansicht nach besser geeignet wäre, Fälle von geringer Bedeutung ohne großes Auf sehen auf gütlichem Wege zu erledigen. Dieser ganze Aus gangspunkt der französischen Konstruktion ist verkehrt. Wenn Frankreich eine Verletzung der Demilitarisierungs bestimmungen behauptet, ist es keineswegs notwendig, sofort den Völkerbundrat zu befassen. Zunächst kommt die Erledigung der Frage auf diplomatischem Wege in Frage. Wozu unterhalten wir die Diplomatie, wenn sie ausgeschaltet werden soll, sobald ernstere Fragen auftauchen? Sollte das diplomatische Verfahren wirk lich nicht zum Ziele führen, so kann die Angelegenheit vor eine Instanz gebracht werden, die. an anderer Stelle der Locarnoverträge vorgesehen ist, nämlich vor die Ver gleichskommission des deutsch-französi schen Schiedsv ertrage s. Von einer Lücke in den Locarnoverträgen kann also nicht die Rede sein. Die Schaffung einer neuen Kommission ist aber nicht nur an gesichts dieser Möglichkeit überflüssig, sondern sic ist auch politisch gefährlich. Z Entschädigung zahlen solle für das während der deutschen Besetzung im Kriege in Belgien ausgcgcbcne deutsche Papiergeld, das durch die Inflation entwertet worden war. Diese Forderung war eine gefährliche Klippe im Verlaus der Young-Verhandlungen, die erst glücklich umschifft wurde, als Deutschland seine Einwillgung zu einer deutsch-bel gischen Konferenz gab, auf der noch vor der eventuellen Ratifizierung des Young-Planes eine Regelung der Markfrage getroffen werden sollte. Diese Regelung ist jetzt erfolgt. Wie wir glauben, nicht zum Nachteil Belgiens! Freigabe deutschen Eigentums in Belgien. Auf Grund von Verhandlungen, die im Reichs finanzministerium mit Belgien geführt wurden, ist ein Abkommen über die Freigabe deutschen Ver mögens in Belgien geschlossen worden. In diesem Abkommen verzichtet die belgische Regierung mit Wir kung vom 7. Juni 1929, dem Tage der Unterzeichnung des Young-Planes, ab auf die Liquidation und Einbe haltung des bis dahin noch nicht liquidierten oder in das Eigentum des Staates übergegangenen deutschen Ver mögens, ferner auf die weitere Auslieferung deutscher Wertpapiere, auf die im Versailler Vertrag vorgesehene Befugnis zu Eingriffen in die deutschen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte sowie auf den noch unbezahlten Kaufpreis der jenigen Güter, die von ihren deutschen Eigentümern käuflich zurückcrworbcn worden waren. Die Frage der Behandlung der Erlöse des bereits liquidierten deutschen Eigentums ist, ebenso wie die Frage der Be endigung des Ausglcichverfahrens und verwandte Fra gen, späteren Verhandlungen nach Inkrafttreten des Young-Planes Vorbehalten worden. Auch dieses Ab kommen soll gleichzeitig mit den Verträgen zur Jnkraft setzung des Young-Planes ratifiziert werden und Kraft treten. Anzeigenpreis: die 8gespatte»e Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4ÖR»ichs- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachmeisungsgebühr 20 Reichspfenuige. Dar- geschriebene Erlcheiuungs- — , , - tag« und Platznnrschriste« werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdrun Nr. 6 berücksichtigt. «met-e«- annabmebis norm.lOUbr, —— - — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder RadaNanspr: ch erUscht.wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden muß oderder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen «utgeaeu. Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ^geblatt" erscheint an allen Werktaaeu nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in L^iW. zuzüglich Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3o RM., bei Postbestellung Wochenblatt für Wilsdruff«, llmaeaend P°ftd°i-nAd'uns«"^ «eLn.okn-i,,-.» ncbm-n ,u j-der Br- Ker keitun«, JmFaÜr höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteh, dein Anspruch auf Lieferung o b ooerKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Ein Schlag gegen Deutschlands Recht Während man sich zwischen London und Paris munter weiterzankt, wo und wann die große Konferenz Mttfinden soll, ist in Deutschland ein an sich und der Form nach innenpolitischer, tatsächlich aber außen- polltisch gemeinter Schritt erfolgt, der für deutsche Ver hältnisse recht originell ist: die Veröffentlichung eines Briefwechsels zwischen dem Vorsitzenden der Zen trumspartei, Dr. Kaas, und dem der gleichen Partei an gehörenden Minister für die besetzten Gebiete, Dr. Wirth. Inhalt: Wie steht es mit der Haltung der deut schen Regierung dem französischen Vorhaben gegenüber, mit einer „Feststellungs- und Vergleichskommission" im Rheinland eine ständige Kontrolle über die peinlichste Innehaltung der Entmilitarisierungsbestimmungen zu schaffen? Die Einsetzung einer solchen Kommission hat die französische Presse auch als Aufgabe der kommenden Konferenz angekündigt und Dr. Kaas erklärt, das Zen trum würde zu jeder deutschen Regierung in schärfste Opposition treten, die derartiges den Franzosen zugestehen würde. Noch weitere Schmälerung der Souve ränität des Reiches, unberechtigte und sachlich sinnlose Demütigung des deutschen, insbesondere des rheinischen Volkes — nichts anderes würde die Einsetzung und das Wirken einer solchen ständigen Kontrollkommission dar stellen. Dr. Wirth antwortet sehr ausführlich. Solch eine Kommission „im Interesse der Sicherheit Frankreichs" zu verlangen, wie dies die Pariser Presse tut, ist sachlich unberechtigt, weil gegen jeden Versuch einer „Militari sierung" des Rheinlandes, also einer „Bedrohung" Frank reichs, der Völkerbund als Garant der Ver- sailer Bestimmungen einschreiten würde. Dafür gibt es ja die Genfer „Jnvestigations"kommission. Und dann — als zweite Sicherung — besteht doch noch der Locarnovertrag mit seinem organisierten Schlichtungs- und Garantiesystem, das bei einem „Verstoß" Deutsch lands auch England und Italien als Garanten dieses Vertrages auf die Seite Frankreichs stellen würde. Alles letzten Endes unter Obhut des Völkerbundes, aber doch auch so, daß für Deutschland Rechtsgarantien bei einer „Anklage" bestehen. Wozu also eine dritte „Sicherung" — die die be stehende nicht erhöhen würde — durch eine Kontrollkom mission? Eine Kommission, die zudem außerhalb des Bereichs des Völkerbundes stehen würde ohne solche Rechtsgarantien für Deutschland? Friedenssicherung — das ist höchste Aufgabe des Völkerbundes und es heißt den Völkerbundgedanken schwächen und verwässern, wenn man hierfür noch Sonderregelungen und Sonderorgani sationen schaffen würde. „Die Feststellungs- und Ver gleichskommission, die die französische Presse propagiert, wäre als ständige Einrichtung ein stärkster Einbruch in die moralische Autorität des Völkerbundes für die Auf gabe der Friedcnssicherung." Ist also ein derartiges Vorhaben sachlich unberechtigt, so ist es außerdem eine sinnlose Demütigung sür Deutschland. „Das abgerüstete Deutschland, das auf die Entwicklung des Rechts und der Völkergemeinschaft vertraut, kann un möglich diesen Sprung von dem sicheren Boden der Rechtsordnung des Völkerbundes in den unsicheren Strudel von Regelungen machen, die in schwierigen Zeiten, da der innere Ausgleich sehlt, die Belastungs probe nicht bestehen würden, „Deutschland kann nicht zu seiner Wehrlosigkeit noch seine Rechtlosigkeit fügen". Dr. Wirth schreibt sogar noch schärfer: „Eine Dauerkom- mlssion über die Rhcinlande wäre, wenngleich in gleißender Verbrämung, ein Schlag gegen Deutsch- Recht, der mit dem Ruhreinbruch verglichen und ein Rückschritt in der ganzen fried lichen Entwicklung." Ablehnung jeder derartigen Kommission — Schluß, zu dem die Darlegungen Dr. Wirths gelangen. Außerdem steht die französische Forde- rung einem geradezu grotesken Mißverhältnis zu allem, UZs Frankreich an Gegenleistungen — Rheinland- räumung m schnellster Form — bieten könnte. Schärfste Ablehnung und es ist selbstverständlich, daß mit dieser Erklärung der Munster Dr. Wirth nur den Stand pu n k t d e r E e lamiregiernng wiedcrgibt, den bei der großen außenpolitischen Debatte im Reichstag erst Dr. Hilferding, dann Dr. Stresemann namens der Re gierung kundtat. Der Brief Dr. Wirths und seine Ver öffentlichung Mt!"so m der Hauptsache einen Kommen tar, eine ausführliche Begründung dieses Standpunktes dar, von dem nicht abzuweichen das Kabinett entschlossen Veröffentlichung des Briefwechsels geschah in Absicht, in Frankreich nicht erst die Meinung aufwachsen lassen, daß Deutschland auf der kommenden Konferenz Mdlc Bildung einer solchen „Feststellungs- und Ver- cuetchungskommission" werde abnotigen lassen. Dasdeulsch-belgischeMarkabkommen Deutschland zahlt 607,6MillionenMa r k. der ^»Verhandlungen zwischen den Bevollmächtigten dcuti^. A^eu und der belgischen Regierung über das lo>mu.>> llische Markabkonrmen sind zum Abschluss ge- »e t >vü'rden"s Abkommen ist in Brüssel unterzeich-