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Blatt Amts und des Stadtrathes des Königs. Amtsgerichts Wuksnrh Erscheint: Mrtwoch und Sonnabend. PuSzeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. KeschäfLsstslren: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamen-, CarlDaberkow, Groß röhrsdorf. Annoncen-Bureaus vonHaasen- stein L Vogler, Jnvalidendank, Rudolph Mosse und. G. L. Daube L Comp Als Beiblätter: l. Jllustrirtes Sonntagsblatt (wöchentlich); 2. landwirtschaftliche Beilage (monatlich). Abonnements - Preis Vierteljährl. 1 M. 25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. ^fiir Pulsnitz, M , Königsbrück, tladeberg, lladednrg, Moritzburg und Umgegend. Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- «- - ^7;^. MchtuudvierzigK-e Nahvgang. Mittwoch. N r. HZ. 27. Mai 18S«. Montag, den 1. Zuni 1886: Viehmarkt in Bischofswerda. Sociale Politik. Die Gefahren der jetzigen wirthschaftlichen und socialen Gärung, wie sie bei der Eigenthümlichkeit unseres deutschen Volkscharakters sich besonders in unserem Vaterlande gellendmachen, hoben ihren Ausgangspunkt darin, daß jeder auf seinen Vortheil sieht, und denselben mög lichst nach seinen Wünschen und Inten ssen gewah-t sehen möchte, ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen der anderen. So entsteht eine Zerklüftung des Volkslebens in Parteien und — was noch schlimmer ist — in Inter essengruppen, die mit Rücksichtlosigkeit nur das Ihre suchen, aber nicht das, was des andern ist. Wenn von dem „Einzelnen" die Rede ist, so wird man — nach dem eben Gesagten — dies Wort zunächst nicht rein persönlich auf den einzelnen Menschen zu beziehen haben, sondern eben auf die genannten Interessengruppen, von denen eine jede in einer gewissen genossenschoftlichen Selbstsucht vorgeht. Zu Grunde aber liegt doch die individuelle Selbstsucht, eine unbewußte Anwendung der bekannten „Herrenmoral", die ihre Vertreter keineswegs nur unter gebildeten oder richtiger ver bildeten Gesellschaftskreisen hat, sondern auch in einfacheren Volksschichten, die in diesem Sinne den wirthschaftlichen Kampf führen. Jeder wirthschaftliche Stand verlangt zunächst, daß die Gesetzgebung und staat liche Verwaltung nach seinen Wünschen und Interessen arbeite. Was mit anderen Berufsständen und wirthschaft lichen Gruppen wird, erscheint bei diesem Standpunkt gleichgültig. „Uns soll geholfen werden!" Und nun verlangt man, daß der Staat seine Gesetz gebung eben nur nach diesem Gesichtspunkt cinrichte. Der Staat ist ja in gewissem Sinne der Regulator der Verhältnisse und soll dieses Amt im Sinne der ausgleichen den Gerechtigkeit ausüben. Er hat dazu um so mehr die Verpflichtung, wenn er, wie es durch d e monchesterliche Gesetzgebung früherer Jahrzehnte wirklich u schehen ist, seine Thätigkeit in zu einseitige Bahnen, -u Gunsten der wirthschaftlich Starken gelenkt hatte, und deshalb nun billigerweise auch einmal der wirthschaftlich Schwachen oder Unterdrückten sich annehmen muß. Es ist das allerdings eine Riesenaufgabe, die um so schwieriger wird, als, die Obrigkeit bei dem Dare'nreden berufener und unberufener Volksstimmen mehr Hinderung als Förderung erfährt Zu beachten ist noch dies, daß der Staat nur bis zu einem gewissen Grade die Verhältnisse schaffen oder umbilden kann, und zwar hauptsächlich dadurch, daß er durch seine Gesetzgebung manchen Strömungen freien Raum läßt, während das Umgekehrte — Eindämmung der einmal losgelassenen Kräfte — viel schwieriger ist. Manche und gerade die mächtigsten Verhältnisse liegen ja überhaupt auf einem Gebiete, auf das der Staat nur einen indirekten Einfluß ausüben kann. - Was hat in unserem Jahrhundert die größte Re volution nicht nur im wirthschaftlichen Leben der ein zelnen Völker, sondern im Weltverkehr hervorgebracht? Nichts anderes als die Dampfmaschine in ihrer mannig fachen Anwendung auf den geschäftlichen Großbetrieb und und den raschen und leichten Personen- und Waarenverkehr zu Land und See I Daran ist nun nichts zu ändern. Hier gilt ganz eigentlich das Wort, daß der einzelne sich in die Verhältnisse schicken muß; und diese Verhältnisse sind allerdings gerade den Ständen, die den festen und soliden Kern des Volkes ausmachen, nicht günstig gewesen. Kann man den Staat oder die Obrigkeit für diese ungün- stige Entwickelung, die übrigens doch auch selbst für die weniger Begüterten eine lichte Kehrseite hat, verantwortlich machen? Offenbar nein! In erster Linie ist hervorzu- heben, daß die.absolute Gewerbefreiheit und ähnliche Gesetze, unter der Fahne der Freiheit überhaupt, von der sogenannten öffentlichen Meinung verlangt und erkämpft wurden, und daß damals auch solche Volkskreise, die unter diesen Bestrebungen nur zu leiden hatten, in diesem ver- kehrten Freiheitsdusel befangen waren. Jetzt, da es sich um ein vernünftiges Einlenken in eine andere Bahn handelt, treten besonders die internationalen Verhältnisse störend n den Weg. Diejenigen Volkskreise, die in besonderer Weise um ihre Existenz zu kämpfen haben, sollten darum nur das unter den gegebenen Verhältnissen Mögliche vom Staate verlangen. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beiträge für diesen Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Am Sonnabend Vormittag wurde auf der Meißner Seite ein dreijähriges Mädchen zum bittern Schmerze seiner Eltern von einem mit Ziegeln beladenen Wagen überfahren. Die Verletzungen, die das Kind erlitten, führten nach einiger Zeit dessen Tod herbei. Pulsnitz. Man pflegt sonst das Pfingstfest mit dem Namen „das liebliche Pfingsten" zu bezeichnen, doch diesmal hat das Fest diesen Namen nicht verdient. Beide Festtage zeichneten sich bei uns durch unbeständiges, kaltes und regnerisches Wetter aus, und manche Pfingstparthie wurde in der That zu Wasser. Aber trotz alledem hatte sich zu dem am zweiten Feiertage Nachmittag stattfindenden Auszuge des uniformirten Jäger - Bataillons viel Publikum eingefunden, wie sich auch späterhin ein recht lebhafter Ver kehr auf der Festwiese ungeachtet des nassen Untergrundes entwickelt hatte. — Im Verkehr des leidenden Publikums mit seinen Aerzten tritt demnächst in Sachsen eine nicht unwichtige Veränderung ein. Es betrifft diese Aendernng den Arzt wechsel und die Hinzuziehung eines zweiten Arztes bei ein und derselben Krankheit. Bisher war es dem Taktge fühle des Arztes überlassen, es abzulehnen, einen Kranken, i den schon ein anderer Arzt behandelt, ohne dessen Wissen und Willen zu behandeln. Allerdings wurde auf diesen Punkt bei den den ärztlichen Vereinen angehörenden Aerzten schon stets geachtet; es galt als nicht statthaft, einen Standes- genossen zu hintergehen. Am 1. Juli tr-tt aber ein neues Gesetz in Sachsen in Kraft, daß die Zugehörigkeit zu den ärztlichen Bezirksvereinen obligatorisch macht, also jeden Arzt in die genannten Vereine hineinzwingt. Diesen Ver- einen verleiht das Gesetz die Disziplinargewalt über die Kollegen. Sie können moralische und selbst große Geld strafen auferlegen, wie dies bei den Rechtsanwälten schon längst eingebürgert ist. Damit wird denn die bisher von den organisierten Aerzten beobachtete Form gewissermaßen Gesetz und ihre Nichtbefolgung für den Arzt strafbar. Bezüglich des Verkehrs devPatientenmit seinem Arzt gilt, daß ein zweiter Arzt nur mit Wissen deS ersten zugezogen werden darf. Die Wahl des zweiten steht den Patienten frei, und der Kranke wird diesen zweiten entweder auf Vorschlag des ersten oder mit dessen Einwilligung selbst wählen. Ist eine Einigung in diesem Punkte unmöglich, so bleibt nur der Rücktritt des ersten Arztes übrig. Erst dann kann ein anderer Arzt in Thätigkeit treten. — Der Goldregen steht in Blüthenpracht; von neuem also sei auf die stark giftigen Eigenschaften dieses schönsten unserer Ziersträucher hingewiesen. Kinder können nicht eindringlich genug davor gewarnt werden. Nicht selten pflegen sie die Blüthen des süßen Saftes wegen auszusaugen. Diese sind jedoch so gifthaltig, daß schon der Genuß einer kleinen Menge tödtlich wirken kann. Selbst der Aufenthalt in der Nähe des blühenden Baumes ist thunlichst zu ver. meiden, da der starke Duft Kopfschmerzen erregt. — Eine überaus gute Ernte versprechen in diesem Jahre, wenn keine starken Fröste mehr auftreten, die Heidel-, Preißel- und Himbeeren zu geben. Der Fruchtansatz ist bei oll diesen Sträuchern, selb't auf wenig fruchtbaren Boden, ein äußerst reichlicher. Bischofswerda. Se. Ex. der Kriegminister v. d. Planitz hat, wie der „Sächs. Erzähler" vernimmt, der bei ihm erscheinenen Deputation unter Führung dis Herrn Bürgermeister Or. Lange in Garnisonangelegenheiten Fol gendes erklärt: Bei Formirung der für Sachsen bestimmten neuen Regimenter komme bezüglich der Lausitz die Errichtung nur eines neuen Regiments in Frage, und man habe mit der Belegung eines solchen nur die beiden Städte Bischofs werda und Kamenz von vornherein ins Auge gefaßt. Nach reiflicher Erwägung und Prüfung der örtlichen Verhältnisse sei die Frage endgilig zu Gunsten von Kamenz entschieden worden und es seien hierbei sowohl der in vieler Beziehung dort für sehr geeignet befundene Exercierplatz, sowie auch die in kürzerer Zeit zu erreichenden Schießstände von Königsbrück maßgebend gewesen. Der Kriegsminister ver- sicherte noch, daß er Bischofswerda für später im Auge behalten werde. Dresden, 23. Mai. Se. kgl. Hoheit Prinz Albert begab sich gestern von Leipzig aus nach Sybillenort zum Besuch der kgl. Majestäten. Heute folgten die Prinzlich Johann Georg'schen Herrschaften dorthin nach. — Se. kgl. Hoheit Prinz Friedrich August, welcher am 25. Mai seinen Geburtstag begeht — geboren 25. Mai 1865 — wird diesen Tag in 'Wachwitz bez. mit einem Familien-Ausflug begehen. Die sonst übliche Cour im Taschenberg-Palais findet nicht statt. — In dem sächsischen Armeecorps giebt es 5 Prinzen, 1 General aus reichsständischem Hause, 6 adelige General lieutenants, 7 adelige, 3 bürgerliche Generalmajore, 11 adelige, 24 bürgerliche Obersten, 15 adelige, 11 bürgerliche Oberstlieutenants, 33 adelige, 56 bürgerliche MajorS. An S balternosfi.ieren sind bei der Infanterie 8 Grafen, 44 Freiherren, 195 adelige, 400 bürgerliche; bei der Ca- vallerie 2 Mediadisirte, 10 Grafen, 20 Freiherren, 67 adelige, 35 bürgerliche; bei der Feldartillerie 3 Freiherren, 16 adelige, 137 bürgerliche; Fußartillerie 2 adelige, 36 bürgerliche; Ingenieure und Pioniere 1 adeliger, 32 bür- gerliche und beim Train 2 adelige, 14 bürgerliche Offiziere. Dresden, 22. Mai. Der wegen Ermordung des Töpfers Koch verhaftete Töpfergeselle Fleischer beharrt, wie verlautet, bei seinem Leugnen und dürfte ebensowenig wie Kögler und ähnliche Verbrecher jemals zu einem Geständnisse zu bringen sein. Die Schuldbeweise gegen ihn sind jedoch dem Vernehmen nach so schwer belastend, daß er seinem ver dienten Lohne auch ohne Geständnis nicht entgehen wird. Von dem Belastungsmaterial dringt jetzt so manches in die Presse, wird aber meistens nicht richtig wiedergegeben. Die Kriminalbehörden lehnen es ab, alles dasjenige der Oeffent- lichkeit preiszugeben, was zum Beweise der Schuld Fleischers dienen wird. Der Prozeß gegen ihn wird sich seiner Zeit vor dem hiesigen Schwurgerichte abspielen und dort wird man dann das ganze Material kennen lernen. Von den verschiedenen Zeitungsnachrichten sei nur die eine berichtigt, wonach Fleischer Komplizen haben sollte, von denen man auch schon verschiedene verhaftet habe. Es kann versichert werden, daß außer Fleischer niemand verhaftet worden ist und daß nicht der geringste Anlaß zu der Annahme vorliegt, daß noch andere Personen bei dem Morde betheiligt gewesen seien. — Der diesjährige Blumenkorso im Großen Garten zu Dresden hat den Veranstaltern einen bedeutenden pekuniären Vortheil gebracht, denn die Kasseneinnahme wies die Summe von 34 000 Mk. gegen 28 000 Mk. im Vorjahr auf. — Die sächsischen Offiziere, welche den Distanzritt nach Wien unternommen haben, sind am Mittwoch Abend dort eingetroffen. Sie wurden mit großer Aufmerksamkeit ausgenommen und behandelt und sind im „Hotel Imperial" als Gäste des Kaisers eingekehrt. Unter anderen war ihnen der iFeldmarschalllieutenant Freiherr v. Werserbe von der Wiener Garnison bis Stockerau entgegengeritten. Die Reiter und die Pferde kamen in vorzüglicher Ver fassung an. — Auf dem Alaunplatze in Dresden übte sich am Montag Nachmittag ein dortiger Einwohner mit einem Rover. Während dessen kam ein unbekannter junger Mann hinzu, fing ein Gespräch mit ihm an und unterstützte ihn im Fahren. Nach einiger Zeit wollte er sich einmal auf daS Rad setzen, um jenem zu zeigen, wie man denn eigent lich fahren müsse. Der letzere überließ ihm auch daS Fahr- rad unbedenklich. Der Unbekannte setzte sich darauf, fuhr einige Male gewandt auf und ab und verschwand dann plötzlich noch der Schützenkaserne zu auf Nimmerwiedersehn. Der um sein Rad geprellte Fahrer wartete noch lange, allein der unbekannte Dieb kam nicht wieder. — In eine komische, aber keineswegs benetdenswerthe Situation gerieth am Sonntag im „Westendschlößchen" in Plauen ein in Striesen wohnhafter Mann. Während er sich im Walzer wiegte, riß eine rauhe Hand die Tän zerin aus feinen Armen und legte ein Kind hinein, sein