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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230810
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-10
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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D«S Sett»»lg«r enttziilt di, »mtttch«« Urta»r«t>»«»ch«»g«n de» VoU»«i»rSsidi«»» L-i»,i«. «r. 188 klnrslnummsr S000 IV!srk kreilLg, üen 10. Lugust 1V23 ^SrN-^ULSSde 117. jsdrg. MWWMW^WWWWMWMW»WM^^- ' l- ' ,'^ü 1 rrMEHWJMMSW Vie ttanzlerrede t.. s. Leipzig, 9. August. Selten ist es Staatsmännern gegeben, der Aufmerksamkeit einer ganzen Welt so sicher zu sein, wie es gestern dem deutschen Reichskanzler beschieden war. Allenthalben wurde seinen Aeußerungen mit um so größerem Interesse ent- gegengesehen, je weniger die Leiter der Reichs politik sich bisher auf dem europäischen Forum gezeigt hatten, auf dem sich daher die Stimme unserer Widersacher und vor allem des eifrigsten unter ihnen, des französischen Ministerpräsiden, ten, so ziemlich allein vernehmen lassen konnte. In welchem Maße ist die außerordentlich günstige Gelegenheit, den deutschen Standpunkt darzulegen, und uns Freunde zu werben, von Herrn Cuno ausgenützt worden? Dies ist, wie uns scheint, der Gesichtspunkt, unter dem am ehesten eine objektive Wertung seiner Rede in ihrem außen politischen Teil zu erreichen sein wird. Und zunächst erscheint es, in solcher Belcuch. tung betrachtet, als ein Mangel der Kanzler rede, das sie manches als bekannt voraussetzt, was nicht einmal in Deutschland selber, ge- schweige denn im Ausland als bekannt gelten kann. „Die Welt weiß . . sagt Herr Cuno, wenn er von den Leistungen spricht, die Deutsch land vollbracht oder angcboten hat, um die For derungen des Friedensvertrages zu erfüllen und zu einem wirklichen Frieden zu gelangen. Aber wäre es in einer Kundgebung, die so sehr zu propagandistischer Wirkung geeignet war, nicht rätlicher gewesen, mit einigermaßen eingehender Darlegung von solchen Leistungen und Angebo ten zu sprechen? Sicherlich hätte ihre Rekapitu- lierung von so hervorragender Stelle aus gewiß nicht verfehlt, einen bedeutenden Eindruck auf d>e Leser der unzähligen, über den ganzen Lcd- ball verstreuten Zeitungen zu machen, denen der Draht gestern die Aeußerungen des deutschen Reichskanzlers übermittelte. Sicher wäre solche Kunde unserer Sache nützlicher gewesen als die Klage gegen den „von Verbrechen aller Art bezeichneten Weg, den die französi ch - belgi-che Ingenicurkommission mit der Schutzmacht ihrer Gruppen auf ihrer friedlichen Arbe.r gegangen ist." Die Beschwerde Ist an sich tausenoma.' be rechtigt und es besteht gar kein Zweifel der über, daß die Vorgänge im Ruhrgebiet mit zu dem Sknndalöiesten gehört, was die Wsltge'chlclne zu verzeichnen hat. Doch besteht die Gefahr, daß das Unerhörte, in so trockener und dürrer Form vorgetragen, zu dergleichen mit anderen, nicht gar weit zurückliegenden Vorgängen anregen könnte, die von unseren Gegnern in der Welt immer wieder, und gerade in diesen Tagen wie- der, mit neuem Eifer gegen uns ausgebeutet werden. Cs würde nicht schwer halten, solcher Belege einer mangelhaften Einschätzung dec psy chologischen Wirkungen in der Rede des Kanz- lccs noch mehrere anzuführen. Und wenn sie dadurch zu einem unzulänglichen Werkzeug der Propaganda nach außen gestempelt wird, so ist es unter dem Gesichtspunkt der äußeren und inneren Wirkung gleich bedauerlich, daß der Kanzler sich in dem Teil seiner Rede, der sich mit Deutschlands Beziehungen zu den anderen Mächten befaßt, auf die Verkündigung von aus- schl'eßlich negativen Richtlinien der Reichspolitik beschränkt hat. Wir wollen nicht mit Frank- reich verhandeln, wir haben nicht viel von Eng- land zu erwarten. So der Kanzler. Der deutsche Bürger aber, ist er nicht berechtigt, nun aus dem Munde des Lenkers der Neichspolitik einiges über die Richtung zu erfahren, in der unsere Diplomatie sich unter den Völkern zu be wegen gedenkt? Abgesehen von den Aeußerungen über die Aufrechterhaltung des passiven Wider- standes, der denn doch nicht die ganze Außen- Politik des Reiches ausmachen kann, findet man in der Rede des Kanzlers kaum ein Wort, das als Antwort auf solche Frage gelten, zur außen- politischen Orientierung der Bürger dienen und ihre Gespräche über die Lage des Reiches unter den Nationen aus den Niederungen der bloßen Kannegießerei emporreißen könnte. Der verant wortliche Staatsmann ist nicht nur der Leiter, sondern in gewissem Maße auch der Lehrer der Nation, denn er allein vermag ihr die tatsäch lichen Grundlagen eines halbwegs mit der Wirk lichkeit übereinstimmenden politischen Denkens zu liefern. An dergleichen Unterweisung ist aus des Kanzlers Rede herzlich wenig zu gewinnen. Was Herr Cuno und nach ihm ausführlicher Herr Hermes an finanzwirtschaftlichen Maßnahmen angekündigt hat, entspricht im gan- zen wohl — im einzelnen muß das Urteil näherer Betrachtung Vorbehalten bleiben —den Forderungen, die von der öffentlichen Meinung immer dringlicher gestellt worden sind. Das Ministerium Cuno hat eine lange, allzulange und mit einer katastrophalen Entwicklung der staats- wirtschaftlichen Dinge ausgefüllte Zeit gebraucht, um endlich zu den Entschließungen zu kommen, deren Dringlichkeit schon seit Monaten feststeht. Schon aus diesem Grunde scheint es höchst zwei felhaft, ob just das Kabinett Cuno am berufen- sten und vertrauenswürdigsten sei, wenn es sich darum handelt, solche Entschließungen endlich in die Tat umzusetzen. Die Parteien zur Kanzlerreöe Aussprache im Reichstag — Berliner Betriebsräte fordern Ennos Rücktritt Berlin, S. August- Schon längere Zeit vor Be ginn der heurigen Neichstagesitzung, die die Debatte über die gestrige Regierungserklärung bringen soll, herrscht im Reichstag große Unruhe. In den Gänge,', und vor den Fraktionszimmern erscheinen fort während Deputationen, die erregt auf dir sozialdemokratischen Abgeordneten cinreden. Es sind Betriebsratsmitglieder von Ber- liner Großbetrieben, die im Namen ihrer Belegschaften den Rücktritt des Kabinetts Cuno verlangen und zur Durchsetzung dieser For derung den Streik androhe n- Der Beginn der Sitzung verzögert sich bic Uhr. Als erster Debatteredner spricht der Sozialdemokrat Müller-Zranken Er weist darauf hin, daß in den breiten Massen des deutschen Volkes ein« ungeheuere Er bitterung entstanden sei über die unhaltbaren wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Hausfrau erhalte auf den Märkten nichts mehr für ihre vielen Papier- scheine, die der Dolksmund bereits „Havenstein- r u b e l" getauft habe. In einer solchen Zeit sei eine Predigt des Reichskanzlers mit der Ermahnung, weniger zu konsumieren und mehr zu sparen, ganz unangebracht. Der Spartrieb sei durch die Pol-tik der Rcichsbank ertötet worden. Der Redner polemisierte dann gegen die Frei gabe der Lebensmittelversorgung und gegen die Ver- fiitterung der Rekordernte des vorigen Jahres. Die Nuhrabwchr sei ein Krieg und deshalb durfte man nicht wieder Monate mit den Kricgsmaßnahmcn warten. Die wertbeständige Anleihe hätte schon längst eingeführt »erden müsssen. Wenn sich der „Tempo" heute gegen eine solche Anleihe wendet, so gehe daraus nur her vor, daß Frankreich Deutschland vollkommen zer- schlagen wolle. Die Rheinländer würden sich aber niemals cntdeutschen lassen. Dann ging Müller auf den bayrischen Rechtsradikalismus über, der für die deutsche Front die größte Gefahr bilde. Die fran- zösischen Separatisten müßten an den Vorgängen in Bayern ihre Helle Freude haben. Die Haltung der bayrischen Regierung sei eine gefährliche Unterstützung der französischen Be- streb ungen. Der Ausnahmezustand in Bayern sei trotz aller Bemühungen noch immer nicht auf gehoben. Der Redner geht dann auf den Konflikt zwischen der Neichsreqierung und drm sächsischen Ministerpräsidenten ein und erklärt, wenn in Sacbsen und Thü ringen über den Bürgerkrieg geredet werde, so könne sich derjenige nicht darüber wundern, der das Treiben der bewaffneten Banden in den Nachbar gebieten gesehen habe, namentlich des Iungdcutschen Ordens in Loburg (Zuruf rechts: Und die Träger des Sowjetsterns?!). Reden Sie nur nicht mehr vom Sowjetstern, nachdem Hakenkreuz und Sowjetstern ein Bündnis geschloffen haben. (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit.) In Sachsen und Thüringen hat man gewarnt und diese Warnungen an die Reichsregierung weite« gegeben. Vor allem handelte es sich auch um die Not der Sozialrentner. So unerquicklich dieser ganze Notenwechsel gewesen ist, so verstehen wir doch den Standpunkt der sächsischen Regierung (Beifall links lebhafte Zurufe rechts: Unerhört!) Denken Sie (nach rechts) an Ihre Organisationen! (Zuruf rechts: Den ken Sie an Ihre Hundertschaften!) Wenn sie vor handen waren, dann waren sie notwendig (sehr wahr bei den Soz.; andauernde große Unruhe und Zurufe links und rechts). Zuerst müssen die Organisationen beseitigt werden, die die proletarischen Hundert schaften hervorgerufen haben (sehr wahr bei den Soz.). Kommt es zu einem zweiten Kapp-Putsch, dann wird er auch zum zweiten Male abgeschlagen werden. Das Staatsgcfüge würde über einem solchen zweiten Putsch ausein- andergehcn. Weil wir dieses Gefüge schützen wollen, sind wir gegen die Förderung rechtsradikaler Organisationen. Auf das außenpolitische Gebiet übergehend, be- tsntc auch der sozialdemokratische Redner, wie schon gestern der Reichskanzler, daß Deutschland auf England keinerlei Hoffnungen setzen könne. Nach der Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion werde sich England nicht von Frankreich trennen. Die deutsche Politik müsse sich also jetzt darauf einstcllen, daß demnächst wieder einmal die Reparationskommission, also die Gesamt heit der Alliierten, in die Erscheinung treten werde. Vermutlich werde es hierbei zu irgendeiner Art von Finanzkontrolle kommen. Diesen Eingriffen gegen über müsse die deutsche Regierung gerüstet sein. Keinesfalls dürste eine Finanzkontrolle eine Ein schränkung der deutschen Souveränität mit sich bringen; denn Höchstleistungen von Reparationen seien nur freiwillig zu erzielen. Müller forderte dann, daß die in der letzten deut- schen Note angebotencn Garantien der Wirt schaft sofort gesetzlich festgelegt werden. Zu der vermutlichen Aktion Englands, da« Reparation». Problem dem Völkerbund zu überweisen, erklärte Müller, trotz der geringen Sympathien seiner Partei für den Völkerbund in seiner jetzigen Konstruktion halte die Sozialdemokratische Partei cs an der Zeit, daß Deutschland einen Antrag auf Zu- lassung zum Völkerbund stelle. Der Redner sprach schließlich für seine Fraktion das Einver ständnis mit den Steuergesetzcn der Regierung aus, forderte aber eine Ergänzung der Steuervorlagc durch die sogenannte Lohnsummen, steuer für Handel, Industrie und Bankwesen und durch eine Roagensteuer für die Landwirtschaft. Weiter forderte Müller eine neue Mark stütz u n c s a k t i o n und Maßnahmen, daß diese Aktion nicht wieder sabotiert werde. Auf jeden Fall müßten die Devisen der Industrie herausgeholt und die Einfuhr teilweise gedrosselt werden. Ebenso not- wendig sei eine Aenderung des Autonomiegesetzes für die Reichsbank. Am Schluß seiner Ausführungen äußerte sich der Redner zu der vom Kanzler gestell- ten Vertrauensfrage. Er erklärte, daß seine Partei nicht gegen das Finanzprogramm der R e g i e r u n g-sei, daß das Programm aber durch die sozialdemokratischen Vorschläge noch ergänzt werden müsse. Die Sozialdemokraten hätten zu jeder Regierung Vertrauen, die bereit sei, dieses Pro gramm durchzuführen. Rbg. Marx (Sentr.) gibt im Namen des Zentrums eine Erklärung ab, in der es heißt, daß die Lage nie ernster und gesahr- drohender gewesen sei als jetzt. Alle verfügbaren Kräfte der Nation müßten einheitlich zusammengefaßr werden. Dies weroe gelingen, wenn der Wille dazu überall geweckt und ohne Zeitverlust damit begonnen werde. Die bestehenden Möglichkeiten für eine Besse- rung unserer Verhältnisse müßten energisch und um- sichtig ausgenützt werden. Dazu sei erforderlich erstens unverzügliche Aufbringung ein cs ausreichenden Goldschatzes, dessen Zweck bestimmung sein solle die Beschaffung von Lebens mitteln und die Beruhigung unserer Währung. Nicht unbedingt lebensnotwendige Einfuhr müsse aus geschaltet werden; zweitens Schaffung wert- beständiger Anlagemöglichkeitcn und drittens Ordnung im Reichehaushalt und Sparmaßnahmen- Dor dem Eingriff in die Her- mögcnssubstanz dürfe nicht zurückgeschreckt werden. Der Zugriff sei unvermeidbar. Das Leben der Nation müsse über allem stehen. (Lebhafte Zu- stimmung im Zentrum.) Die Reichsregierung müsse unverzüglich Maßnahmen ergreifen- Beklagenswert sei, daß weite Kreise unseres Vol- kcs unsere Lage noch nicht begriffen hätten. Alle Opfer seien geringfügig im Vergleich zu den Leiden, die unsere Brüder und Schwestern im besetzten Ge- biet erdulden müßten. Sie müßten ein leuchtendes Vorbild für uns sein. Das Zentrum gebe den Ge- danken zur Verständigung nicht auf und habe den ehrlichen Willen zum endlichen Frieden, den nicht nur Deutschland, sondern auch ganz Europa so nötig habe. (Beifall.) Rbg. Stresemann (v. vpt.) Es kommt auf uns an, ob wir die Dinge zu meistern verstehen. Die Entscheidung, um die es heute geht, kann nicht, wie ein Teil der Presse meint, durch einen Kabincttswechsel ge- sch eh en. Es geht um mehr, es geht um die Auf- rcchterhaltung der verfassungsmäßigen Zustände im Reiche. Wenn sie aushören, steht auch das Reich in Frage. In der Welt, auch in England, denkt man über unseren passiven Widerstand sicher nicht anders, als man cs offiziell ausspricht. Unser Volk führt den passiven Widerstand nicht als Sport; er wird geführt zur Wiederherstellung vertragsmäßiger internatio- nalcr Zustände, für eine Lösung der Reparation»- frage in einem Sinne, der uns bei größten Opfern und harter Arbeit die wirtschaftliche, nationale und finanzielle Existenz ermöglicht. Dieser passive Widerstand ist der stumme Auf- schrei eines unerhört geknechteten Volkes (lebhafte Zustimmung). Wir rechnen nicht auf eine Trennung der Entente aber wir müssen auch den englischen Staatsmännern sagen, deutscher Zusammen bruch und englische Arbeitslosigkeit sind identisch, deutscher Bolschewismus ist eng lischer Bolschewismus, wenn Deutschland stürzt, so stürzt Europa mit uns (lebhafter Beifall). Die Deutschen neigen nicht zum Bolschewismus, und die Kommunistisch« Partei wäre kein politischer Macht faktor, wenn ihr nicht zu Hilfe käme die Zerstörung aller ethischen und sittlichen Werte durch die Vcr- zweiflungsstimmung (Beifall). Das offizielle Frankreich arbeitet mit Absicht auf unsere Zerstörung hin. Es fürchtet jetzt geradezu, daß wir uns, wenn auch spät- selbst helfen könnten. Darum protestiort jetzt der „Temps" gegen eine deutsche Goldanleihe unter Garantie der deut- fchen Wirtsclmft. Wenn jetzt wirklich durch die neuen Steuermaß. nahmen die für die Reparationen erforderliche Sub stanz angegriffen wird, so hat da» Frankreich durch feinen Nuhrcinbruch felbst verschuldet. Frankreich soll sich durch die Ruhe des Volkes an der Ruhr über das Deutschtum dieses Volkes nicht täuschen. Wie es Schöiihrrr in „Glaube und Heimat" schildert, so leider und opfert diese» Volk sich jetzt für sein Vaterland. Wenn dieses Reich, das seinen Bürgern nichts geben kann, trotzdem viele Hunderttausend- veranlaßt, Haus und Hof zu opfern, um die Treue wir nicht an der Zukunft dieses Landes zu verzweifeln. (Stürmischer Beifall.) D:r H a ß gegen Frankreich bestand in Deutschland nicht einmal während des Krieges, er ist ein Pro- duktder französi schen Politik nach dem Kriege. Frankreich läßt sich in seinem Vernich- tungswillen gegen Deutschland gar nicht dadurch be- einflussen, ob wir demokratisch, republikanisch oder von rechts regiert werden- Wir brauchen endlich den Frieden, und kein Opfer ist für ihn zu hoch. Leben und Sterben des deutschen Volkes hängt nicht davon ab, ob wir eine Goldmilliarde mehr bezahlen, aber davon, daß Rhein, Ruhr und Saar bei Deutschland bleiben. (Stürmischer Beifall.) Nach Stresemann sprach der Deutschnationale Hergt. (Bericht liegt noch nicht vor.) Sodann er- griff kluhenminifter vr. Rosenberg das Wort. Seine Ausführungen gipfelten in der Stellungnahme zu dem Eintritt Deutsch, lands in den Völkerbund. Er erklärte, daß Deutschland bereit sei, in den Völkerbund einzu- treten, daß aber erst die Hemmnisse von außerhalb aus dem Weg geräumt sein müßten. Wichtiger als der statutenmäßige Völkerbund sei die wirkliche Dölkerversöhnung, die einen solchen Völkerbund un nötig macht. Deshalb müsse eben alle Politik Europas darauf gerichtet sein, eine solche Volke?» Versöhnung endlich zustande zu bringen. (Die Sitzung dauert fort.) Vas Echo der presse In Berlin: Rbwarten Berlin, 9. August. (Eig. Tel. Die Kommen- tare der Berliner Presse zur Rede des Reichs kanzlers Luno sind größtenteils auf einen Ton ge stimmt: Abwartend. Von einer Kanzler krise ist nirgends mehr dieRede. Der Vorwärts" stellt als Eindruck der Sitzung fest: Luno ist von den Kommunisten gerettet worden. Er meint, der Reichskanzler hätte nur das Mindestmaß des konventionellen Beifalls ernten können, wenn nicht das alberne Treiben der Kommunisten zu Gegendemonstrationen angereizt hätte. Das sozial demokratische Organ ist der Ansicht, daß der kata strophale Zustand der deutschen Wirtschaft die bürger- lichen Parteien und die Regierung in eine Stimmung versetzt habe, in der sie sozialdemokratischen Rat schlägen zugänglicher seien denn je. Politisch bleibe von der gestrigen S'kung der Eindruck, daß eine unmittelbare Regierungskrise zwar wahrscheinlich nicht be vor st ehe, daß es aber für die Parteien, insbesondere auch für die Sozialdemokratie Zeit sei, sich auf die Aufgaben vor- zubereiten, vor deren Lösung sic der nächste Regie rungswechsel stellen würde. Dem „D c r l i n e r T a g e b l a t t" ist die Rede des Kanzlers zwar in manchen der angekündigten finanz politischen Maßnahmen unbestimmt, sie zeige ober doch den festen Willen, schnell und gründlich zu helfen. Die beste Vcrtrauenskundgc bring werde es se-n, wenn der Reichstag, ohne auf Kritik an der Regierungsvorlage zn verzichten, sich einig, fest und entschieden zum vassiven Widerstand bekenne. Unbedingt notwendig sei es, daß die leitenden Stellen des Neichsfinanzministeriums und der Reichs- bank mit Männern besetzt würden, denen nicht erst Studium der Kritik, sondern eigene Einsicht und Entschlußkraft die notwendigen Richtlinien gäbe. Auch die „Vossischc Zeitung" legt den Hauptwert ihrer Kritik auf die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Maßnahm-m. Die neuen Dor- schlage seien völlig unsiibstanzicrte Zuknnftswechkel, von denen man weder die Aussteller noch die Akzep tanten, noch die Giranten kenne. Volk und Parlament, so schreibt das Blatt, wollen die Fortsetzung des Widerstandes, wollen die nationale Verteidigung, sie wollen jedes Kabinett der nationalen Derteidigurg unterstützen, aber ein Kabinett der nationalen Ver- teidigung ohne Wirtschastsministcr und Finanz minister der nationalen Verteidigung ist ein Unding. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" registriert als Ergebnis der Sitzung: „Das längst vermißte Staatsbewußtsein der Regierung gegenüber den Faschisten von rechts und links scheint erwachs zu sein, und wenn die Aktivität de« Kabinetts nach außen abwehrend, noch innen durchgreifend kraftvoll sich entwickelt, dann wird das deutsche Volk wicdc» Dk'trauen fass-n." Der.BerlinrrLokalonzeiaer" findet, dosi die Rede ihrem Inhalte nach im allgemeinen wohl »merliumlraer «eiam«« * 8oorlerlksde! I-. 7* Nsilin l.nnelon Voi-KUr,« p,ri'.«t ». S. 000025 4060000 2UrI«N 4KH.7Z!l6?7M00 Vc-,d<»r, >
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