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Dresdner Journal : 03.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189709034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970903
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970903
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-03
-
Monat
1897-09
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 03.09.1897
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Be,»K«-ret«t Uttr Dresden riettiljährlich. 2 Mark so Ps., bei den Kaiser lich deutschen Postanstalte» drerteljahrlich »Mark; außer halb de« Deutschen Reiches Poft- and Sttnpelzuschlaa Einzelne Nummern: 1V P,. Erscheine«: Däglich mir Ausnahme der Eoan- und Feiertage abends. Fernipr -Anschluß: Nr1S-L 204. DrrMcr >«rß»st»ni,s«e»thrt»» F-r den Naum einer aespat» trnen Zeile kleiner Schrift ,0 Pf Unter „E««s«M- di« Zeil« »0 Pi vei Tabellen- «nd Ziffer«^ entsprechender Anftchtag Hern«s«e»er Königlich« Lxpedtttmi des Dresdner Journals Drrsd, n, Znnngertzr so. Fernspr -Anschluß: Nr ILBt 1897 Freitag, den 3. September abends. Amtlicher Teil. Le. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Kammerjunker und päpst liche Geheime Kämmerer, Adolf Freiherr von Schön berg, Rittergutsbesitzer aus Thammenhain, daS ihm verliehene Comthurkreuz des päpstlichen Ordens vom Heiligen Grabe annehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädiast zu genehmigen geruht, daß der Vorstand und die nach genannten Beamten der Polizeidirektion zu T-esden die ihnen von Sr. Majestät dem Könige von Siam verliehenen Auszeichnungen, und zwar: der Polizei präsident Le Maistre das Comthurkreuz des Kronen ordenS mit dem Sterne, der Regierungsrath Manitz und der Polizeihauptmann de Rudder den Elephanten- orden 5. Klasse, die Polizeiinspektoren Halbauer und Fichtner die goldene Medaille, sowie der Wacht meister Semig und der Gendarm Schork die silberne Medaille, annehmen und tragen. Srueuuuugeu, Verietzungeu re. im öffentlichen Dienste. I« Geschäftsbereiche beS Ministerinm» der Justiz. Tas von dem RechlSanwalt Franz Gottfried Bauer in Chemnitz bekleidete Amt eines Notars ist durch Niederlegung und Feststellung nach § 6S der Notariai-ordnrng vom S Sep tember 1892 erloschen. I» Geschäftsbereiche des Ministeriums berFinanzen. Bei dem Finanzministerium sind ernannt worden. Schubert, zeither Büreauasiistent, als SekreiSr; Kegel, zeither Srenzausseher s d B, als Büreauassistent; Fischer, zeither Plombeur beim Haupisteueramt Dresden, alS Diener. I» Geschäftsbereiche »r» kNiuifterium- des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zur Erledigung kommt die Lehrerstelle an der 2 Nass. Schule in Dittmannsdorf bei Geringswalde Lollator: die oberste Schulbehörde Einkommen: 1000 M Gehalt und Amtswohnung im neuen Schulhause sowie 200 M persönliche Zulagen bis zum Eintritt der Rlters- zulagen, 72 M. für Fortbildungsschule und 36 M für das Sommerturnen. Gesuche sind unter Beifügung sämtlicher Zeug nisse bi- in die neueste Zeit bis zum 18 September bei dem König! BezirkSschulinspektor Schulrat vr. Böhme in Rochlitz einzureichen Im Geschäftsbereiche des Svangelifch-lutherischen LandeSconfiftorinms sind oder werden demnächst folgende Stellen erledigt; davon sind zu besetzen .V) nach dem Kirchengesede vom 8 Dezember 1896 im II Halbjahre 1897: vucat — o) im regelmäßigen Besetzung-verfahren: dal Pjarr- amt zu Obcrwinkel mit Grumbach Glauchau) — Ll-U(^) — Collator: die fürstliche Herrschaft von Schönburg Walden burg: das Pfarramt zu Kloschwitz (Plauen) — Kl. I — Collatcr: Rittergutsbesitzer Iulius Hermann Hager aus Llosch witz.—Dagegen wurden angestellt, beziehentlich befördert: Ur pdil. Karl Gustav Blumstengel, Tivisionsprediger a T, als Pfarrer in Kleinzschachwitz «Pirna); Curt Hoßfeld, Predigt- amtSkandidat, al-Hilf-geistlicher in Neuw ese - Paroch.eOtl-niy — (Stollberg) nichtamtlicher Teil. Ter Hampf um die Geschäftsordnung im öster reichischen Reichsrate. Die vorgestern begonnenen Verhandlungen der Vertreter der Rechten mit dem Ministerium Badeni haben allem Anschein nach bereits zu dem erstrebten gemeinsamen Ziele geführt. Tie Verständigung zwischen den beiden unterhandelnden Teilen darüber, um welchen Preis die Mehrheitsparteien den neuesten, auf die Bewältigung der deutschen Obstruktion im Abgeordnetenhause abzielenden Plan der Regierung durchzuführen haben werden, steht schon außer aller Fraoe. Formell beruht dieser Pakt aus dem Zu- Lunss und Wissenschaft. „lH san lulle" in München. Heinrich Bulthaupt schreibt in der „Weser-Zeitung": Nur ein einziger Tag war mir, als meine Ferien sich zu Ende neigten, für München verblieben, und der brachte mir eine unerwartete Freude Nicht sowohl in der Kunst ausstellung im Glaspalast, die ein weit längeres Verweilen erfordern mochte, damit man mit Laienaugen wie den meinen das Vortreffliche herausfindet, das von dem Markt schreierischen, dem Barocken und Fratzenhaften, das sich oft bis zur Unerträglichkeit vordrängte, für den ersten Blick überwuchert wurde — wohl aber im Theater, dem der Abend gehörte Tort gab man „Oosi tän lulle" in neuer Einrichtung Dort also kam ein Unsterblicher zu Gehör, der, wie leicht immer diese seine Schöpfung wiegen mochte, sich doch niemals unter Berufung auf die Natur so grausam gegen diese versündigt hatte, wie so viele Aussteller de- Glaspalastes. Nicht auf die Höhen, nicht in die Tiefen des „Don Juan", nicht in die heiligen Liebesgründe der „Zauberflöte" führt uns hier seine sieg hafte Kunst Er spielt, er tändelt Aber was er ver kündet, ist Wohllaut, und ein paar Stunden in dem klaren Bade dieser Töne herum zu plätschern, giebt uns solch ein unsägliches Wohlgefühl, daß man darüber schon einmal — es sind ja nur ein paar Stunden — den Ernst der Zeit und des ganzen Leben- vergessen darf Und das Libretto mit seinen Thorheiten und Schwächen würde uns Mozart- Musik ja auch vergessen machen k Gewiß, da- hat sie immer geil,an Aber doch immer nur zum Teil. Daß man seine Mängel aber ganz, oder doch fast ganz vergaß, ja daß man auch die Handlung dieser MaSkenkomödie, die kein Vernünftiger ernsthaft nehmen kann, mit dem heitersten Behagen zu genießen vermochte, das ist einzig de» neuen Intendanten und seiner Künstler Verdienst standekommen eines Kompromisses zwischen dem in der Thronrede vom 29. März d. Js. niedergelegten Regierungsprogramm und den in der Mehrheits adresse enthaltenen „Grundsätzen" der Politik der Majoritätsparteien. Tiefe beiden politischen Elaborate wurden in Uebereinstimmung gebracht — angeblich ohne Preisgebung der in demselben zum Ausdruck ge brachten Leitpunkte der beiden PaciSc?nten —, und nun steht dem einträchtigen Zusammenwirken der Re gierung und der auionomistischen Mehrheit kein Hinder nis mehr im Wege. Tiefes Zusammenw.rken des Grafen Badeni und seiner neu eiugeschworenen Ver bündeten auf der Rechten gilt zunächst einem ernsten, und wie eS scheint auch letzten Versuche, die parla mentarische Krisis — wie das „Fremdenblatt" ver sichert — vor allem auf parlamentarische Weise und durch da» Parlament selost zu sanieren. Wie dieser Versuch der Unterdrückung der Obstruktion im Ab geordnetenhause inszeniert werden soll, darüber fehlen noch genauere Angaben. Tas Sprechorgan der mähri schen Klerikalen, „Hlas", bringt aus Wren die Meld ung, daß der Kaiser bereits die Einwilligung zur Abändeiung der Geschäftsordnung des Abgeordneten hauses durch eine Kaiser!. Verordnung auf Grund des 8 14 der Verfassung gegeben habe, falls die Mehrheitsparteien sich mit einer derartigen Vergewaltigung dieses Grundgesetzes der parlamrn torischen Rechte und Freiheiten einverstanden erklären sollten. Tie Zustimmung der Jungischechen zu diesem Regierungsakte steht zur Stunde noch aus, aber schließlich dürfte sie doch noch um den von ihnen ge forderten Preis gewonnen werden. Sie verlangen Garantien dafür, daß die Regierung später den Spieß nicht umkehren und auf Grund der oktroy ertrn Geschäftsordnung den Vertretern des tschechischen Volkes im Parlament jede Möglichkeit einer wirk samen Bekämpfung der Regierungspolitik benehmen wird. Die Vertreter der übrigen Mehrheit-Parteien stehen hingegen aus dem Standpunkte der unbedingten Anerkennung der Slaalsnotwendigkeit, daß ein Funk tionieren des Parlamentarismus und der Staatsmaschine um jeden Preis ermöglicht werde. Die Änderung der Geschäftsordnung müsse demnach von den MehrheitS- parteien nicht an eine für die Regierung uneinnehmbare Bedingung geknüpft werden, zumal diese geplante Änderung der Geschäftsordnung außerdem noch mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden sei. Dies bezüglich verlautet, daß man zunächst versuchen dürfte, dieses Ziel durch einen gleich beim Zusammentritt des Reichsrates eingebrachten Antrag auf eine ent sprechende Änderung der Geschäftsordnung zu erreichen. Wenn dieser Versuch fehlschlagen sollte, dann hätte die Änderung der Geschäftsordnung in einer Weise zu geschehen, welche die Mehrheit der Aufgabe der Ein bringung eines derartigen Antrages enthebt und von ihr nur eine Kundgebung verlangt, daß sie mit der auf Verordnungswege geschaffenen Bahn einver standen sei. — Von Interesse ist eS zu erfahren, was man in Ungarn über den Stand der Dinge denkt. In seiner Vorbesprechung der vorgestrigen Konferenz be merkt der „Pester Lloyd": Wie wiid Graf Badeni sich in dieser Gesellschaft befinden? Meinl er wirklich, mit ihr, trotz der Deutschen und gegen die Deutschen regieren zu können? Einigermaßen interessiert diese Frage doch auch hierzulande aus einleuchtenden Gründen. Se:i länger als sünszehn Jahren fällt Österreich ron einem Lersuch in den andern, von einer Krise in die andeie und jeder neue Versuch und jede neue Krise zehrt an den Lebens- etementcn des Staates; — wie lange, meint man, könne der kranke Körper, der sich Österreich nennt, diese böse Kur psuscherei noch vertragen? . . . Die offizielle Politik Öster reichs manifestiert seit manchem Jahre sich lediglich in gedankenlosen Experimenten von Einsal! zu Einsall, odcr in kühnem Zugrersen je nach dem Temperament oder den augenblicklichen Dispositionen des leitenden Ministers Sehen wir auch die bezwingenden Thaten des Grasen Badeni nicht, die außergewöhnlichen Respekt vor seiner Und wiederum des Intendanten an erster Stelle Tw Inszenierung der Oper war schlechtweg ein Meisterstück Ton und Bild zauberten uns in eine von Licht und Farbe funkelnde, strahlend heilere Welt. Und sie blieben keine toten Zeichen Alles an ihnen war von Seele durchströmt, von süßer Sinnlichkeit durchwärmt, von Schalkheit und Grazie belebt Und das Geheimnis dieser Wirkung? Possart hat eben die Oper und ihren Charakter verstanden und ihr als Regisseur gegeben, was ihr demgemäß rukam Tas sollte freilich ein jeder thun, der die- wichtige Bühnen amt verwaltet — aber wie viele sind kraft oder mangels ihrer Begabung dazu im stände? Er hat, wie eS die Meininger thaten, dem Geist des TramaS den Körper ge baut und sich zunächst weislich davor gehütet, dem Werk mit der grämlichen Miene des Pedanten zu nahen Wo aber die Handlung unheilbaren Schaden nimmt, da hat er unS über ihre Gebresten durch die Reize der Ausstatt ung und eine Fülle feiner und heiterer Züge hinweg- getäuscht, sodaß auch die Ernsthaftesten gute Miene machten und dem dramatischen Fasching luftig applaudierten An sich ist es ja freilich ein starkes Stück, daß zwei junge Damen „aus der besten Gesellschaft" ihren Liebhabern, die sich auf ihre Treue verwettet haben und die, um die Holden zu prüfen, in einen Scheinkrieg ziehen, die heißesten Thränen nachweinen, um sich noch am selben Tage mit denselben Liebhabern, die sofort unerkannt in Vermummung zurückkehren, überkreuz wieder zu verloben! ES ist schon mehr als Toleranz, daß die Liebhaber trotz ihrer Entrüstung den Schönen diese Untreue so wenig Nachträgen, daß sie sich, al« sie nun in ihrer ersten und echten Gestalt ebenfalls noch am selben Tage wiederkrhren, nach einigen Wut- und Spottszenen vielmehr ganz gemüt lich mit den bedenklichen Bräuten znm Hochzeitsmahl mederlaflen — wohlbemerkt demselben HochzeitSmahl, da« die wankelmütigen Damen für ihre anderen, ihre Pseudo- Verlobten hatten anrichten und an dem sie e« sich auch schon hatten wohlschmecken lasten! E« ist kaum denkbar, Weisheit einzuflößen vermöchten, so muß er ohne Zweifel wenn auch verborgenblütige, doch große Qualitäten besitzen, wenn er heute noch, inmitten der Situation, die er geschaffen hat, al- der einzig mögliche und darum schlechterdings unersetzliche Ministerpräsident gilt Allein seine Unfehlbarkeit in Ehren — wir wagen gleichwohl die Behauptung, daß er sich aus die Sprachenverordnung nicht eingelassen haben würde, wenn er deren Folgen hätte voraussehen können Und diese Folgen lassen sich gar nicht rückgängig machen Angenommen, es würde gelingen, die parlamentarische Obstruktion der Deutschen zu brechen, die Delegation-Wahlen und das AusgleichS- proviforium :c zu erzwingen — die Thatsache, daß der nationale Radikalismus unter den Deutschen zur Herrschaft empor gestiegen ist, wäre dadurch nicht nur nicht au- der Welt geschafft, sie würde nur an Inhalt und Drese gewinnen, in dem Maße, als die Hoffnung auf Remedur zusammen- schwinket Muß es trotzdem und alledem bei der Verordnung sein Bewenden haben aus jede Gefahr hin ? Wenn der Rock falsch geknöpft ist — sagte Deal einmal — bleibt nicht- andere- übrig, als ihn aufzuknöpsen; sollte diese schlichte Weisheit Franz Deals nicht auch dem Grasen Badeni rin biSL'n empfehlenswert fein? Wir verwesten unS nicht, daraus eine Antwort zu erteilen. Nur will unS scheinen, daß der schwere Mißgriff, der mit dieser Ordonnanz gemacht worden ist, noch übergipfelt werden würde, wenn der österreichische Ministerpräsident sich allzu tief mit der Rechten des Abgeordnetenhauses ein ließe Ueber den Zweck der morgigen Konferenz gehen zwei Le-arten durch die Blätter; nach der einen soll Graf Badeni nur ein Arbeit-Programm vereinbaren, nach der andern sich der Majorität mit Haut und Haar verschreiben wollen Da- letztere können wir trotz manch übler Erfahrungen und Vorzeichen nicht glauben. Gras Badeni kann es mit feiner hohen Verantwortung nicht für verträglich halten, einen Zu stand hnvorzurufrn. der die Deutschen systematisch in die Opposition und — zum Verzweiflungskampfe drängt. Tie wirtschaftliche Lage der indischen Bevölkerung. Gerade zu rechter Zeit, angesichts der zu einer immer größeren Gefahr werdenden Gärung in Ler indischen Bevölkerung, ist von einem früheren Beamten der indischen Regierung W. Crooke ein Buch erschienen, das die bestehenden Verhältnisse in den nordwestlichen Provinzen von Jntien behandelt und für die Be urteilung der wirtschaftlichen Lage der indischen Ein geborenen überhaupt wertvolle Mitteilungen giebt. Der Verfasser hebt mit augenscheinlicher Sachkenntnis die ungeheueren Schwierigkeiten hervor, welche die indische Verwaltung vor sich sieht. Zunächst befaßt er sich mit der Frage: wie eS um die Ernährung des Volkes steht. Wie die periodisch wieder- kehrenden Hungersnöte beweisen, ist die Ernährung zu Zeiten sehr schlecht Eine Hungersnot hat wirtschaft liche und soziale Gründe, unter letzteren wiegt ein Zustand der Ucdervölk rung am schwersten. In anderen Ländern und bei anderen Völkern ist, wie die Ge schichte an unzähligen Beispielen zeigt, ein Gegen gewicht gegen diese Gefahr durch die Auswanderung nach anderen, weniger bevölkerten Gebieten gegeben — nicht so in Indien. „Dieses Volk verzichtet auf das Mittel, welches die überschüssige Bevölkerung von Irland nach Amerika drängte und welches heute die Italiener nach Brasilien oder Argentinien zieht, den Chinesen nach Malakka und den Inseln der Südsee. Der Staat findet sich hier einer Aufgabe gegenüber, welche die Hilfsquellen der mächtigsten Regierung übersteigen würde. Es giebt vielleicht in dem ganzen Laufe der menschlichen Geschichte kein traurigeres Bild als diese stumpfsinnigen, geduldigen Massen, die ihren herkömm lichen Weg weiter stolpern auf einem Pfade, der nur zum Verderben führen kann, die meisten von ihnen unbekümmert um die Zukunft, heiratend oder Heiraten stiftend, immer neue Generationen auf den schmalen Rand zusammendräegend, der sie von der Vernichtung trennt" Freilich muß den Indiern jedes Gefühl für eine Auswanderung abgehen, weil eS von den ältesten Zeiten an immer nur eine Einwanderung nach Indien gegeben hat und niemals eine Auswanderung. Tie daß die Mädchen die Jünglinge, deren Küste noch aus ihren Lippen brennen, nicht wiedereriennen sollten, und es ist ganz ausgeschlossen, daß ein Kammerzöschen vor ver nünftigen Leuten als Arzt magnetische Kuren verrichten und als Notar bei der Unterzeichnung eines Heirats- kontrakteS praktizieren könnte. Aber haben wir es denn hier mit vernünftigen Leuten zu thun? Sind das alles nicht vielmehr ganz possenhafte Tinge? Geht es etwa in den Shakespeareschen Lustspielen verständiger her? Da treten zwei junge Mädchen als Rechtsanwalt und Ge- nchtsschrciber in öffentlicher Sitzung auf, in der eS sich um nichts Geringeres al» Tod und Leben handelt, und ihre Männer stehen dabei und erkennen sie nicht Und Rosa- linde und Cel.a? Tie zum Knaben verwandelte Imogen, die von Vater und Gemahl unerkannt bleibt? Viola? Und was die sittlichen Voraussetzungen und AuSgänge be trifft, steht eS um dieselben in „Was ihr wollt" und „Viel Lärm um nicht«" erheblich bester? Nun macht mir allerdings der Kousinentausch in der letztgenannten Ko mödie immer hart zu schaffen, und ganz verwinde ich ihn nie Aber das liegt doch nur daran, daß Shakespeare in demselben Werk zu ernste Saiten in uns hat erklingen und unser Herz in Mitgefühl für die arme mißhandelte Hero in Zorn und Empörung über den unverschämten Claudio hat erbeben lasten — denn dieser Widerstreit unvereinbarer Empfindungen, mit denen wir der nämlichen Thatsache gegenübertreten sollen, stört un«, wo eine konsequent durchgeführle Burleske jeden moralischen Einspruch sofort zum Schweigen gebracht haben würde Und hierin liegt auch der Rest von Unbehagen begründet, ven ich bei dem Ausgange von „Öosi tav tutte" empfinde. Wa« un» bei der leichtsinnigeren Dorabella lachen macht, be fremdet un« bei der ernsteren Fiordiligi, die so tapfer gegen die neue Neigung für den schönbärtrgen Fremdling kämpft. Und auch sie wechselt schließlich ihren Bräutigam Hal« über Kopf Mit dem schwärmerischen Fernando geht Völker überstiegen die Engpässe des Pamir oder die anderen Pässe, die von Westasien herführen und drangen in das gesegnete Flachland von Nordindien ein, das dort gefundene Volk zurückw:rfend. Eine Auswanderung über das Meer hatte die so bedrängte Bevölkerung nicht gelernt, und so zog sie sich all mählich immer weiter nach Süden zurück di« nach Ceylon hin, so lange bis die Zmückweichenden von Len Vordringenden aufgerieben wurden. Noch größere Schwierigkeiten bieten die religiösen Verhältnisse einer vernünftigen Verwaltung deS SraateS. Tie sanitäre Reform z. B. hat überall mit Gebräuchen und Sitten zu kämpfen, die sämtlich durch eine lange Überlieferung geheiligt find und zum Teil geradezu als von Gott verordnet verehrt werden. „Der Fortschritt, der während der letzten 30 Jahre in sanitärer Hinsicht gemacht ist, kann nur dazu dienen, die enormen Schwierigkeiten solcher Versuche in das hellste Licht zu setzen und zu zeigen, daß vieles davon außer halb der Macht irgend einer Verwaltung steht, wenn letztere nicht jede finanzielle Erwägung und jete Rücksicht auf die Vorurteile der Bevölkerung in den Wind schlagen will. Der fortdauernde Kreuzzug, der geführt wird, um ein gewisses Maß von Reinlichkeit in der Be- völkeiung der indischen Städte durchzusetzen, ist ohne Zweifel bis zu einem gewissen Grade von Erfolg ge- wcs?n. Aber einen allgemeinen derartigen Kreuzzug gegen den Schmutz unter der indischen Landbevölker ung würde das Volk einfach nicht überdauern, und keine Regierung könnte ernstlich einen solchen ins Auge zu fasten wagen." Wie kann aber, wenn sani täre Reformen nicht zu erzwingen sind, die Pest ab gewandt oder in mäßige Grenzen eingeschränkt wer den? Man hat ja erst in der jüngsten Geschichte ge sehen, daß die Mittel zur Unterdrückung der Pest ohne die schwerste Gefahr, die religiöse und die Kastenempfindlichkeit deS Volkes auf daS heftigste zu reizen, gar nicht in- Werk gesetzt werden können. Mit vollem Rechte wird weiter ein anderer Punkt betont, der von großem Interesse ist. Eine europäische Nation wird bei dem Regieren über rin außereuro päisches Volk nicht umhin können, gewisse Grundsätze auS seiner eigenen Staatsverwaltung aus die dortigen Verhältnisse zu übertragen. So ist es ein Funda ment unserer Rechtsanschauung, daß vor dem Gesetz alle Bürger gleich sein müssen. Wozu führt aber die Anwendung dieses Grundsatzes in Indien? Nicht nur zur Mißliebigkeit der Regierung beim Volke, sondern geradezu zu sozialen Störungen schwerster Art. Der uralte Kastengeist des indischen Volkes stempelt die Anwendung eines derartigen RechtSsatzes zu einem religiösen Gräuel in den Augen der höheren Klassen der dortig n Bevölkerung. „Sie verwerfen die kühle Unparteilichkeit unseres Recht-, welche die herkömmlichen Unterschiede zwischen Edelmann und gemeinem Mann verwischt hat und es dem Leib eigenen möglich macht, den Raja vor einen unserer Gerichtshöfe zu ziehen." Noch weit gefährlicher ist die Anwendung der Gesetze hinsichtlich der Schuld verhältnisse, wodurch dem Wucherer infolge des gesetz lichen Schutzes legaler Kontrakte eine große Macht über den Schuldner gegeben wird. Dies fühlt schon in europäischen Ländern zu den bedenklichsten Folgen, wie weit diese aber in Indien gehen, davon hat man h er kaum einen Begriff. „Es ist", sagt Crooke, „nach der Meinung der sachkundigsten Autoren keine Uedertreibung zu sagen, daß sitzt dreiviertel aller Landleute bis zum Betrage von mindestens einer vollen Jahrcsrenle verschuldet sind." Wie diesem Zustande abzuhelfen wäre, darüber grübeln die Ver walter des indischen „Kleinodes" schon seit vielen Jahren. Manches ist versucht, mancher Versuch hat das Übel gar noch verschlimmert, aber bis jetzt ist nichts gefunden, was die Frage, von deren Lösung das künftige Gedeihen eines großen Teiles von — W e» uns im Gegensatz zu dem leichtblütigen Guglielmo nicht viel ander» Und da» hat nicht etwa der Textdichter in uns gewirkt, nicht da Ponte, der in dem Fortgang der Handlung um neue Einfälle immer verlegener wird, und der weit ehrenvoller besteht, wo er sich, wie in seinen übrigen Lperndichtungen, an vorhandene Tramen anlehnen konnte Nein, Mozart ist es. Hätte er den beiden Lieben den nicht so innige Töne geliehen, wir würden unS über ihr Verhalten zum Schluß weder wundern noch ärgern Und aus dieser Erwägung heraus möchte ich auch die Be arbeiter d.s Textbuches nicht zu hart tadeln, die wie Schneider, Eduard Devrient und andere die Handlung dahin umgestalteten, daß sie die Mädchen hinter das Spiel ihrer Anbeter kommen und zum Schein daraus eingehen lassen, um so eine heitre Rache an ihnen zu nehmen, sie für ihre frivole Wette zu strafen und die beleidigte Frauen welt zu rächen Im übrigen glaube ich freilich, daß Mozart, der nicht nur ein musikalisches Genie von Gotte- Gnaden, sondern daneben auch ein sehr kluger und im Punkt seiner Libretti scharfsichtiger Mann war, recht gut wußte, wie er den Stoff anzugreifen hatte DaS kündet schon die Ouvertüre an, die sorgloseste von allen, die er geschrieben hat Wie ganz anders wirkte das Zeichen deS „Ton Juan" auf ihn ein, wie ander» da» geheimnisvolle Symbol, das sich für ihn in der „Zauberflöte" verbarg! Und wieder andere Töne hatte die „Entführung" in ihm geweckt, andere der „Figaro", mit dessen Ouvertüre sich die zu „(H Ian tutte" scheinbar noch am ehesten vergleicht Aber ihre Heiterkeit, ihr Wirrwarr sind doch weit realistischer, ihr GesangSmotiv ist ungleich lieblicher als das Hauptthema des Presto der Ouvertüre zur Oper von der Weibertreue, das leicht und leichtsinnig an un» vorüberwirbelt, al» wollte r» den Titel illustrieren „So machen» Alle", den die gena»führten Männer im zweiten Akt singen und den da« Andante der Ouvertüre un« so deutlich zu Gemüte führt Und bi« auf jene Ablenkungen zu den Revieren ernsterer Neigung in
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