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Auktthal -Mung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle-Klöfterlri«, Nieder- u. Oberpsannenftiel, Lauter, Bockau und die umliegenden Ortschaften. Erschein! MUtw»««, Areitag» u Sonntag«. UdounementSprriS tncl. der 3 werlbvollen Belingen vierteljährlich mit Bringerlohn 1 Mt. LV Pf. durch die Post 1 M. Ai Pf. - Wit 3 issustrirten Aeiötättern: Deutsches Aamitteu^latt, Hute Heister, Jeitspieget. 'Verantwortlicher Redakteur i Emil Hegemeister in Aue (Erzgebirge). Redaktion u. Srpedition: Aue, Marktstraße. Inserat«! die einspaltige Cvrpuszeile IS Pf., die volle Seite 30, >/, S. IS, >/« St.S Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. Alle Postanftalten und Landbriefträger nehmen Bestellungen an. No. 135. Mittwoch, den 15. November 1893. 6. Jahrgang. Spanische Zustände. Natur und Menschen scheinen sich gegen Spanien ver schworen zu hüben. Ein Krieg nimmt die Kräfte des Landes in Anspruch, eine Stadt, Santander, ist vor kur zem erst durch «ine furchtbare Katastrophe zerstört wor den, und wieter hat der Telegraph die Nachricht von ei nem blutigen Verbrechen gebracht, welches eine Stadt be troffen hat, gerade in dem Augend'icke, da sie sich an schickte, ein fröhliche« Fest zu begehen. In Barcelona wurde Dienstag abend die Eröffnungsvorstellung des Lyccum-Theaters durch ein Bombenattentat gestört. Man denke sich in einer Stadt wie Barcelo.ia, der zweitgröß ten Stadt der Reiche«, welche den Ruhm genießl, daß sie die erste ist an Reichtum und LebenSfröhlichkeit, einen Abend, an dem ein Theater eröffnet wird. Fünf oder sech Theater, darunter das größte Schauspielhaus Spa nien« mit einem FasfungSraume von 4000 Personen be sitzt Barcelona bereits, für eine Stadt von nicht ganz 270000 Seelen gewiß ein Beweis eines regen fröhlichen Lebens. Und während das dichtgedrängte Publikum den Melodien des zur Eröffnungsvorstellung gewählten „Wil helm T«ll" latscht, werben von der obersten Gallerte her ab in das volle Parquet Bomben geschlendert l Ei« -mm zenlose Panik bemächtigt sich der Theaterbesucher: die Borstellung ist in der entsetzlichsten Weise unterbrochen; die Musik verstummt; statt des Gesanges erfüllt das mark erschütternde Geschrei der Berwundeten und das Röcheln und Stöhnen der Sterbenden den Raum. Zwischen den Trümmern der Parquetsitze lagen die verstümmelten Lei chen von etwa zwanzig Männern und Frauen, von welch letzteren eine in gesegnetem Zustande war. Sechs Per sonen unter den Toten gehören einer Familie an. Wei ter lagen zahlreiche Personen mehr oder weniger verwun det auf dem Boden. Das Publikum floh entsetzt. Vor den AuSgängen entstand ein furchtbares G dränge, da viele Personen von außen eindringeu wollten, um ihre Angehörigen aufzusuchen. Das Theaterfoyer, wohin Tote und Verwundete getragen wurden, glich einem blutgetränk ten Lazarett. Zwischen den Aerztcn, welche die Verwun deten verbanden, gehen Priester einher, welche die Sakra mente spenden und die trauernden Verwandten trösten. Unter den Tolcn sind neun Damen. Sie liegen neben einander in Helle», blutbefleckten Abendkleider». Die Lei chen boten einen schrecklichen Anblick. Die Gesichter wa ren von Rauch geschwärzt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Abgerissene Gliedmaßen lagen überall herum, Schwerverwundete mutzten im Theater selbst operiert wer den. Fortwährend wurden Verwundete herauSgebracht, eS war nach Aussage von Augenzeugen der schauerlichste An blick, den jemals ein Theater bot. Leider sind die Verbrecher nicht ergriffen worden. Aber in welchem Lager man sie zu suchen hat, das weiß man, denn der An' chist Palla? der vor zwei Monaten eine Bombe gegen d.-r Marschall Campos schleuderte und hingeri'chtet wurde, drohte mit der Rache seiner Freunde. In jener Eröffnungsvorstellung nun befand sich die Fa milie des CavtpoS, und ihr galten die dynamitgefülllen Etsenkugeln. Die Männer ohne überhaupt haben sich ge rächt. Spanien zuckt erschreckend empor. Also sind die Drohungen der Anarchisten kein hohles Phrasenwerk un» die Alt »täte des Pallas und Ravachol waren nicht die Thaten einzelner Wahnwitziger? Auch die Redensart von > Polizeispitzeln kann nicht mehr so angenehm beruhigend wirken? Die Anarchistenkluds sind mehr als Vereinigun gen von Prahlern. Sie sind Mordbanden. Most ist mmht «ehr «in - mitteidig zu belächelnder Schwätzer, er ist der geistige Nährvater von Verbrechen, wie sie in gleicher Niederträchtigkeit die Welt kaum jemals gesehen hat. Die Regierungen müssen sich beeilen, ihre Lehren aus den At tentaten von Barcelona zu ziehen. Bereits sitzt in Spa nien hinter Schloß und Riegel, wer jemals anarchistische Reden geführt hat, und auch England, Frankreich und die Schweiz werden sich entschließen müssen, die Anarchisten- Brüderschasten des nebeldüsteren Londoner Ostendes, oder die „Panther des Montmartre" oder die Nihilisten- Schiupfwinkel von Zürich und Gens aufzuheben. Im Hasen von antander, d.n Schauplatz der gro ßen Dynamit-Expl. n haben ^.aucher unter den Trüm mern oes Schisses „Machichoc." noch 40 Kisten Dyna mit unversehrt gesu oen. Aio die Behörden sie in Si cherheit bringen wollten, bemächtigte sich der Bevölkerung eine Panik; 20000 Personen flüchteten aus der Stadt, die abgehenden Eisenbay.izüge wurden förmlich gestürmt; im Gedränge kamen zal,.reiche Verwundungen vor. — Die Zahl der Toten, Verwundeten und Vermißten wird jetzt auf über 1000 geschätzt. Der Dampfer „Machichaco" halte 17000 Kisten Dynamit im Gesamtgewicht von 51400 Kilogr. an Bord. Die bei der Untersuchung des Hasenbodens beschäftigten Taucher entdeckten eine so un geheure Masse verstümmelter Menschenleichen, daß st« um Enthebung von dec Arbeit baten, so daß jetzt die Leichen Mit Haken herausgezogen werden. Bei der Beerdigung der Verunglückten ereignen sich herzzerreißende Szenen. An der Spitze der Sammelliste steht die Königin mit 40000 Pesetas. Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den 13 November. — Die Nordd. Allg. Ztg. behauptet, die deutschen Handelsverträge seien besser, als ihr Rus. Denn wäh rend im Jahre 1892 der Wert der GesamtauSsuhr Deutschlands um 220 Millionen gesunken sei, sei die Ausfuhr nach den VertragSländern nur um 32 Millio nen zurückgegangen. — Pew Bundesrat ging eine Vorlage zu, dke da- Un- terstützungs-Wohnsitz-Geiktz abändert. In Zukunst kann der Unlerstützungswoynsitz schon vom 18. Jahre ab er worben oder verloren werden, während jetzt der GcbmtS- oder der Wohnort der Eltern bis zum 24. Lebensjahre verpflichtet ist. Im Erkrankungsfalle hat 13 Wochen lang der Beschäftigungsart Unterstützung zu gewähren. — Dem preußischen Abgeordnetenhaus« gehören an 113 Gutsbesitzer, 105 Beamte, 12 Rechtsanwälte, 11 Geist liche, 8 Offiziere, und 6 Kommerzienräte, aber nur 22 Handwerker und Kaufleute. — ES Hai den Anschein, als ob die Führung der gro ßer Flotten..ianöver in diesem Herbst unter keinem guten S .n gestanden hat. Von den Geschwaderchess ist: 1. Vizeadmiral Schröder zur Disposition gestellt, 2. Kontre- adiniral Karcher vom Kommando entbunden und durch Kontreadmiral v. DiederichS ersetzt, 3. Kontreadmiral von Pawels zur Disposition gestellt worden. Nur Kontreab- miral Thomsen, der die 4. Division befehligte, hat un mittelbar nach Schluß der Manöver einen Orden er hallen. sNachdruck »verboten. IseuiLl'eton. Die Gouvernante. Roman von Rudolf Scipio. Fortsetzung. Leonore wird, wenn ich sie darum bitte, nichts verrathen, und von Ihnen erwarte ich dasselbe, denn der Freiherr darf niemals den Zusammenhang erfahren." „Aber Sie vergesten das Testament," warf Buchholz ein — „wer soll denn die Erbschaft antrcten?" „Mag daraus werden, was da will, ich werde mein« Ansprüche nicht geltend machen," erklärte Gerda mit einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel an der Festigkeit ihrer Absicht ausschlvß. „Aber mein liebes, gnädiges Fräulein," rief Buchholz Mit dem Ausdrucke des Schreckens, „Sie wisse» nicht, was Sie sagen. Die schöne Herrschaft, die Ihnen hier gleich, sam auf den Präsentirteller »«geboten wird, wollen Sie doch nicht fahren lassen." Ich will nichts mit der Sache zu thun haben," versetzte Gerda b-stimml, „und e- bleibt hinsichtlich der Geheimhal tung bet unserer Abrede." „Ganz, wie da- gnädige Fräulein befehlen, aber verstehen thue ich die Sach« doch nicht. Es ist, mit Verlaub, so zu sagen die reine Thvrhett. «ein Mestsch . . Buchholz hatte offenbar noch etwa» hinzuzusetzen, schwieg aber plötzlich stille, während seine Augen sich gleichzeitig erweitert»«, al» ob er irgend etwa» Merkwürdig«», Un- Hlaubliche» vor sich säht. Dann aber vrrrteth der ganz« Ausdruck seines Gesichts, daß die Gedanken, welche ihn bewegten, durchaus angenehmer, erfreulicher Natur seien. „Was wollten Sie sagen?" — fragte Gerda, deren Gedanken ganz wo anders zu sein schienen. „Ich meinte nur," stotterte Buchholz, „daß man so etwas nicht begreifen wird; doch ich will Ihnen darin keine Vorschriften machen und genau so verfahren, wie da- gnädige Fräulein befehlen." „Ich wünsche, baß Sie nach wie vor über alles da strengste Slillschwei,/ i beobachten, dagegen wird es mir lieb sein, wenn Sie mir alle-, was Sie über die Sache erfahren, mittheilen." „Wer hätte da» gedacht," brummte Buchholz vor sich hin, während er mit höchst vergnügtem Gesicht die Treppe hinabstieg, um nun auch seiner Alten zu erzählen, daß man da- Testament wieder gefunden habe. — „Daß der Freiherr nicht gleichgiltig gegen sie ist, weiß ich schon seit dem Abend, an welchem er zuletzi hier war und er mich damals so «igenthümltch ansah, al- ich da- gnädig« Fräu lein beim Th« entschuldigen mußte; am anderen Tag« war ja auch schon die Verlobung mit unserem gnädigen Fräulein z» Ende. Na, der Himmel möge itinen Segen dazu geben, denn aus diese Weise würde die Erbschafts geschichte am besten ans der Welt geschaft. In einem der neueren Stadtlheile der Residenz am Ende der Wiesenstraße lag die Maschienensabrik de« Kom- merzienralhe- Wehrhahn. Ein kleiner Park, der letzte winzige Rest des Walde«, welcher bis zur Gründung de» Werke- diese Gegend bedeckte und ehemals ein beliebter Erholung-ort ler Bewohner der Residenz gewesen, dann aoer der Spekulation zum Opfer gefallen war, trennte die Fabrikgebäude vv. dem schlvMtig gebauten Wohn- Haus«. Der Kommerzienrat-, «in M^nn in der Mitt« der Fünfzig, konnte als das Bild eines modernen Empor» kömmlings gelten. Er hatte ieine Laufbahn als Händler mit Lumpen, Knochen, und altem Eisen begonnen, sich da, n im Laufe der Jahre durch kluge Benutzung der Ver hältnisse ein kleines Kapital erworben und, wie dem Sprüch- wort gemäß der Appetit mit dem Essen kommt, so war e- auch unserem Wehrhahn ergangen; er hatte allmählig gelernt, seine kleinen Ersparnisse durch Geschäfte der man nigfachsten Art zu vermehren, und wenn diese Geschäfte, wie die böse Welt behauptet, nicht immer so ganz rein licher und anständiger Art grwesen waren, so hatten sie doch ihren eigentlichen Zweck erfüllt, und da Geld bekanntlich nicht riecht, so hatte Wehrhahn sich leicht über die scheelen Blicke, die ihm wohl hin und wieder begegneten, hinweg gesetzt; wußte er ja doch, daß dir Welt selbst den ärgsten Schurkenstreich verzeiht, wenn er mit der nöthigen Keck heit ausgeführt wird und daß man den Werth «ine« Man nes heutigen Tages nur noch nach dessen Geldbeutel ab schätzt. Als dann der Milliardensegen in da» Land kam, und in Folge davon die Spekulation über Nacht gleichsam toll geworden war und Reich wie Arm den Tanz um da golden« Kalb aufführten, ließ auch Wehrhahn sich lustig von dem Strome treiben, der ihn, als der Schwindel ein Ende erreicht und Tausende von Ruinirten mit der nun schnell eintretenden Ebbe auf den Sand gesetzt wur den, al- Millionär, Kommerzienrath und Ritter de« Or dens der silbernen Krone in den sicheren Hafen brachte. Daß der „Kommerzienrath" ihm über hunderttausend Mark gekostet hatte, für welche er, der Spötter und Atheist, dem Stadtviertel, worin seine Fabrik lag, eine Kirche er baut hatte, u d daß er da» rothe Bändchen im Knopfloch d.. regiecur »freundliche.« Wahlergebnissen zu verdanken hatte, welche Dank de» moralischen oder richtiger, de» un»