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NEUNTES GEWANDHAUS-KONZERT DONNERSTAG, DEN io. DEZEMBER 1914. Leitung: Professor Arthur Ntkisch. An die großen Toten. Dichtung von Gustav Schüler. Für gemischten Chor und großes Orchester komponiert von Wilhelm Berger. (Op. 85. Zum 1. Male.) Ihr großen Toten, also opfr’ ich euch In dieser Morgenfrühe heil’gem Glanz, Um eure Schläfen, die so ernst und bleich, Wind’ ich taufrischer Rosen Festeskranz. Und eure Mäntel leg’ ich euch zurecht Und euer Schwert, und knie’ und bete dann, Und bete, wie aus sinkendem Geschlecht Die letzte Angst verzweifelt beten kann. Ein Wunder fleh’ ich, daß ihr aufersteht, Daß ihr uns helft, daß euer ew’ger Geist, Der uns wie Harfenton zu Häupten weht, Inbrünstig mahnend auf die Sterne weist. Die Lagerfeuer zünd’ ich, stoß’ ins Hom, Und rüttle, Feldherrn, euer Heer empor, Ich schrei’ die Angst, den Schmerz, den Fluch, den Zorn In aller Seelen aufgeschmettert Tor! Nun stehn wir da! Laßt ihr uns dann allein, Wie Lämmer, die des Wolfes Gier umkreist? Die eurer Schmerzen Erben müssen sein, Die segnet auch mit eurer Schmerzen Geist! Ihr großen Toten, also opfr’ ich euch In dieser Morgenfrühe heil’gem Glanz, Um eure Schläfen, die so ernst nnd bleich, Wind’ ich taufrischer Rosen Festeskranz. (5 Minuten Pause.) Wieland der Schmied. Symphonische Dichtung für großes Orchester von Siegmund von Hausegger. (Zum 1. Male.) Macht und Ruhm, welche ihm seine Kunst geschaffen, genügen Wieland, dem Schmiede, nicht. Eine ungestillte Sehnsucht bleibt ihm in der Brust, seine Wünsche bald mit ungestümer Glut, bald mit süßer Inbrunst in schwindelnde Höhen jagend. Doch in unerreichbarer Feme scheint das Ziel. Da siehe! Ist’s nicht, als zwänge seiner Wünsche Übermaß den Himmel - selbst herab ? Eine Schwanenjungfrau, Liebesweh im Herzen, schwebt aus dem Blau nieder und neigt sich zu Wieland. Er will sie als sein Eigen an sich reißen, entsetzt vor solch sengendem Erdfeuer entflieht sie in ihre heimatlichen Höhen. Machtlos, Schwanhilden zu folgen, bricht er zusammen, ins Innerste getroffen von dem lähmenden Gedanken: er, der dem Himmel Herr sein wollte, ist ein Knecht, unlösbar an die Erde gefesselt. Entschwunden ist ihm der himmlischen Schwanhilde Bild, jedes Erinnern erstorben, erstarrt sein Herz. Ein Gelähmter, wankt Wieland freudlos durchs Leben. Was gilt ihm nun seine Kunst, seine Macht und Ehre? Doch tiefster Hoffnungslosigkeit entringt sich ein Sehnsuchtsschmerz, anders als jene Gier nach