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Grossenhainer Anterhaltungs- und Anzeigeblatt. Mit Hoh«r Concession gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 34. Mittwoch, dm 28. April 1847. Der Chiromant. (Fortsetzung.) Die Unterhaltung drehte sich sehr lange um die Verbesserung der Justizpflege, des Staats haushaltes, und endlich kam man auch auf Diplomatik. Der junge Mann stellte mit seinen Antworten und Ansichten den Minister ganz zufrieden. Plötzlich brach dieser das Gespräch ab und fragte: «Herr Assessor, können Sie schweigen? Ich meine ein Ihnen anvertrautes Geheimniß in treuer Brust so bewahren, daß es Ihnen keine Versprechungen, keine Bitten, kein Zwang, selbst keine Martern abpressen würden?» «Wenn ich ein Versprechen gegeben habe, so halte ich es als Ehrenmann», erwiderte ruhig Jener. «Haben Sie Familie?» «Nein. Mein Vater und meine Mutter sind todt; Geschwister habe ich nicht.» «Haben Sie Vermögen?» «Bis auf einige hundert Thaler habe ich die wenige Hinterlassenschaft meiner Eltern verzehrt. Da ich aber wenig Bedürfnisse habe, so hoffe ich damit noch so lange zu reichen, bis ich in's Gehalt rücke.» «Damit hat es für's Erste Zeit, mein lieber Assessor», lächelte Se. Ercellenz. «Ich habe Sie für eine andre Laufbahn bestimmt.» Holm horchte hoch auf. «Wir brauchen einen tüchtigen, jungen, ver schwiegenen und listigen Mann», fuhr der Mi nister fort, «den wir einem verschmitzten und verwegenen Gegner entgegenftellen können. In Ihnen glaube ich den Mann gefunden zu haben. Es gilt dem Wohle des Vaterlandes.» Und nun entdeckte er ihm den Stand der Dinge am jen seitigen Hofe und alle die Cabalen, welche der Ellberger Gesandte anzettelte, um die Vereini gung beider Höfe zu hintertreiben. Aufmerksam hatte der Assessor zugehört. «Ich nehme mit Dank das mir geschenkte Vertrauen an», erwiderte er, als der Minister geendigt hatte, «und will Alles, was in meinen Kräften steht, aufbieten, um dasselbe zu recht» fertigen.» Excellenz waren mit ihrer Wahl zufrieden, denn der junge Mann hatte seine Zuneigung auf eine unerklärbare Weise in sehr kurzer Zeit gewonnen. Am folgenden Morgen stellte er ihn dem Fürsten vor. «Sie übernehmen einen schweren Dienst, mein Freund», redete ihn Adolar freundlich an. «In Ihre Hand lege ich ein wichtiges Geheimniß, was Sie, ohne mich zu compromittiren und Ihrem Vaterlande unendlichen Nachtheil zu bereiten, keinem Menschen verrathen dürfen. «Man wird Ihnen nachstellen, Sie mit aller möglichen List zu bestricken suchen, vielleicht selbst Gewalt gegen Sie brauchen; unser Geheimniß muß tief in Ihrem Herzen verschlossen bleiben. Haben Sie das Alles wohl überdacht?» «Wohl überdacht, Ew. Durchlaucht», ver, setzte der Assessor. «Nun, dann reisen Sie in Gottes Namen. Graf Ziller wird Ihnen die nöthigen Instructio nen erthcilen. Binnen einem halben Jahre hoffe ich die Sache zu meiner Befriedigung beendigt zu sehen. Aber noch einmal, mein lieber Assessor, seid klug wie die Schlangen, denn Sie haben einen alten gewiegten Practicus zum Gegner. Am folgenden Tage arbeiteten der Minister und Holm bis zum Abende mit einander, am dritten reiste Letzterer zu seinem Collegio nach Ordahl zurück. 4. Der alte Regierungs-Director saß eben bei seinem Morgenpfeifchen, als eine Menge einge laufener Briefe gebracht wurden. Einer der selben, mit dem Cabinctssiegel versehen, zog seine Neugierde auf sich; er wurde zuerst erbro chen und gelesen. «Habe ich's nicht gedacht», rief er, «hab ich's dem jungen Sausewind nicht vorher ge sagt, daß seine Voreiligkeit ihn in s Unglück stürzen wird. Schade um den tüchtigen Arbeiter. Hat gewiß in seinem verdammten Eifer, den ich ihm so oft verwiesen habe, zu frei von der Leber weggesprochen, ohne zu bedenken, daß er vor dem allmächtigen Minister stand.» Bei Viesen letzten Worten trat eben die Per son, welche des Directors Monolog betraf, der Assessor v. Holm, herein.