Volltext Seite (XML)
Nr 9. XXXIII. Jahrgang. LEIPZIGER Leipzig, 15. September 1918. Jlonatschrift für Textil-Mustrie Illustrierte Fachzeitschrift für die Woll-, Baumwoll-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei und Appretur. Sohrilftleitung, Geschäftsstelle u. Verlag: LEIPZIG, Brommestr. 9. Herausgegeben von Theodor Martins Textilverlag in Leipzig. Fernspreoh-Ansohluß Nr. 1058. Telegramm-Adresse: Textilschrift Leipzig. Organ der Sächsischen Organ der Vereinigung Organ der Norddeutschen Textil-Berufsgenossenschaft. Sächsischer Spinnerei-Besitzer. Textil-Berufsgenossenschaft. Jährlich 16 Hefte (einschließl. 4 Sondernummern). Bezugspreis bei den Post ämtern und Buchhandlungen pro Halbjahr (einschl. 2 Beiblättern): für Deutsch land und Osterreich-Ungarn 8 Jt, für alle übrigen Länder 12,50 Jl. Bei di rekter Zusendung unter Streifband erhöht sich der Preis um die Portospesen. Anzeigenpreise: Seite 150 Jl, »/ e Seite 75 M, */ 8 Seite 50 M, 'l t Seite 40 '/„ Seite 30 M, •/, Seite 22,50 .//, Seite 15 A »/„ Seite 12 M. Bei Jahres aufträgen (16 Einschaltungen) werden 20 °/ 0 Rabatt gewährt. Nachdruck, soweit nicht untersagt, nur mit genauer Quellenangabe gestattet. Adresse für sämtliche Zuschriften und Geldsendungen: Lßipzitjer MOnatSChrift für Text! 1-IndUStFie, Leipzig, Brommestr. 9. Wirtschaftsfragen der Textilindustrie. k- verboten.] Von Dr.-Ing. W. Frenzei.*) Die deutsche Textilindustrie bezog ihre Rohstoffe zum aller größten Teile aus dem Auslande und führte einen erheblichen Teil der daraus hergestellten Fertigfabrikate an das Ausland ab. Der Wertunterschied floß dem deutschen National-Vermögen zu. Die Preisschwankungen der auswärtigen Faserstoffe ließen in Deutsch land schon vor dem Kriege Bestrebungen aufkommen, welche auf eine Verringerung der Abhängigkeit von ausländischen Märkten abzielten. Unsere verhältnismäßig hohen Rohstoff-Lagerbestände bei Ausbruch des Krieges waren bereits eine Folge davon. Vor bereitungen für den Fall einer gänzlichen jahrelangen Absperrung der Rohstoffzufuhr waren jedoch nicht getroffen worden. Der Krieg hat uns schließlich gezwungen, ohne die Zufuhr fremder Rohstoffe auszukommen. Nur aus der Türkei beziehen wir seit Öffnung der Balkanstraße einige Faserstoffe und Faserstoff- Erzeugnisse im regelmäßigen Handelsverkehr. Im übrigen hat sich die deutsche Textilindustrie durch Sparsamkeit der vorhandenen Rohstoff-Vorräte, durch Einschränkung des Verbrauchs und durch Ersatz-Beschaffung aufrecht erhalten und gezeigt, wie leistungsfähig sie bei Aufwendung aller Kräfte sein kann. Wir werden aber trotzdem nach dem Kriege für absehbare Zeit auf die Einfuhr von Baumwolle, Wolle, Seide usw. nicht verzichten können und müssen daher eine größere dauernde Sicherheit für Faserrohstoff-Versnrgung erstreben. Wenn wir auch technisch für die auswärtigen Rohstoffe Ersatz, beschaffen können, so wird es uns wirtschaftlich zunächst nicht möglich sein, den gesamten Rohstoffbedarf aus dem eigenen Lande zu schöpfen, selbst wenn wir in Zukunft den heimatlichen Boden in stärkerem Maße als bisher für die Kultur von Textil pflanzen ausnutzen werden. Auch unsere bisherigen Kolonien sind nicht in der Lage, uns in den nächsten Jahren, selbst bei systema tischem beschleunigten Ausbau vom auswärtigen Fasermarkt frei zu machen. Da unsere Vorräte und Textil-Erzeugnisse durch den Krieg in großem Maße aufgebraucht sind, wird unsere Rohstoffeinfuhr für die nächsten Jahre nach dem Friedensschluß so groß sein, daß wir sie durch Warenausfuhr nicht decken können. Wir werden zunächst mit der Produktion für den eigenen Bedarf vollauf beschäftigt sein, um später um so stärker wieder an der Ausfuhr textiler Fertig fabrikate teilzunehmen. Es ist damit zu rechnen, daß unsere stark zurückgegangene Valuta nach dem Kriege nicht sofort wieder völlige Parität erlangen wird. Die Einfuhr wird deshalb stark verteuert werden, ein Umstand, der sich der gesamten Produktion mitteilen muß. Aus diesem Grunde und infolge der Knappheit des verfüg baren Schiffsraums müssen wir die Einfuhrmengen einzuschränken suchen. Besonders sollen möglichst wenig fertige Waren eingeführt werden, um unsere Währung bald wieder zu verbessern. Die Textil industrie wird durch ihre erfolgreichen Ersatzbestrebungen vorläufig noch auf manche ausländische Zufuhr verzichten können. Umgekehrt natürlich zieht der Ausfuhrhandel entsprechende Vorteile aus den ungünstigen Wechselkursen, und so wird das Be- *) abgsfaßt Sept. 1917. streben die Folge sein, möglichst viel auszuführen; dazu müssen wir aber wiederum erst unsere erschöpften Rohmaterialbestände er gänzen. Kahn*) spricht den Wunsch nach einer Kriegsentschädigung in Form von Rohmaterialien aus als billigste und angenehmste Lösung. Wir müssen damit rechnen, daß sich die Feindschaft zwischen den Kriegführenden nach dem Kriege auch auf das Geschäftsleben überträgt; besonders werden wir mit großen Schwierigkeiten im Außenhandel zu kämpfen haben. Baumwolle, Auslands wolle, Jute usw. werden unter englischer oder englich-französischer Kontrolle stehen. Diejenigen Zweige der Textilindustrie, die vom Absätze im Aus lande abhängig waren, müssen sich auf schärfste Konkurrenz und wirtschaftliche Schwierigkeiten unserer Feinde gefaßt machen und unter Umständen neue Absatzgebiete aufsuchen. Der deutsche Kaufmann, der auf allen Plätzen des Weltmarktes Bescheid weiß, wird sehr bald imstande sein, brauchbare Verträge abzuschließen und Dauerverbindungen wieder anzuknüpfen. Vielleicht erinnert man sich im Auslande nach dem Kriege auch daran, daß Deutsch land in vielen Waren der größte Käufer war, denn alle kriegführenden Länder haben im Kriege gelitten und müssen an eine Belebung ihrer Ausfuhr denken. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirtschaftsgefahr im fernen Osten. Japan und China arbeiten mit europäischer Technik und unter wesentlich günstigeren Lohnverhältnissen als wir. Auch die Rohstoffbeschaffung ist für die Textilindustrie dort eine leichtere. Diesen Vorsprung können wir nur durch Qualitätswaren und deren Vertrieb durch kaufmännischen Unternehmungsgeist einholen. Es wird das eine unserer wichtigsten und schwierigsten Aufgaben sein, wenn wir den Verlust des ungeheuren deutschen Eigentums im Aus lande im Kriege bedenken. Dyes**) weist auf die Gefahr hin, die uns droht durch die im Kriege entstandenen Fabriken im feindlichen und im neutralen Aus lande, besonders in den Rohstoffländern. Diese haben sich durch langjährige Kontrakte die Rohstoffe gesichert und wollen sie uns im verarbeiteten Zustande zuführen, um uns geldlich möglicht zu schädigen. Außerdem wird dadurch für uns der Rohstoffbezug und der Absatz deutscher Waren erschwert. Jedenfalls wird aber in den Friedensverhandlungen hierzu noch manches gesagt und be stimmt werden. Ein einheitliches Vorgehen und die Vertretung der Interessen der gesamten Textilindustrie, ein Unterordnen der Einzel-Interessen mit Rücksicht auf die Wohlfahrt der gesamten deutschen Wirtschaft ist nötig, um die wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu mildern. Die engste Fühlung ist auch mit der aus wärtigen Politik zu halten. Ein bedeutendes Erfordernis ist die Bildung einer Zentrale für wirtschaftliche Auslandsnachrichten. Welche weittragende Waffe unsere Feinde darin besitzen, haben wir in diesem Kriege erfahren. *) Unsere Valutasorgen. 1917. .**) Die Kriegsfolgezeit und ihre wirtschaftliche Organisation. 1917.