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Dresdner Journal : 22.10.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188710227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871022
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871022
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-10
- Tag 1887-10-22
-
Monat
1887-10
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 22.10.1887
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L/sttter» s»»»or«r: 0 ^cXu»Ilar/ L»u» ». I.i F LS Nrr»,»»»tx!r, 8ü»Usl KrpväiUov <1«, SovnuU», l>r«ä»v, LM>o8«"tr »0 ?«n»,pk»ov A»»oU.o—: dir. >»»» Uiäitaintlicher Teil. Tekegraphil'cke 'AlachvichLen. Buda-Pest, 22. Oktober. (Tel. d. DreSdn. I urn ) Das dem Unterhause vorgelegte Budget für 1888 weist an Gesamtausgaben 345037108 Al. auf. Die Gisamteinnahmen sind angesetzt mit 320041987 Fl., also um 3840810 Kl. mehr als im Etatsjahr 1887. DaS Defizit ist auf 18275121 Kl., also um 3 029 673 Kl. weniger als 1887 b.rechnet Im Ordinarium belaufen sich die Ausgaben auf 321072608 Fl.; die Einnahmen auf 319 899999 Kl., ergeben also rin Defizit von l 172 609 Kl. Toulon, 22. Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Elemenceau hielt gestern eine Rede vor seinen Wählern, in welcher er unter anderem sagte: Die einander folgenden Ministerien befolgen sämtlich, wenngleich von verschiedenen Ansichten ausgehend, dieselbe Politik der Verzögerung. Wir werden nur der Regierung Vertrauen schenken, welche ge willt ist, Reformen einzuführen. Der Redner be schuldigte ferner daS gegenwärtige Kabinett, daß eS mit der Rechten paktiere, und legte die seines Erachtens unerläßlichen Reformen dar, wobei er besonders die Trennung des StaateS von der Kirche hervorhob. „Niemals war ein Zusammen halten der Republikaner in inneren und äußeren Kragen notwendiger alS gegenwärtig, in ganz Europa herrscht nur Unruhe und Unsicherheit". Die Versammlung nahm einen ziemlich stürmischen Verlauf, eö wurden keine Resolutionen angenommen. Madrid, 22. Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die „Agencia fabra" dementiert dir Meldung der „Times", daß Spanien wegen des Zusammentritts einer Konferenz betreffs Marokkos eine Zirkular- note versandte. Madrid, 21. Oktober. (W. T. B.) Im Aus- trage deS Handelsministeriums hat der Grsund- heitsrat wegen Untersuchung von Alkohol eine E» klärung dahin abgegeben, daß den Zollbehörden die Mittel an die Hand gegeben werden, um den auswärtigen, für den Import bestimmten Alkohol zu analysieren und solle» dafür besondere Experte angestellt werden. Dieselbe Maßregel soll bei dem tm Lande hergestellt» u unreinen Alkohol in An« Wendung gebracht werden, indem häufige analyti sche Untersuchungen desselben durch die munizipalen Behörden veranlaßt und Fälschungen unterdrückt werden. Tt.PeterSburg, 22.Oktober. (Tel. d Dresdn. ^ouru. DaS „Journal de St. PöterSbourg" be merkt: Die künftigen Beschlüsse der bulgarischen Nationalversammlung werden in keiner Weise zur Herbeiführung einer Lösung dienen; dieses Schat- renbild nationaler Repräsentation, welche nur durch Schurkerei und Gewaltthat zu stände gekommen ist, wird nichts Dauerhaftes schaffen können; die bul- garische Frage hat somit keinen Schritt vorwärts geihan, weil das vergossene Blut nicht zum Kitt zwischen der Nation und der Regierung dienen kann. — Das Journal bezeichnet schließlich die Mitteilung auswärtiger Blätter über den gegen wärtigen Ltand der Verhandlungen zwischen Ruß land und der Pforte als unrichtig. Dresden, 22. Oktober. Die englischen Arbeiternnruhen Im Mittelpunkte Londons, umgeben von imposan ten Regierungsgebäuden, von glänzenden Klubhäusern und prächtigen Hotels liegt der Trafalgar-Square mit dem historischen Namen und der Denlsäule des ruhm reichsten englischen Seehelden; aus ihm, mitten im fch.mmeinlen Reichtum der Großstadt haben sich seit einer Woche Scenen abgespielt, welche die Bevölkerung in hohem Grade beunruhigt und allgemeine Aufmerk samkeit eiweckt haben. Hier sind iu den Vormittags stunden Massenversammlungen von Arbeitslosen ab gehalten worden, von hier haben sich die Scharen in die Altstadt, in den Hydepark ergossen und in wüsten Rufen den weltalten Notschrei „Arbeit oder Brot ' er- töuen lassen Aber nur wenige unter den Demon stranten werden, wirklich von bitterem Elend gedrängt, diesen Rus erhoben haben, die Mehrzahl der Unruhe stifter vom Hydrpark ist von ganz anderem Schlage. Der Grundsatz der Manchesterjchule: „Uuwssr kairo! l.aisssr allor!' ist längst in sich zusammengefallen, feit gerade in Großbritannien für die Hebung deS VolkSwohles auf gesetzgeberischem Wege mehr gethan ist, als in einem anderen europäischen Staate, seitdem das englische Arniengesetz allein jeden, der seine Be stimmung anrust, gegen Mangel an Obdach, Nahrung und Kleidung schützt. Und sicherlich werden es mehr Bummler und Hemmtreiber, als Arbeitslose sein, die von kommunistischen Agitatoren geleitet und für deren Zwecke bearbeitet, eine soziale Umwälzung einleiten sollen. Dieser Gedanke wird recht anschaulich in einem Artikel des „Hamb. Korrespond." weiter auSgesponnen, dem wir das folgende entnehmen. Nicht an die Mildthätigkeit hat demnach der Un bemittelte und Arbeitslose sich zu wenden, wenn er die Bestimmungen des Armengesetzes anrust, sondern es ist sem Bürgerrecht, lies zu thun. Das hat der Stellvertreter des Lordmayors gestern wiederum den Sprechern der von Trafalgar-Square entfandten Ab ordnung klar gemacht. Indessen gilt es bei den ar beitenden Ständen als äußerst peinlich, inS Arbeits haus zu gehen, obwohl nicht die mindeste Herab würdigung damit verbunden ist. Der Begriff der un bedingten persönlichen Freiheit ist eben auch in diesen Schichten tiefer gewurzelt als in jedem anderen Lande Europas. Hier liegt schon einer der Gründe, warum die sozialdemokratische, richtiger gesprochen: kommu nistische Propaganda bei dem wirklichen Arbeiterstande Englands nimmermehr Fuß faßt. Bon der „Über nahme aller Warenerzeugung-- und Verkehrsmittel" durch den Staat will man in diesen Kreisen Nicht wissen. Lediglich einzelne, praktisch mögliche Forde- rungen der Sozialdemokraten — deren Häupter aber in Wirklichkeit der Theorie von der Gütergemeinschaft huldigen — ziehen bei der dortigen Arbeiterwelt. Da- riesige Anschwellen der Großstädte, der Mangel an einem freien Bauernstand: Da- sind England- zu nächst inS Auge fallende Übel. Es fehlt die Dorf verfassung. Es fehlt in der Reichshauptstadt selbst eine ganz London in sich schließende, geordnete Ge meindeverfassung. Darum ist es so schwer, mit plötz lich ausbrechendem Notstände rasch und erfolgreich bezirksweise aufzuräumen. Die Vertretung der ein zelnen Stadtteile bildet ein wirres, unorganische» Durcheinander. Der sogenannte Lordmayor von Lon don ist nur der Bürgermeister der Altstadt, welche, räumlich gesprochen, heute bloß einen kleinen Punkt, ein Inselchen, in dem gewaltigen, in mehrere Graf schaften sich ausdehnenden Häusermeere bildet. Daß hinter der, teils aus wirklich Arbeitslosen, größtenteils jedoch aus unfugslustigem Gesindel be stehenden Menge auf Trafalgar Square kommunistische Agitatoren stehen, welche ihrerseits wiederum mit der Parnellschen Liga zusammenhängen, steht außer Frage. Schon die den Umzügen vorangetragenen Abzeichen deuten auf den Zusammenhang mit der „Sozialdemo kratischen Föderation", der „Sozialistischen Liga" und ähnlichen Vereinen. Unter solchen Umständen wirken die Erinnerungen an die beklagenswerten Februarunruhen voni vorigen Jahre, wo das Gaunertum undDiebSgesindel in die Läden einbrach und London mehrere Tage lang alarmiert war, für den Furchtsameren doppelt schreck haft nach DaS Reich an seinem Mittelpunkte und in seinen Großstädten zu beunruhigen, ist die alte Politik der um die Parnellsche Liga herumhängenden Dynamit- und Scharmützelcirkel. Auf diese Weife soll für die Zwecke der Sonderbündler Luft gemacht wer den, indem man die Regierung zwingen will, Truppen aus Irland zurückzuziehen. An regelmäßigen Soldaten hat aber England keinen Überfluß. Seine Frei- willigenschaaren sind gesetzlich von der Verwendung gegen inneren Aufruhr entbunden Sowohl die Füh rer der „Sozialdemokratischen Föderation" als auch der „Sozialistischen Liga', treten seit Jahren für die irische Sonderbündelei ein. An der Spitze dieser, übrigens einander feindlich gegenüber stehenden Vereine befinden sich einerseits Hr. Hynd man, ein in seinen Vermögensverhältnissen herunter gekommener anrüchiger Abenteurer, andererseits der Dichter William Morris, ein wohlhabender Mann und ehrlicher Schwärmer, der in seinem neuen Eifer sogar für die Chicagoer Anarchisten daS Wort einlegtl Hyndman hat wiederholt dazu aufgefordert, einen „großen Schlag gegen daS Finanz- und Handelsherz der Welt", nämlich die Londoner City zu führen, um „Schrecken unter den Männern und Frauen der Ge sellschaft zu verbreiten." Man hat es also mit wüsten Elementen zu thun, gegen welche Festigkeit geboten ist. Andererseits sind aber Vorkehrungen zur Abhilfe einer wirklichen Not zu treffen, zu deren Ausbeutung sich kommunistische und ligistische Agitatoren verbündet haben. Lagesgeschichte. * Berlin, 21. Oktober. Se. Majestät der Kaiser, welcher heute früh im besten Wohlsein von Baden- Baden wieder hier eingetroffen ist, nahm im Laufe deS heutigen Vormittages den Vortrag des Ober-Hof- und HauSmarschallS Grafen Perponcher entgegen, und erledigte Regierungsangelegenheiten. Später arbeitete Se. Majestät längere Zeit allein. Um U1 Uhr er schien Allerhöchstderselbe beim Aufziehen der Wache an dem Fenster seine- Arbeitszimmers und wurde von dem zahlreich vor dem PalaiS versammelten Publikum mit enthusiastischen Hoch- und Hurrahrufen begrüßt. Fürstbischof vr. Kopp gedenkt der „Köln. Ztg." zufolge gegen Weihnachten nach Rom zu reisen, um vem Papst für da- ihm bewiesene Vertrauen zu danken und ihm zu seinem Jubiläum Glück zu wünschen. Mehrere andere deutsche Bischöfe sollen sich ihm an schließen wollen Vergangenen Montag verweilte der Fürstbischof vr. Kopp auf seiner Durchreise von Hildes heim nach Berlin im St. Vincenz-Stift der barm herzigen Schwestern in Hannover, um mit dem Führer des Centrums, Herrn vr. Windhorst, eine mehr stündige Unterredung zu pflegen. Der Bundesrat hielt am 20. d. M. unter dem Vorsitze des Staatsministers, Staatssekretärs des In nern v. Boetticher eine Plenarsitzung ab. In der selben wurde Beschluß gefaßt über die anderweitige Abgrenzung eines Seeam'sbezirks, über eine Abände rung der Vorschriften für die Prüfung der Maschi nisten auf Seedampfschissen, sowie über die Zulassung eines russischen Schiffskapitäns und mehrerer russischer Maschinisten zum Gewerbebetriebe auf deutschen See schiffen. Von dem Generalbericht über die Ergebnisse der Erhebungen über die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen nahm die Versamm lung Kenntnis und beschloß, einer Eingabe, betreffend die Ausführung des Gesetzes über den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen, ferner zwei Ge suchen um Auslegung des Gesetzes über den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter keine Folge zu geben Seiten des Ausschusses für Rechnungswesen wurde über die Übersicht der Reichsausgaben und -Einnah men für das EtatSjahr 1885/86 und die hierzu ge faßten Beschlüsse des Reichstags Bericht erstattet. Be züglich der Rechnung der Kasse der preußischen Ober- rechnungSkammer für 1885/86, soweit sie den Rech nungshof des Deutschen Reichs betrifft, wurde die Entlastung erteilt. Die Berufsgenossenschaften haben nach gesetz licher Vorschrift über ihre Organisation, über die innerhalb ihres Bezirks vorgekommenen Unfälle, über ihr Rechnungrergebnis rc. alljährlich dem Reichsver sicherungsamt eme tabellarische Übersicht einzusenden, die von dem letzteren in eine statistische Nach weisung zufammengesaßt und dem Reichstage zur Kenntnisnahme überreicht wird. Die erste dieser dem Reichstage bereits vorgelegten Nachweisungen bezog sich nur aus ein Vierteljahr, nämlich auf daS 4. Quartal des Jahres 1885, weil das Unfallversiche rungsgesetz vom 6. Juli 1884 mit dem 1. Oktober des genannten Jahres in Kraft getreten war. In diesem Jahre würde die Zusammenstellung für da» Jahr 1886 vorgenommen werden müssen. Wie die „B. P. N." hören, stieß nun die Ausführung der gesetzlichen Vor schrift gerade für diesen Zeitraum auf Schwierigkeiten. Die Berufsgenossenschaften haben, wie es nicht zu um gehen war, einerseits bei der ersten Umlage und Be rechnung der Beiträge für die Betriebsunternehmer neben den Ausgaben pro 1886 auch diejenigen deS 4. Quartals 18?5 berücksichtigen müssen, und beide Posten müssen nunmehr getrennt darqestellt werden, andererseits haben sie in der ersten Zeit mit Anleihen operieren müssen, und die tabellarische Darlegung dieser Vorschubrechnung ist, da sie neu ist, den meisten Berufsgenossenschaslen nicht geläufig. Das Reichs versicherungsamt hatte sich deshalb veranlaßt gesehen, den Termin sür die Einreichung dieser Übersicht, welcher auf den 15. September festgesetzt war, bis zum 15. Oktober zu verschieben und nochmals in einem besonderen Rundschreiben die berufSgenossen- schastlichen Verwaltungen mit den geeigneten Instruk tionen über die Aufstellung ihrer Rechnungsergebnisse zu versehen. Sobald das Reichsversicherungsamt dann das eingegangene Material der notwendigen Be arbeitung unterzogen hat, wird diese Statistik dem Reichstage zugestellt werden; dieselbe wird um so größeres Interesse erregen, als sie zum ersten Male ein ganzes Jahr der berufSgenossenschastlichen Thätig- keit umsassen und damit für die Beurteilung der letz teren eine sichrere Grundlage bieten, als sie bisher vor handen war. Die offiziösen „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Wenn in daS Erwerbsleben so tief einschneidende Maß regeln, wie daS seit dem t. Okto.er d. I. in Kraft getretene Branntweinsteuergesetz, durchgeführt werden, so entsteht naturgemäß zunächst eine Reihe von Schwierigkeiten, bevor die verschiedenen beteiligten Faktoren sich in die neuen BerhSIiniffe cingelebt haben und ohne Reibung in ersprießlicher Weise Zu sammenwirken. Die Erfahrung muß in vielen Fällen zu deu ersten Auftastungen berichtigend hinzulreten, bevor ein allseitig befriedigendes Ergebnis erzielt werden kann. Die- gilt ins besondere auch von Ausführung-Vorschriften über ein Gesetz, über dessen Wirkungen im Einzelnen Erfahrungen noch Nicht vorliegen können. Hier wird an der Hand der Praxis, wie in anderen Fällen ähnlicher Art, manche-wieder zu ändern, manche Einzelanordnung zu berichtigen sein. Das liegt in der Natur der Sache. Der Steuerverwaltung aber erwächst in solchen Fällen die Ausgabe, mit größter Sorgfalt die Wirkungen der Aussührungsbestimmungen zu beobachten und, wo immer sich Anstände ergeben, Abhilfe zu schaffen, soweit die- mit der Zweck bestimmung des Gesetzes vereinbar ist. Eine Reihe von Thatjachen beweist, daß die Steuerverwal tung bei Ausführung des Branntwcinsteuergesetzes die hierzu erforderliche Elastizität besitzt und sich nicht au- einseitigen st-- kalischcn Gesichtspunkten berechtigten Ansorderungen deS Erwerbs lebens verschließt. Mancherlei weitgehende Erleichterungen sind teils bereits eingetreten, teils in Aussicht genommen So ist unter anderen der SpirituSsabrikation behuss Erleichterung de- ExportS eine ungleich freiere Bewegung zugestanden, als die- ansänglich der Fall war. Ebenso ist in Aussicht genommen, bei dem Bundesräte zu erwirken, daß den Brennern sreigestcllt Feuilleton. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 21. Oktober: „Brigitta." Trauerspiel in 4 Akten von Richard Voß. (Zum ersten Male.) Richard Voß ist unserm Theaterpublikum schon durch sein Drama „Die Patrizierin'bekannt geworden; allerdings nicht in so vorteilhafter Weife, als es sein Talent verdient. Die Bühne scheint nicht der Ort zur günstigen Bethätigung dieses Talentes zu sein, wenn e- nicht die Zukunft durch eine größere Samm lung des Dichters anders erweist. Eine solche Be nennung, mit der man im allgemeinen vorsichtig zögern muß, läßt sich hier in der That wagen, denn eine wirklich dichterische Begabung hat Voß gezeigt und selbst dann noch aufrecht erhalten, als er bereits einer viel zu häufigen, ja massenhaften Produktion ergeben war Sie führte in vielen Fällen zur Verflüchtigung seiner schönen Anlagen und zur Pflege überroman tischer, seltsamer Lieblingsstimmungen, bei denen sich seine Muse in dem finsteren Schlagschatten trauriger Schicksale und fatalistischer Fügungen wohlgefiel. Da bei konnte ein größere» Übel nicht ausbleiben: die Manieriertheit, welche ja stets die immer unfruchtbarer werdende Wiederholung bereits angeschlagener subjek tiver Töne in sich schließt, wobei fort und sort da» Suchen nach grelleren Effekten unvermeidlich ist, um der Wirkung den Schein der Neuheit und drastischen Steigerung zu geben. Wo diese Mängel nur schwach oder stellenweise har nicht hervortraten uud somit di« Art der Leistung nicht aus den Grenzen des harmonisch Schönen, Ge sunden in das endlose Gebiet des Krankhaften und deshalb Unkünstlerischen hinausgedrängt wurde, da hatten wir in den Novellen vou Voß liebenswürdige Gaben vor uns, selten zwar als Ganze», ost aber reizvoll und dankenswert genug in den Episoden. Da» Talent erschien hier für die kleinere epische Form auf fallend stark ausgeprägt und höchst interessant zugleich. Innig vertraut mit Italien und mit der eigentlichen Rassenhaftigkeit und dem poetischen Naturalismus seiner Volksstämme, hat Voß einen feinen Blick für daS Lharakteristifche im allgemeinen, ja sogar für die individuelle Charakterzeichnung im besondern dargelegt. Wenn auch weniger in der direkten Rede, im Dialog, diesem stärksten Wahrzeichen eines Dichter», al» in der poetischen Beschreibung begabt, sind seine Schil derungen von hervorragendem Reiz, vou wohlthuender Frische. Er malt mit den sichersten Lokalfarben und wird dabei von der sehr seltenen liiterarischen Fähig keit unterstützt, in vorzüglicher Sprache sagen zu können, was er vor sich hat oder wa» seine Rück erinnerung oder Phantasie erblickt und empfindet. So umschwebt uns bei seinen besten Worten der Naturodem deS italischen Lande», un» durchdringt der Orangenduft im dämmernden Abendhauch und wir kühlen die blitzenden Blicke fesselnder Gestalten, die sich auf diesem malerischen Boden liebend oder hassend gegenüberstehen. Da» ist eine warme, er quickliche Anteilnahme und doch vielleicht schon in den nächsten Augenblicken werden wir von der bizarren Komposition der Handlung befremdet, gestört, ja ver letzt. . . . E» ist schmeichelhaft genug für den Autor, daß wir durch die hier berührten anmutigen Eigenschaften an Gregoroviu»' Spiegelbilder des Südens, an Paul Heyse» Erzählertou, an manche Züge von Adalbert Stifter» Talent für Natur- und Situationsstimmung bin und wieder erinnert werden und in allen Bestre bungen de» jüngeren Autor» einen Drang nach ideali stischer Auffassung anerkennen. Auch in dem Trauer piel „Brigitta" sind die entwickelten günstigen Krä te seiner Muse nicht unbe merkbar geblieben, soweit da» bei den anders gearteten Bedingungen der Bühne und dem weit hinter uns liegenden nordischen Stoff möglich war Inneres Feuer und Leben machen sich bei den hervorragenden Scenen genugsam geltend. Der Dialog atmet oft Gedanken und Geist und wir verfolgen ihn mit Span nung; einige Personen haben Blut in den Adern, da hin gehört der Bauer Estrit und der König, der uns jedoch kein sympathischer Held wird. Es geht von diesen Gestalten eine bewegende Strömung aus. An dere erwecken unser Mitgefühl, freilich nicht ohne die Unkosten starker gewagter Mittel, die der Dichter dabei verschwendet hat Da» bewahrheitet sich gar peinlich an Botildi», die, selbst ein Lamm, nicht so glücklich ist, wie Isaak, ein Lamm zu finden, das sich für sie schlachten läßt. Ihr Fleisch wird von ihrem Vater, dem Schlächter, dem König Waldemar zum HochzeitS- mahl präsentiert. Auch Brigitta erweckt unser Inter esse, doch nicht durch ihr weibliche» Gemüt, daS un klar, verwirrt, geschraubt Heroinenhaft und doch wieder vrrzagt ist, sondern nur durch ihren Geist. Er ist bei aller Excentricität so auSgereist daß diese Rolle eigent lich von keiner jungen ersten Liebhaberin — die wir nicht besitzen — gespielt und doch auch von keiner älteren in ihrem Schönheitszauber glaubhaft gemacht werden kann. Die Hauptfrage ist nun: Zeigt neben einigen also nicht ganz uninteressanten Personen dieses Trauerspiel auch daS Allernötigste, nämlich eine genügende tragische Schuld, die zu erschütternder poetischer Versöhnung gelangt? Nein, es besitzt eine solche Motivierung nicht; es muß sich in Ermangelung dessen mit schmerzlichen Ereignissen und Wendungen behelfen, die zum Teil zufällig, zum Teil grausam, ja sogar ungerecht sind und uns bedauerlich anmuten, statt uns zu erheben. Das wirkt immer verfehlt und verstimmend, denn die vergebliche dreistündige Prüfung, ob bedauerliche Thaten unsere seelische Empfindung verwunden, ge schieht doch auf unsere Kosten Die Zuschauer waren seit antiken Zeiten mit Recht haushälterischer mit ihren Nerven, wenn es gilt Leiden mit zu fühlen, al- wenn man für matte Theaterscherze ein gutmütige» Lächeln verlangt. Der Grund, weßwegen man da» Urteil über die tragische Kunst so ernst nimmt, stützt sich auf den blutigen Unterschied, ob man mit einer Feder gekitzelt oder mit einem Degen gestochen wird. Der Dichter führt uns nach Dänemark in da» 14. Jahrhundert Der eroberungslustige Waldemar erscheint verkleidet und kundschaftend auf der Insel Gothland, die er erobern möchte. Wir hören da bei läufig, daß sich sein weites Königsherz in Brigitta, die Tochter des Goldschmieds Nils aus Wisby, der eine Krone für ihn arbeitet, verliebt hat. Zu stolz, um sich stürmisch und übermütig durch den Glanz der Majestät erobern zu lassen, hat sie seine Geschenke ab- gewiesen. Sie sühlt sich gedemütigt, empört, ja zur Rache angetrieben und deuuoch licbt sie den Btt-
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