Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080626015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908062601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908062601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-26
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ve-u-S'Prei» Morgen-Ausgabe 8, Anzeige»'Pre» «X^b, 0 t>m» m»««») »««ttttUrlich 8 Wl., m«uüktch 1 M., «u«a«d« » (»»««« -»t> abo»s) jÜrlich <20 W-, m»a«tlich l^>0 Ü. Durch dt« Volt ,» veztehr»: (2 «al lLglich) mnrrhuld Drutlchland» und der druvchrn »olmiieu «rrleljäbrlich 2.22«., «omuiich 1,72 M. «dlchl. P»0- !xft«lls-Ü>, >dr OrstrrrÄch » L «6 d, Nn^ar» 8 L ntrrttltlhrltch. A«r«, t» v«1- ->»». Dtnoar^ den Ldnaukaal»», Italien, öuientb«,, «iederiande. Rarweäe«, Nur land Schweden, Schwei» und kpwiten. I» alle» tbriae» Staaten »ne direkt durch di» Svwd. d. «. erdtlkiich. «ldoouen»ent-»nnab«r, Su^uftudPlaH 8, dei anieren lrLaeru, kkiltalen, Sveaiteura» and klnnahm«stellen, lawie PastLmtern o»d Briefträgern. Sie et»»el»« Kammer kastei 1V BfA, "stedakttau aud irrvedtlia»! Jotzauttidgast« 8. delevdo» Rr. 14SSL «tr. I4SS8, «r. i«»d. eiMer T ngMaü Haudelszeitung. Ämtsbsatt des Rates und des Rolizeiamles der Stadt Leipzig. Mr Sichuww au» >.<^>»1» u»° Uwgedun, Üü Suridaiw», Vatit»»il» 22 BI., «uaagielle «ugeig»» St-W„ dieklame» list.; M« -»«war»« SV Pf., «eoauw» 1.2V V »w»«u«la»»rt)P1., st»a»^«»^«,r»7SP» «eklame, M. Iafer«e».0«h»kd»T u a»tl»che»>a««P veilagegedüdr 2 M. » r-niend exkl. Poft- »edühr. »elchäittanaeigrn an bevor»ugtei Stelle im Prelle erhöht. Rabatt »ach larii Fefterretit» «u'krtae können nicht zurück ß«»o,e» wer»«:. Kür da» iiefchetne» an »»stimmten Lagen und Plätzen wir» kein, ivaraatr« übernommen ki-jergeu-Lanadme: Augustutztzlatz », bat lümtltchen Kilialen u. alle» rlunonenn Sipedmonen de« An- und tziutztaude« Haut»!-Krlial« Berti» i S»rl Luncher. Her,»gl. B-nr. tzalduch handliurg, t!ütz«rstrai>« ttl lTelevdan VI. Re. «AS). Pautzt-SUtal« vrrtztz«»: Seestrahe 4.1 cieievhon 4S2D. Nr. 175. Freitag 26. Juni 1808. 102. Jahrgang. Da» wichtigste. * König Friedrich August von Sachsen ist gestern in Kiel eingetroffen und am Bahnhof vom Kaiser empfangen worden. (S. Letzte Dep.) * Der Hauptausschuß der Deutschen L a n d w i r t s ch a f t s - gesellschaft beschloß, die Wanderversammlung 1909 in Leipzig und 1910 in Hamburg ah-uhaltcn. * Zum Herbst tritt eine größere Anzahl von Neubesetzungen in der Marine ein. (S. Dtschs. N.) * Die Vorlesungen an der Innsbrucker Universitär sind gestern ohne Störung wieder ausgenommen worden. * Der Schwerzer Ständcrat nahm einstimmig den neuen Artikel der Verfassung an, durch den der Bund die Oberaufsicht über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte erhält. * Der Generalinspektcur der englischen Armee, S,r John French, wird auch den diesjährigen großen Hcrbstmanövcrn der fran zösischen Armee wieder beiwohnen. * Der russische K o s a k e n o b e r st ist vom Schah zum Mili - tärgouverncur von Teheran ernannt worden. Viele Notabcln flüchten in die Gesandtschaften. (S. d. des. Art ) Hamburg. Unsere deutschen Republiken Haden sich mit Wilhelm II. immer außerordentlich gut gestanden. Sie haben von Anfang an ein persön liches Verhältnis zu ihm gehabt, und vor allem die Republik .Hamburg Hat den König deS benachbarten Preußen stets empfangen, trotz einem Royalisten. Das Bindeglied ztvischcn den beiden Faktoren ist das ffSasser. Wilhelms H. Vorliebe für die See, seine schöpferische Tätigkeit für die deutsche Flotte, mußte ganz naturgemäß speziell in Hamburg sympathisches Verständnis finden, und cs ist auch zu beachten, daß die politische und soziale Gesinnung der Hamburger maßgebenden Kreise eine Art städtischen Feudalismus aufN'eist, die wieder dem Kaiser nach seiner Weise, die Tinge zu sehen, genehm sein muhte. Aber das Wichtigste bleibt doch das Wasser und die gemeinschaftlichen Interessen, die den Deutschen Kaiser wie den größten Seehafen Deutschlands mit dem Meere verbinden. Nie hat der Kaiser in so warmen Warten von der Kapitale des Deutschen Reiches, von Berlin, gesprochen, wie er Hamburg und die Hamburger gepriesen hat. Er sprach seinen gerührten Dank für alle Liebe und Freundlichkeit der Hamburger aus, ist tief ergriffen ge wesen von der Haltung der Bevölkerung und von dem Abend auf der Alster. Er hat die Hamburger verstanden und vertieft das Wort noch durch den Satz: „Die Hamburger und ich, wir verstehen uns." Wer das ins Berlinisch übersehen wollte, würde ansgclacht werden. Von jeher haben sich die Hamburger der besonderen Gunst des Monarchen rühmen können. Dr. Mönckcberg, der verstorbene .Hamburger Bürger meister, und Ballin, der zwar israelitische, aber doch typisch hamburgc- rische Gewaltige der Hmnburg-Amerika-Linie, auch Hapag genannt, waren wohl die intimsten der Hamburger Männer, die als kluge Kauf leute über politische Bagatellen glatt hinwcgzugehen pflegen und die wertvolle Freundschaft zu schätzen wissen. In der unzweifelhaft improvisierten Kaiserred« sanden sich auch politische Stellen aktueller Natur in größerer Zahl^als das bei den mehr Bekenntnissen gleichen Reden des Kaisers in der letzten Zeit wahr zunehmen war. Herausgcgriffen möge aus der Hamburger Rede der Schluß werden, wo der Kaiser sagt, daß der Hamburger Handel sich entwickeln möge „unter dem Schutze eines ehrenhaft bewährten Friedens, den unser Heer und unsere Marine verbürgen werden". Sollte das vielleicht eine leise Abtönung der Döberitzcr Rede nach der Frredensseitc hin sein? Tas braucht man nicht ohne weiteres anzunehmen, um so weniger, als der Frieden das schmückende Beiwort „ehrenhaft" erhalten hat, und als er nntcr den Schuh von Heer und Marine gestellt wird. Außerdem gebietet es die traditionelle Höflichkeit der Diplomatie, auch die ernstesten Konflikte mit freundlichen Wünschen zu verbrämen, und so kann der Wunsch, daß der Handel in Frieden blühen möge, nicht als Ab schwächung aufgesvßt werden. Das Politisch wichtigste Stück der Rede ist deren Mitte, wo von der Neuordnung der Reichsfinanzen gesprochen wird. Die Motivierung der Erörterung gerade dieser an sich von dem Hamburger Milieu doch ziem lich abgelegenen finanziellen Fragen ist vom Kaiser so L propos gegeben. Er meint, auch nntcr den Sportslcuten möge manches weise Haupt sein, dessen Denken und Arbeiten nicht nur für ihn, sein HauS und seine Reedereien, sondern auch für das Deutsche Reich und das deutsche Volk von Nutzen sein werde. Neben dieser komplimentartigen Begründung mag aber der tiefer liegende Grund darin zu suchen sein, daß der Kaiser nach außen hin recht deutlich werden lassen wollte, wie ..rationell, gesund und für das Reich zweckdienlich der Aufbau für die Reichsfinanzreform" gebildet sein werde. Tas soll heißen: alle Hoff nungen deS Auslandes aus einen finanziellen Zusammenbruch Deutsch- lands unter der Waffenrüstung seien irrig, und die gesetzgebenden Körperschaften d«S Reiches würden im Herbst dieses Jahres schon Mittel finden, um die Finanzen zu sanieren. Ein Nebenmoment, aber doch immerhin noch bei unserer Geltung ver Persönlichkeiten im politischen Leben von Bedeutung, ist das betonte Wort des Vertrauens zu dem „hamburgischen Blut, das in den Adern unseres ausgezeichneten und hochverehrten Kanzlers fließt". Daraus nun freilich schon eine Garantie für die Zweckmäßigkeit der geplanten Reform ableiten zn wollen, scheint uns ein wenig gewagt, zumal wir noch zu frisch iu der Erinnerung haben, wie wenig rationell sich in der Praxis die kleine wie die große Reichsfinanzrcform des Freiherrn von Stengel unter der Aegidc desselben Fürsten Bülow sich gezeigt hat, der doch auch schon damals hamburgischen Blutes war. Freilich verdient der Mann der ihm zur Seite steht, nämlich .Herr Svdow, nach des Kaisers Meinung das volle Vertrauen der Hamburger, also doch wohl auch der übrigen Ncichsbürger, und wir sind gespannt daraus, wie Herr Sydow dieses Vertrauen rechtfertigen wird. Mit der Iunggescllensteucr, auf die der Kaiser — im Scherz oder Ernst, bleibt zn»cifclhaft — angcspielt hat, wird die Sanierung wohl nicht allein zu machen sein. Es werden sich also auf alle Fälle außer den Junggesellen noch manche andere Bcvölkerungskrcisc auf die kommen- den Ereignisse einrichten und Geld iu ihren Beutel tun müssen. Doch darauf war mau je wohl schon so wie so gefaßt. Besonders erfahrene und feinfühlige Zcichendeuter könnten schließlich noch aus dem Ausklang der Kaiserrede mit ihrem dreimaligen Hurra auf ein Zunchmen der kriegerischen Stimmung schließen, nachdem wir erst jüngst haben den Kaiser auf gut bürgerlich Hoch rufen hören. Aber wir wollen uns doch lieber in jo gewagte Jnterpretationskünslc nicht einlasscn und einfach konstatieren, was ist. Von -er Aieler Woche. (Sonderbericht für das Leipziger Tageblatt.) II. Kiel, 24. Juni. Zunehmende Bewölkung war von der Seewarte vorausgesagt, aber Gott Aeolos scheint diesmal die Segler besonders in sein Herz gc- schloffen zu haben, und jo ließ er denn schon in aller Frühe wieder cnie frische Ostnordostbrisc spielen, die bald die Wolken verjagte. Als unser Begleitdampfcr, zu dem der Vorstand des Kaiserlichen Jachtklubs den Pressevertretern wieder in liebenswürdigster Weise Karten zur Ver fügung gestellt hatte, die Landungsbrücke nm 8lü Uhr vormittags ver ließ, war wieder Heller Sonnenschein. Unweit Kitzeberg, gegenüber der Holtcnaucr Einfahrt in den Nordostscckanal, war westlich von der schwarzen Tonne Kiel Nr. 8 der als Start- und Zielschiff dienende Dampfer „Budde" verankert. Um ihn herum schwärmten, sich behaglich ans den leichten Wellen wiegend, die Jachten, die heute zur ersten Binnenwcttjahrt des Kaiserlichen Jachtklubs antreten sollten. 22 waren im ganzen gemeldet; von ihnen fehlte nur die „Diana" des ,.)errn K. Ulrich, alle anderen waren erschienen. Es standen also von vorn herein interessante Kämpfe in Aussicht, waren doch in der 8-Metcr- Klassc von den 8 startenden Jachten 4 Neubauten, und die 6-Meter- Klaffe zeigte mit 5 Neubauten unter 8 Jachten eine ganz besonders wertvolle internationale Zusammensetzung,, die auch nach Gebühr ge würdigt wurde. Speziell war man darauf gespannt, ob Kirstens „Windspiel H" sich wieder so erfolgreich zeigen würde, wie beim Kampfe um den Eintonncr-Pokal. Vom Startdampfcr wehte die grüne Flagge, cs war also die volle, 10 Seemeilen (18,5 Kilometer) lange Bahn äuszuscgcln, und zwar im Rechtskurs. Sie stellte ein Dreieck dar, dessen Eckpn tte durch drei bei Alt-Heikendorf, Friedrichsort und Holtenau verankerte Markbootc be zeichnet waren, und mußte zweimal durchmessen werden, woraus die Fahrzeuge, nachdem sie zum letzten Male das Markboot bei Friedrichs- ort gerundet hatten, an den Ausgangspunkt zurückkehren mußten. Da der Wind weiter nach Norden krimpte, so waren also nur die Strecken vom Start bis Friedrichsort und von Holtenau bis Jicdrickisort du ich Kreuzen gegen den Wind zurückzulegen. Punkt 9 Uhr fiel der Vorbercitungsschuß, und fünf Minuten später der Startschuß für die 8-Meter-Jachtcn, von denen „Toni" den besten Start machte und infolgedessen sofort die Führung übernahm. Ihr folgten „Mariechcn", die vielfach schon als Gewinnerin des in dieser Klasse auszusegclndcn Ehrenpreises des Stadt Kiel getippt wurde, und „Nixe", dann dicht nacheinander die fünf übrigen Jachten. Aber schon bei dem ersten Runden der querab von Friedrichsort verankerten Boje .V hatte „Nixe" die Führung übernommen und behielt diese bis zum Schluß des Rennens. „Toni" wurde auch noch von „Wildente" und „Mariechcn" überholt, die den zweiten und dritten Platz belegten. „Nixe" batte ihren Vorsprung so weil vergrößert, daß sie, trotzdem sie au „Wildente" 70 Sekunden zu vergüten hatte, noch mit 18 Sekunden Vorsprung die Ziellinie passierte und so den Ehrenpreis der Stadt Kiel errang, wie ich Ihnen bereits telegraphisch gemeldet habe.. In der 7-Metcr-Klasse war „Scottie" trotz „Argcntinas" brillanter Manöver von Anfang an sicherer Sieger. Ein großartiges Bild gewährte der Start der 6-Meter-Klasse, in der „Windspiel" sich an die Spitze setzte. ,^)nkel Adolph" war ihm aber hart aus den Fersen und hatte schon bei der Boje H (Alt-Heiken- dors) mit 30 Sekunden Vorsprung die Führung. Aber auch „Paß op" uno „Vagabund" hatten prompt beim Runden von Boje Ballvnfock und Spinaler herausgebracht und drängten nun, von den blendend weißen Segeln gleich einer Wolke umhüllt, „Windspiel" aus den vierten Platz. Der Kampf zwischen diesem Quartett wurde immer spannen der und non Bord des Beglcitdampfers mit größter Aufmerksamkeit Verfolgt. Kurz vor dem Ziel, als das Geschwader mit vollen Segeln vor dem Winde dahinlicf, war es noch sehr zweifelhaft, wer den ersten Preis dieser Klaffe Heimbringen würde. „Windspiel", das beim Aus krenzen wesentlich Terrain gewonnen batte, bedrängte „Qnkel Adolph" hart und würde auch bei etwas längerer Bahn wohl Sieger geworden sein, so aber mußte es. allerdings nur mit 4 Sekunden, „Onkel Adolph" die Palme lassen. Die beiden Konkurrenten haben sich aber noch wiederholt zu messen, und ihre dabei in Aussicht stehenden Zweikämpfe werden jedenfalls wieder lebhaftes Interesse auf sich ziehen. Bei der Rückfahrt nach Kiel zeigt sich uns ein grandioses Hafen» bild. In drei langen Reihen sind die sämtlichen zurzeit in der Heimat befindlichen Schisse der Hochseeflotte verankert. Vom Kieler Schloß bis nach der Mündung deS Nordostseekanals dehnt sich die Kette der Linien schiffe, Kreuzer und Svezialichisse in achtunggebietender Stärke, einen krossen Gegensatz bildend zu den zierlichen Dampf- und Segeljachten, die auf der Strecke von Bellevue bis zum Gebäude des Jachtklubs vor Anker liegen nnd unter denen wir manchen alten Bekannten erblicken, so die amerikanische Damp^ackt „Nttowona" der Familie Armour. Neu war mir die vom Geb. Kommerzienrat Lingner-Dresden gecharterte „Lady Torsrida", eine sehr schmucke Segeljacht, und die Dampfjach« „Caperfcilzie" des bekannten englischen Zeituuasverlegers Dawison Dalziel-Glasgow. Auch di« belgische Dampffacht „Nirwana" des Herrn v. Bernutb-Antwerpcn, dem auch die oben erwähnte „Paß ov" adbörr, fällt dem seemännisch geschulten Auge vorteilhaft auf. Auf den Kriegsschiffen herrscht reges Leben. Die Mitkaasmablzeit, „Backen und Banken", wie man an Bord lagt, ilt vorüber, die Mann schaften legen Paradcanzug an, und geschäftig sieht man Deckoffiziere und Maate hin und bcr eilen, die Leute noch einer letzten Musterung zu unterzichen. Sic haben alle Ursache dazu, denn cs geht allmählich aus 1 Uhr, in einer Stunde wird der Kaiser erwartet, und der oberste Kriegsherr ist ein gestrenger Kritiker, dessen 'ckorsem Auge io leicht nichts entgeht. Dampfbeiboote nnd Pinallen schießen hin und her, auch findet noch ein lebhafter Signalaustausch zwischen den schissen start. Fünf Minuten vor 2 Uhr geht auf dem Flaggschiff wieder ein Signal hoch, zwei Flaggen und zwei Wimpel. Seine Bedeutung wird uns so fort klar: auf allen Schiffen steigt die Kriegsflagge des Deutschen Reiches zur Mastspitzc empor, die Mannschaften nehmen an Deck Paradeaui- stellunp. Um 2 Uhr 7 Min. wird in der Holteuauer Schleuse ein großer, weißer Avffo sichtbar: Die „Hvhenzollern", die Kaiserstandartc im Groß topp gesetzt. Im selben Augenblick beginnt der am weitesten nach Hol tenau zu liegende Kremier, wenn ich nicht irre, die „Berlin", den Kaiser salut von 33 Schuß zu feuern, der alsbald von de: ganzen Flotte und den Hasenbefestigungcn ausgenommen wird. Es ist ein Höllcnlonzert, sür empfindliche Ohren nicht gerade geeignet. Aus jedem ^ctnffe zucken Blitze, quellen Tampswolkcu, und in kaum einer halben Minute ist die ganze Flotte und mit ihr das Landfchaftspanorama in dichten Rauch gehüllt. Aus 'Sparsamkeitsrückfichten verwendet man nämlich zu den Salutkartuschen kein ranchschwaches Pulver, sondern gewöhnliches Schwarzpulver. Schuß fällt auf Schuß, im ganzen fast zwölfhundert. Dann schweigt die Kanonade, langsam beginnt sich der Ranch zu ver ziehen, und wie ein Geistcrfchitf schiebt sich langsam die „Hobenzollern" durch die wallenden Massen. Jetzt ist sie vom Rauche frei, nnd deutlich erkennt man vorn aus dem Kaiserstano der Kommandobrücke den Kaiser in Wmiralsuniform mit weißer Mütze, neben ihm in großer Uniform Prinz Heinrich, der anscheinend seinem kaiserlichen Bruder soeben den Frontrapport der Flotte überreicht hat. Oder gehört das Blatt Papier, das der Kaiser in der Hand hat, zu den Beförderungslisten, die der oberste Chef der Marine alljährlich auf der Fahrt durch den Nordsec kanal zu vollziehen pflegt? Von den Schiffen, die der Kaiser passiert, dringen drei Hurras der Besatzungen und die Klänge der Nationalhymne herüber, die Flaggen werden getippt, nnd in geminderter Fahrt, aber stetig, geht die „Hvhenzollern" an ihre Boje. Der Kaffer ist da, nun ist Kieler Woche! vr pliil. Imeckr. I'urUi». Der Staatsstreich in Persien. Als am 11. August 1906 der Schah von Persien seinem Volke die Ver- sassung gab, batte niemand erwartet, daß das „Haus der Gerechtigkeit", wie man das Parlament in Teheran nannte, so bald in Trümmern liegen werde. Jetzt ist das Parlamentsgebäude ein Schutthaufen, und die darin tagten, sind entweder gehängt worden oder liegen in Ketten, und werden kaum noch zu den Ihrigen zurückkebren. Der Gewaltakt Mohamed Ali Mirzas bar aber, das tritt aus verschiedenen Meldungen deutlich zutage, nicht nur das Parlamentsgebäudc als snlches, jouL-crn auch Vie junge Konstitution vom Boden weggefegt und Persien zum Absolutismus zu- rückpefübrt. Wenn damit die Wiederherstellung der Rübe im Innern dieses Landes Garantien wäre, könnte die Umwälzung mebr oder weniger ae- rechtfertigt erscheinen. Wie aber die Dinge dort liegen, muß man be fürchten, daß die liberalen Perser nunmehr — ähnlich wie es im letzten Jahrhundert in Rußland der Fall war — jede Hoffnung auf Einführung von Reformen vertieren nnd in das Fahrwasser radikaler oder anarchistischer Tendenzen geraten. Damit wäre die Ruhe in Persien nur so weit hergestellt, als die Macht der Kanonen des Schah reicht, waS bei der Ausdehnung des Reiches wenig besagt. Nun hat ja Persien anch eine wichtige Rolle in den Verhandlungen zwischen England nnd Rußland gespielt, die durch die Revaler Monarchenbegegnung gekrönt worden waren. Es mag dabei auch an Zugeständnissen Englands an Rußland nicht gefehlt haben, denn cs ist völlig ausgeschlossen, daß man an der Newa von den Ereignissen der letzten Tage in Teheran besonders überrascht worden ist. Nicht allein, daß schon früher russischer Einfluß den Schah zn manckvm Stritt ge bracht hat, der ilim das Volk entfremden mußte: auch die Truppen ansammlung der Russen au der Grenz« deutet daraus hin, dali man in Petersburg mit allein gerechnet bat. Endlich läßt auch die Art des Vor- gehens des Schahs ein russisches Vorbild erkennen, das mit ziemlicher Treue nachgeahmt wurde, zumal ja russische Instrukteure die persischen Truppen unterweisen. Mag der Schah selbst auch Proklamation aus Proklamation erlassen und in dicken feierlich versirswru. daß er die Ver fassung nicht beseitigen wolle. Der eherne Mund der Kanonen sprach eine andere Weise, und namentlich die Intellektuellen Versiens, ioweir sie nationalistisch gesinnt sind, werden Zweifel an der flusrichtigkeit des Schahs wob! nie ganz loswerdcn. lieber die Ereignisse der letzten Tage wird noch gemeldet, daß am Mittwoch viele weitere Verhaftungen erfolgten. Der Herausgeber der Wochenschrift „Jululisrosil" sowie einige andere sind hinaerichtet worden. Tas Parlaments- qebäude wird fetzt von Arbeitern gänzlich niedergerisscn. Die Truppen halten gute Disziplin. Die Basare sind wieder geöffnet und die Stadt ist ruhig. Vom Hause Schir-ed-Danlchs, eines Schwa gers des Schahs, wurde eine Bombe geworfen, durch die vier Ko saken getötet wurden. Der Schah ließ sofort da? Hau? durch Ar tillerie umstellen und ans nur etwa 20 Schritt Entfernung bombar dieren. Da? Haus, das nahe bei der deutschen Gesandt schaft liegt, war Sitz der Bruderloge Uchawaet. Viele Logenbrüder, aber ebenioviele Kosaken sind getötet oder verwundet. Schir-ed- Danlehs Sobn Schir es Sultan wurde gefangen genommen. Das Hau? wurde vollständig leer geplündert. Die Plünderungen in der ganzen Stc>dt nehmen furchtbaren Umfang an. Auch das Haus des Do l- metschers der deutschen Gesandtschaft, der ein bekannte? Klubmitglied ist, wurde geplündert. Viele Geistliche, ferner der Finanz. Minister Sani-ed-Dauleb und andere suchen Schutz in der deutschen Ge sandtschaft, Die Ausnahme wurde aber bisher verweigert. Andere stellen sich unter französischen oder englischen Schutz. Der Vizepräsident des Parlaments, Mef'cht.er-ed-Dauleh, wurde gefangen genommen. Eine Proklamation bes Sckmb« schreibt Ncuwoblen sür das Parlament aus, die in zwei Monaten erfolgen sollen. Der persische Geiandtc in Paris, seifen Bruder, Prinz Ismael Khan, Präsident des Parlamentes war erklärte verschiedenen Zeitungsvcrtretern, daß der Sckab von Persien keineswegs die ?lbsicht habe, die Verfassung abzuschoffen. In einer vor drei Tagen an die Nation erlassenen Proklamation erklärt der Schah, er wolle zuerst die Ordnung wiederherstellen nnd die Schuldigen bestrafen Sodann werden die Parlamentsmitglieder ihre Arbeiten in Ruhe wieder aufnehmen können. Er sei entschlossen, die Ver fassung aufrecht zu erhalten und den Fortschritt in seinem Lande zu fördern (?). Der Gesandte versichert, der Schah wolle zuerst dem Treiben der terroristischen Klnbs ein Ende machen, nm Persien wieder der Rübe und Ordnung zuzuführen Der russische Kosakeuoberst ist vom Schah zum Militärgouverneur von Teheran ernannt worden. Der Finanzminister Sani-ed-Dauleh, der Abgeordnete Sadig Hasr ed und der Sekretär des Parla ments Muchher el Muelk sind mit ihrer Familie in die ita lienische Gesandtschaft geflüchtet. Der Schab läßt tag- lich ein Haus bombardieren nach einer Liste. Jedes Bombardement ist mit gänzlicher Plünderung und Ausraubung des Gebäudes verbunden Sogar die Türfüllungen und Klinken, sowie die Balken werden ge stohlen: die europäische Kolonie ist außer sich über die Greucltaten die vor ihren Augen geschehen, freilich unter Schonung der Europäer
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite