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21. Jahrgang Nr. 1S0 Dienstag, äen 13. Juli 1S2S /luer Tageblatt MZM Anzeiger ^ür -as Erzgebirge Ittesramo», rag,blattn°«-rro-di»o». Enthalte«- -le amtlich« Sekasktmachuagr« -»» Rata» -V» St«-t «ar -e» A«t»gettcht»Mm. paMaa-mm» a«.,mr Caillaux geht nach London. Unterzeichnung des Schuldenabkommens. — Demonstration der FronttSmpfer- — Lebensmittetteuerung. Parts, 11. Juli. Jinanzminister Caillaux wird sich am Montag im Flugzeug nach London begeben und kxchrfcheinlich das Schuldenavkommsn mit England un- tekzeichnen. Er hofft, wenn alles nach Wunsch ^eht, ant LienStag "wieder nach Paris zurückkehren zu kön nen. Zn feiner Begleitung wird sich der Unterstaats- sekretär für die Finanzen TuboiS befinden. Ter Unter direktor im Finanzministerium Bernaud ist heute be reit» nach London abgeretst, um Einzelheiten des fran- zöstjch-bri tischen Schuldenabkommens "zu regeln. Nach Meldungen der Pariser Abendpresse soll Frankreich in diesem neuen Abkommen Zugeständnisse erzielt haben. Zn erster Linie wird sofort nach Unterzeichnung des Ab- kommens di« Bank von England der Bank von Frank reich einen 'Kredit von 500 Millionen Goldsrankcn er öffnen. Dieser soll durch das Golddepot garantiert wer den, da» Frankreich im Laufe des Krieges zur Garan tierung seiner "Kriegsschuld der Bank von England über wiesen hat. WaS die Schuldenregelung anbelangt, so soll Frankreich vier bis sechs Millionen Pfund .Ste» ltng bi» '1931 und 10 bis 12 Millionen Pfund Ster ling in späteren Jähren bezahlen. Ferner soll Frank, reich die "Sicherheit der Transfer-Klausel in London durchgesetzt haben. , Pari», 11. Juli. Heute vormittag hat die Ver einigung der ehemaligen Kriegsteilnehmer ihre von der Regierung erst auf dringende Vorstellung hin zugel-ssene Kundgebung veranstaltet, um eine Mldernng des Wa shingtoner Abkommens über die französischen Schulden zu erreichen. Sie ist völlig ruhig verlaufen. Der end lose Zug, der vom Triumphbogen ausging, zählte etwa 20 000 Teilnehmer aus allen Teilen Frankreichs. Am Denkmal für die amerikanischen Teilnehmer und vor dem Washington-Tenkmal wurden Blumen niedergelegt. Am Washington-Denkmal ereignete sich ein kleiner Zwi schenfall. Trotz des Verbotes versuchten die Teilnehmer der Kundgebung eine Marmorplatte an dem Denkmal an zubringen. Dies wurde von den anwesenden Polizei präsidenten verhindert. Tie Tafel wurde jedoch am Denkmal niedergelegt. Sie enthält eine Inschrift, .in der die französischen Frontkämpfer sich direkt an da» amerikanische Volk wenden und erklären, ste wünschten nicht, das, Abkommen geschlossen werden, die den Ruin Frankreichs und den Verlust seiner Selbständigkeit zur Folge haben würden. Die Frontkämpfer verlangten viel- mehr, daß das amerikanische Volk di? Frage der Schul denregelung nochmals einer Prüfung unterziehe. Nie ser Text war auf der Tafel auch in englischer-Sprach« angebracht. An der Kundgebung haben auch eine An zahl Abgeordneter der rechtsradikalen Parteien tetlge- nvmulen. Ausserdem nahmen Vertreter der grontkämp- servrganisativnen der Faschisten in ihren blauen Hemden und Vertreter der Aetion francaise daran teil. Tier Zug wurde nachmittags ohne Zwischenfall aufgelöst. — In Nizza und Troyes haben nach den bisher vorliegenden Nachrichten ebenfalls Kundgebungen stottgcfunden. pariser Kun-gebung gegen -le Lebensmittel- teuerung. Paris, 12. Juli. Gestern nachmittag fand eine Kundgebung der Gewerkschaften Moskauer Richtung von Paris und Umgebung gegen die Lebensmittelteuerung, die tzinanzpläne der Negierung und für den Achtstunden- rag statt. Nach der „Humanitee" ist eS nach Schluß der Versammlung zu einem Zusammenstoß mit der Polizei gekommen, bet dem mehrere Teilnehmer verletzt wurden. Versammlungsverbot lm Lan-krels Sreslau. Breslau, 11. Juli. Wegen der letzten schweren Ausschreitungen gegen die Breslauer Polizei hat der Landrat des Kreises BreSlau für den gesamten Kreis BveSlau sämtliche Versammlungen unter freiem Himmel und alle Umzüge verboten. Austausch von Natlfikatlonsurkun-en km Auswärtigen Amt. Berlin, 11. Juli. Tie Ratifikationsurkunden zu dem zwischen dem deutschen Reich! und der Republik Estland am 13. März 1925 in Reval unterzeichneten Konsularvertrag nud dem zugehörigen Schlutzprotokoll sind gestern im Auswärtigen Amt ausgetauscht worden. Der Vertrag wird am 11. August in Kraft treten. Anschlußkunögebung kn Wien. Wien, 10. Juli. In der Volkshalle des Rat hause» veranstaltete heute die sozialistische Studenten schaft eine Anschlußkundgebung, an der sich auch die in Wien weilenden Mitglieder des Reichsbanners Schwarz, Rot^Gold mit ihren Fahnen beteiligten. In den An sprachen, die öfters von stürmischem Beifall unterbro chen wurden, wurde auf die Notwendigkeit, die deutsch« Nation zu einer Einheit zusammenzuschließen und bas deutsch"« Selbftbestimmungsrecht zu erhalten, hinge- wtgfen. Preußen kün-lgt -en Staatsvertrag mit Wal-e<k. Berlin, 11. Juli. Da» Preußische Staatsmini- stertum hat, wie die Blätter aus Kassel melden, den bestehenden Gdaatsvertrag von 1883 mit Waldeck, der im wesentlichen dessen Verwaltung durch Preußen re gelt, gekündigt. "In dem an den LandeSauSschutz gerich- teten Schreiben des Ministerpräsidenten Braun heißt eS: „Um dem Lande Waldeck die Möglichkeit zu geben, frei von jedem preußischen Einfluß seine Verfassung und NsgterungSform nach den Erfordernissen der Retchsver- fassung zu gestalten kündigt das Preußische StaatSmi« ntsterium hiermit die in dem Vertrag getroffenen Ver einbarungen gemäß Artikel 10 des Vertrages." Da in dem Vertrage eine zweijährige Kündigungsfrist vorge sehen ist, tritt die Lösung des BertragsverhältntsseS am 29. Juni 1928 in Kraft. Ter LandeSauSschutz von Waldeck Kat den Landesdirektor beauftragt, mit dem Preußischen Staat-Ministerium in Verhandlungen ein- zutret»«. ' ! " " ' ' Rumänisch-bulgarischer Srenzzwlschenfall. Paris, 11. Juli. „Chicago Tribüne" meldet aus Bukarest: Bulgarische Banden Überstelen die rumänische Ortschaft Santul Vechia, wurden aber von dem dorti gen Mtlitärposten zurückgeschlagen. Sie kehrten jedoch später zurück. Bet dem entstehenden Kampf verloren die Angreifer 28 Tote und mehrere Gefangene. Tie rumä nische Regierung wird bei der bulgarischen Regierung wegen des Zwischenfalles vorstellig werden. Vas franzöflsch-spanlsche Abkommen. Paris, 11. Juli. Wie amtlich mittzeteilt.wird, haben gestern die spanischen und französischen Delegier ten ein Abkommen betreffend die Befriedung Marokkos und der Einrichtung eines nachbarlichen Regimes zwi schen der französischen und der spanischen Zone unter zeichnet. lieber den Ort der Verbannung Abd el Krims ist in dem Abkommen nichts genannt worden. Havas zufolge ist so gut wie sicher, daß Abd el Krim nach Madagaskar transportiert werden wird. der Sultan von Marokko kn Toulon. Paris, 11. Juli. Heute nachmittag ist in Tou lon an Bord des Panzerkreuzers „Parts" der Sultan von Marokko Muleh Jussus mit seinen drei Söhnen und in Begleitung des Generalrestdenten Steeg und eines großen Gefolges eingetroffen. Er wirb heute abend die Reise nach Paris fortsehen, wo er Gast der französischen Regierung sein wird. Ter Sultan wird u. a. der Mlli. tärporade beiwohnen, die anläßlich de» Nationalfestes am 14. Juli.stattfindet. l ! ,' ! ! t 1 -Ä» l. . ,> . , Proklamation -er neuen portugiesischen Negierung Parts, 11. Juli. Ter „Chicago Tribüne" zu folge behauptet das neue portugiesische Kabinett in einer Proklamation, daß eS von den Garnisonen in Lissabon und anderen Orten unterstützt werde. Gomez Costa sei wegen seiner Unentschlossenheit und seiner Unkenntnis in der Geschäftsführung abgesetzt worden. Das Pro gramm vom 25. Mat werde zur Durchführung stim men, und dte Ordnung würde im ganzen Land« aufrecht schalten bleiben. > Senerol wrangt! zieht sich aus -em öffentlichen Leben zurück. Belgrad, 10. Juli. Tie Zeitung „Politika" mel det, daß General Wrangel seine Organisation „Kralovtst" aufgelöst und dte noch vorhandenen Dienststellen dieser Organisation dem Großfürsten Nikolat Nikolajewitsch zur Verfügung gestellt habe. Wrangel beabsichtige, sich in Belgi-n al» «inkacher Privatmann ntederzulassen. 2ur kecdlten Mieclerkekr cles Abktimmungstage«. Fei« ku Königsberg. Königsberg, 11. Juli. Bei demi Festakt «5 Anlaß der sechsten Wiederkehr des AbsttMmunMage» hielt Oberprästdent Siehr eine Rede, in der er zu nächst dem Anlaß entsprechend ausführlich de» 11. , 1920, der Vorgeschichte der Abstimmung und ihrer Be deutung gedachte. Gr erinnerte daran, daß Ostpreußen die Abstimmung al» einen unbilligen, teden innere« Grundes entbehrenden Zwang und unberechtigten Zwei fel an seiner kerndeutschen Gesinnung empfunden habe. Er erinnerte weiter daran, daß da» Ostpreußenvolk in jener Zeit der Sorge um da» Schicksal der Heimat ein seltene» Beispiel der inneren Einigkeit und Geschlossen heit gegeben habe. Er erinnerte endlich an den! )1. Juli selbst, an dem 92V, Prozent aller Stimmen im West« preußischen Abstimmungsgebiet, 9?V, Prozent im Allen, stetner Bezirk und rund 100 Prozent in den masurischen Kreisen für Deutschland abgegeben worden seien, Nach einer Zurückweisung gewisser Ausdeutungen seiner wie derholten Aeutzerungen über den unbeugsamen Selbst-«, hauptungswtllen Ostpreußen» al» Wort« de» Hasse» ge gen dte polnische Nation oder gegen den Polnischen Staat fuhr Oberpräsident Siehr fort r „Wir wünschen ehrlich, mit unsemem Vvlnischen Nachbarn in Frieden zu leben, und wenn dte neue Gtaatsleitung Polen» den gleichen ernstlichen Wunsch hat, mit dem deutschen Nachbarvolk« in ersprießliche Beziehungen zu treten, so werden wir Ostpreußen die» nur freudig begrüßen. Dazu ist aber vor allem erforder lich, daß die polnische nationalistische Press« Mt ihren bisherigen, auf Kampf eingestellten Methoden grund sätzlich bricht, und daß man uns mit der Propagierung der Dmvwskischen Ideen von einer Einverleibung Ost preußen» in Polen endgültig verschont. Die Sprache der ostpreußischen Volksabstimmung zeigte klar und deutlich den Willen der ostpreutzischen Bevölkerung. Wenn die jetzigen Letter der Geschichte Polen» staat»- männtsch weitblickend daraus dte Konsequenzen ziehen und allen Annextonsgelüsten auf ostpreußtsche» Land entschieden entgegentreten, so werden ste ihrem eigenen Land« und der Befriedung Europas einen großen Dienst erweisen." " Nach einer Zurückweisung der im Zusammenhang mit Roman Tmowskis Schriftr ,M« Polnische Politik und der Ausbau des polnischen Staates" aufgetauchten Gerüchte von einer Förderung des Anschlüsse» Oester reichs an Deutschland durch! Preisgabe ostpreutzischen Landes fuhr der Redner fort: Ich betonte vorhin, daß wir Ostpreußen auch mit unserem polnischen Nachbarn in Frieden leben wollen. T«m widerspricht es nicht, wenn wir immer wieder von neuem auf Pt« wirtschaft liche und politische Unmöglichkeit de» sog«n<mnten pol nischen .Korridors Hinweisen. Gerade wenn wir fried liche Arbeitsmöglichkeiten im Osten Europa» schaffen und dadurch dte wirtschaftlich« ußd finanzielle Sanierung der Oststaaten erleichtern wollen, dann müssen die an dauernden Reibungsflächen beseitigt werden, die au» der Zerreißung Deutschlands in zwei Teile mit Naturnot wendigkeit folgen. Daß die Beseitigung dieser Ret- bungsflächen im wohlverstandenen Interesse Polens seh. ber liegen würde, erkennt jeder etwas weiter blickende Ausländer, der das Korridorproblem einmal au» der Nähe studiert hat, aus den ersten Blick. Ob Polen sel ber für diese Erkenntnis heute schon reif ist, bezweifle ich stark, da dort auch einsichtiger« und staatsmännisch denkende Köpfe durch die Nebelschwaden der nattonall- ltstischen Phrasen ihrer Presse schwer hindurchschauen können. Ein Mann, der in Polen den Mut fände, sei nem Volke diese unpopuläre Wahrheit zu sagen, könnt« der Retter seiner Nation werden. Da wir aber einst weilen von der vernunftgemäßen Lösung der Korridor frage noch weit entfernt sind. Müssen wir in Ostpreußen nach wie vor Hie Augen offen halten. Der Notlage Oschreußen», insbesondere de» süd lichen Teiles der Provinz und den erforderlichen Hilfs maßnahmen de» preußischen Staate» unter. Beteiligung des Reiches widmete der Redner seine weiteren Ausfüh rungen, um endlich zu bemerken, daß Ostpreußen kraft voll zu erhalten, eine der wichtigsten staatSpvlttischen Aufgaben sei, die Reich und Preußen zu erfülle» hätten, wenn ste sich nicht selber aufgeben wollten. Wir Ostpreußen aber, so schloß der Redner, wollen uns geloben, unter un» feste Geschlossenheit und Einig keit aufrechtzuerhalten. Wir wollen bet Austragung politischer und wirtschaftlicher Kämpfe nie vergessen, daß wir auf unserer Insel doch schließlich! alle auseinander angewiesen sind. Wenn un» wieder einmal ernste na tionale Gefahren bedrohen soMen wie am Lage der Volksabstimmung, dann soll und wird man un» einig finden unter dem Wahlspruch r ,Me» Land bleibt deutsch!"