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>lülli>Ä Nii UV. I°hr,«°g. K Somabcnd, dm SV. November. s mmonatl. 7VPs. Ivtzi^ ni, Abends 6 Uhr für den Mich 2 Mart 2b s" Amtsblatt für die königlichen und Wüschen Behörden za Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu» Braun iu Freiberg. BergerFtt^E m- Tageblatt Inserate werden bis BsrmittagS l i Uhr anzenom- men und beträgt der Preis sm die gespaltene Zeile oder deren Raum 1b Pfennige. Abonnements aus dm für dm Monat HE" Dezember 'MU werdm von sümmtlichm Postaustaltm wie von der «uterzeichneten Expedition und dm bekannten Aus gabestellen iu Freiberg und Brand zum Preise von 75 Psmuige angenommen. Lxpvljilion ä68 „fnvibsi-gsn ^„roigon." Direkte und indirekte Steuern. Es kann jetzt nach den Aeußerungen des Finanzministers Hobrecht im preußischen Abgeordnetenhause als sicher gelten, daß in Zukunst ein Theil der Reichslasten durch indirekte Steuern, statt wie bisher durch Matrikularbeiträge, gedeckt werden soll. Man wird sich vermuthlich noch einige Zeit streiten, welche Dinge und wie hoch sie zur Steuer heran zuziehen sind. Der Reichstag verlangt wahrscheinlich ge wisse konstitutionelle Garantien, um bei Feststellung der Reichseinnahmen jederzeit Mitwirken zu können. Schließlich wird man sich aber doch über diese und andere Punkte einigen, denn man ist sich über die Nothwendigkeit des Zieles: Erschließung neuer Finanzquellen des Reiches durch neue indirekte Steuern, völlig klar, wenn man auch über die Wege dazu noch nicht klar sieht. Das Kapitel von den indirekten Steuern ist ein sehr lehrreiches; es zeigt uns recht handgreiflich, was auf dem Gebiete der Staats- und Finanzwissenschaft auf Theorien eigentlich zu geben ist. Vor zehn oder fünfzehn Jahren wäre ein Projekt, welches eine ganze Reihe neuer indirekter Steuern einsühreu oder bestehende erhöhen wollte, einfach unmöglich gewesen; so fest stand damals bei den Staats gelehrten die Ueberzeugung von der Verwerflichkeit der indirekten Besteuerung. Als der ehemalige Finanzminister v. d. Heydt im Jahre 1868 das bekannte Steuer-Bouquet vorlegte, wurde es mit Hohn zurückgewtesen. Man wollte lieber die bestehenden indirekten Steuern abschaffen, als noch neue hinzufügen. Heute ist der Widerspruch beinahe verstummt; nicht die Argumente der Gegner, sondern die Gewalt der tatsächlichen Verhältnisse, das Uebergewicht der Praxis über die Theorie, haben ihn verstummen lassen. In der Theorie steht auch heute noch als unwider legter Satz fest, daß die indirekte Steuer, weil sie den Menschen nicht nach seinem Einkommen, sondern nach seinem Konsum besteuert, zu verwerfen ist. Derjenige, der sein ganzes Einkommen verzehren muß, also etwa der arme Arbeiter mit zahlreicher Familie, ist viel schlechter daran, als der reiche, aber geizige alte Junggesell, welcher Kapital auf Kapital anhäuft, jedoch seinen Konsum auf das ALerunentbehrlichste einschränkt. So lautet der erste Einwurf, der gewöhnlich gegen die indirekten Steuern gemacht wird. Er ist auch, wie schon bemerkt, ganz richtig; eine Steuer sollte nicht von dem erhoben werden, was man verbraucht, sondern von dem, was man verdient. Aber darum ist die direkte Besteuerung des Einkom mens doch für den unbemittelten Mann nicht günstiger als die indirekte Besteuerung des V erbrauchs; und zwar aus dem einfachen Grunde nicht, weil sich das zu besteuernde Einkommen bei den meisten Steuerzahlern nicht mit Sicherheit ermitteln läßt. Die Einschätzungs-Kommissionen mögen noch so treu und gewissenhaft ihre Pflicht thun, sie mögen noch so genau mit allen Verhältnissen vertraut sein, Abweichungen von dem wirklichen Sachverhalt werden immer und überall vorkommen. Diese Abweichungen haben nun das Eine gemeinsam, daß sie nicht über dos wirkliche steuerfähige Einkommen hinaus, sondern unter dasselbe herunter gehen; denn wer wirklich zu hoch eingeschätzt ist, der rekla- «trt dagegen und wird bei gehöriger Begründung seines Einspruchs herabgesetzt; wer aber zu niedrig eingeschätzi ist, der schweigt hübsch still und zahlt ganz unbefangen seine geringere Steuer. Von einem stark entwickelten Ehrgeiz, die Steuer in der gebührenden Höhe zu entrichten,' haben wir noch nie etwas gehört. Diese immer nach unten, nie nach oben gehenden Ab weichungen sind aber ferner, das läßt sich als Regel auf stellen, am bedeutendsten in den oberen, am unbedeutendsten in den unteren Steuerstufen. Der Grund dafür ist nicht schwer zu finden: bei dem kleinen Handwerker mit einem Einkommen von 1600 Mark ist eine Abweichung von 100 Mark nicht so leicht möglich, als bet einen Groß-In dustriellen mit 100000 Mark Einkommen eine Ab weichung um 10000 Mark. Dem kleinen Mann läßt sich das Einkommen schon ziemlich genau nachrcchnen; je größer aber dasselbe ist, um so unbestimmter, unfaßbarer wird es. Wer will denn behaupten, ob ein Kaufmann, dessen Umsatz sich auf Millionen beläuft, 100000 oder 200000 Mark und noch mehr in einem Jahre verdient? Welcher Verlust aber entsteht nicht für den Steuersäckel durch eine einzige solche Abweichung gegenüber den unbe deutenden Abweichungen in den unteren Klassen! Je größer also das Einkommen, desto größer ist der Betrag, welchen der Steuerzahler dem Staate zu wenig entrichtet. Somit ist die Ungleichmäßigkeit bei der direkten Einkommen-Besteuerung ebensogut vorhanden, wie bei der indirekten Verbrauchs-Besteuerung und eS fragt sich nur, welches das kleinere Uebel von beiden ist. In dieser Hinsicht spricht Mancherlei für die indirekte Steuer! Denn daß diese von dem Steuerzahler ganz unbemerkt aufgebracht wird, ohne daß er sich einer Last bewußt wird, daß es da gegen dem Steuerzahler sehr schwer fällt, die Steuergroschen einzeln bei Seite zu legen und zum Steuerempfänger zu tragen — das bedarf keines Beweises. Nur ein einziges Beispiel wollen wir hier anführen. Als in Preußen statt der Klassensteuer die Mahl- und Schlachtsteuer bestand, zahlte Jeder, auch der Aermste, willig und ruhig seins Groschen; er wußte ja gar nicht, daß in dem Gelde, welches er für Brot und Fleisch ausgab, auch ein Theil für den Staat enthalten sei. Man frage heute doch den weniger Bemittelten, ob es ihm leichter fällt, die Klassensteuer an statt früher die Mahl- und Schlachtsteuer zu bezahlen. Er wird keinen Augenblick zögern, die letztere vorzuziehen. Wäre der Aermere geneigt und fähig, pfennigweise — also wie er früher bei der Mahl- und Schlachtsteuer seine Steuerlast an den Staat abtrug — auch jetzt die dem Staat zu zahlenden Beträge bei Seite zu legen, es würde ihm freilich dann die direkte Steuer nicht schwerer als die indirekte fallen. Aber damit hat es leider gute Wege. Nun wird allerdings für die direkte Besteuerung ange führt, daß einem Jeden, auch dem Aermsten, durch die Zahlung direkter Abgaben die Pflichten gegen den Staat zum Bewußtsein gebracht und somit die Erhöhung des Ge meinsinns befördert werde. Dieser Grund erscheint uns denn doch etwas idealistisch angehaucht, aber wir wollen das Wünschenswerthe solchen Bewußtseins einmal gelten lassen. Wodurch wird dasselbe wohl erzielt? Wir denken, die allgemeine Wehrpflicht leistet in dieser Hin sicht so viel Dienste, daß es der Steuer gar nicht erst be darf. Die Steuer erscheint Vielen als eine Last, nichts weiter; daß der Staat ohne Soldaten nicht existiren kann, begreift der gewöhnliche Mann und dient gern seine Zeit ab. Aber daß der Staat auch seine paar Pfennige braucht, das begreift er nicht. „Der König hat ja schon so viel Geld." Weit entfernt also, Gemeinsinn zu erzeugen, ruft die direkte Besteuerung eher Abneigung gegen den Staat, Aerger und Unzufriedenheit hervor. Die kleinste Ungleich heit bei Vertheilung der Steuerlast — wir sahen, daß Un gleichheiten ganz unvermeidlich sind — wird dem Staate und seinen Institutionen zur Last gelegt. „Der oder Jener hat so und so viel Einkommen; ich habe weniger und muß doch viel mehr Steuern zahlen; eS ist keine Gerechtigkeit mehr im Lande" — solche Redensarten, die man häufig hören kann, zeigen, waS es mit der Förderung des Gemein- fiuns durch direkte Steuern auf sich hat. Früh aufstehen. Ein Schriftsteller hat einmal die Völker nach der Zeit, zu welcher man in ihren Ländern aufzustehen pflegt, ein- getheilt und daran die Behauptung geknüpft: alle Bhthr, welche es zu etwas gebracht in der Welt, seien Frühäuf- steher gewesen. Wir lassen die Frage offen, ob eine Ein- t Heilung der Völker von solchem Gesichtspunkte aus über haupt möglich ist und ob demnach die daran geknüpfte Schlußfolgerung eine Spur von Berechtigung hat. Aber mit der Bedeutung des Frühaufstehens für das Indivi duum hat es seine Richtigkeit. Unsere Alten haben sie wohl zu schätzen gewußt, davon zeugen zahlreiche Sprich wörter. Selbst Derjenige, der sonst die köstlichen Morgen stunden, in denen es sich so leicht und schön arbeitet, im Bette zubringt, muß, wenn er einmal bei einer Reise oder ähnlichen Gelegenheit schon Tausende fleißiger Hände sich regen sieht, sich gestehen, daß er doch eigentlich einen recht großen Theil seiner Lebenszeit leichtsinnig vergeudet. Wie viele Zett wird doch alltäglich dem Schlaft über sieben Stunden, also nicht'mehr der Stärkung, son dern der Erschlaffung geopfert! Was könnten die Leute, die immer über Mangel an Zeit klagen, die niemals Zeit haben, das oder jenes zu thun, was sie thun sollten, aber nicht thun mögen — was könnten sie in dieser kostbaren, so vielfach vergeudeten Zeit alles thun! Mit dem frühen Aufstehen ist aber nicht nur der Bor- theil verbunden, daß man eine oder mehrere schöne Morgen stunden frei hat, sondern noch der andere: daß der Frühaufsteher kein Nachtschwärmer sein kann. Das ist viel Werth. Wer sich einmal gewöhnt hat, früh aus dem Bette zu steigen, der wird sich nach Mitternacht nicht in den Kneipen herumtreibsn können. Und dieses Kneipenleben nach Mitternacht ist cs eben, welches den Wohlstand zahlreicher Familien zerrüttet. Ein alter Bäckermeister wurde einst gefragt, wie es denn komme, daß gerade unter den Bäckern so viele wohl habende Leute seien; die Bäcker müssten doch übermäßig viel Geld verdienen, das Bäckerhandwerk scheine das beste Geschäft zu sein. „Gewiß ist eS das", antwortete er, „aber nur deshalb, weil unser Handwerk uns nicht erlaubt, Nachts im Wirthshaus zu sitzen. Wer bet uns Nacht schwärmer sein will, geht im ersten Jahre zu Grunde : , wer es nicht ist, kommt vorwärts wie man in jedem andern Handwerk vorwärts kommen kann. Von Euch hat Mancher des Morgens um 7 Uhr schon ein paar Thaler durch gebracht, weil er nach Mitternacht noch geschwärmt; wir haben ein paar Thaler verdient .— Das ist das ganze Geheimniß der Bäckerei." Ler Mann kann Recht haben! Aber auch nach einer anderen Seite hin bringt das Frühaufstehen größeren Nutzen als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Es führt nämlich dazu, eine Sache rasch und behende anzufaffen, munter und frisch das Seintge zu thun und nicht müssig zu träumen, zu schwanken und zu zaudern. Wer des Morgens nicht aus dem Bette kommen kann, zehnmal nach der Uhr sieht, dann wieder eine Viertelstunde überlegt, ob er wirklich schon aufstehen soll, wer dann sich doch wieder umwendet und so mit Grazie weiter — von dem kann man auch bei feiner Berufslhätigkett kein thatkräftiges Handeln, keinen resoluten Entschluß, keine rührige, planmäßige Thätigkeit erwarten. Solche Leute find dann zuweilen den ganzen Tag über beschäftigt, sie greifen bald hier, bald dort an und bringen es doch zu nichts. Sie haben ja schon am frühen Morgen gezeigt, wie wenig sie verstehen, den richtigen Anfang zu machen, wie soll das Tagewerk dann den richtigen Fortgang nehmen? Wer vor langer Ueber- legung, ob er aufstehen soll, gar nicht zum Aufstehen kommt, dem wird es bei jeder anderen Gelegenheit ähnlich ergehen. Bei vorstehenden Ausführungen haben wir freilich, eS ist uns dies keineswegs unbekannt, gewaltige Männer gegen uns: Humboldt und Bismarck, welche die Nacht zum Tage machten und in den Morgenstunden schliefen. Aber nicht Jeder von uns ist ein Bismarck oder ein Hum boldt. Was für Jene taugte, schickt sich nicht für Allel