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WSchknMch erschein«» drei Nummern, PrSmimeraüvnS < Preis 22^ Sildergr. THU.) vierleijiihriich, Z THIr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin Pränumerationen werten von jede« Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Cvmp., Jägcrstraßc Nr. 28), so wie von allen König!. Poft- Aemtern, angenommen. für die Literatur des Auslandes. 24. Berlin, Sonnabend den 24. Februar 1844. Belgien. Ueber den Belgischen Nachdruck. Es ist weltbekannt, mit welcher Unverschämtheit der belgische Nachdruck die Schätze seiner Nachbarn plündert; es ist nicht minder bekannt, daß alle Verhandlungen, ihn zu unterdrücken oder auch nur zu beschränken, bis jetzt fruchtlos geblieben sind. Die kevue ües üeux lUouckeri hat die Erscheinung nebst ihren Gründen kürzlich einer ausführlichen Untersuchung unterworfen, deren Ergebniß wir hier mittheilcn wollen. Vom ausländischen NachdruU. Die Sicherheit des materiellen Eigenthums und die des geistigen stehen beim ersten Anblick in einem seltsamen Widerspruche. Das materielle Eigen thum ist ohne Rücksicht auf politische Verhältnisse in allen christlichen Staaten gesetzlich anerkannt, so daß derselbe Mensch feste und fahrende Habe in zwanzig Ländern zugleich besitzen kann und von zwanzig Gesetzgebungen zugleich ge schützt wird: während der Dichter, der Historiker, der Philosoph, dessen Schriften das Herz erheben und die Gränzcn des geistigen Gebietes erweitern, nur innerhalb der engen politischen Gränzen seines Landes die Früchte seiner Anstrengung sammeln darf. Der schiffbrüchige Fremde wird nicht mehr aus- geplündcrt; nur die Literatur hat noch ihr Strandrccht. Man kann sich verwundern, daß die gebildeten Völker, welche den großen Schriftstellern doch so viel verdanken, ihnen nicht eben so gut durch gegenseitige Verträge allgemeinen Schutz gewährt haben wie den Negern. Dennoch läßt sich der Grund dieses auffallenden Mißverhältnisses erklären. Theoretisch nämlich mißbilligt gewiß ein Jeder den ausländischen Nachdruck, in praktischer Hinsicht aber glaubt ihn Mancher verthcidigen zu müssen. Denn wo diese Art von Nachdruck ihre Werkstätten aufgeschlagen hat, erscheint sie als eine thätige inländische Industrie und hat den großen Hausen derjenigen auf ihrer Seite, welche die inländische Gcwcrbsthätigkeit glauben auf alle Weise befördern zu müssen, geschähe es selbst auf Kosten der ganzen übrigen Erde. Das darf uns auch nicht überraschen, denn durch die maßlose Kon kurrenz ist jeder Fabrikant eigentlich ein wenig Nachdrucke! geworden, Wer die Geheimnisse eines ausländischen Verfahrens crstiehlt, wird als Beförderer des Kunstfleißes gepriesen, und wer den Stempel einer berühmten fremden Fabrik auf seine Erzeugnisse setzt, gilt für einen braven Bürger. So bleibt der Fremde ewig ein Feind, ungeachtet der tiefste politische Friede herrscht. Es giebt kein Volk, was vom literarischen Raube an seinen Nachbarn frei wäre. Die verschiedenen italiänischen Staaten üben den Nachdruck unge hindert gegen einander; in Deutschland ist cs erst seit wenigen Jahren durch Preußens Bestrebungen anders geworden. Die beiden bedeutendsten Litera turen, die französische und die englische, haben eben deshalb auch am meisten zu leiden. Die englischen Bücher werden in Leipzig, in Paris und besonders in den Vereinigten Freistaaten nachgcdruckt, und der Verlust ist sehr bedeutend, denn Europa ist dem englischen Buchhandel wegen seiner hohen Preise fast un zugänglich, Amerika aber mit sechzehn Millionen englischer Leser wird von den Freistaaten aus versehen. Frankreich jedoch hat feit Ludwig XlV. bis auf die Gegenwart am meisten von dem europäischen Nachdruck gelitten Der Charakter desselben wechselte zu verschiedenen Zeiten, und es wird für unseren Zweck nicht unnütz scpn, diese Verwandlungen übersichtlich zusammenzufaffen. Gksäücku« des Nachdrucks iranzönscher Bücher. So lange die absolute Monarchie in Frankreich regierte, war die Lite ratur einer drückenden Vormundschaft unterworfen, deren Joche sie sieb irgend, wie zu entziehen strebte. Damals begann der Nachdruck in Holland, dem Lande der Freiheit. Dort erschienen alle die Pamphlete, durch welche kühne Denker jener Zeit die gewagteren Schläge der Voltaireschen Philosophie vor bereiteten. Der Herausgeber aber, welcher ein Originalwerk gedruckt hatte, machte sich kein Gewissen daraus, auch ein anderes in derselben fremden Sprache geschriebenes Buch nachzudrucken, und merkwürdiger Weise gewährte die Priorität des Verbrechens dem Nachdruckcr nach dem holländischen Gesetze Eigenthumsrecht. Es waren übrigens die berühmten Elzevire, welche den französischen Nachdruck allein an sich rissen. Sie lhaten es jedenfalls mit dem besten Gewissen, da die öffentliche Meinung damals eine solche Industrie noch nicht brandmarkte. Wenigstens schätzten sie die Meisterwerke, die aus ihren vorzüglichen Pressen hervorgingen, ihres inneren Gehaltes wegen hoch und trugen nicht wenig zur Verbreitung französischer Ideen in Europa bei. Dieser große Hebel europäischer Popularität, der holländische Nachdruck, beförderte den Ruhm Voltaire s außerordentlich, und Voltaire wußte ihn auch so gewandt zu benutzen, daß sein französischer Verleger ost der Nachdrucker des ausländischen war. Wenn damals der Nachdruck einzelnen Schriftstellern einen materiellen Verlust verursachte, so wurde dieser doch durch den morali- scheu Dienst reichlich ausgewogen, den er der in Frankreich unterdrückten Denk- sreiheit gewährte. Diese erste Periode des Nachdrucks französischer Bücher endigt mit der absoluten Monarchie. Die Republik und das Kaiserreich waren für ihn sehr ungünstig, ja er schien bereits für immer verschwunden, als Napoleon über ganz Europa gebot. Doch war cö nicht sowohl der mächtige Arm des Erobe rers, welcher ihn nicderhielt, als der zerstörende Einfluß seines Despotismus auf die Entwickelung des Gedankens. Die wenigen Schriftsteller, welche sich damals wie einzelne Palme» in der Wüste erhoben, hätte Napoleon, der ab gesagte Feind aller Ideologen, vielmehr ohne sonderliches Mißbehagen durch den Nachdruck der Früchte ihrer verbüßten Arbeit beraubt gesehen. So geschah es, daß sich gerade mit der wiederbeginnenden geistigen Bewe- gung in Frankreich auch der Nachdruck wieder erhob. Chateaubriand wurde sein erstes Opfer. Ein Buchhändler war unverschämt genug, ihm die ersten Eremplare seiner nachgcdrucktcn Romane Atala und Rcnö zuzuschickcn, als er gerade durch Brüssel reiste. Die persönlichen Bemühungen Ludwig's XVIIl. beim Könige der Niederlande fruchteten nichts. Der belgische Nachdruck wurde besonders befördert durch den steigenden Preis der französischen Bücher, durch die literarische Bewegung während der Restauration und durch die Aufmun terung des Königs Wilhelm. Die Verleger, welche sich in Brüssel niederließen, waren meistcntheils mittellose Fremde. Doch genügten einige Jahre, »m ihre Werkstätten zu sichern und ihrer Konkurrenz ein nachdrückliches Gewicht zu geben, so sehr kamen ihnen die Blüthc der neuen französischen Literatur und die hohen Preise der Pariser Buchhändler zu Statten. Die Unterstützung König Wilhelm's tbat das Ucbrigc. Der Nachdruck erfreute sich, so wie alle anderen neu auf- blühenden Fabriken, seiner besonderen Gunst, ja man will wissen, daß er ihm Hülfogeldcr aus seiner eigenen Chatoulle gewährt habe. Doch wäre cS unge recht, zu behaupten, der König habe dies aus Vorliebe für den Nachdruck selbst gethan, vielmehr glauben wir, da ihm, ungeachtet seines entschiedenen Cha rakters, der Ruhm, für den constitutionellsten König Europa'S zu gelten, sehr am Herzen lag, daß er damit weniger eine Beeinträchtigung der französischen Literatur beabsichtigt habe, als eine Beförderung der von den Bourbonen an- gefeindeten liberalen Ideen. Deshalb war während seiner Regierung das Pariser Verzeichniß verbotener Bücher zugleich auch fast das Verzcichniß des belgischen Nachdrucks. Als aber mit der Juli-Revolution und dem Verluste Belgiens für König Wilhelm die Ursache wegsicl, welche den ausländischen Nachdruck in gewisser Hinsicht nothwendig gemacht hatte, als er sich mithin durch nichts mehr ent schuldigen konnte, da erstieg er erst die höchsten Stufen seiner Entwickelung. Der Grund davon ist leicht zu finden. Ein fünfzehnjähriger Schutz hatte ihn in den Besitz aller möglichen Vorthcilc gesetzt, als gerade die große Bewegung im Jahre I83N ausbrach, welche ganz Europa berührte. Während der fünf ersten Jahre der neuen Regierung war die französische Literatur äußerst srucht- bar und in ganz Europa gesucht. Da griffen die Brüsseler Häuser fleißig zu und erlangten eine wahre kommerzielle Bedeutung, und wie es bei kaufmänni- scheu Speculationen von zweifelhaftem moralischen Charakter zu gehen pflegt, panzerten sie ihre Brust mit Horazcns aen criplex; mit größter Kaltblütigkeit druckten sie auch die Grobheiten und Beschimpfungen nach, die ihnen in fran- zösischen Büchern zu Theil wurden. Wir glauben nicht, daß es jemals die Absicht der belgischen Regierung war, den Nachdruck zu schützen, aber die Presse war seit der Revolution so zügellos geworden, daß die Nachdrucker bei dem geringsten Eingriff in ihre vermeintlichen Rechte ohne Bedenken die Con stitution für gefährdet erklärt und dadurch die besten Absichten der Regierung vereitelt haben würden. Selbst die katholische Partei hütete sich, den Nachdruck anzugreifcn, so sehr dies auch in ihrem Interesse gelegen hätte. Die Unter drückung des Nachdrucks in Belgien war so lange unmöglich, als man in der- selben eine Frage der inneren Politik sehen konnte. Man mußte abwarten, bis sie, was gegenwärtig der Fall sepn kann, eine einfache Geschäftsfrage ge- worden war, über welche sich die Parteien nicht mehr täuschen konnten. (Schluß folgt.)