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Sächsische vorszeitung Bezugsbedingungen: M» .Vollreitung" «Icheint ««»«, wochrot«, ^chmittag» b Uhr mit dem Votum der folgenden vt« vqu-o««d»hr beträgt 120 Mart ^rt«q»hrUch oder-0 pfg. für jeden Monat. Vie .Vollreitung" tjt zu beziehen durch di» kaiserlichen p^tanstolten, di» tandbrieftrSger und durch koien. vetfrchercicherung in, yau, erhebt »i« post noch di« »nftellun« gebühr von 4V Pf,- lelrgramm.Kdr.: vorszeitung Druden. Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: „Illustriertes Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Kgl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das ltgl. Amtsgericht Dresden, die Ngl. Zorstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinde Gberlößnitz Anzeigen-Preise: «rimm in vruLxn.lvSUnttz. Zrtrdrich ,«uch«r» in LoNki^iud«. Nrinh lvoilh« in MoriUdarg Otto tiunath in Lotto. Max Zrurtch in Loschwi^ Telephon: Vrerden, Nr. 341b. Nr. 28. Dresden, Freitag, den 3. Februar 1905. 67. Jahrgang. Das Neueste. Heute findet in Darmstadt die Vermählung des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen mit -er Prinzessin Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich statt. Das preußische Abgeordnetenhaus tritt heute in die zweite Lesung der Kanalvorlage ein. Als Nachfolger Tiszas wurde durch diesen selbst Graf Julius Audra ssy dem Kaiser benannt; auch Kossuth empfiehlt sich. Der Zar hat 33 von Trepow ausgesuchte Ar beiter empfangen, die Ereignisse beklagt, Verzeihung für die Freveltat und Reformen versprochen. Dem Generalgouverneur Trepow sind sämtliche Organe des Jnnernministeriums in ganz Rußland sowie des kaiserlichen Hofes in Zarskoje Selo, Peterhof und Gatschina unterstellt worden. Der Kaiser von Japan hat der Armee Oyamas für die in den letzten Gefechten am Hun-Fluß bewiesene Tapferkeit seinen Dank abgestattet. Japanische Meldungen wollen wissen, die russi schen Verluste in den letzten Kämpfen beliefen sich auf 36—42,000 Mann, die japanischen werden auf nur 7000 Mann geschätzt. Graf Bülow über die Handelsverträge. Im Reichstage erhielt in der Sitzung am gestrigen Mittwoch Reichskanzler Graf Bülow vor Eintritt in die Tagesordnung das Wort zur Einbringung der Handelsverträge. Graf Bülow führte etwa folgendes aus: Meine Herren! Ich habe die Ehre dem Hohen Hause die mit sieben Staaten geschlossenen Handels verträge samt den dazu gehörigen Denkschriften zu über reichen. Ich hoffe, daß die Verträge die Billigung des Hauses finden und daß Sie damit ein Werk vollenden, das für die finanzielle, wirtschaftliche und politische Ent wicklung von der größten Bedeutung sein wird. Der Reichskanzler gibt sodann ein Bild von der wirtschaft lichen Entwicklung Deutschlands; wie Deutschland unter der Ueberproduktion zu ersticken drohte, wie durch Ab schluß neuer Handelsverträge zu Anfang der SOer Jahre diese Krisis überwunden wurde. Dann ging die Ent wicklung aufwärts bis etwa 1000. Dann begann ein Rückgang, der uns nötigte, auf Abhilfe zu sinnen. Deutschland ist nicht ausschließlich Industriestaat (Bei fall rechts), obwohl 54 Prozent der Bevölkerung in den Städten wohnen, sondern gleichermaßen Agrar- und Industriestaat. Diese Ueberzeugung gab uns die Richt schnur für die Gestaltung neuer Handelsverträge, bei denen die Landwirtschaft als gleichwertiger Faktor be handelt werden muß. (Lebhafter Beifall rechts.) Wir knüpfen damit direkt an die Traditionen Bismarcks, der in einem Briefe vom 20. Aubust 1878 an den Abgeordneten v. Varnbüler die Revision des Zolltarifs als Vorbedingung für den Abschluß guter Handels vertrüge bezeichnete. Bei den letzten beiden Verträgen 'st die Landwirtschaft zu kurz gekommen. (Stürmischer Beifall rechts.) Sie hat unter der mangelnden Rück sichtnahme sehr gelitten. (Stürmischer Beifall rechts.) Wir haben deshalb der Landwirtschaft verstärkten Zollschutz verschafft (Beifall). Die Getreidezölle mußten aber auch auf die Konsumenten Rückgcht nehmen und durften nicht eine Höhe überschreiten, die den Abschluß eines Vertrages unmöglich machten. Ich verrate keine diplo matischen Geheimnisse, wenn ich sage, daß die Durch dringung der Getreidezölle einen schweren Kampf mit Rußland und Oesterreich-Ungarn gekostet hat. Mehr konnten wir nicht erreichen. Es ist falsch, anzunehmen, daß die Lebenshaltung der Arbeiter durch die Getreide zölle in unerträglicher Weise belastet wird. (Sehr richtig! Heftiger Widerspruch links). Der niedere Bürgerstand, der Handwerkerstand, der Arbeiterstand haben sich, wie die Statistik erweist, bedeutend gehoben (Widerspruch links), und zwar ist das geschehen trotz des Uebergangs vom Freihandel zum Schutzzoll, trotz der Erhöhung der Getreidezölle. (Sehr richtig! rechts. Lärm links.) In Frankreich hat man die Herabsetzung der Getreidezölle vor kurzem mit großer Mehrheit, unter der sich auch die französischen Sozialisten be fanden, abgelehnt. Sie überlassen diesen Kampf gegen die Getreidezölle ihren mehr doktrinär veranlagten deutschen Genossen. (Große Heiserkeit). Run hat man gesagt, ich hätte, um die Verträge abzuschließen, den anderen Staaten große Zugeständnisse auf politischem Gebiet gemacht. H)aS ist nicht der Fall. Auch in dem Vetrrinär-Uebereinkommen sind wir nicht zurückgewichrn, wir haben sogar von Oesterreich-Ungarn einen ver stärkten Seuchenschutz erreicht. Wir sind jetzt nicht mehr in der Lage, den Brunnen erst zuzudecken, wenn daS Kind hineingefallen ist, sondern können Bor beugungsmaßregeln treffen. Was daS wert, dafür be rufe ich mich auf meinen Freund, den Landwirtschafts minister. (Stürmische Heiterkeit, als Graf Bülow mit der Hand auf Herrn Podbielski zeigt) Auch der Pferde zoll ist besser gefaßt; das ist von großer Bedeutung für unsere Pferdezucht und damit auch für unsere Landes verteidigung. Wir haben auf landwirtschaftlichem Ge biet auch Zugeständnisse machen müssen. Handelsver träge mit einseitigen Vorteilen ohne Nachteile abzu schließen, diese Kunst ist noch nicht erfunden. Wir haben Kompensationen nur gewährt bei Artikeln, die nicht die große Landwirtschaft schädigen. Die Verträge sind also landwirtschaftlich freundlich und bringen der Gesamtheit der Landwirtschaft große Borteile. Wir haben aber auch das Interesse der Industrie nicht vernach lässigt. Einige Staaten, namentlich Rußland, hatten vorher ihre Zölle stark erhöht. Es will seine Industrie stärken. Das ist die Folge unserer Zollpolitik, die schon Bismarck seinerzeit vorgesehen hat. Er hat seinerzeit dem Herrn von Giers gesagt: „Unfern Agrarzöllen werden Sie eine russische Industrie zu verdanken haben." ES war vorauszusehen, daß Rußland nicht geneigt sein würde, feine Zölle hinabzusetzen. Trotzdem haben wir Erfolge erreicht. (Widerspruch links). Jawohl, meine Herren, der Abschluß langfristiger Handelsverträge kommt unter allen Umständen dem Handel und der Industrie zugute. Es ist die Basis geschaffen, welche für unsere Industrie zur Lebensbedingung geworden ist. Wenn sich auch eine Erhöhung industrieller Zölle nicht hat vermeiden lassen, wird man der Regierung keinen Mangel an Interesse für die Industrie vorwerfen können. Wir haben auch manches erreicht: Gleichstellung der jüdischen Handelsreisenden, Erleichterung des Erwerbs von Grund stücken usw (Lachen links.) Ich möchte sie warnen, von Prohibitivzöllen zu sprechen (Gelächter links), wenn einzelne Zölle auch diese Wirkung haben werden. (Hört, hört! links, Bewegung.) Der Reichskanzler zählt nunmehr eine ganze Zahl einzelner Positionen aus, bei denen zum Teil eine Erhöhung, teils eine Ermäßigung eingetreten ist. Die Ansicht, daß man durch einen Zollkrieg zu neuen Verträgen kommen kann, kommt mir so vor, als wenn jemand auf die Kuppel des Reichs tages oder den Rathausturm am Blitzableiter in die Höhe klettern will. (Große Heiterkeit.) Die Verträge können nur im ganzen angenommen, nicht abgeändert werden. Die Verträge bringen der Landwirtschaft den nötigen Zollschutz, geben der Industrie gesicherte Ver hältnisse und befteren das Land von der Unsicherheit, unter der es schwer gelitten hat. Wir hoffen, daß das HauS den Verträgen zustimmen wird aus Gründen der inneren und äußeren Wohlfahrt, zum Wohl unserer gesamten nationalen Arbeit. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.) Politische Weltschau. Deutsches Reich. Der Kaiser besuchte gestern früh das Museum für Völkerkunde und hörte im könig lichen Schloß die Vorträge de- OberstkämmererS Fürsten SolmS Baruth und des Chefs des ZivilkadiuettS Wirkl. Geh. Rats l)r. v. LucanuS. Zur Frühstückstafel waren geladen Generaldirektor Ballin und Kapitän z. S. a. D. v. Grumme. — Ueber seine Reisen soll sich der Kaiser selbst geäußert haben: „Manche Leute machen mir einen Vorwurf daraus, daß ich so viel reise; aber das ist ein Teil meines Amtes. Ich suche, mein Reich und mein Volk kennen zu lernen; zu seyen, was nottut und was geschieht. Ebenso ist eS meine Pflicht, Menschen und Länder außerhalb meines Reiches kennen zu lernen. Ich bin nicht wie" dabei nannte er den Namen eines in der Geschichte wohlbekannten Herrscher- — „der niemals aus seinem Palast sich herausrührte —, wenn er hätte helfen können, und Menschen und Dinge so gehen ließ, wie eS ihnen gefiel" In Darmstadt wurde heute die Ehe des Groß herzogs von Hessen mit der Prinzessin von Sich ge schloffen. DaS durch den Prinzen Heinrich überreichte HorhzeitSgeschenk de- Kaisers besteht aus einer im Ro kokostil gehaltenen prachtvollen Standuhr. Der Besuch der Fürsten Ferdinand von Bul garien, der infolge dn Erkrankung des Prinzen Eitel Friedrich aufgeschoben ward, dürste nun binnen kurzem erfolgen. Der Prinz von Asturien, welcher als Spezial gesandter des Königs von Spanien an das kaiserliche Hoflager in Berlin seine Reise in München unterbrochen hat, erhielt Dienstag auf Befehl des Kaisers die tele graphische Mitteilung, daß der Monarch hoffe, die kgl. spanischen Gesandten Ende dieser Woche empfangen zu können. Ueber die finanzielle Wirkung der neuen Handelsverträge schreibt die „D. Bolksw. Korresp": Die Reichsfinanzen dürften schon im kommenden Finanz jahr eine wesentliche Besserung durch eine starke Steigerung der Zolleinnahmen erfahren. Zwar werden die neuen Handelsverträge erst am 15. Februar 1906 in Kraft treten, aber ihren Einfluß auf die Zollein nahmen werden sie zweifellos schon lange vorher aus üben. Denn angesichts der Zollerhöhungen, die sie bringen werden, ist vor dem Zeitpunkte ihres Inkraft tretens eine starke Zunahme der zollpflichtigen Einfuhr mit Sicherheit zu erwarten. Erhöhen sich doch z. B. die Berftagssätze für Weizen von 35 auf 55 M., für Roggen von 35 auf 50 M., für Hafer von 26 auf 50 M., für Malzgerste von 20 auf 40 M., für Malz von 36 auf 57,50 M., ferner für Vieh, Fleisch, Mehl, Holz usw. Der Erlaß eines Sperrgesetzes, wodurch die erhöhten Zollsätze plötzlich zu einem früheren, vorher nicht bekannt gegebenen Termin in Kraft gesetzt werden . könnten, ist natürlich ausgeschlossen; denn bis zu dem Tage, an dem die neuen Verträge in Geltung treten, blewen ja die alten Verträge uno also auch die alten Vertragszollsätze in Kraft. Also wird man es dem Handel in keiner Weise verwehren können, daß er die alten, für ihn günstigeren Sätze vorher noch in mög lichst weitem Umfange auszunutzen sucht. DaS wird, wie bemerkt, der Reichskaffe schon vor der Zeit erhöhte Einnahmen zuführen Nach dem Inkrafttreten der neuen Verträge wird dann allerdings eine Zeitlang die Einfuhr und somit auch der Zollertrag um so ge ringer sein. Dem Reichstag hat der Deutsche Landwirt- schaftSrat eine Eingabe unterbreitet, in der darum ersucht wird, in den Etat de- Reichsamts de- Innern 1905 eine Summe von 50,000 Mark zum Zwecke der technischen Förderung von Land- und Forstwirtschaft durch wissenschaftliche und praktische Versuche auf dem Gebiete der Düngung, des Anbauer und der Fütterung mit Hilfe der landwirtschaftlichen Versuchsstationen ein setzen zu wollen. Die Petition wird sicherlich bei der Beratung de- Etats des Reichsamts des Innern zur Sprache kommen. Man wird annehmen dürfen, daß die Regierung, die doch mit ihr vorher befaßt «wesen sein wird, sie abgelehnt hat. Früher gab eS im Reichs etat Positionen, die unmittelbar auf die Förderung der einzelnen Gewerbegruppen abzirlten, nicht. Die Lösung dieser Kulturaufgabe wurde den Einzelstaaten überlasten. Vor einigen Jahren wurde in den Etat des Reichsamts des Innern eine Summe eingestellt, die zu Aufwendungen im allgemeinen Interesse oeS deutschen Handels und Gewerbe- dienen soll. Ihr folgte bald eine Position, welche die Förderung -e- Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Unterstützung wissenschaftlicher, technischer usw Bestrebungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft zum Zwecke hatte. Es würde sich also bei der Eingabe de- Deutschen LandwirtschastSratS um eine Erhöhung der letzteren Position handeln. Zum Stande de- Bergarbeiterstreiks im Ruhrreviere liegt folgende Meldung vor: In den 18 Bergwerksrevieren de- Oberbergamt-bezirk- Dort mund fuhren gestern an von einer Gesamtbelegschaft von 245,957 Mann der streikenden Zechen unter und über Tage 52,099; mithin fehlten 193,868 Mann gegen