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, Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^2SS. Montag, dm 23. August. 1847. Ucber die Errichtung von Spareagen für die Gemeinden der Königreichs Sachsen. (Fortsetzung aus Nr. 232 d. Bl.) Hätte eine solche arme Familie nur die unbedeutende Summe von wenigen Groschen immer zu rechter Zeit für den Ankauf von Butter disponibel, so würde sie im Stande sein, entweder ihren Butterverbrauch ohne größere Ausgabe zu verdoppeln, oder auf andere Wirthschaftsgegenstände, oder auf den Erwersbelrieb jährlich 10 bis 14 Thlr. mehr zu verwenden, oder soviel für Zeiten der Noth zurückzulegen; und was hier beispielsweise von einem Artikel hervorge^ hoben worden, das gilt in gleichem Grade von manchem andern. *) Wie der Capitalmangel zu wohlfeilerem Verkaufe oder zu theurerem Einkäufe zwingt, den ohnehin beschränkten Erwerb und Genuß der Armen noch mehr beschränkend, so ruft dieselbe Ursache auch ein anderes Nebel, oder vielmehr dasselbe Uebel, nur in anderer Form, hervor, nämlich den maaßlosen Wucher, der es versteht, Forderungen von unschein barem Ursprünge zu borgen, aufzuthürmen und Lawinen aleich auf die bedrückten Schuldner zu wälzen. — Es ist nn Allgemeinen bekannt, wie der wucherische, schankwirth- schasttreibende Jude in Polen den dortigen unwissenden und lüderlichen Bauer zu handhaben versteht. Doch auch Deutsch land hat von solcher Schinderei der Beispiele nur zu viele nachzuweisen. — Wir erinnern uns eines Falles aus dem Hess. Odenwalde, daß ein Jude eine ursprüngliche Forderung von 70 — 80 Fl. durch Festsetzung unpassender Zahlungs termine, die nicht gehalten werden konnten, durch Ausdrin gen schlechter Kattunwaaren zu hohen Preisen auf Credit und durch stets erneuerte und immer erhöhte Schuldverschreibun gen auf über 2000 Fl. brachte und dann den Schuldner zum Concurse trieb; und eines andern Falls aus einem ba dischen Amte, wo ein Judenjunge, der erweislich seine Geld operationen mit nur wenigen Gulden angefangen hatte, schon binnen Jahresfrist vor Gericht Verschreibungen bis zum Be trage von 800 Fl. zu produciren vermochte.**)^ Diese Andeutungen werden genügen, um die unermeßliche Bedeutung der Capltalkraft gerade für die untern Claffen In Leipzig kaufe» arme Leute das Brennholz groschenweise, j» Pfennigweise (2 Stück 3 Pfennige), und zablen dabei nicht allein wert höhere Preise, sondern muffen sich auch mit nicht gehörig ausgetrocknetem Holre, welche- also weniger Hitze giebt, beanüaen. — Die Detaillisten scheinen Materialwaaren wie Kaffee u. drgl. bei Leihen oder Viertelpfun de» nickt theurer zu verkaufen al» pfundweise, aber sie verkaufen im erster» Kalle doch theurer, indem sie neben schlechterer Qualität nicht immer volles G. wicht geben. — Während so die ärmeren VolkSclaffea verhältnißmäßig weit kostspieliger leben, als die Wohlhabendem, kann es doch sein, daß der Gewinn der Höker und Detaillisten durch die Concurrenz auf den niedrigste» Satz zurückgeführt ist **) Wer erfahren will, schen Bauern durch das . ^ Geldjuden gedruckt werden, den verweise» wir auf die Eelbstbioaraphie des älteren Puchta. der viele Jahre hindurch Landrichtrr in Franken war und die Verhältnisse der dortigen Bauern aus eigener Anschauung «nd amtlicher Praris genan kannte. in welcher grauenerregenden Weise die sränki- wucherische Treiben der unter ihnen hausenden der bürgerlichen Gesellschaft — welche allein der gegenwär tige Vortrag im Auge hat — deutlich zu veranschaulichen. — Das Capital verdankt seine Entstehung zunächst der Erspa rung. Niemals hätte weder eine ursprüngliche Bildung von Capitalien, noch die fernere Vermehrung derselben, auch bei dem angestrengtesten Fleiße und der größten Geschicklichkeit der Menschen statt finden können, wenn der in jeder Wirth- schaftsperiode gewonnene Reinertrag immer vollständig wieder verzehrt worden wäre. — Das Sparen ist also eine wirt schaftliche Notwendigkeit. Es hat aber auch einen moralischen Werth. Die Sparsamkeit geht aus dem Streben hervor, seinen und der Seinigen Zustand für alle Zukunft zu verbessern, die Verschwendung hingegen aus dem Hange nach augenblicklichem Genüsse. Mit der Be herrschung dieses Hanges hat der Mensch eine mächtige Lei denschast überwunden, die der würdigen und ernsten Aus fassung des Lebens am feindlichsten entgegentritt; er hat die Tugend der Entsagung errungen, welche das menschliche Leben doch nach allen Seiten- hin verlangt. Der moralische Segen des SpinmL bleibt niemals aus und tritt uns oft in den erfreulichsten Erscheinungen vor Augen. Wenn z. LZ. ein Tagelöhner und seine Frau während ihrer Gesindedienst jahre so viel erspart haben, um ihren kleinen Haushalt ge hörig einrichten zu können, so ist damit auch der Sinn geweckt, das Angeschaffte in gutem Stande zu erhalten; der Geist der Ordnung und Reinlichkeit waltet in solchem Hause und wirkt wohlthätig auf die Erziehung der Kinder ein. Wo aber Knecht und Magd aus Trink- und Tanzgelagen und für unnützen Putz und Tand ihren reichlichen Erwerb vergeudet haben, wo es dann bei der häuslichen Niederlassung an den nothwend'igsten Mitteln zur Einrichtung fehlt, da wird bald mit dem Mangel auch Unordnung, Zerrissenheit und Ver fall der Sachen, und mit dem Gefühle der Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit auch Hader und Zwietracht zwischen den Gatten eintreten, den Heranwachsenden Kindern ein trau riges Vorbild! — Der Tugend des Sparens stellen sich die größten Schwierigkeiten und Hemmnisse gerade da ent gegen, wo die Nothwendigkeit zum Sparen am Dringend sten ist: in dem Bereiche der ärmeren und ungebildeteren Volksclaffen. Diesen fällt die Entsagung von Genüssen um so schwerer, je beschränkter an sich schon ihr Einkommen und der für Vergnügen verwandte Theil desselben ist, während die Versuchung zum Verbrauche um so größer sein mag, je mehr der Hinblick aus daS Leben der hohem Stände zu un besonnener Nachahmung verleitet. Der Wohlhabende kann freilich sich viele Genüsse gestatten, und doch vom Erwerbe zurücklegen und das Zurückgelegte noch vermehren, denn wer schon 1000 Thaler besitzt, wird diese Summe schneller zu 10,000 Lhalern erhöhen können, als ein nicht so Bemittelter seine 100 Thaler aus 1000 Thaler zu steigern im Stande ist. Und wie es bei Letzterm auf die ersten 100 Thaler an. kommt, so handelt es sich bei den ganz Armen um die Au- rücklegung des ersten Lhalers, ja oft mag die Ersparung oder Nicht-Ersparung des ersten Groschens über die