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Donnerstag. —- Rt. -38. -— 14. Februar 188«. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittags 4 Uhr au«- gegeben. PretS für da« Vierteljahr IV, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahr-eitAnd Recht, Freiheit und Scsehs« Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslände«, sowie durch die Erpeditivn in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschla«-. Frankfurt a. M., 9. Febr. In der Sitzung der Bundesver sammlung vom 7. Febr. legte Oesterreich das am 1. Febr. zu Wien unterzeichnete Präliminarprotokoll und eine Ueberstcht der demselben vor- ausgegangenen Verhandlungen vor; diese Vorlage wurde der weitern ge schäftlichen Behandlung übergeben. Von Baden wurde angezeigt, daß an die Stelle deS zu anderweiler Verwendung abberufenen Generalmajors Hilbert der bisherige Commandant der Infanterie, Generalmajor v. Röder, unter Verleihung deS Charakters als Generallieutcnant, zum Commandan- ten der BundeSfestung Rastadt ernannt worden ist. Nachdem hierauf über die aus den Ersparnissen am voranschlagsmäßigen Kanzleiaufwand derBun- deSfestungsbehörden pem Kanzleipersonal bewilligten Remunerationen Vorlage gemacht, auch einer dürftigen Kanzleidicnerwitwe, wie in frühem Fällen, eine Unterstützung bewilligt worden war, wurde zur Abstimmung über eine in der zweiten Sitzung dieses Jahres in Bortrag gekommene Sache geschritten. Es hat nämlich der Hauptmann im vormaligen Marinier co rpS, Ludwig Weber, in einer an die Bundesversammlung gerichteten Vorstellung darauf angetragen: die Bundesversammlung möge ihren Be schluß vom 29. Juli 1852 (die Lösung deS Dienstverhältnisses der Offi ziere und Beamten der vormaligen deutschen Flotte betreffend) auf Grund einer von ihm eingereichten Denkschrift einer Reviston unterziehen und dabei den mit Patent ohne Vorbehalt angestellten Offizieren und Beam ten der vormaligen deutschen Bundesmarine — und insbesondere dem Bittsteller — unter Anerkennung ihrer rechtlichen Ansprüche den fortdauern den Bezug des ihnen als Minimum zustehenen etatmäßigen Nonactiv- gehaltS für so lange zuerkennen, als sie nicht wieder in ein anderes Dienst, verhältniß eingetreten sein werden, mit welchem ein ihrem früher« gleich- kommender Gehalt verbunden ist; auch für den Fall der Annahme eines geringer salarirten Dienstes denselben den fortdauernden Bezug eines bis zur Gleichmachung ihrer frühem Emolumente erfoderlichen ZuschußgehaltS zusichern; sowie die erwähnten Gehaltsbeträge, aus Billigkeitsrücksichten und in Betracht der von den höchsten Bundesbehörden vielfach gegebenen Zu- sicherungen, noch so weit erhöhen, daß dadurch die Zukunft der betreffen den Offiziere gesichert und denselben ein ihren Verhältnissen entsprechendes Auskommen gewährt wird; eventuell für den Fall der beabsichtigten An wendung des BundespensionSgesehes vom 6. Mai 1841 dessen Bestimmun gen dahin erweitern, „daß dadurch den Recht-- und Billigkeitsansprüchen der Offiziere ausreichende Rechnung getragen werde". Dieses Gesuch des Hauptmanns Weber war von dem Ausschüsse in Militärangelegenheiten in einem umfänglichen Vortrage geprüft worden, und es hatte sich die Ma jorität des Ausschusses dahin ausgesprochen, daß eine Verpflichtung des Bundes zu fortdauernder Besoldung resp. Pensionirung der vormaligen Marineoffiziere und Beamten nicht anzuerkennen sei, daß dem Hauptmann Weber aber aus Billigkeitsgründen für die Zeit vom 1. Sept. 1855 bis dahin 1856, insofern er auch während dieser Zeit keine andere Anstellung oder andern Erwerb finden sollte (unter Zugrundelegung des Pensionsge- setzes für die Bundesbeamten), ein weiterer Bezug von 840 Fl. bewilligt werden möge. Ein Ausschußmitglied dagegen halte sich für die Anerken- «ung deS Rechts auf Pensionirung in gewissen Grenzen erklärt und auf Bewilligung einer Pension in dem nämlichen JahreSbetrage, jedoch „bis auf Weiteres, namentlich bis zur Ermittelung eines anderweiten Unterkom mens oder Erwerbs", angetragen, während von einzelnen Regierungen sich für Bewilligung des höhern NonactivgehaltS ausgesprochen wurde. Die Mehrheit der Stimmen trat indessen dem Anträge der Majorität des Aus schusses bei, und es wurde hiernach dem Reclamanten für rin weiteres Jahr der vorerwähnte Betrag angewiesen. (Frkf. Bl.) — Der Württembergische StaatS-Anzeiger bringt von Frankfurt a. M. aus einen Bericht, wonach der dem Bundestag am 7. Febr. vorgelegten österreichischen Vorlage beigegeben waren: die Depesche des Grafen Buol an den Grafen Valentin Esterhäzy, vom 15. Dec. 1855; das Schrei ben deS russischen StaatskanzlerS Grafen Nesselrode an den Grafen V. Esterhazy, vom 16. Jan. d. I.; endlich das Präliminarprotokoll vom 1-Febr. In der Vorlage selbst, und nachdem es mitgetheilt, daß die Be vollmächtigten der betreffenden Staaten binnen drei Wochen in Paris ^zum Abschluß eines Präliminarvertrags und eines Waffenstillstandes, dann zu Unterhandlung eines definitiven Friedensvertrags, zusammenkommen werden, zeigt Oesterreich die hohe Bedeutung der fünf Punkte für Deutschland, die Nothwendigkeit ihrer Annahme, da der gegenseitige Geist der Mäßigung und der Fürsorge für das Wohl der Völker das Zustandekommen deS Frie- den« bestimmt, hoffen läßt, und schließt mit folgrnden Worten: „Als Mit glied deS Deutschen Bundes hofft der kaiserliche Hof, es möge die hohe Versammlung von der gegenwärtigen Mittheilung Anlaß nehmen, vor Eu- ropa zu bekunden, daß daS gesammte Deutschland im Verein mit Oester ¬ reich die Grundlagen annimmt und aufrechtzuhalten willen- ist, auf wel chen durch die bevorstehenden Unterhandlungen der allgemeine Frieden fest und dauerhaft errichtet werden soll." Preußen. ? Berlin, 12. Febr. Nach bestimmten Andeutungen in hiesigen diplomatischen Kreisen dürfte eine Verständigung im Schosse der deutschen Bundesversammlung in Betreff der österreichischen Vorlage zustande kommen, da von Seiten Oesterreichs auf eine Aenderung in der Fassung dieser Vorlage eingegangen worden sein soll. Wie man hört, hät einer der deutschen Mittclstaaten in dieser Beziehung vermittelt und einen auf beiden Seiten als annehmbar befundenen Vorschlag gemacht. Deutsch- land werde, wie es heißt, sich die österreichischen Friedensbedingungen aneig nen, ohne die Verpflichtung für den Fall, daß die Friedensverhandlungen scheitern, zu übernehmen, an dem Kriege gegen Rußland thatsächlich theil- zunehmen.— Die Theilnahme Preußens an den Friedensberathungen zu Paris dürfte, wie es scheint, nicht mehr zu bezweifeln sein, zumal auch der Widerstand, welchen England dieser Betheiligung entgegenstcllte, sehr in der Abnahme begriffen sein soll. Ueber die Wendung, welche die Angelegen heit wegen der Theilnahme Preußens und wegen der österreichischen Bun desvorlage genommen hat, wird in den diplomatischen Kreisen sehr lebhaft gesprochen. Graf Orlow, welcher mit jedem Tage von Petersburg hier er wartet wird, dürfte auf seiner Reise nach Paris in Berlin einen kurzen Aufenthalt nehmen, der sich auf Mitthcilungen an das hiesige Cabinet beziehen soll. — Von einem englischen Blatt wird auf die Ersprießlichkeit hingewiesen, welche für die europäischen Interessen im Allgemeinen eine Aenderung des Londoner Protokolls haben würde, weshalb zu hoffen stehe, daß diese wich tige Angelegenheit, die für die Regelung der Machtverhältniffe im Nor den von größter Bedeutung ist, bei den pariser Friedensverhandlungen auch ernstlich zur Sprache kommen werde. Diese Ansicht findet hier einen sehr lebendigen Widerhall. Hinsichtlich der möglichen Machtent- Wickelung Rußlands im Norden Europas ist auf den Ausspruch eine- be kannten nordischen Ministers wiederholt aufmerksam zu machm. Die Be- sorgnisse für die Zukunft der nördlichen Staaten Europas hätten durch die Kundgebung dep übergreifenden Absichten Rußlands im Orient sich nur steigern können. Unter andern günstiger« Verhältnissen würden diese Ab sichten eine Entwickelung im Norden erhalten können, die ernste Verlegen heit zu bereiten wohl geeignet wäre. Solche günstigere Verhältnisse find aber in Zukunft gerade der Ausfluß des Londoner Protokolls, in welchem sie nicht allein ihre Quelle, sondern auch ihre Stühe und Berechtigung fin den.— JnBetreffder österreichischen Bundesvorlage erfahrenwir soeben noch, daß die Beschlußfassung über diesen wichtigen Gegenstand bereit-über morgen im Schoose des Bundestags stattfinden werde. Eine Vertretung des Bundestags als solcher bei den pariser Friedensberathungen dürste wol nicht plahgreifen. Es braucht wol kaum hervorgehoben zu werden, daß die Erledigung der Angelegenheit, wie sie beim Bunde zu erwarten steht, kei neswegs im Sinne Oesterreichs ist. , F Berlin, 12. Febr. Wird Preußen an den neuen Friedensver- Handlungen Antheil nehmen, oder wird es von denselben ausgeschlossen werden wie von den wiener Verhandlungen vor einem Jahre? ES bedarf keines Beweises, daß eine Theilnahme Preußens an dem bevorstehenden Congreß im allgemeinen Interesse Europas und im besonder« Interesse der Westmächte liegt. Es handelt sich jetzt darum, den Frieden Europas auf sichere Grundlagen zu stellen, namentlich den Uebergriffen Rußlands im Süden gegen die Türkei und nun auch im Norden gegen Schweden einen festen Damm entgegenzusetzen. Dies kann nicht durch bloße Artikel in dem Friedensschlüsse, dies muß vielmehr durch eine feste Garantie derselben von Seiten West- und Mitteleuropas bewirkt werden, dergestalt, daß sich die vier Großmächte verpflichten, jeden Friedensbruch von Seiten Rußlands mit vereinter Kraft zu bekämpfen. Kann aber eine solche Garantie des ganzen nichtrussischen Europa zustande kommen, wenn eine Großmacht wie Preußen daran nicht theilnimmt? Wird aber Preußen eine solche Garantie übernehmen, wenn man es von den Friedensverhandlungen ausschlösse? Eine Theilnahme desselben liegt aber selbst im Interesse der Verbündeten. Nehmen sie Preußen bei den Verhandlungen an ihre Seite, damit dasselbe wie bisher, nur noch kräftiger Rußland zum Frieden dränge, dann ziehen sie für den Fall, daß es diesem kein Ernst mit dem Frieden sein sollte, Preußen immer mehr auf ihre Seite, entfremden es Rußland und bereiten dadurch «ine Allianz mit jenem vor, wodurch Rußland endlich besiegt werden müßte. WaS Preußen selbst betrifft, so würde eine Ausschließung desselben vom Congreß seiner Macht nicht schaden. Penn noch steht dieselbe unberührt da, während die der andern Mächte mehr oder weniger geschwächt ist; e- entginge mancherlei unvermeidlichen Verwickelungen bei der Rolle einr- VermittlerS; seine Neutralität wäre bei der Fortdauer des Krieg- auch um so gesicherter, al- «S auf keiner Seite sich compromittirt hätte.