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Freitag. Nr. 4. 12. Januar 1872. WePerih-Feitrmg. Amts-Wkatt fiir die Herichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Kranenstein. Verantwortlicher Nedartcur: Carl Jehne in Dippotdiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 10 Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit I Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 10. Januar. Ostern, wo wieder Entlassung und Ausnahme in der Schule stattfinden, wird halb nahen; schon beginnt der gesetzliche Vorbereitungsunter richt der Con firm and en. Da nach Beschluß des Kirchen vorstandes die beiden Geistlichen zwischen Knaben und Mädchen wechseln, so hat in diesem Jahre Hr. Superintendent Opitz die Mädchen, Hr. DiaconnS Gersdorf die Knaben zur Con- firmation Vorzubereilen. — Nachdem uns der heutige Morgen ziemlich schweren Nebel gebracht, ließ eS sich darauf zum Schneien an, und schon ist Alles, soweit das Auge reicht, wieder in die weiße Decke des Winters gehüllt. Glücklicherweise sind durch das vorhergegangene Thauwetter die Mühlgräben gehörig mit Wasser versehen, und eine zweite Auflage des Winters, die uns wohl kaum erspart werden wird, findet uns wegen Ein frierens weniger besorgt, als die erste. Schon werden wieder die zur Disposition gestellten Schlitten mobilisirt, und wenn'S bei uns nur zu einer recht ordentlichen Invasion unserer Nachbarn käme, uns sollte es schon freuen. Lustig genug könnt's auch werden, denn aus allen Häusern schallt jetzt der Neujahrsgruß unseres Stadtmusikchores in den Schneewirbel hinaus! — Wie wir hören, ist kürzlich Seiten des hier bestehenden Comitee's zur Erbauung einer Eisenbahn von Dresden über Dippoldiswalde nach der böhmischen Grenze, eine Petition an die zweite Kammer des Landtages abgegeben worden. — Eine Deputation unserer städtischen Behörden begab sich heute nach Dresden, um für die Hierherverlegung einer AmtShauptmannschaft, anstatt nach Tharandt, zu wirken. Eine Deputation aus der Amtslandschaft des hiesigen Ge richtsamtsbezirkes wird in den nächsten Tagen sich nach Dresden begeben, um gleichfalls für eine solche Verlegung zu bitten. Dresden. Die an die Stände gelangte Vorlage einer neuen Städte- und Landgemeinde-Ordnung zeigt einen Fortschritt zum Besseren. DaS Zweikammer-System (Stadtrath und Stadtverordnete) kommt in mittleren und kleineren Städten zum Wegfall, da die Städteordnung für dieselben nunmehr bestimmt, daß der Stadtrath und die Stadtverordneten für alle Geschäfte, welche nicht dem Stadt- rathe, beziehendlich dem Bürgermeister allein überwiesen sind, als „Stadtgemeinderath" in ein Ganzes verschmolzen werden. Dadurch erledigt sich von selbst die Nothwendigkeit eines Stadtverordneten-Vorstehers. Der Stadtrath besteht aus einem besoldeten Bürgermeister und einem Stellvertreter desselben. Erforderlichen Falles können ihm noch ein oder mehrere Rathmänner beigegeben werden. Die Wahlen der Stadtrathsmitglieder erfolgen durch den Stadtgemeinderath. Wenn nicht für einzelne Stellen ausdrücklich die Wahl auf längere Zeit oder lebenslängliche Anstellung beschlossen wird, so geschieht sie von sechs zu sechs Jahren mit der Berechtigung zur Wiederwahl. Der Bürgermeister und sein Stellvertreter bedürfen der Bestätigung durch den Amtshauptmann. Mit Zustimmung des Stadtgemeinderathes ist der Bürgermeister, welchem die obrigkeitliche Leitung aller Gemeindeangelegen heiten zusteht, zu Erlaß allgemeiner Anordnungen berechtigt, durch welche Haftstrafe bis zu drei Tagen und Geldstrafen bis zu zehn Thalern angedroht und verhängt werden können. Dieselben sind aber, wenn sie polizeiliche Gegenstände be treffen, sofort bei ihrem Erlasse dem Amtshauptmann abschrift lich vorzulegen. Beschlüssen des Stadtgemeinderathes, welche der Bürgermeister für ungesetzlich oder dem Gemeindewohle nachtheilig erachtet, kann er die Ausführung versagen , muß jedoch ebenfalls dem Amtshauptmann darüber sofortige Anzeige erstatten. Berlin. Der so lange sehnlichst erwartete Wechsel in der Person des Cultusministers scheint nun doch in nächster Zeit bevorzustehen. Consistorialpräsident vr. Momsen aus Kiel ist bereits hier angekommen, hatte an entscheidender Stelle mehrere Unterredungen und wird als der Nachfolger des Herrn v. Mühler bezeichnet; doch werden auch andere Namen für diesen Posten genannt. — Die Jesuiten wühlen in Deutschland nirgends eifriger und freier, als in Preußen, wo bekanntlich Gewissens freiheit besonders in denjenigen Fällen am meisten geduldet wird, wo sie, in'S Gegentheil umschlagend, dem Staate und der bürgerlichen Gesellschaft gefährlich wird. Jetzt macht sich eine Jesuiten-Commission in Iserlohn besonders unnütz, indem sie die Dienstmädchen der Stadt über ihre Heimlich keiten bis zum Tippelchen auf dem i in der Beichte ausfragt. Wie lange wird eine, der menschlichen Würde in so hohem Grade Hohn sprechende Einrichtung, wie die Ohrenbeichte, noch geduldet werden? Stuttgart. Hier werden am 13. Januar über 300 Setzer fast aller Buchdruckereien die Arbeitzinstellen, da ihnen die geforderte Erhöhung der Preise nicht bewilligt wurde. Wien. In der großen Dreher'schen Bierbrauerei zu Schwechat haben 400 Brauer die Arbeit ohne Kündigung verlassen. Zur Verrichtung der dringendsten Arbeiten (65,000 Eimer Bier befinden sich in Gährung) sind Soldaten ver wendet worden. ,Rom. Der Papst hatte wieder einen Ohnmachtean- fall, und im Vatikan herrschte große Bestürzung. Doch „ward er wieder" und konnte die winzige Schaar seiner An hänger andern Tages empfangen.