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Schönburger Tageblatt ««d 1899 M 165. Mittwoch, den 19. Juli Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr-? Kaufmann Otto Förster: in Kaufungen bet Herrn Fr. Janaschek; m LangenchurSdorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Wi elm Dahler, Tigarrengefchäft an der Brücke; in Rochsburg bei Herrn Paul Zeh,; in Wolkenburg bei Herrn Trust Rösche; ix Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirste«. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Perrig, Lunzenau, Lichtenftein-Calluberg, und in den Ortschaften der nachstehendm Standcsamtsbezirke: rstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen» ^'^öa-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, « Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage „ »ach Sonn- und Festtagen. Äuahme von Inseraten für die nächster- iAEinmde Nummer bis vormittags 11 Uhr. Abonnementspreis beträgt vierteljähr- -H 1 Mk. SS Pf. Einzelne Nrn. b Pf. gerate pro Zeile 10 Pf., Linges. 20 Pf. »ell,rischer Satz wird doppelt berechnet. Witterungsbericht, ausgenommen am 18. Juli, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 763 mm. reducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerstand -s- 20" 0. (Morgens 8 Uhr -s- 17° 0.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 69°/». Thaupuukt -s- 14,, Grad. Wiudrichtuug: Nordwest. Daher Witteruugsausfichteu für den 19. Juli: Halbheiter bis bewölkt, Niederschläge nicht ausgeschlossen. "Waldenburg, 18. Juli 1899. Unserem mittleren Gewerbebetrieb und Handelsstande, ebenso wie einer großen Zahl von Landwirthen für ge- ^sse Zweige des landwirthschastlichen Betriebes, ist feit geraumer Zeit eine neue Schwierigkeit im Geschästsleben «wachsen: das Geld ist sehr theuer geworden und, nach verschiedenen Schwankungen, auch theuer für alle diese Kreise geblieben. Es ist heute allenthalben so: Wer Geld zur Ausführung von Gedanken seiner Unterneh mungslust leihen will, muß es hoch bezahlen, und dem, der Geld bringt, werden beide Thürflügcl weit geöffnet. Der Druck, welcher sich aus dem theuren Geldpreis herschreibt, macht sich gerade für die genannten Mittel- standskreise doppelt geltend. Trotz aller eröffneten Hilfs quellen fließt ihnen das Kapital viel spärlicher und zu viel umständlicheren Bedingungen zu, als wie bei den großen Unternehmungen. Das knappe Geld ist wieder ein Feind, der an den Wurzeln des Baumes eines kräf tigen Mittelstandes nagt. Die Unternehmungslust ist auch in den Kreisen des Mstielstandes ganz bedeutend gewachsen, das Geschäft dazu, zu Neuem zu kommen, um der Groß- «oncurrenz zu begegnen. Aber mit dieser wachsenden ^ternehmungslust Stadt und Land hält der Geld- Vorrath nicht Schritt. Man kann sehr wohl sagen: Stadt und Land! Dem Landwirth regnen die guten Rathschläge, welche neuen Kulturen er zur Verbesserung seines Vermögensstandes einführen kann und wie er seine Viehzucht auszugestalten hat, nur so ins Haus hinein, aber die Bethätigung der landwirthschastlichen Unternehmungslust ist aus verschiedenen Gründen noch kostspieliger, als die in einem industriellen Betriebe. Diehr als je kann heute zu allen theoretischen Studien Über den wirthschastlichen Aufschwung deS gesammten Mittelstandes gesagt werden: Gebt dazu billiges Geld! Wo ist da« Geld geblieben? Ja, da braucht nicht groß gesucht zu werden! Vorerst ist weniger gespart, wie früher, nicht, weil die Lebenshaltung eine viel kost" spieligere geworden ist, das kann man von denjenigen Kreisen, welche überhaupt je eifrig gespart haben, nicht behaupten, aber die Unkosten find bei den Einnahmen zu groß^ und daher der Ueberschuß geringer geworden. Wie langeAit gehört heute dazu, bis ein Durchschnitts- bürgeUPrAxdeutschen Reiche« blanke tausend Thaler ge spart hat? Die Sonne kann dabei oft auf und nieder gehen! Trotzdem ist noch viel gespart, aber nicht nur, daß der Geldbedarf der Staaten, der Eommunalverbände Und einzelnen Gemeinden ein außerordentlich großer ge worden ist, hat die Ausdehnung der Industrie gewaltige Summen verschlungen. In die so hoch gestiegenen Werthe der Kohlen« und Gisen-Actien sind seinerzeit Millionen gesteckt worden, eine Thatsache, die nicht Klagen hervor zurufen braucht, mit der aber gerechnet werden muß. Geld ist da, aber nicht eben für den Mittelstand, wenigstens nicht so billig, wie eS wohl zu wünschen Wäre. Man kann natürlich von Niemandem verlangen, auch nicht von einem Staatswesen, daß er sein Geld ZU Preisen hergicbt, die nicht mit denen deS allgemeinen Geldmarktes in Uebereinstimmung stehen, wenigsten« Ungefähr. Aber diese Lage de« Geldmarktes sollte doch die Verwirklichung eines Gedankens in etwas nähere Zeit rücken lassen, als es sonst der Fall sein würde: den Ge danken eines Zusammenschlusses deS ganzen deutschen Mittelstände« in Stadt und Land zur Schaffung von Einrichtungen, die den wirthschastlichen und finanziellen Interessen de« Mittelstände« dienen. Lokale Vereini ¬ gungen thun es heute, wenigstens bald, nicht mehr, da muß ein Aufraffen aller Kräfte erfolgen, die heute in Stadt und Land zersplittert sind. Und so billig wie möglich muß der Dienst sein. Wir brauchen mehr selbständige Existenzen! Das ist Anfang und Ende aller socialpolitischen Weisheit. Mit schönen Worten und Vertröstungen kommen wir zu nichts, die Gedanken eines Mannes klären und reifen sich erst, wenn er auf eigenem Arbeitsboden steht, wenn der natürliche Ehrgeiz ihn antreibt, zu zeigen, was er leisten kann. Nicht die socialdemokratische Gefahr ist bei uns heute das Schlimmste, das Schlimmste ist der Gedanke von Tausenden: Ich komme allein ja doch zu nichts Rechtem, die Großen mit ihrer Concurrenz sind zu stark! Von diesen pessimistischen bis zu verbitterten Anschauun gen, die da meinen, überall sei es bester, als bei uns, ist dann nur ein Schritt. Und doch ist so Vieles zu leisten, wenn auch der Kampf um die Erhaltung der eigenen Existenz von Tag zu Tag schwerer wird, und doch könnte noch viel mehr geleistet werden bei einmüthigem Zusammenstehen eines energischen Bürgerthums, das mit hocherhobenem Haupte durchs Leben geht. Hier müssen noch immer neue Wege aufgesucht werden. Manches ist geschehen, aber die Zahl derer, die einen kraftvollen Mittelstand verstärken helfen können, ist zu groß, als daß für sie das schon genügte, was bisher möglich war oder geschah. Jeder Stand hat seine Fehler, auch der deutsche Mitttcl- stand ist von solchen nicht frei. Zu seinen größten ge hört die so lange beliebte Kraft-Zersplitterung. Aber von einem anderen Fehler, der im letzten Jahre bedenklich Anhänger gefunden, ist der Mittelstand frei, von der Leidenschaft der Speculation. Wäre die in seinen Reihen ringeristcn, man brauchte nicht nach billigerem Geld zu rufen. Aber rS handelt sich nur um solide Unter- nehmungSlust, die eine lebenslängliche sichere Existenz ermöglicht, und der sollte unter die Arme gegriffen wer- den, soweit c« möglich ist. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Von der Nordlandsreise de« Kaiser« wird aus Molde berichtet, daß dort am Sonntag an Bord der „Hohen- zollern" Gottesdienst stattfand. Später unternahm der Kaiser eine Partie nach RomSdal. Am Montag machte er einen Spaziergang am Ufer und hörte die Vorträge der Vertreter de« Auswärtigen Amt« und der Kabinette. DaS Wetter ist andauernd schön. Der in den Lippeschen Thronfolgestreitigkriten vielge nannte Archivrath Berkemeyer in Detmold ist jetzt definitiv von dem Amte als Vorstand de« fürstlichen HauL- und Landarchivs entbunden worden. Das gegen Berkemeyer ringeleitetc Strafverfahren, wegen Beiseite schaffung amtlicher die Biesterfelder Linie bei dem Thron folgestreit begünstigender Aktenstücke hat bekanntlich mit seiner Freisprechung geendet. Von der Haager FriedenSconferenz wird ge meldet, daß der deutsche Delcgirte Prof. Zorn gegen den zu juristisch und zu definitiv klingenden Ausdruck „Schieds gericht" protestirt und dafür den Ausdruck „Institut für Schiedsspruch" vorgeschlagen hat. Ueber die Vertretung der Socialdemokratie in den Einzellandtagen macht die „Köln. VolkSztg." einige interessante Angaben. Während die Socialdemokratie in der bayrischen Abgeordnetenkammer bisher durch 5 Ab geordnete vertreten war, zählt sie nach den Neuwahlen 11 Mitglieder. Die bayrische Abgeordnetenkammer hat infolge dessen von allen einzelstaatlichen Landtagen die meisten socialdemokratischen Abgeordneten aufzuweisen. In der sächsischen zweiten Kammer Hkttcn es die Social demokraten bereits auf 15 Abgeordnete gebracht; aber seit der Einführung des Dreiklassenwahlsystems nach preußischem Muster ist diese Zahl auf 8 gesunken, und sie dürfte noch weiter finken, da ein Theil der sächsischen Socialdemokraten wegen der ungünstigen Aussichten sich nicht mehr an der Wahl betheiligen will. In Württem berg befindet sich ein socialdemokratischer Abgeordneter im Landtage, in Baden 3, in Hessen 4, in Weimar 1, Gotha 7, Meiningen 4, Reuß j. L. 3, Altenburg 4, Schwarzburg-Rudolstadt 1. An den preußischen Landtags wahlen hat sich die Socialdemokratie im vorigen Jahre zum ersten Male theilweise betheiligt. Der Erfolg war ausgeblieben. Unter den 433 preußischen Abgeordneten befindet sich nicht ein einziger Socialdcmokrat. Den günstigsten Boden findet die Socialdcmokratie in den thüringischen Kleinstaaten, die ja auch 5 Socialdemokra ten in den Reichstag geschickt haben. Aus München wird gemeldet, daß dort bei der Hauptwahl zur bayrischen Abgeordnetenkammer infolge der zwischen Centrum und Socialvemokratie abgeschlossenen Wahlcompromisses in München I 3 Socialisten und 2 CentrumSmitglieder, in München II der Socialist v. Vollmar einstimmig gewählt wurden. Bei der am 17. d. erfolgten Landtagshauptwahl in Bayern wurden 83 Angehörige des Centrums, 45 Liberale, 4 Conservative, 13 Bauernbündler, 11 Social- demokratcn und 1 Demokrat gewählt. Zwei weitere Gewählte gehören keiner Fraction an. Die Auswanderung aus Deutschland hat im letzten Jahrzehnt stark und stetig abgenommen, so daß die AuSwanderungssrage im Augenblick nicht so brennend ist. Aber gerade deshalb erscheint eS an der Zeit, wie dir „Kreuz-Ztg." sehr richtig ausführt, Vorsorge zu treffen, daß einer etwaigen Wiederzunahme der deutschen Auswanderung zu gegebener Zeit wirksam entgegenge arbeitet werden kann. Deutschland muß alle seine Kräfte zusammenhalten und kann an die planmäßige Organi sation deutscher Ansiedelungen in anderen Welttheilrn erst dann gehen, wenn alle Sicherheiten dafür gegebm sind, daß diese Ansiedelungen im innigsten Zusammen hänge mit dem Reiche bleiben. An dem neuen Gesetzentwurf, betreffend da« Urheber recht an Werken der Litteratur und Tonkunst, be ginnen die Blätter bereits Kritik zu üben. Einige weit links stehende Zeitungen haben, wie immer, auch an diesem Gesetzentwurf mancherlei auSzusctzen, andere be grüßen die neuen Bestimmungen desselben al« erwünschte und nothwendige Reformen. Namentlich wird die Be stimmung willkommen geheißen, welche Strafen androht, wenn jemand vorsätzlich solche Privatbrirse, Tagebücher od^r persönliche Aufzeichnungen anderer Art, an denen ein geschütztes Urheberrecht nicht besteht und die noch nicht erlaubter Weise veröffentlicht worden find, wörtlich oder dem Inhalte nach unbefugt öffentlich mittheilt. Eine Veröffentlichung wie die des TagebruchS des Kaiser« Friedrich durch Geffken und wie die unlängst erst er folgte der Privatbriefe des Frhrn. v. Stumm durch den „Vorwärts" würde also, wenn der Entwurf Gesetz wird, straffällig sein. Einen Erfolg, der für die Weiterentwickelung unsere« Kamrrunhandel« nicht hoch genug angeschlagen werden kann, hat Hauptmann v. Kamptz mit seiner Expedition