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Pienstag. Nr. 41 29. Mai 1866. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Weißerih-Zeitung Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate di» Spalten-Zeile 8 Psg. Amis- und Anzeige-Platt der Königlichen Gerichts-Aemter vvd Stadträthk zu Dippoldiswalde, /raueufleiu und Attenberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Politische Wetterbeobachtungen. 6. Lange kann man mit Marken, mit Rechen-- pfcnnigen zahlen; Endlich — es hilft nichts, ihr Herren — mich man den Bentel doch ziehen! Schiller. Wir sprachen bereits in einem früheren Artikel unsere Ueberzeugung von dem Walten sittlicher Mächte in der Geschichte der Menschheit, wie des einzelnen Menschen, unumwunden aus. Wir knüpften hieran die Bemerkung, das es bis auf den heutigen Tag nicht an Leuten gefehlt hat, die den unwandelbaren Gesetzen jener sittlichen Weltordnung trotzen, die Welt und ihr eigenes Geschick nach ihren Köpfen regieren zu können glauben. Eins der eklatantesten Beispiele dieser Art aus neuerer Zeit ist unstreitig Napoleon I. Dieser geniale Kriegsheld und Staatsmann, mit der centrali- sirten Gewalt einer durch seinen Kriegsruhm begeister ten Nation in der Hand, wagte es, jenen sittlichen Mächten zu trotzen und die Welt nach seinem Kopfe zn regieren. Eine Zeit lang ging es mit scheinbarem Glück. Aber schon 1809 erhielt er die erste Lection durch den Patriotismus der Spanier, und dieselbe sitt liche Kraft des erwachten Nationalgefühlö der Deut schen war es, die den Unbesiegbaren bei Waterloo zer malmte. Der preußische Minister des Auswärtigen befindet sich, dünkt uns, auf einer ähnlichen Bahn. Sein System ist offenbar der Aufbau eines großpreu ßischen Staates durch Beseitigung der deutschen Mittel und Kleinstaaten und das Niederschlagen der deutschen Demokratie durch Etablirung eines Militärdespotismus. Die Grundlage dieses Systems ist ein freiheitsfeindlicher Ehrgeiz, wenigstens vermögen wir keine andere zu er kennen. Es fehlt daher der preußischen Politik das sittliche Motiv und darum finden wir sie im Wider spruch mit dem eigenen Volke und mit fast allen deut schen und außerdeutschen Regierungen. Man hat wohl hier und da den Grafen Bismarck mit Cavour vergli chen. Allein Cavour hatte für seine wenn auch gewalt- thätigen Actionen doch die Basis einer hohen persön lichen patriotischen Begeisterung, er galt seinen Landsleu ten als die verkörperte Idee der italienischen Nationalein heit und Freiheit und dies sicherte seiner Politik jene fabel haften Erfolge. Dagegen wird Graf Bismarck keineswegs als Vorkämpfer der deutsche» EinheitS- und Freiheits idee angesehen; er hat durch seine Politik das tiefste Mißtrauen des deutschen Volkes geerntet, während Cavour das unbegrenzte Vertrauen der Italiener besaß Die Demokratie ist sogar der Meinung, der gegen wärtige Conslict sei ein künstlicher und hezwecke im Endresultate nichts als die Vernichtung der Demokratie. Als demokratische Heerde sind und waren bisher bekannt: Dänemark, Belgien, die deutschen Mittel- und Klein staaten und Italien. Dänemark habe man zerstückeln und dadurch unschädlich machen lassen, Belgien würde bei einem großen Kriege von der Karte verschwinden und Deutschland und Italien unter Militärdiktatur genommen werden. Allerdings wird die Lage Victor Emanuels von der Art geschildert, daß ihm nur die Wahl bleibe zwischen Krieg oder Republik; in Frank reich bereiten sich ähnliche Zustände vor und für den Kaiser Napoleon ist der Krieg eins der wirksamsten Mittel zur Befestigung seiner Dynastie. Allein was Deutschland betrifft, so müssen wir entschieden leugnen, daß es des Kriegs bedürfe, um eine Revolution zu ver meiden. Zwar hat neuerdings die deutsche republika nische Partei auch einige Lebenszeichen von sich gegeben, indeß glaubt wohl im ganzen deutschen Reiche außer den Parteigenossen Niemand an irgend welche Erfolge dieser Partei, zumal jetzt, wo eine Million Soldaten auf de» Beinen stehen. Andererseits wollen wir die Möglichkeit nicht in Abrede stellen, daß das preußische Cabinet den Krieg für das alleinige Mittel hält, um die Fortschrittspartei im Abgeordnetenhause niederzu schlagen. Was die große Tagesfrage: „ob Krieg, ob Frieden" anlangt, so schwankt die Waage noch immer. Es läßt sich durchaus mit keiner Sicherheit behaupten, wie die Würfel fallen werden. Auf der einen Seite läßt sich nicht leugnen, daß die Regierungen der Großmächte, mit Ausnahme von England, je aus verschiedenen Grün den, ei» mehr oder minder starkes Interesse am Aus bruche des Kriegs haben; auf der andern Seite fällt aber erheblich in die Waagschale, daß, etwa mit alleini ger Ausnahme der Italiener, die gesammte deutsche, französische und englische Nation mit allen gesetzlichen Mittel» nach Frieden ruft. Insbesondere sind die Demonstrationen der preußischen Städte für den Frie den ein sehr beachte nswertheS Element, welches nach den neuesten Nachrichten des Eindrucks auf die maß gebenden Kreise nicht verfehlt hat. Die keineswegs sichere Haltung der Landwehr und der immer fühlbarer werdende Geldmangel üben wohl auch ihren Druck qus bie Seite des Friedens. Indeß, wenn wir die riesen hafte Vewnrrung ansehen, in welche die deutschen An gelegenheiten gerathen sind, so können wir kaum einen andern Ausweg erkennen — als den Krieg. Denn soll der Friede erhalten werden, so muß eine der beiden deutschen Vormächte den Rückzug antreten — Oester-