Volltext Seite (XML)
Adorfer Orenzbote Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Oelsnitz, des Amtsgerichts, L<<Amtsan- waltschast und des Bmmrares zu Adorf. Fernsprecher Nr. 14. Verantwertlicher Schriftleiter. Drucker und Verleger Otto Meyer in Adorf Tel>Ldr.-. GrenzboteZ Ä Bank-Cto.: Aligemrine Deutsche Creditanstolt Zweigltsllr Admf- Dounerstkg, den 14. September ISSS. Iahrg. 8V Die Räude unter dem Pferdebestande des Bäckermeisters Reinhold Strobel, Schilbach i. V., ist erloschen. Oelsnitz i. B., 9. September 1922. Die Amtshanptmaunschaft. Was gibt es Neues? . , .77 Während französische Pressemeldungen die deutsch? als gescheitert bezeichnen, sehen ^Ätsche Blätter die Verhandlungsmögltchkeiten noch nicht erschöpft. — Die AMierten warnen in einer gemeinsamen Note Mustafa Kemal davor, Konstantinopel anzugreifen. — In Athen und Thrazien werden wegen der griechi schen Niederlage ernste Unruhen befürchtet. — Die deutsche Regierung hat an den Völkerbund eine Note gerichtet, in der sie die polnischen Verdächtigungen wegen mangelnden Schutzes der Minderheiten in Deutsch land entschieden zurückweist. — Die Truppen Kemal Paschas befinden sich im An marsch auf die Dardanellen und haben Baltkesri (etwa 80 Kilometer vom Marmarameer) besetzt. — Das Reichsernährungsministertum hat eine Verord nung über die Beschränkung der Likör- und Branntwein- fabrikation erlassen. — Die englische Negierung erwiderte auf die Ein ladung der italienischen Regierung, die Konferenz in Venedig sei im Augenblick überflüssig; dagegen sei zur Regelung des Orientproblems eine große Konferenz der Alliierten drin gend wünschenswert. Mäßigender Einfluß. Ist der Nutzen stärker als der Haß? DaS soll das Sachlieferungsabkommen zwischen dem rheinischen Großindustriellen Stinnes und dem Marquis von Lu- bersac, dem Präsidenten der französischen Wiederauf baugesellschaft, beweisen. In der Einleitung zu die sem Abkommen heißt es, daß „es einen mäßigenden Einfluß auf die deutsch-französischen Beziehungen ausüben soll." Es ist also einmal nicht die Rede vom Vertrage von Versailles Und französischen Erfüllungs rechten, sondern beide Kontrahenten stehen sich aus schließlich aus dem Boden des praktischen Lebens ge genüber und suchen dessen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Nicht Juristen führen hier das Wort, sondern Geschäftsleute verhandeln über An- und Verkauf not wendig gebrauchter Waren. Von Politik ist keine Rede, aber die Tatsachen sollen auf die politischen Beziehun gen einwirken. Werden diese Bemühungen Erfolg haben? Tie Erfahrungen der Vergangenheit sprechen jedenfalls nicht dagegen. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre vor der Pariser Weltausstellung von 1889, an der Deutschland nicht offiziell teilnahm, gingen jenseits der Vogesen die Wogen der Leidenschaft und des Has ses gegen uns gewaltig hoch. Tie Spionrnriecheret stand in Frankreich in höchster Blüte, und es verging kaum eine Woche, in der nicht ein solcher Fall von sich reden machte. Es war eine Zeit, in der man für oie sichere Erhaltung des Friedens keine Mark ausgab. Uber trotzdem herrschten zwischen deutschen und fran zösischen Kaufleuten sehr lebhafte Geschäftsbeziehun gen und in der Rue Berjere, dem Viertel der deut schen Kommissionäre in Paris, saßen Franzosen und Deutsche freundschaftlich beim Vertragsabschluß an einem Tische. Es war die Zeit, in der die französischen Brauereien ihre Anlagen erweiterten, um die Kon kurrenz des deutschen Bieres abzuwehren, und die neuen Maschinen und Apparate wurden aus Deutschland ge kauft. Man sieht also, das Verlangen nach praktischem Nutzen war größer, als der Trieb, den Haß zu befrie digen. Wenigstens in der französischen Geschäftswelt. Auch die großen Modehäuser in Paris sandten damals unentwegt ihre Offerten über den Rhein, denn das deutsche Geld war auch kein Blei. Es hat sich also erwiesen, daß antideutsche Po litik und prodeutscher Geschäftssinn in Frankreich be reits nebeneinander bestanden haben, cs liegt also kein Grund vor, von diesem Vertrage Stinnes-Lubersac ge ring zu denken, um so weniger, als in Paris keine Proteste dagegen laut geworden sind. Tie franzö sischen Zeitungen denken wohl, trotz dieses Vertrages brauchen wir unsere politische Stellung nicht zu än dern. Eine solche Aenderung wird auch in dem Ab- n>mmen nicht verlangt, es wird nur ein müßigender! Einfluß auf die französisch-deutschen Beziehungen er-! hofft. Ter heilsamen Wirkung der Zeit kann also! getrost ihr Recht gelassen werden, denn gegen klingen-! den Nutzen waren die Franzosen, wenigstens im Nähr-j stände, nicht unempfindlich. Von 1888 bis 1922 wer- den sie sich nicht auSgetaufcht haben. j Aus seinen Verhandlungen mit den französischen Vertretern scheint Herr Hugo StinneS auch die Er-f, kenntnis gewonnen zu haben, daß man die Flinte wegen der Möglichkeit einer deutsch-französischen Verständi gung nicht ganz ins Korn zu werfen braucht. Tenn die ihm nahestehende Deutsche Allgemeine Zeitung sagt: „Wir wollen hier nicht Perspektiven zeichnen, die sich bei diesem ganz auf praktische Hilfstätigkeit eingestellt ten Vertrag von selbst ergeben. Nur so viel sei ange» beutet, daß durch die Art und Weise, wie hier das Re- oarationsproblem angefaßt wird, vielleicht ein Weg gefunden worden ist, der zu einer Lösung dieses die deutsch-französischen Beziehungen vergiftenden Pro blems führt." Es ist ja nun allerdings nicht das Re parationsproblem, welches so vergiftend wirkt, son dern die deutsch-feindliche Politik Poincarös, für wel che die Reparationen als Deckmantel dienen, aber wenn dieser Vorwand nach und nach ausgeschaltet wird, so kann das nicht ohne Einfluß auf die Politik bleiben jedenfalls haben sich doch Männer jetzt in Frankreich jefunden, die bereit sind, ihren Landsleuten zu zei gen, was im Einvernehmen mit Deutschland ohne alle' mlitifchen Streitigkeiten mit Deutschland geleistet Wer ren kann. Vruch oder Verständigung? Ministerrat in Brüssel. Gleich nach der Rückkehr der belgischen Delegier ten aus Berlin trat in Brüssel ein Mini st errat zusammen, in dem Delacroix, Bemelmans und Philip- son über ihre Verhandlungen mit der Reichsregierung berichteten. Welche Stellung die belgische Regie- cung daraufhin zu der deutschen Forderung auf Ver längerung der Gültigkeitsdauer der in Zahlung zu ge benden Schatzwechsel auf 18 Monate genommen hat bder nehmen wird, ist noch nicht bekannt. Es werden barüber nur Tendenzmcldungen verbreitet, die je nach- bem, ob sie von französischer oder englischer Seite aus- zehen, ganz entgegengesetzten Charakter tragen. Die französische Presse stellt die Sachlage so dar, als bb durch die Abreise der Belgier von Berlin die bel- zisch-deutschen Verhandlungen als endgültig gescheitert auzusohen eien. Die Belgier, meint der „Temps", werden auf )er Forderung nach sechsmonatigen Schatzwech - jeln bestehen bleiben und zu deren Deckung die De- ivnierung eines Teils des letzten Goldbestandes rer Reichsbank in der Brüsseler Nationalbank fordern. Oie englische Presse dagegen gibt die Hoffnung keineswegs auf. Lnglische Blätter berichten, daß die Pariser Auflös ung, wonach die Berliner Verhandlungen mit Bel- sien gescheitert seien und nun die Verkündigung des Verzuges Deutschlands bevorstehe, sich keineswegs mit »er Auffassung der Reparationskommission decke. Tie Hoffnung auf Verständigung sei auf keinen Fall auf regeben. Man weist auf die ruinösen Folgen hin, die bie Ausführung der französischen Wünsche haben würde, bis eine Reparationsleistung Deutschlands aus "Jahre hinaus unmöglich machen würden. Das meiste hängt jetzt zweifellos von der für Ende dieser Woche er warteten Sitzung der Reparativnskommission ab, die sich wahrscheinlich mit der Frage der Prolon gation der Schatzwechsel zu beschäftigen haben wird. Die deutschen Staatssekretäre Fischer und Berg mann, die in Paris eingetrofsen sind, halten sich zu ihrer Verfügung. Zweifellos ist Deutschland in seinem Entgegen kommen bis zur äußersten Grenze Vos Mögliche» gegangen. Weiter kann es nicht gehen. Die Reichs bank hat erklärt, sie könne im Verein mit auslän dischen Banken die geforderten Garantien für dis Schatzwechsel nur übernehmen, wenn diese mindestens 1V- Jahre laufen. Die Reichsbank hat auf den ausdrücklichen Wunsch der Reparationskommifsion die Uutonomie erhalten, und das Reich ist daher nicht mehr tn der Lage, aus die Reichsbank, selbst wenn sie es wollte, einen Truck auszuüben. Die Engländer sehen dies auch vollkommen ein, auch die übrigen Alliierten, selbst die Belgier verschlossen sich bei den Berliner -Verhandlungen den Ausführungen der Deutschen nicht völlig. Andererseits ist aber jetzt den Franzosen durch den Sieg der Türken, der gleichzeitig auch eine schwere diplomatische Schlappe Englands ist, der Kamm ganz erheblich geschwollen, und sie scheinen jetzt weniger als je geneigt, endlich sich Bahnen der Vernunft suzuneigen. Vielmehr scheinen sie ihre gefestigte Posi tion England gegenüber ausnützen zu wollen, und wir können womöglich wieder einmal das widrige Schau- Mel zu sehen bekommen, wie die Lebensschicksale großer Völker und von Millionen Menschen im Kuhhandel Ober Neparationsfrage — Orientproblem verschachert werden. , Deutschlands Entgegenkommen. Zer Reichskanzler über die belgischen Verhandlungen. In Unterredungen, die er mit Vertretern großev Pariser Blätter über das Schettern der Verhar s- lungen mit Belgien hatte, betonte Reichskanzler T. Wirth, daß die deutsche Regierung all:-« getan habe, was in ihrer Kraft lag, um das GBi"- der Verhandlungen herbeizufübren. Sie nabe den Bel giern weitgehendste und so viel wie möglich mir d-r, wirtschaftlichen Kraft zu vereinbarend« Vorschläge ge- macht. Wenn alles nach den Regeln des Handels sich gegangen wäre, wäre eine Vereinbarung am Sonnabend abend möglich gewesen. Deutsch land hätte dann in der gegenwärtigen, so schweren wirtschaftlichen und politischen Krise etwas aufatmen können. Vielleicht wäre auch die Mark gestiegen. Aber leider sei das wieder in Frage gestellt wor den, weil die belgische Regierung an dem Wort laut der Entschließung der Reparationskommission fest gehalten habe, welche Schatzwechsel zu sechs Mv naten Vorschreibl. Der Kanzler betonte, daß er den Entschluß dev belgischen Regierung, die Verhandlungen abzubrecheM nicht kritisieren wolle, daß er ihn aber im Interesse Europas und demjenigen Deutschlands außerordenv lich bedauere. Im übrigen Habe nach Ansicht deS Kanzlers Wirth die Reparationskommission noch all« Freiheit, dem belgischen Zögern entgegenzutreten unv von sich aus eine Verlängerung der deutschen Zahlungs fristen für die Schatzscheine zu beschließen. Es wäre dies ohne Zweifel die einfachste Lösung, aber man dürfe keine Zeit verlieren, denn jeder Tag, der verloren sei, würde eine Erschwerung der finan ziellen und wirtschaftlichen Krisis, also eine Verminde rung der deutschen Reparationsfähigksit, herbeiführen. Tie Regierung des Reiches, schloß der Kanzler, wird jeglichen Vergleich in der Reparationsfrage, dert sie vor der deutschen Natton verteidigen kann, an nehmen, sie wird sich aber weigern, jegliche Verein barung zu unterzeichnen, von der sie die Uebes-z zeugung hat, daß sie sie nicht einhalten kann und daß sie sich von dem hauptsächlichsten Zweck des Ganzen, nämlich esner definitiven Lösung der ReparationSfräge, entfernen würde. Am Konstantinopel. England trifft Gegenmaßnahmen. ' Nachdem die Truppen Kemal Paschas die Macht der Griechen in Kleinasien gebrochen haben, deutet alles darauf hin, daß sie jetzt mit aller Entschlossenheit auf ihr nächstes Ziel losgehen werden, Konstantinopel wieder in ihre Hand zu bekommen. Dieses Vorhabe« der Türken erfüllt England mit großer Sorge, abed auch die Frankreich eng befreundeten Balkanstaaten der Kleinen Entente wollen auf jeden Fall eine Wieder kehr türkischer Macht in Europa verhindern. Infolge dessen haben die alliierten Kommissare in Konstan tinopel eine gemeinsame Warnungsnote an Kemal Pasch» erlassen, in der sie ihn warnen, Konstantinopel an- Kugreifen, da es von den alliierten Truppen ver teidigt werden würde. Tie englischen Blätter er klären, eine Bedrohung der britischen Stellung irr Kleinasien oder Indien wäre das Signal für ein Eingreifen Großbritanniens. Gegenwärtig wird in Londoner diplomatischen Kreisen das Schicksal der Griechen vollständig in den Hinter grund gedrängt durch die angebliche Drohung der Remalisten, das Gleichgewicht der Mächte im naben Osten Über den Haufen zu werfen. Ter „Evemng, Standard" gibt zu, daß bereits seit einigen Tagen in der britischen Armee wie in der Flotte Vor-i bereitungen getroffen würden, um für die Folgen, die aus der griechischen Niederlage entstehen können, -gewappnet zu sein. Der „Evening Standard" deutet ferner an, daß die britischen Truppen im naher» Osten bedeutend verstärkt worden sind. Di« Regierungen der Alliierten sind sich vollständig darüber einig, daß eine Verletzung der neutralen Z 0 n » die von den Alliierten an der asiatischen Küste er richtet wurde, unter keinen Umständen geduldet werden wird. Um diese Stellungnahme vollständig klar zu machen, hat man beschlossen, aus allen Plätzen im Osten, wo bisher nur eine ooer die andere Macht! der Alliierten vertreten war, Militärkommis sionen von Vertretern der drei Mächte zu errichten. * OrienibcspreHnnke» Llohd Georges mit Poincare. Es steht jetzt fest, daß Lloyd George auf di«! Aufforderung der britischen Delegation beim Völkev-! Hund, nach Genf zu kommen, im Laufe dieser Woch«j