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WnlmM Tagtblati «nd _ und Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich I Mk. 80 Pf. Waldenburger Anzeiger Annahme von Inseraten für die nächst"- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Sonntag, den 13. Augnst 1882 ^187 »Waldenburg, 12. August 1882. Cxport und Schutzzoll. I. Eine jüngst erschienene Schrift des Prof. Erwin Nasse in Bonn, betitelt: „Der Cobdenklub und die deutsche Waarenausfuhr" zieht aus der Thatsache des bedeutenden Exportes, den Deutschland msbe- sondere au Rohprodukten und Halbfabrikaten besitzt, den Schluß, „daß wir alle Ursache hätten, die Cobden'sche Freihandelslehre in der ganzen Welt zu verbreiten." Darüber herrscht natürlich große Freude im Lager unserer Manchestermänner, welche sich an jeden Strohhalm klammern, um dem Schutzzoll systeme damit einen Hieb zu geben. Uns dagegen will es vorkommen, daß aus dieser Thatsache unseres großen Exportes an Rohstoffen und Halbfabrikaten viel eher das Schutzzollsystem, als der Freihandel für Deutschland zu rechtfertigen sei. Diese unsere Ausfuhr ist ein wirthschaftlicher Mißstand, welcher besser heute als morgen dadurch aufhören sollte, daß wir unsere einheimischen Rohproducte möglichst selbst verbrauchen, und zu fertigen Fabrikaten ver arbeiten, in welchem Falle es gar nicht mehr nöthlg sein würde, uns um die Erhaltung und Schaffung von Absatzgebieten für den derartigen Export in fremden Ländern umzusehen. Frankreich und Eng land, für uns gewiß die Musterstaaten, denen wir in der wirthschaftlichen Entwicklung nachzustreben haben, besitzen im Verhältnisse zu uns soviel wie keine Ausfuhr an einheimischen Nohproducten und Halbfabrikaten, weil ihre hochentwickelte Industrie die letzteren selbst verbraucht zum größten Vortheile für die einheimische Bodenproduction, welche auf diese Weise für alle ihre Erzeugnisse die höchsten Preise und den gesicherten Absatz im Lande selbst findet. Eben auf diesem Selbstverbrauche seiner eigenen und der Verarbeitung fremdländischer Roh producte und Halbfabrikate durch seine Industrie beruht die wirthschaftliche Größe sowohl Englands als Frankreichs, welche Länder nicht daran denken, sür ihre eigenen Bodenerzeugnisse noch Absatz im Auslande zu begehren und vernünftig genug sind, lieber die Selbstverarbeitung derselben anzustreben, "b . ste längst gelernt haben, einzusehen, daß sie sich vEi besser befinden. Frankreich hat letzteres er- von jeher festgehaltenes nationales Schutzzollsystem, England aber durch seine in wesent lich gleicher Weise wirkenden Schifffahrtgesetze in Verbindung mit dem Ausbeutungssysteme seines über die ganze Erde ausgedehnten Colonialbesitzes. Deutschlands Aufgabe ist es, das gleiche Ziel zu erreichen, leider daß wir dabei so spät kommen, aber noch immer nicht zu spät. Den Aufschwung zum Selbstverbrauche und zur Selbstverarbeitung unserer Erzeugnisse an Nohproducten und Halbfabrikaten kann uns aber nur ein zweckentsprechendes Schutz zollsystem bringen, und also haben wir dieses, nicht den Freihandel anzustreben und festzuhalten, welcher letztere uns allerdings Absatz unserer Bodenproducte im Auslande schaffen, dafür aber auch die Ueber- schwemmung des einheimischen Marktes mit fremd ländischen Fabrikaten, und den Ruin der eigenen Industrie bringen oder bestenfalls doch die Weiter entwicklung derselben hindern würde. Unseres Wissens und Erkennens bezieht sich die Freihandelslehre des Cobdenklubs auch nur auf den Export der englischen Fabrikate, denen der Absatz in den industriell weniger entwickelten Ländern erhalten ^nd erweitert werden soll. Ueber die Berechtigung dreser Freihandelslehre für Englands heutige wirth- ^aftliche Verhältnisse giebt es auch gar keinen Streit. England hat nicht nur ein Interesse, den Freihandel iu predigen, sondern die Verwirklichung der vom Cobdenklub verbreiteten Freihanvelstheorie ist sür dasselbe geradezu eine Nothwendigkeit. Denn im Besitze des Welthandels, des entwickeltsten Maschi nenwesens, der größten Kapitalskraft und einer überwiegenden Arbeiterbevölkerung ist England da rauf angewiesen, zur ausreichenden Beschäftigung seines Handels, seiner Maschinen, seiner Kapitals und Arbeiterkraft sowohl von überall her und mög lichst billig Rohstoff einzuführen, als auch sich immer neue Absatzmärkte für den sich mehrenden Ueberscyuß seiner Fabrikate zu erschließen, daher also auf die Abschaffung der Zollschranken in allen Ländern hin zuarbeiten, welche ihm die Ausfuhr der Rohproducte und Einfuhr der Fabrikate erschweren und ver- theuern. Englische Nationalökonomen, welche den Freihandel gepredigt hatten zum Zwecke, um einem Exporte englischer Rohproducte oder Halbfabrikute freie Bahn zu schaffen, giebt es gar nicht; solche finden sich überhaupt nur in Deutschland. Die Lehre aller englischen und französischen Nationalökonomen, aus deren Schriften seit einem halben Jahrhunderte unsere deutschen Professoren ihre Weisheit sammt und sonders geschöpft haben, lautet allerdings nach Frei heit des Verkehrs, aber nur des Verkehrs im eige nen Lande, und sie fordern die Befreiung der Arbeitskraft von allen Hindernissen und Beschränkun gen ihrer Bewegung, weil der wahre Fortschritt jeder Nation in der Arbeit und speciell in der möglichst selbsteigenen Verarbeitung der inländischen Rohproducte liege. Zur Sicherstellung dieses letzte ren begehrten diese praktischen Gelehrten für das eigene Land den Schutzzoll, ja sie schreckten selbst vor der Rechtfertigung von Prohibitionen nicht zu rück, sobald es sich darum handelte, einen bestimmten Industriezweig, resp. die Selbstverarbeitung einhei mischer, oder fremdländischer Rohproducte gegen die Ueberlegenheit einer anderen Nation zu erhalten, oder zur Entwicklung zu bringen. Und noch heute hat England, obwohl schon längst auf dem Punkte, seine gejammte Einfuhr von fremdländischen Pro- ducten mit einheimischen Fabrikaten zu bezahlen und von letzteren noch einen bedeutenden Ueberschuß zu exporliren, seine Zollschranken, nicht etwa bloß seiner Finanzzölle wegen, sondern auch zum Zwecke des Schutzes jener wenigen Industriezweige, welche ihm einer solchen wider die ausländische Concurrenz be dürftig erscheinen. Erst dann, wenn wir in Deutsch land ebenfalls dahin gekommen sein werden, wo England bereits steht, wenn wir keine Roh- und Halb- producte mehr exporliren, sondern unsere einheimische Bodenproduction selbst verarbeiten, und überwiegend nicht bloßdem Werthe, sondernauchdem Gewichte nach, Fabrikate auszuführen haben, erst dann haben auch wir Ursache, die Freihandelslehre Cobdens für den Waarenexport sowohl selbst anzunehmen, als in der übrigen Welt zu verbreiten. »Waldenburg, 12. August 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist am 11. d. früh nach öötägiger Abwesenheit im besten Wohlsein in Babelsberg ein getroffen. Nach der Rückkehr von den Manövern nimmt das Kaiserpaar einen mehrwöchigen Aufent halt in Baden-Baden. Nach der „N. Ztg." soll der Kaiser von den Nachrichten über die Vorgänge in Alexandrien sehr erregt gewesen sein und sich in ungemein entschie dener Weise darüber ausgesprochen haben. Prinz Wilhelm wird am Tage der Enthüllung des Prinz-Albert-Denkmals in Wilhelmshaven am 16. September im Auftrage seines kaiserlichen Großvaters die Taufe des Avisos „Ersatz Grille" vollziehen. Man ist dort bereits mit den Vorbe reitungen zum Stapellauf des Aviso, der eine Armirung von 2 Geschützen und Maschinen von 2700 indirecten Pferdekräften erhalten soll, eifrig beschäftigt. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen Erlaß des Kaisers, der sich höchst schmeichelhaft über die Verwaltung der Reichspost und Tele graphie äußert und allen betheiligten Beamten den Kaiserlichen Dank ausspricht. Die Angelegenheit des factischen Schutzes des Suezkanals dürfte, nach der „Kreuzztg.", da es sich wohl um ein Zusammenwirken, daß eben that- sächlich den Kanal pasfirende Schiffe gegen etwaige Gefahren geschützt werden, nicht aber um corporative Maßnahmen handelt, kaum mehr irgend welche Schwierigkeiten bieten. Dasselbe Blatt erklärt die Nachricht, daß in Anlaß der egyptischen Wirren die bisherigen Dispositionen über die Hebungen des Panzer-Geschwaders eine Aenderung erleiden dürften, sowie auch die Nachricht von der Entsendung neuer Schiffe, wie der Korvette „Gneisenau" nach dem Suezkanal sür entschieden unbegründet. Außer den Kanonenbooten „Habicht", „Möve" und neuerdings „Cyclop" und der Korvette „Nymphe" scheint keine Verstärkung der deutschen Streitkräfte in den egypti schen Gewässern beabsichtigt zu werden. Das Ge schwader werde seine Schießübungen beenden und dann wird die Jnspection erfolgen. Es sei jetzt bestimmt worden, daß die Kanonenboote „Habicht" und „Möve" auch für den Herbst in Egypten bleiben. Die zur Reserve zu entlassenden Mannschaften wür den Alexandrien bez. Port Said abgelöst und die Ablösungsmannschaften dahin befördert werden. — Dagegen trifft die offizielle Nachricht ein, daß die gedeckte Korvette „Gneisenau" und der Ayiso „Ziethen" zur Entsendung nach dem Mittelmeer in Dienst ge stellt werden. In dem Vierteljahrsberichte über die gesammten Wissenschaften und Künste erörtert Admiral von Henk in einer umfangreichen Abhandlung den Werth der Panzerschiffe unter Benutzung der in Aiexan- drien gemachten Erfahrungen und kommt dabei zu folgenden Schlüssen: 1) Ungepanzerte Schiffe sind nicht im Stande, den schweren Schiffs- und Küsten geschützen gegenüber ein Gefecht von einiger Dauer zu unterhalten. 2) Die Panzerung mindestens der vitalsten Theile der modernen Schlachtschiffe ist nothwendig, da sie auch heute noch im Allgemeinen einen gewissen Schutz gegen die Geschosse der mo dernen Schiffsartillerie gewährt und sür erstere da her unentbehrlich. 3) Sporn und Torpedos sind zwar formidable, nicht zu unterschätzende Waffen für das Seegefecht, jedoch beide nicht im Stande, die Artillerie als Hauptwaffe zu ersetzen. „Das aber" meint Herr von Henk, „ist vorherzusehen, daß in den Seeschlachten der Zukunft neben den eisernen Kolossen und unter ihrem Schutze auch schnelle klei nere Fahrzeuge, vor allen Dingen aber Torpedo boote ihren Platz finden werden, namentlich da, wo es sich um Blokaden oder Landungen handelt, wenn auch ihre Verwendung auf offener See nur als eine bedingte bezeichnet werden kann. Es ist dies um so beachtenswerther für eine Marine, deren Zweck im Kriege ein so wesentlich defensiver ist, wie es bei der deutschen der Fall sein wird. Der „Staatspfarrer" Sterba hat das Schreiben des Breslauer Fürstbischofs Herzog beantwortet. Er fordert Aufschluß über das fürstbischöfliche Vor gehen, zumal auch dem Kirchenvorstande ein Aviso zugegangen sei, welches ihn im Genüsse des Pfarr- beneficiums beeinträchtigen dürfte. Falls ihm binnen Monatsfrist eine Aufklärung nicht zugehen werde,