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Die immer mehr überhand nehmende schriftstellerische Richtung der Frauen ist nachgerade zu einem Gegen stände geworden, welcher des Bekämpfens werth scheint; die lange von den Fesseln des VorurtheilS eingeengten Seelen find fich ihrer angeborenen Schwin gen bewußt worden und prüfen hier und dort ihre Kraft. Anfangs ließen das die Herren der Schöpfung geschehen; fie lächelten halb ironisch, halb gut- müthig über die Strcifzüge der Tauben, bis die kühne Lerche Bettina sich jubelnd aufschwang in den blauen Aether und aus ihrer Höhe herab ihre be freiten und befreienden Töne schmetterte. Bald darauf, nachdem sie staunend der Kraft dieses Genius gehuldigt (Ler fie im Sturm zur Begeisterung hinge rissen), erklangen aus dem Grabe die tief ernsten schicksalsschweren Worte Rahel'S, und fie erkannten, welche Tiefe der Seele, welche Schärfe des Ver standes, welchen Reichihum des Geistes, noch außer „dem reichen Schatz von Lieb' und Treue", der Busen einer Frau bewahren kann. Hatte Bettina fie hingerissen, so wurden fie durch Rahel zur Uebcrzeugung geführt, und die beiden Zwillingsgestirne waren feierlich ausgenommen in die Reihe der glän zenden Planeten. Wie cS aber immer geschieht, daß schwächere Geister den stärkeren nachstreben, so hatten viele mehr oder weniger bedeutende Talente, durch die glänzenden Erfolge der beiden Gefeierten angeregt, mit größerem oder geringerem Glück fich auf die gefährliche Bahn gewagt. Die beiden her vorstechendsten Erscheinungen der allcrncucsten Zeit, die Gräfin Hahn und und Frau von Palzow, machten bald in anderer Richtung die entschiedenen und unabweisbaren Rechte ihres Talentes geltend. Die Gräfin Hahn, in glänzend spiritueller, vornehm dedaigneuser Weise, zugleich abstoßend und anziehend, widerwärtig und graziös, herzlos und seclenvoll, baute eine so prächtige schillernde Brücke über die Zerrissenheit ihrer Seele, daß wir über dem blendenden Farbcnschmelz den Abgrund vergaßen und über den poetisch beleuchteten Thränentropfcn das trostlose Grau übersahen. Frau von Palzow, weniger spirituell, aber gemüthreichcr, weniger glänzend, aber inniger, wußte durch die historische Unterlage, welche sie ihren Erscheinungen gab, in weiteren Kreisen dauernder zu fesseln. Godwiecastle, St. Roche führten eine Reihe interessanter Bilder und Verwickelungen an uns vorüber, Thomas Thprnau aber zeigte uns zugleich mit der Höhe, welche das Talent der Verfasserin er klommen, den Abweg, in welchem eS fich zu verlieren drohte, die Breite; und Iakob van der NeeS bestätigte bald darauf diese Furcht. Die siegreichste Autorität der Welt, die Mode, hatte fich der beiden Namen bemächtigt und fie auf ihren Thron gesetzt, in so glänzende Gewände gehüllt, daß die Menge darüber der reineren Höhe, in welcher Bettina und Rahel thronen, vergaß. Aber die Mode ist launisch; sie trägt bekanntlich ein Schwert und schlägt heute das Haupt herab, das sie gestern bekränzte. Gestern war die Hahnen feder der modernste Schmuck, heute denkt man daran, daß fie ein Abzeichen Mephisto'S ist. Den Fluch des Dämonischen ließe fich die Gräfin schon ge fallen, nun aber tritt die ihr immer, nicht nur aus ästhetischen Gründen, ab geneigte Kritik an die Seite der schon schwankenden Mode und bestrebt fich, fie mit dem Fluche der Lächerlichkeit zu belegen. Sie hält ein Haarsieb in den Händen, schüttelt und rüttelt den im Orient gesammelten Wüstensand, daß eine Staubwolke in die Luft wirbelt, welche der Zuschauer Blicke trübt, und behält die Diamanten für fich. Die undankbare Menge, welche kein eigenes Urtheil hat und so gern jede Gelegenheit ergreift, dem weiblichen Talente den Stab zu brechen, ist plötzlich von der Albernheit der Gräfin eben so überzeugt, als fie es noch ganz kürzlich von ihrem Geiste war, und glaubt nun ihren gesunden Geschmack nicht besser beweisen zu können, als indem fie mit voller Kehle in den hämischen Lachechor einstimmt. Bei dieser Gelegenheit wird denn natürlich über Bausch und Bogen der Schriftstellerei der Frauen, die in Deutschland ohnehin auch unter den Gediegensten noch so viele Widersacher hat, der Stab gebrochen. Ja, man geht so weit, daß man den Frauen die angeborene Poesie abspricht, wie ich dies dieser Tage in einem sonst geistreichen Aufsatz der Europa, der die Unterschrift Landimann trug, gelesen. Da heißt es unter Anderem: In Deutschland sep die weibliche Schriftstellern eigentlich so verpönt, daß eine Frau sich ihrer Weiblichkeit geradezu begebe, die als Schriftstellerin auftrete. — Daß der erste Satz richtig steht, gereicht unserem Vaterlande eben nicht zum Vorthcil und trägt gewiß nicht wenig dazu bei, manches frische Talent in seiner Entwickelung zu hemmen. Ja, ich möchte hierin den Grund der durch den Verfasser erwähnten Erscheinung finden, daß Deutschland in dieser Beziehung anderen Ländern, namentlich England und Frankreich, weichen muß. Es gehört viel Inspiration, viel tief wurzelnder Glaube an den inneren Beruf dazu, um dem so mächtig waltenden Vorurtheil zu trotzen, um die innersten Blüthenkeime der Seele dem tödtenden Nachfrost der Kritik zu übergeben. Wenn es in dem bewußten Aufsatz außerdem heißt, daß in Deutschland nur die Myrthenkrone den Frauen.Häuptern bestimmt sep, so möchte man geneigt s^pn, dies für Ironie zu halten, denn es liegt doch klar am Tage, daß die Mprthe immer seltener bei uns grünt. Daß aber manche fich ohne Beruf der poetischen Richtung hingebcn mag, ist kein hinreichender Grund, die übrigen davon abzuhalten; denn welche wissenschaft lichen Fächer der Männer, welche bedeutenden Staatsposten find denn nicht mangelhaft und verkehrt besetzt? — Und wie unverhältnißmäßig viel schlechte Dichter giebt es am Ende? Die Unvollkommenheit tritt ja überall hervor; warum verfährt man denn so hart mit ihr, einem Geschlecht gegen über, das ein doppeltes Maaß von Unvollkommenheit, die eigene und die männliche, von welcher die ihre so oft ausgeht, zu tragen hat. Wenn aber endlich der Satz aufgestellt wird: „nur durch die Flammen der Leidenschaft springt den Frauen die Poesie ins Herz", so ist dies ein Satz, der eine so ge ringe Erkcnntniß der weiblichen Seele voraussetzt, daß ich eigentlich lieber gar nicht darauf antworten möchte. Wenn der Verfasser unter dem Worte Poesie den göttlichen Funken versteht, der, als der schönste Schmuck der Seele, als ihr Talisman ihr mitgegeben ward auf die dunkle Wanderung, so glaube ich, daß der Frau vor Allem dieser Funke in die Seele gelegt ward. Versteht aber der Verfasser unter Poesie jenes flüchtig« moderne Feuer, jenes phospho rische Leuchten, jenes spirituelle Funkeln unserer Tage, so mag er Recht haben, daß sie durch die Flammen der Leidenschaft den Frauen ins Herz springt. Dann wird fie aber auch untergehen wie ein Meteor, fie wird ver glühen mit der Leidenschaft, fie wird versengen, statt zu heiligen. Wehe der Frau, welcher kein Funke von Poesie in der Seele ruht, welche die tiefsten Beziehungen ihres Lebens nicht mit Poesie auszufaffen weiß. Warum aber eine Dichterin durch ihre innigere Erkenntniß des Schönen und Erhabenen für die höchsten Aufgaben ihres Lebens untauglich werden sollte, ist mir nicht faß lich. Die Engländerinnen sind ein schöner Beweis des Gegentheils und neh men überhaupt eine bei weitem höhere Stellung im Familienleben ein, als wir, weil sie der edleren Sorge, eine würdige Gefährtin ihres Mannes und eine einsichtsvolle Erzieherin ihrer Kinder zu seyn, manche kleinliche Sorgen untcrordnen, welche so viele unserer deutschen Frauen als die Hauptsache zu betrachten gewohnt sind. Beispiele geistreicher und allgemein geachteter Schriftstellerinnen in England ließen fich gar viele auffinden; ich erinnere nur an Miß Edgeworth, Ladp Montague, Ladp Morgan und in neuester Zeit an die bewunderte, verehrte, geliebte Dichterin Felicia Hemans. Aber auch unser Nachbarland Belgien ist gerechter gegen das Talent seiner Frauen und huldigt begeistert der weiblichen Poesie in zwei seiner Repräsentantinnen, welche in verschiedener Richtung als harnionische Verschmelzung der Poesie und Weiblichkeit erscheinen. Die erste, Maria van Ackere, welche in vlac- mischcr Sprache schreibt, hat folgende Verse an den französischen Dichter Lebrun gerichtet: ' O glaubt es mir, die Frau verfehlet Die Pflicht um ihre Zither nicht; Je höher sie der Geist beseelet. Je fester knüpft sic's an die Pflicht. Maria van Ackere, geb. Doolaeghc, ist als Weib und Mutter, als echt ge- müthliche Hausfrau, eben so anerkannt wie als Dichterin. Ihre Gedichte Umlelieven, welche 1840 erschienen, find mit einer Begeisterung ausgenommen worden, die ihnen in Deutschland schwerlich geworden wäre. Die zweite, noch sehr junge Dichterin Belgiens, Louisa StappaertS, ist die liebenswür digste Offenbarung jungfräulicher Poesie; als Beweis davon ihr ebvix <le coeur, der aber an Grazie durch meine Uebertragung ins Deutsche ver loren hat: Herzcnswahl. Könntest, Jungfrau, d» aus allen Sternen in den blauen Hallen Wählen einen lichten Stern, Welcher wär's? — Den ich erwähle, Zu ihm schwingt sich meine Seele, Strahlt am nächsten bei dem Herrn.